Beiträge von Ulti


Pokémon Karmesin und Purpur sind erschienen!


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    Langsam einatmen, kurz halten, ausatmen.

    Wenn Blicke töten könnten-

    Sie biss sich auf die Zunge. Es war alles ok. Einatmen, halten, ausatmen.

    Ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handfläche. Sie zitterten unter dem Druck.

    Sehr gut machte sie das.

    Sie spürte, wie ihr Puls hämmerte.

    Noch ein Atemzug. Ein, halten, aus. Ein. Halten. Aus.

    Die Anspannung in ihren Körper schien sie zu zerreißen.

    Sie würde nicht nachgeben.

    Sie würde nicht nachgeben.

    Sie würde nicht-

    "Was zur Hölle war das eben?! Bist du des Wahnsinns?!" Verdammt. Die Worte schnitten scharf durch die abgestandene Höhlenluft. Sie hatte Belaine abseits der Gruppe gezerrt, um Aufsehen zu vermeiden. Ein sinnloses Unterfangen, huschten nun doch manche Augen zu ihnen herüber. Eve ließ sich davon jedoch nicht abbringen, ihrem Entsetzen weiter Gehör zu verschaffen.

    "Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?! Hast du überhaupt eine Ahnung, wie lebensgefährlich das war? Das hätte ins Auge gehen Du hättest sterben können! Denkst du überhaupt über irgendetwas jemals nach? Kannst du das oder wurden andere dafür bezahlt, dir diese tragische Last früh abzunehmen?" Sie hielt inne, holte Luft. Das war nicht notwendig gewesen, unangebracht. Unter der Gürtellinie und sonst gar nicht ihre Art. Doch das war in diesem Moment gleichgültig.

    Ihr Blick bohrte sich in Belaines helle Augen. Brodelnde, fassungslose Wut hielt sie an der Kehle gepackt. Schon seit Kalypso sie angehalten und ihre Emotionen somit eine Chance hatten, sie einzuholen. Ihre Gedanken rasten seitdem umher, verzweifelt versucht, die Dummheit, die sie soeben miterlebt hatte, zu verarbeiten.

    Die Papiertüten in ihrer Hand knisterten laut, als ihre Finger sich in sie gruben; kramphaft, als wären sie der Anker, an dem der Rest ihres Verstandes hing.

    Sie trat näher zu Belaine, die Kiefermuskeln sichtbar angespannt. Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf den Tunnel, dessen Dunkelheit die Gefahr, der sie soeben nur knapp entronnen waren, so irreführend verborgen hielt.

    "Verstehst du das überhaupt? Das war ein verdammtes Stolloss, das dich da hätte erschlagen können! Und du, du stellst dich mitten ins Geschehen und bettelst darum, von dreihundert Kilo zerquetscht zu werden?! Verdammt nochmal!" Bei den letzten Worten verlor ihre Stimme an Kraft, sie klangen heiser und frustriert.

    Das Adrenalin, das ihr zuvor Antrieb gewährt hatte, ließ langsam aber stetig nach und Erschöpfung machte sich seiner statt breit.

    Eve wandte sich ab. Sie zwang sich, tief durchzuatmen, ihre Wut zu zügeln. Ihre vorigen Worte hingen schwer in der Luft, während sich eine unangenehme Stille zwischen den beiden Frauen ausbreitete.


    Den unantastbaren Schutzkreis der Ignoranz, der in Tat und Wahrheit aber nur in der persönlichen Welt Belaines gänzlich undurchdringlich war, mit schockierender Bodenständigkeit durchbrechend hatte Eve ihre Kollegin gepackt und vom Krisenherd weggeschleift, noch bevor sich diese Luft verschaffen konnte. Und dabei sollte es vorerst bleiben: Eine so aus tiefstem Herzen kommende Schimpftirade hatte sie nicht mehr erlebt seit… Belaine konnte sich an kein vergleichsbares Erlebnis erinnern, selbst eingeweihte Berichterstatter hatten ihre Mühe, eine Standpauke dieser Intensität in der bisherigen Lebensgeschichte der Ms. Bates aufzuspüren. Der Schock hatte ihren Kopf leergefegt, der Schock, dass jemand so mit ihr redete, als hätte sie es verdient, mitnichten weil sie bereit war, die Situation aus einer anderen, womöglich klareren Perspektive als der ihren zu betrachten. Fassungslos starrte sie also Eve an, mit einem Blick, der dem des sprichwörtlichen Rattfratz vor dem Rettan nicht unähnlich war. Die Rügen prasselten auf sie ein, Belaine konnte sich nicht schützen. Gelegentlich zeigten sich kurze, intensive emotionale Regungen auf ihrem Gesicht, sie führten jedoch nirgendwo hin und erstarben so schnell wie sie gekommen waren.

