Der Schatten über Petrophia - Matthew, Francesca
Statt auf seine persönlichen Motive einzugehen erläuterte Matthew Francesca die Situation seiner Gruppe. Richtig - er musste Teil der Operation sein, für die sie das Kommunikationsgerät hergebracht hatte, ansonsten wäre er wohl kaum hier. Das war ihr wegen des Zombies fast entgangen. Sie nickte lediglich hin und wieder auf seine Äußerungen. Insgesamt blieb ihr Gesichtsausdruck trotz der grotesken Schilderungen starr und unbeeindruckt.
„Und trotz all dieser Gefahren streunst du alleine los, um jemanden einen Gefallen zu tun? Entweder ist dieser Pay super reich oder du bist plötzlich lebensmüde geworden.“, erwiderte sie auf seinen sarkastischen Kommentar. So kannte sie Matthew wirklich gar nicht. Vielleicht war sein Adrenalinpegel mit ihm durchgegangen. Oder der Blonde erhoffte sich tatsächlich was davon. Das Bezahlen lag seinem Teamkollegen zumindest schon im Namen…
„Scheinbar hat meine Mission tatsächlich mit euch zu tun. Ich-“, fuhr sie fort, stockte dabei allerdings als Matthew den Ball des untoten Servols nicht zu halten vermochte. Sie beobachtete eindringlich, wie die Monsterkapsel davonrollte und in einer Pfütze zum Liegen kam. Vor einem Paar barer leichenblasser Füße. Francesca ließ ihren Blick langsam an der Gestalt hinauf gleiten. Dürre, knochige Beine. Ein grotesk geschwollener Bauch, in dem undefinierbare Bewegungsvorgänge ablesbar waren. Dann die fischig anmaßende Kehle.
Ihr blieb ein Kloß im Hals stecken, Francesca schnappte leise nach Luft. Diesem befremdlich humanoiden Wesen in die Augen zu blicken ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Bislang hatte sie ausschließlich Zombiepokémon konfrontiert. Doch nun kam es ihr so vor als würde sie der wandelnden Leiche eines Menschen gegenüberstehen. Erneut kroch ihr langsam, gleich im Zeitraffer wachsenden Schimmels, ein verzerrtes Grinsen über die Lippen. Matthew war schon vollkommen aus ihrem Wahrnehmungsbereich gedrängt.
Blitzschnell reagierte Winston, er stellte sich halb vor Francesca und streckte einen Arm vor ihr aus. Die nackte Angst stand ihm beim Anblick dieser grotesken Figur ins Gesicht geschrieben, sie ließ seine Illusion menschlicher wirken denn je. Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Lippen bebten als würde er jeden Moment am liebsten davonrennen. Nichtsdestotrotz strahlte er die Entschlossenheit aus, seine Herrin bis auf den letzten Funken seines Lebens zu verteidigen.
Dann sprach dieses… Ding. Seine Stimme ächzte wie ein rostiges Tor, doch die Tonlage war nicht ungleich einer menschlichen Frau.
Francesca zitterte. Der blanke Wahnsinn über diese faszinierende Beobachtung stand ihr nach wie vor ins Gesicht geschrieben. „Ah… ha. Hahahaha. Ha.“ Mit jedem Laut ihres steifen Lachens schien nur ein weiterer ihrer Nervenstränge zu zerreißen. Nichtsdestotrotz nahm sie Haltung an, legte eine Hand auf die Brust, während sie die andere einladend von sich streckte. „Danke für deine warme Geste… Freund. Es ist uns eine Ehre, Fuß auf geweihten Boden setzen zu dürfen.“ Sie spielte vollkommen instinktiv mit, dabei hielt sie die humanoide Gestalt starr im Blick fixiert. War es bloßer Überlebensinstinkt? Sie wollte jedenfalls wissen, was genau hier nun eigentlich vor sich ging. Kurz schielte sie zu Matthew, dann wieder zurück zu dem Wesen. Ihr Teamkollege wollte den Ball sicher wieder zurück, doch sie wusste nicht, wozu das Ding potenziell in der Lage war.
"Glaub es oder nicht, ich werde dafür nicht bezahlt. Pay ist ein Mitglied der Gruppe das nach Petrophia gekommen ist und sagen wir einfach der Gute war bereits ein nervliches Wrack bevor er seinen verschollenen Partner hier wieder entdeckte. Da ich keinen der Anderen für geeignet hielt Sas unauffällig zu schnappen, habe ich die Gruppe 'überzeugt', könnte man wohl sagen, diese Aufgabe zu übernehmen. Verflucht!", rief Matthew dann, als ihm der Ball aus der Hand fiel und davon rollte. Als er ihm nachjagen wollte, erschien eine fremde Frau. So wie sie aussah und redete war sie eindeutig eine Einwohnerin von Petrophia.