    Ausgelaugt vor Empörung hatte sich Eve indessen abgewandt. Belaine öffnete den Mund, schloss ihn, dann öffnete sie ihn wieder und hatte noch immer Probleme, sich zu artikulieren. Stattdessen ließ sie ihre Gestik sprechen; instinktiv nahm ihr Körper eine defensive Haltung ein, sie streckte erst die Hand aus gegen Eve, nahm sie dann zurück und trat schließlich einige unkoordinierte Schritte zurück.

    „EX-“, doch sie war sich nicht selbst Herrin genug, um laut zu werden, „excuse… me?“


    Sicherlich hatte sie sich verhört. Sicherlich war nicht einmal die sagenhafte, phänomenale, unvergleichliche, nepotistische Ms. Bates derart anstandslos und illusioniert, ihr Ego über die Vernunft zu stellen. Ihr Kopf schoss zurück bei dem kläglichem Protestversuch. Wenn ihre Wut zuvor noch von Sorge und Panik befeuert wurde, waren es nun Empörung und Unverständnis. Sie verengte die Augen.

    "... Exc-... 'Excuse me?' Oh, don't you even dare." Die Worte kamen überraschend ruhig aus ihrem Mund, ruhiger, als sie es sich zugetraut hatte, doch auch um einiges frostiger, zynischer. Ihr Griff wurde eisern, wie ihre Finger sich tiefer in das Papier krallten, bereitete ihr allmählich Schmerzen. Undankbar.

    "Excuse you for what? Trying to dismiss me? Nearly killing yourself?" Sie presste ihre Lippen zusammen. Nein, sie würde nicht wieder ausfällig werden. Sie würde sich nicht auf dasselbe niedere Niveau wie Bates begeben. Sie war besser als das. Zum Narren gehalten fühlte sie sich. Hier stand sie, darum ringend, ihre brüchige Fassung unter Kontrolle zu halten, die Ernsthaftigkeit der Situation zu verdeutlichen - Belaine die Tragweite ihres Handelns bewusst zu machen. Doch ihre halbherzige Reaktion hatte sie zugleich schockiert und enttäuscht. Ganz offenbar lag ihr nichts Reue oder Einsicht - oder ihrer eigenen Sicherheit. Stattdessen schien Belaine sich lieber in ihre vertraute, kleine, unantastbare Blase der Ignoranz zurückzuziehen, wo sie immer hauste, wo niemand sie je erreichen konnte. Unfähig, angemessen zu reagieren; so, wie sie es nie tat, vollkommen gleichgültig, worum es ging. Schande. Weshalb gab sie sich überhaupt solche Mühe?

    Im nächsten Augenblick überwältigte sie die Resignation und auch der letzte Kampfgeist verließ ihren Körper. Ohne die Anspannung sackte ihre Haltung zusammen, die Knurspe fielen dabei beinahe zu Boden, wo ihr Blick nun ziellos und entmutigt umherirrte, im Versuch, irgendetwas haltsuchendes ausfindig zumachen.

    "Ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Ich dachte wirklich, du wärst vernünftiger..." Ein bitterer Unterton schwang in den Worten mit. Es war ohnehin hoffnungslos, was hatte sie sich dabei auch gedacht? So führte es zu nichts.

    Sie ließ die erstarrte Belaine stehen und sich einige Schritte entfernt erschöpft gegen die feuchte Felswand fallen. Sie benötigte jetzt einen Moment für sich, um das Geschehene zu verdauen, diesmal richtig, und ihre Ruhe hoffentlich wiederzuerlangen. Sonst sah ihr weiterer Ausflug düster aus. Sicher würde etwas Abstand Belaine auch guttun, ihre eigenen Gedanken zu sortieren.


    Eves wütender Ausbruch war das eine – ihre Enttäuschung, die gleich darauf über Belaine brandete, das andere; mit keinem davon kam sie klar. So viel Ablehnung auf einmal ertrug ihr ohnehin schon labiles Gemüt nicht, sieben Jahre der (diskutablen) Entwicklung verflüchtigten sich in einem einzigen Augenblick und auf einmal war sie wieder vierzehn und missverstanden vom gesamten Universum, alleine im Recht in einer Welt, in der ihr alle nur das Schlechteste wollten. Ihre Regression hin zu weniger erwachsenen Verhaltensmustern vollzog sich so gründlich, dass sie sogar mit dem Fuß aufstampfte.

    „Aber ich bin nicht gestorben!“, maulte sie in kindischem Trotz, die Stimme zunehmend zitternd und der Blick verschwimmend. Während die Tränen kamen, ging die kühle Berechnung, mit der sie sich ansonsten durch menschliche Interaktionen zu schlängeln vermochte. Eve hatte in ihrer ehrlichen Empörung ein Loch in die glänzend polierte, aber papierdünne Oberfläche von Stolz und Abgeklärtheit gerissen, und nun rauschte das ganze eklige, infantile, vorwurfsvolle, argwöhnische, verzogene und vor allem verunsicherte Reservoir dahinter durch besagtes Loch und erodierte dabei rasend schnell die Überreste der Staumauer. Denn tatsächlich war ein solcher Umgang ein absolutes Novum für Belaine, die sich mangels Erfahrung damit keinerlei Schutzvorkehrungen gegen einen solchen Notfall hatte aufbauen können – natürlich war sie auch schon in der Vergangenheit kritisiert worden, besonders hier in Alola, doch Ignoranz und Umbewertung hatten die Reaktion auf den resultierenden Schaden stets auf verschlossene Grübelei begrenzen können. Diesmal war es anders.

    Warum bist du so?! Ich hatte alles im Griff…!“

    Es war ein Vorwurf gewesen, doch Belaines brüchige Stimme, ihr gequälter Ausdruck und die laufenden Tränen entlarvten die Verzweiflung dahinter.

    „Ich- ich… don’t patronize me! Und, und das Glurak, wenn es jetzt verletzt wird, ich-“, es war ein Greifen nach Strohhalmen, ein haltloser Versuch, den Sinn hinter ihrem Handeln, das Belaine irgendwo im Hinterkopf tatsächlich mit jeder Sekunde achtloser vorkam, mit Händen und Füßen erklären zu wollen. Sie schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen, sank gegen die Höhlenwand, jaulte auf, als sich eine fiese Kante in ihren Rücken bohrte und rutschte ob dieser kosmischen Ungerechtigkeit einige Schritte davon weg, zu einem glatteren Abschnitt, wo wenigstens nicht auch noch die Natur gegen sie war.

    „… du hasst mich.“

    Dass Belaines bewusst aufrecht erhaltene Fassade der Exaltiertheit in sich zusammengestürzt war wie ein Kartenhaus bedeutete nämlich nicht, dass ihr Unterbewusstsein das Evozieren von Schuldgefühlen seinlassen würde – es war ihr letzter Trumpf, um die versöhnliche Reaktion aus Eve herauszulocken, die sie jetzt so dringend brauchte. ‚Nein, Belaine, ich hasse dich nicht‘, ‚Nein, Belaine, wir sind doch Freunde‘, ‚Es tut mir leid, dass ich so harsch war, ich habe überreagiert‘, einfach irgendetwas, das ihr Erleichterung verschaffen und die erdrückende Last, sich ein Upsi geleistet zu haben, von ihren Schultern nehmen würde.

    „Du denkst, ich bin nur dumm und“, sie schniefte und schluckte, „und unmündig und pretentious. Das denkst du nämlich.“

    Manipulativ hätte sich ebenfalls hervorragend in dieser Aufzählung gemacht, doch Belaine, zusammengesunken in den Scherben ihres Selbstbewusstseins, war naiv und bedürftig geworden.


    Die Vorwürfe waren kindisch und ehrlos. Ein letzter, sinnloser Akt der Rebellion, um das geheuchelte Selbstbild der Unfehlbarkeit aufrechtzuerhalten. Eine Charaktereigenschaft, die Eve bei jedem anderen mit Verachtung gestraft hätte. Doch Belaine wusste sich wahrscheinlich gerade nicht anders zu helfen. Was da neben ihr saß, das Gesicht verzogen und rot gefleckt vor Kummer und Hilflosigkeit, war nicht die schlagfertige, selbstverliebte Frau, die ihr Blut sonst so leidenschaftlich zum Kochen brachte. Sicherlich empfand sie den Verzögling des Öfteren als dumm und überheblich. Belaine schien ihr ganzes Herzblut lieber in die Maskerade der unerschütterlichen Egomanin zu gießen, die als Grundlage ihres Seins diente, als sich dem zu stellen, was immer darunter ungesehen schmorte. Alles nur, um einen sicheren Abstand zu ihren Mitmenschen zu wahren. In ihren Augen waren sie vielleicht eine Bedrohung, Täter, die ihr verräterisches Verbrechen nur noch nicht begangen hatten, weil sie keine Gelegenheit dazu bekamen. Der Gedanke stach ihr in der Brust. Wie ungerecht, wie traurig, wie... fruchtlos. Ein Teufelskreis. Es wäre nicht das erste Mal, das sie mit einer solche Denkweise und manchmal auch dem Grauen, in dem sie oft Wurzeln schlug, konfrontiert wurde. Unter all der Farce saß ein kleines, verängstigtes Mädchen, das sich weder zu helfen noch zu schützen wusste vor den himmelschreienden Ungerechtigkeiten, die ihm widerfahren waren, aufgezwungen von verletzten Kindern wie es selbst, die sich hinter der Gaukelei eines zuversichtlichen und fähigen "Erwachsenen" verbargen - als wären sie eine vertrauenswürdige Bezugsperson und seit jeher nicht selbst in Verlangen nach einer, die aufnahm, wo die eigene einst versagt hatte. Ein Trauerspiel, wie es sie zu tausenden auf der Welt gab, doch nichts, dem Eve trotz all ihrer medizinischen Expertise Linderung hätte verschaffen können. Vielleicht klang es herzlos, aber am Ende war jedes noch so arge Leiden eine Begründung, aber keine Rechtfertigung für falsches Verhalten. Und Belaines Wahl zur Flucht war nicht ihre Verantwortung.