'Na großartig, genau das hat uns noch gefehlt.', dachte sich Matthew genervt. Da die Fremde keinerlei Anstalten machte sie anzugreifen, spielte er vorerst mit. Im Notfall waren sie immerhin in der Überzahl.
"Es ist uns eine Ehre. Würdet ihr uns auch verraten wer ihr seid? Seid ihr eine Einwohnerin dieses wunderschönen Ortes?", fragte Matthew mit einem charmantem Lächeln, während er auf den richtigen Augenblick wartete sich den Ball zu schnappen.
„Einwohner … und Verteidiger“, kam es danach von der grotesken Gestalt auf Matthews Frage. „Gegen die lästerliche Flut der Irrlehren, die unsere Einigkeit bedroht und bereits viele Freunde mitgerissen hat.“
Sie zog eine Miene, die finster hätte sein können, vielleicht war sie aber auch nur müde und krank. „Mich nennen sie Law of the Fish, und ich beuge mich nicht den silberzüngigen Versprechen, denen die angeblichen Kinder Gishs nacheilen, oh nein. Wir sind rein, das da“, sie schielte zum Pokéball, „war es nicht.“
Dann wandte sie sich ab, sodass der Regen nicht mehr direkt in ihr unheimlich glattes Gesicht schlug, und tat einige weitere spröde Schritte, um das Gleichgewicht zu wahren. „Gish hat uns gegeben, was wir in unserer verlassensten Stunde am dringendsten gebraucht haben“, sabberte sie mehr zu sich denn zu ihren Gästen, als repetiere sie Fakten, die man nicht vergessen durfte, „Gemeinschaft. Und das Geschenk war komplett, alle sagen es, sie sehen es auch!“
Seltsam belebt stolperte sie auf die Rüpel zu. „Sie sehen es, ich bin perfekt, so wie ich bin!“ Kaum hatten die Worte ihr Maul verlassen, wurde sie von einem heftigen Hustenanfall durchgeschüttelt, der erst endete, als sie sich dunkelrot auf den nassen Asphalt erbrach. Sie stieß noch einige Male auf, dann hatte sie ihre Fassung wieder beisammen und hob belehrend einen Zeigefinger, als wäre eben nichts passiert.
„Die Unterdrücker in ihrem Tempel, sie sehen dies nicht ein. Sie sagen, wir seien … unvollständig, Gishs Geschenk sei unvollständig. Khram! Unhold! Vergiftet unseren Verstand mit leeren Verlockungen, er…“, nun wirkte sie hellwach und stierte Francesca und Matthew in einer Mischung aus Manie und Verzweiflung an, bevor sie hilflos in die ungefähre Richtung des Kadavers gestikulierte, „er lässt Gish schänden! Sinnlose, blinde Anmaßung! Sie graben sie auf … entreißen ihr Innerstes. Gishs findet keine Ruhe, weil Khrams Sklaven ihr Fleisch zerfetzen!“
Voller Ärger fuhr der mit Schwimmhäuten ausgestattete Knochenfuß von Law of the Fish zu Boden, danach trat sie den Pokéball zu Matthew. „Darum … kämpfen wir. Es soll mir recht sein, wenn du den Knecht behalten willst – eine üble Trophäe, aber trotzdem eine Trophäe. Der Jäger hat seinen Meister gefordert, wir haben es gehört; wie dumm von ihm, alleine loszuziehen.“
Mit offenem Maul starrte sie die Rue Télégraphe hinunter und besann sich schließlich ein weiteres Mal.
„Ihr seid Menschen. Keine Emissäre… Aber ihr stellt euch gegen Khram, also seid ihr Freunde. Ich … muss mich beraten, wie wir mich euch verfahren wollen. Kchuwuwia!“
Der kratzende Ausruf brachte Leben in die heruntergekommenen Häuser hinter ihr. In den leeren Fensterhöhlen regte sich, nein, schlängelte etwas, bevor sich aus allen möglichen Löchern, Spalten und Ritzen in den Fassaden wurmartige Kreaturen zwängten und auf Law of the Fish zukrochen. Aus ihren Häuptern wuchsen scharfe Dornen oder Zähne, und während sie sich näherten, umschlangen sie sich gegenseitig, um sich gemeinsam weiter voranzuwälzen. Der Knoten wuchs und wuchs, entwickelte eine Eigenspannung und einzelne Ansammlungen der Kreaturen spreizten sich vom Kollektiv ab, um die Funktion von Beinen zu übernehmen. Als die Bewegungen der Würmer schließlich ruhiger wurden, hielt sich ihre Kolonie mittels drei verwundenen Wurmstämmen über dem Boden … oder fünf, gelegentlich auch sechs, denn andere Auswüchse stützten die Entität bei Bedarf ebenfalls. Sie war riesig und hatte ein ebenso riesiges Maul, ein regelrechter Schlund aus kreisförmig angeordneten Köpfen individueller Würmer, in dem es vor Augen nur so wimmelte, und diese Augen richtete sie nun auf die Rüpel.