    So ließ sie Belaine eine Weile weinen und behielt das Mitleid, das sie beim Anblick des Häufchen Elends verspürte, für sich. Ihre düsteren Gedanken jagte sie fort in das schwache Dämmerlicht, das sie umgaben, zu ihren unbekümmerten Kameraden, die sie um ihre Unbekümmertheit in diesem Moment fast beneidete. Tränen reinigen das Herz, hatte ihre Mutter früher immer gesagt. Damals, wenn sie selbst im Stillen geweint und sich dafür geschämt hatte, weil sie sich vor ihren eigenen Bedürfnissen entfremdet hatte.

    Ob sie das Richtige tat, wusste sie nicht. Eigentlich hätte sie herübergehen und Belaine in den Arm nehmen und ihr versichern müssen, dass alles gut war. Dass sie nichts falsch gemacht hatte, und es keinen Grund gab, nachtragend zu sein …oder nicht? Aber Belaine hatte etwas falsch gemacht und es war nicht alles gut. Hatte sie überreagiert? Eine Antwort darauf hatte sie nicht, doch die Stärke ihrer Reaktion, der Affekt, sprachen ausreichend für ihre Sorge und die gute Absicht dahinter, nicht? Hasste sie Belaine? Nein, natürlich nicht. Doch sie wusste auch, dass sie Belaines Versuche der Validierung nicht anerkennen durfte - das hatte sie in der Vergangenheit auf die harte Weise lernen müssen. Falsche Aufmerksamkeit würde den bestehenden Teufelskreis nur bestärken und auf die nässende, blutende Wunde ein Pflaster kleben, ihr aber keine Chance zur Heilung lassen.

    Die Stille zwischen ihnen war unerträglich. So gern sie Belaine eine Stütze gewesen wäre, sie wusste nicht, wie. Die Situation überforderte sie und etwas anderes zu behaupten, wäre eine glatte Selbstlüge gewesen. Wie konnte es überhaupt passieren, dass alles so entgleist war? Wäre Belaine nicht- Sie schüttelte rege den Kopf. Genug mit den Vorwürfen und der Wut. Das führte doch so zu nichts. Die folgenden Worte rutschten ihr mehr unreflektiert heraus, ihr Ton brüchig und gedankenverloren: „Ich hasse dich nicht, nur weil du einen Fehler gemacht hast, aber… warum hast du das getan? War es nicht offensichtlich, dass das gefährlich ist? Was war der Sinn dahinter? Ich verstehe es einfach nicht, verstehst du?“


    OT: Partnerpost mit Fatalis Pt. 1, ich bin müde

    okay ja ich poste es




    Ich bin zerrissen. Als einzige noch lebende Person mit der Befugnis Ulti H. zu kritisieren bin ich begeistert vom Hintergrund, dem Gesicht, den Haaren, der Korrumpierung, eigentlich von allem - bis auf die Pose, die... es halt gibt. Es ist der leidige Kompromiss, den man eingehen muss, wenn man zumindest etwas vom Charakter sehen will - gerade bei Naecan ändert sich ja genug 😢 - aber besonders dynamisch wird das Bild davon nicht. Themen, mit denen man sich beim Skizzieren auseinandersetzen müsste.


    💃 replace that brain 💃 it seems a bit deranged 💃


    Jedenfalls rast mein Boy ohne zu Blinzeln in die Insanity weil er vor acht Jahren einmal einen Vertrag unterschrieben und nicht nach dem Kleingedruckten gefragt hat, unglücklicherweise beschleunigt die Präsenz unseres Big Bad Evil Guys den Prozess. Ich habe in den letzten paar Sessions viel herumgeschrien. Steht eine Besserung in Aussicht? Nicht, solange ich noch Designideen habe, mit denen ich ihn quälen kann 😔

    The Hateful Dead - Gilian


    Sich verbünden? „Und dann wollen wir uns erst den halben Tag mit seiner Erziehung abmühen? Zeigen wir ihm doch einfach den Weg ins Jenseits… mit Nachdruck. Ich meinte, wir hätten Prioritäten? Puh…“ Gilian griff Star unter die Arme, hob sie auf die Beine und freute sich eigentlich ungemein darauf, seinerseits den Kampf zu den Wiedergängern zu tragen. Überhaupt war er es sich ja gewohnt, dass die matchentscheidenden Aktionen ihm zufielen, in seinem Eifer hatte er also nicht im Mindesten ein Problem damit, den Angriff anzuführen - insbesondere, wenn ihre Chancen so gut standen.

    „Also, der Schlüssel…“, begann er, an Martha gewandt, die musterte ihn kritisch, warf ihm dann aber dennoch etwas Unverständliches brummend den Schlüssel zu. Diesen an seinem Bändchen herumschwingend drehte er sich auf den Fersen zu seinem Team um und kramte im Gedächtnis nach Worten für einen schmissigen Einzeiler, einfach irgendetwas, das über den Umstand hinwegtäuschen würde, dass er wirklich keine Ahnung von Pokémonkämpfen hatte. Es kam nichts Gescheites dabei raus. Die Typenwechselwirkungen beherrschte er gerade so und eine Feuerattacke stand ihnen auch zur Verfügung, das musste reichen…Sofern man ihn einfach machen ließ.

    Gerade wollte er mit Star an Pay und Henri, die noch immer diskutierten, vorbeirauschen, als die Worte Letzterens unbequem in seinem Kopf widerhallten. Sein eben noch vorfreudig-sorgloser Ausdruck zog sich säuerlich zusammen und er blieb stehen.

    „Nein… würde ich nicht. Ich würde ihn beenden.“ Gilians Stimme war monoton und leise geworden, aus seinem auf den Boden fixierten Blick sprühte ein Bruchteil der ungeheuren Wut, die sich plötzlich in seinem Magen zusammengeballt hatte. Es war eine ziellose, unangebrachte Wut, die nichts mit ihrer momentanen Lage zu tun hatte, der durch Henris – wahrscheinlich beiläufig gestellte – Frage nach dem ausgerissenen Bein jedoch Tür und Tor geöffnet worden war. Seine angespannte Kiefermuskulatur sprach Bände über die Prozesse, die gerade hinter seiner Stirn abliefen. Nichts Geringeres als ebendiese Wut würde sie auch hinter der nächsten Tür erwarten, gewissermaßen ein Leidensgenosse, wild entschlossen, das ihm zugefügte Unrecht zu rächen. Entgegen aller Erwartungen zogen sich Gilians Mundwinkel nach oben zu einem merkwürdigen Grinsen. Wie poetisch. Wie poetisch, dass ihm diese seelenlose Hülle in ihrem Netz mit demselben Hass begegnen würde, der ihn antrieb! Ein schicksalhafter Kampf stand bevor, und der Sieg würde jenem zufallen, dessen Animosität heller brannte.

    Star hatte Gilians kurzweiligen Gedankenexkurs mitbekommen, doch der Funke war nicht übergesprungen. Sie blickte ihn skeptisch an, gab ein gurgelndes Geräusch von sich und tapste müßig in den vollgestellten Lagerraum, ihr Trainer folgte in grimmiger Verbissenheit. Sein Kampf.

    „Ich lösch‘ es aus!


    Taith steckte sein Smartphone weg und schaute Gilian hinterher. Irgendetwas war in ihn gefahren und er war sich nicht ganz sicher, was es war. Der Junge erweckte beinahe den Eindruck, dass er es persönlich nahm, dass ihnen ein Ariados den Weg versperrte – da er bislang mit niemandem aus seinem hastig zusammengestellten Trupp nähere Erfahrungen gesammelt hatte, schielte er leicht sorgenvoll zu Henri und Pay. „Kommt er zurecht?“


    Gilian indessen hatte Star den Plan schnell erklärt – ein besonders komplexer Plan war es nämlich nicht; er würde die Tür aufstoßen und sie alles versengen, was sich dahinter bewegte. Also holte er mit dem rechten Bein aus und trat mit voller Kraft gegen die Tür, worauf nichts passierte, denn besagte Tür schwang nach innen auf. Ärgerlich über die weitere Verzögerung der Auseinandersetzung griff er also zum Schlüssel, an den er überhaupt nicht mehr gedacht hatte, und schloss auf. Ein letzter Blick zu Star versicherte ihm, dass auch sie bereit war, dann drückte er die Klinke herunter und öffnete, wobei er sich so hinter die Tür stellte, dass er dem Pokémon draußen kein Ziel bot.

    Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen. Günstiger hätte ihre Ausgangslage eigentlich nicht sein können, jedoch nahm mit dem Öffnen des Hinterausganges Seltsames seinen Lauf: Ein unwirkliches Klirrgeräusch fuhr durch den Saloon und mit ihm eine transparent leuchtende, schachbrettgemusterte Mauer mitten durch die Gaststube. Sie schien keine Tiefe zu haben und zog sich vom Boden bis zur Decke sowie von einer Wand zur nächsten und womöglich sogar durch sie hindurch, während der Raum auf ihrer Innenseite – die Bar – von einem diffusen Licht erhellt wurde. Der Wasserhahn über dem Spülbecken, der eben noch quälend langsam vor sich hingetropft hatte, begann auf einmal wie verrückt zu rinnen, Getränkespritzer verdunsteten beinahe augenblicklich und das bisher überaus schwungvolle Pendel der altmodischen Uhr auf einem der Regale schien sich plötzlich wie durch Honig zu bewegen. Gilian indessen nahm bloß eine Veränderung der Beleuchtung wahr und dachte sich seinen Teil erst, als Stars Einäschern-Attacke ihr Ziel nicht gefunden hatte. Beunruhigt spähte er hinter der Tür hervor und traute seinen Augen nicht: Das Problem war nicht, dass der Feuerstoß nicht getroffen hatte – das Problem war, dass er noch nicht getroffen hatte. Im Schritttempo bewegte sich das Lodern ohne Hast auf das Netz zu, er konnte buchstäblich die Sekunden bis zum Einschlag zählen. Sekunden, die er nicht hatte.

    Nicht der gesamte Türrahmen war zugesponnen worden; zuoberst befand sich ein netzfreier Bereich, durch den sich das eindeutig untote Ariados mit einer Geschwindigkeit, die unter dem Wirken der Gesetze der Physik eigentlich hätte ganz und gar unmöglich sein sollen, drängte, dem Einäschern spielend auswich und sich auf Star stürzte. Sofort hatte es eine Nadelrakete abgefeuert, deren Trajektorie im Anbetracht des Tempos, mit der sie auf das Amfira einschlug, überhaupt keinen Sinn machte, während sein Opfer wie in Zeitlupe versuchte auszuweichen und dabei miserabel scheiterte. Einige lange Momente später traf die Feuerattacke auf das Netz und ein entsetzlich behäbiger Verbrennungsprozess stellte sich ein.


    Was ging hier vor sich?


    OT: Es sieht fast danach aus, als hätte Ariados Verstärkung... irgendwo. Was schnell ist, ist jetzt langsam - was langsam ist, ist jetzt schnell. Ihr wisst, was Bizarroraum macht. Ariados befindet sich jetzt innerhalb des Lagerraumes und die Netze vor dem (offenen) Ausgang sind dabei zu verbrennen. Der Lagerraum selbst misst 3x6 Meter, aufgrund der Regale findet sich aber weniger Platz zum Herumstehen, es ist ziemlich eng. In den Regalen stehen vornehmlich Getränkeflaschen, Nahrungsmittel und geschlossene Kisten mit Zeugs drin, wenn ihr etwas Bestimmtes benutzen wollt und euch nicht sicher seid ob es vorhanden ist schreibt mich an ✌️

    Hallo,


    das androgyne Äußere Gilians ist dir sehr gelungen und trägt maßgeblich zur speziellen Ausstrahlung des Charakters bei. Tatsächlich gibt es noch einige weitere Details, die erst auf den zweiten Blick auffallen und bei denen man sich fragt, was es damit auf sich hat. So gesehen etwa bei dem mechanischen Bein, während er selbst Sportschuhe trägt. Teile der Hintergrundgeschichte hast du auf diese Art kreativ eingebunden und machen noch mehr Interesse darauf, mehr zu erfahren. Übrigens scheint Gilian wohl ein Fable für halb offene Augen zu haben. Die Pokémon stehen ihm in der Hinsicht in nichts nach.


    Wir lesen uns!

    Deine Zeichnungen sehen echt beeindruckend aus!

    Das Granfornita gefällt mir am besten. (Warum weiss ich auch nicht, es ist einfach cool)

    Du solltest Manga Zeichner Mangaka werden!

    Danke tausend für eure lieben Worte und die Feedbacks 🙏 Ihr wisst, wie ich zu motivieren bin. Halboffene Augen gehören irgendwie zu meinen default Gesichtern, ich muss schon eine bestimmte Expression im Kopf haben, um nicht darauf zurückzufallen, hah.
    Ich fühle mich ja auch super geschmeichelt dass du in mir einen potentiellen Mangaka siehst, Lukadup, nur fehlt mir wahrscheinlich die Ausdauer und Hartnäckigkeit, um eine ganze Geschichte zu zeichnen... Im Moment bin ich noch happy damit, alle paar Wochen Gestalten in der Totale zu posten :D

    Wie lange hast du dafür gebraucht?