„Wir sind Kchuwuwia!“ Es musste eine Art der Telepathie sein, mit der das Ungeheuer kommunizierte – denn ein Organ dafür war an seinem Körper nicht zu finden und die bemühten Geräusche, die Worten ähnelten, hatten definitiv in Matthew und Francescas Köpfen stattgefunden. „Khram sagt: Ketzer Kchuwuwia. Wir sagen: Guter Name. Was ist euer Name?“
Francesca schlug sich ihre Hände über die Lippen, als die humanoide Kreatur sich in ihren Erläuterungen plötzlich erbrach. Blut und Schleim - der Würdereiz kam in ihr hoch, doch sie vermochte es, ihn zurückzuhalten. Winston erzitterte und machte einen großzügigen Schritt zurück, löste dabei seine schützende Haltung auf.
Den Worten ihres Gegenübers schenkte Francesca so viel Aufmerksamkeit, wie sie konnte - sie benötigte jeglichen Kontext, wenn sie und Matthew noch heil aus dieser Sache rauskommen wollten. Zwar wirkte das Ding gebrechlich und krank, doch wer wusste schon, mit was es sich noch verbündet hatte. Hinter diesem Gish musste auf jeden Fall etwas stecken, wenn es einen Menschen zu… so etwas machen konnte. Außerdem verachtete es ähnlich ihrer selbst die Zombies…
Und so stellte sich Francescas Instinkt als zuverlässig heraus. Die Kreatur rief. Daraufhin kroch etwas herbei. Zahlreiche wurmähnliche Gestalten, die sich zusammenfügten. Ein unangenehm knisterndes Gefühl pochte bei dem Anblick in Francescas Schädel. Diese Bewegungen erinnerten sie an die unkontrollierten Pflanzenwüchse, die sie in ihrer Heimat erlebt hatte.
Langsam senkte sie ihre Hände von ihren Lippen. Dabei gab sie ein verzerrtes Grinsen preis. Oh nein. Das, was sich da zusammenfügte… war das ein Zombie? Das war doch kein Zombie, oder? Teile davon erinnerten sie auch an ein Pokémon. Jenes, das am Meer in Felslöchern lebte. War das eine Art Mutation? Ihr Herz drohte, ihr aus der Brust zu springen. Ihre Wangen erröteten. Das… das war doch…
„Unfassbar… herrlich!“, hauchte sie aus, als das Wesen telepathisch Kontakt zu ihr aufnahm. Sie riss ihre Arme auseinander als würde sie eine Umarmung empfangen. Winston starrte sie wie vom Blitz getroffen an, die Augen entsetzt aufgerissen.
„Oh Ketzer Kchuwuwia! Mein Name lautet Francesca Marcius. Ich habe es mir selbst zur Mission gemacht, die Welt von schändlichen Unreinheiten zu befreien und geschundene Seelen auf ihren rechten Weg zur Erlösung zu geleiten. Dabei Eure Gestalt zu erblicken beschert mir wahres Glück.“, rief sie gegen den Sturm an. Dabei deutete sie eine sachte Verneigung. „Nichts läge mir ferner, als dem hiesigen geweihten Land Schaden zuzufügen. Mein einziges Ziel ist Frieden.“ Ihre Emotionen waren über alle maße überzeugend. War das nicht vielleicht etwas… zu enthusiastisch? Was ging tatsächlich in ihrem Kopf vor?
Winston war erstarrt. Gleichzeitig konnte er jedoch nicht anders, als zu denken, wie typisch das mal wieder für seine Herrin war.