    Das ging eigentlich super schnell, iirc hatte ich nichtmal eine Skizze dafür - dürfte so um eine Stunde herum gewesen sein mit allen kleinen Änderungen, die da noch passiert sind. War eines dieser Bilder, bei dem ich meine Ansprüche zurückfahren konnte weil es nach hingerotzt aussehen sollte, umso mehr freut es mich, dass ausgerechnet dieses so gut aufgenommen wurde.


    Danke für eure Aufmerksamkeit 💜

    The Hateful Dead - Gilian


    „Das sollte sie wohl können…“, kam es gedankenverloren von Gilian. Nach Henris heftiger Reaktion auf seine – zugegeben, wenig diplomatische – Annahme schien seine erste Idee vom Tisch zu sein und es behagte ihm nur mäßig, dass das Pläneschmieden nun in fremden Händen lag. Wie dem auch sei. Zumindest hatte er Star nicht umsonst dieser… Umgebung ausgesetzt. Während er so über die jüngste Idee seines Kollegen nachdachte, ergriff Martha einmal mehr das Wort.

    „‘Türlich haben wir einen. Lasst mich nur kurz…“, sie nahm die Kasse unter den Arm und verschwand in einem Hinterzimmer. Durch den Lärm der Gäste war fein das Klicken und Riegeln eines Schlosses zu vernehmen, dann ein fremdes Kreischen, gefolgt von einem unverschämt nüchternen Ausruf der Wirtin und schließlich dem Knallen einer Tür. Gilian reckte auf seinem Hocker den Hals. Martha kehrte zurück, die Kasse unter dem rechten Arm und in der linken ein… Bein. Sie sah aus, als wäre ihr kurz vor einem Arbeitstag aufgefallen, dass der Tankpegel ihres Autos nicht mehr ausreichte – milde enerviert. Sie warf das Bein auf den Tresen und stellte die Kasse lautstark zurück auf ihren alten Platz. Glänzende Fäden wehten sachte um ihren Kopf.

    „Verdammte… Hey!“ Ihre Aufmerksamkeit galt nun wieder den Barbesetzenden. „Hinterausgang is‘ blockiert, son‘ ekliger Kriecher hat da sein Netz aufgespannt… Hat ihn aber was gekostet, heheh.“

    Unter den Spuren der Nekrose war die abgeschlagene Gliedmaße als einem Ariados zugehörig zu erkennen. Die Stelle, die sie einmal mit dem Rest des Körpers verbunden hatte, war platt und ausgefranst – Martha musste die Tür zugeschlagen haben, als der Angreifer gerade dabei gewesen war, mit einem seiner vielen Beine nach ihr zu schnappen. Die Herbergsmutter lehnte sich an das Spülbecken und wischte sich die Spinnweben aus der Frisur. „Also?“

    Ihre ungerührte Art stieß Gilian langsam sauer auf. Warum dies bei Henri nicht der Fall war konnte er gerade nicht bestimmen, und eigentlich war es auch mehr als egal. „Also?! Wir sitzen hier noch immer fest, wir-“, er atmete lautstark aus und schlug die Hände auf das Holz vor sich, Star blickte auf, mit ihrer Zunge dem Curelei entgegentastend. „Wir könnten durch den Haupteingang, Zauberblatt und lebendiger Schutzschild sind schön und gut, aber – oh, ich glaube weniger. Star hier ist stur, aber wenn ich mir die Leute hier so ansehe… Ich bin mir nicht sicher, ob sie das Durchsetzungsvermögen dafür hat. Was ich- was ich meine“, Gilian griff nach dem Bein und war unbeschreiblich froh, Handschuhe zu tragen, „mit einem Ariados werden wir fertig. Besonders stabil wirkte es ja nicht, und Netze verbrennen wir einfach. Ohne Netz dürfte es auch… wiederauferstanden nicht besonders flink sein.“ Sein fahriger Blick schweifte zu Taith, doch der war mit seinem Smartphone beschäftigt. Wenigstens würde man in der Basis nun wissen, wo ihre Überreste zu bergen waren. „Also, wir scheuchen den Pöbel vom Eingang weg oder wir brennen dem Kriecher ein Loch in den Panzer.“ Er stand auf und lockerte seinen Nacken. „Und sonst“, etwas seltsam Entrücktes verlieh seinem unangebrachten Grinsen einen unheilvollen Unterton, während er langsam die Hände zusammenschlug und Knockin‘ On Heavens Door in seinem Kopf spielte, „entfessle ich das läuternde Inferno eben alleine.“

    Star rülpste.