'Nein, ich bin raus.', hätte Matthew fast gesagt, hielt sich jedoch zurück. Stattdessen lächelte er weiter und dachte nach. Grish? Hatte er den Namen nicht schon mal gehört? Da fiel ihm die verstümmelten Überreste des menschenähnlichen Dings wieder ein. Sowie wie sie davon sprach hatte er eine Ahnung wer Gish war. Doch er hörte Namen die ihn bis jetzt noch nicht zu Ohren gekommen waren. Einer davon gehörte zu einer bizarren Kreatur die nur eine Mutation sein konnte. Aber von welchem Pokémon? Ihm blieb vorerst nichts übrig als mitzuspielen und mehr Infos zu sammeln. Francesca legte bereits eine erstaunlichüberzeugende Darbietung dar. Fast schon etwas zu glaubwürdig. Er räusperte sich und verbeugte sich während er eineen Arm an seine Brust legte und den Anderen ausstreckte, bevor er Kchwuwia ansprach. Dabei lies er sein Gegenüber nicht aus den Augen. "Es ist mir eine Ehre euch kennenzulernen. Mein Name ist Matthew. Ich würde zu gern mehr über euch und diesen verachtenswerten Kham erfahren. Ich schätze die Wesen die sich um Gish versamneln sind Anhänger Khams die Gish gerade ausschlachten? So ein Frevel kann nur schwer zu erragen sein. Wart ihr für die Strafe verantwortlich die dem früheren Meister dieses unwürdigen Wesens erteilt wurde?" Während er redete hob er Pokéball auf.
„… gut.“ Kchuwuwia hatte auf seine simple Frage offensichtlich keine so ausführlichen Antworten erwartet, wie Matthew und Francesca sie danach geliefert hatten. Die Vielzahl an verschlungenen Bithora wogte und pulsierte, als die Kreatur in einen Zustand fiel, den man wahrscheinlich als Nachdenken interpretieren konnte.
„Francesca! Frieden kann es nicht geben. Wegen Khram.“ Dann richteten sich die Augen im Maul auf Matthew. „Sagt: Er ist Augur der lichtlosen Einsicht – sagt: Gishs Kinder sind krank, müssen geheilt werden. Ja! Nein! Zerreißt Gishs tote Hülle, trägt die Splitter zum Turm. Warum, sagen wir? Damit Gish wieder lebt und ihre Kinder heilt, sagt Khram. Irrsinn! Wir sind nicht krank. Gish einte Meer und Land, machte aus Menschen Emissäre und aus uns Kchuwuwia. Als wir vereint waren, sagte Gish: ‚Es ist getan‘ und überließ die Welt ihren Kindern. Aber Khrams Anmaßung ist grenzenlos, sagt: Wir sind unvollständig, zweifelt die Erhebung an. Sät Zwietracht und Lügen und führt uns auf schändliche Pfade.“
Eines der Hinterbeine Kchuwuwias zog sich ein, um danach aus seiner Brust herauszuwachsen und die Gewichtsverlagerung in Richtung des Aquariums zu unterstützen. „Khram hat sich eingegraben. Verspricht seinen Schergen ‚Aufstieg zu den Sternen‘, wenn sie Gish ins Leben zwingen. Warum? Vielleicht Macht, vielleicht Wahn. Vielleicht die Ballung.“
Der Mutant machte eine gewichtige Pause, was Law of the Fish als Anlass nahm, Matthew eine Erklärung zuzusabbern. „Es war nicht unsere Strafe, auch wenn ich es wünschte. Es war der Jäger, eine böse Kreatur, die uns nachstellt und tötet, wenn wir nicht achtsam sind. Im Schwarm sind wir sicher, doch alleine verbrennt er uns. Khrams Diener sind überzeugt, dass ihr Aberglaube sie schützt, aber wir wissen es besser.“ Dramatisch schielte sie die Straße hinunter. „Wir suchen ihn zu vermeiden – er ist nur eine weitere Bestie, die unser Leben bedroht. Khram aber bedroht unsere Kultur, unser Seelenheil“, sie versuchte, das eben ausgebrochene Nasenbluten hochzuschniefen und schaffte es nicht, „und das Andenken an unser aller Ursprung.“
„Sie hören zu, aber sie können nicht verstehen“, schaltete sich dann Kchuwiwia wieder ein, „sie sind keine Emissäre Gishs. Wir sagen: Wenn ihr in Frieden kommt, empfangt Gishs Geschenk und begegnet uns als Gleiche.“
Law Of The Fish riss knackend die Arme hoch. „Ja! Als Gleiche! Wir werden eins!”
OT: Damit gilt der lang erwartete Partnerpost, der den Einstieg (oh mein Gott) in den separaten Arc von Francesca und Matthew bildet, als besiegelt. Vielen Dank für die Kooperation! Ihr kleiner Egotrip läuft ab jetzt weiter, während die Leitung noch evaluiert, wie und wann es um den Rest des RPGs steht.