    The Hateful Dead – Gilian


    Bislang hatte Gilian den Mund nicht wirklich aufgebracht. Während der Hinreise war er stark ausgelastet gewesen mit dem Anstarren der Bootswand und nach ihrer Landung hatte er es tatsächlich fertiggebracht, Pays ausgestreckter Hand mit einer grüßenden Faust zu begegnen. Um die Situation dann nicht noch seltsamer zu machen hatte die nächste Bewegung im Zurückstreichen seiner Haare gelegen, die gescheiterte Bekanntmachung verfolgte ihn seither. Zumindest hatte sie das getan, bis sie Cromlexia erreicht hatten. Es war ein… Erlebnis, ohne Zweifel. Als Stadtkind hatte sich Gilian nie wirklich mit dem Landleben beschäftigt, umso überwältigter war er gewesen, mit besagtem Landleben gleich in solch vibrantem Ausmaß zu konfrontiert zu werden. Auf dem Weg in den Saloon hatte er die Augen und den Mund nicht mehr zugekriegt, erst im Inneren hatten ihn die Reaktionen der Gäste zu einer seriöseren Miene veranlassen können. Er hatte die Kneipe als Letzter betreten und sich die größte Mühe gegeben, den forschenden Blicken standzuhalten, während das Feuerwerk der Aufregung in seinem Inneren seine betont ungerührte Fassade einzureißen drohte. Oh, das war alles noch viel besser, als er es sich ausgemalt hatte. Die ausgetrockneten gelben Gesichter hinter dem Stumpenqualm, die knarzende Stimme des Banjos, die Ataraxie, mit der die Leute hier ihre Morgenstunden versoffen, der schiere Stumpfsinn, es war grandios. So fand er sich auch während Henri und Pays unterschiedlich erfolgreichen Versuchen, sich in die Szene einzufügen, noch in einer beobachtenden Rolle, sein begeistertes Grinsen etwas weniger begeistert forcierend.

    Als notorisches Leichtgewicht, einer Jugend des physischen Leistungsdruckes geschuldet, war er nicht allzu scharf darauf, sich einen Drink zuzuführen – überhaupt hatte er das Gefühl, dass jeder Atemzug in dieser Höhle seine Lebenserwartung drastisch verkürzte. Gilian neidete Vielen Vieles, und gerade neidete er den Dörflern ihre Gleichgültigkeit, mit der sie ihre Körper herunterwirtschafteten. Korsakow wäre aus dem Datensammeln nicht mehr herausgekommen… aber es war so authentisch. Diese schonungslose Authentizität fuhr gleich darauf wie ein Hammerschlag auf ihn herunter, als einer der Säufer von der Wirtin zu Rate gezogen wurde. Hätte Lucien nicht keinen Meter weit gesehen, so hätte er sich bestimmt von Gilians hemmungslos fasziniertem Starren provoziert gefühlt, doch die monumentale Aufgabe, die ihm aufgebürdet worden war – das Rekapitulieren der Ereignisse letzter Nacht – hielten ihn voll und ganz beschäftigt. Raue Sitten, von rauen Gestalten gelebt.

    Nach Luciens Monolog fühlte sich Gilian nicht wirklich schlauer als davor, insbesondere, weil der anscheinend nur eine Überleitung in die nächste Szene gewesen war; nach einer enthusiastischen Darbietung des Lokalpatriotismus schweiften die Laseraugen von Dionysos‘ Legionär nämlich nach draußen, wo plötzlich irgendein Aufruhr vonstattenging. Viel war nicht zu erkennen, vornehmlich aufgrund der Tintenschüsse, sogleich zielgenau die Fensterscheiben verklebten, doch Lucien, mit der Geschmeidigkeit von altem Leder, hatte nicht lange gefackelt und sich einen Überblick verschafft. Zu seinem Pech hatten die Angreifer ähnlich schnell gehandelt und diesen heroischen Akt ebenso spektakulär wie kaltschnäuzig unterbunden.


    Eigentlich war Gilian es gewohnt, auf sich schnell entwickelnde Ereignisse zu reagieren – eigentlich, denn die Ereignisse, mit denen er sich auskannte, spielten sich stets auch in einem Rahmen ab, mit dem er sich auskannte. Das hier war anders. Wäre Henris unverschämte Ruhe nicht gewesen, hätte er sich wahrscheinlich dem kopflosen Gezeter der restlichen Gäste hingegeben, so aber hielt ihn der absurd kühle Kopf seines Kollegen auf dem Boden der Tatsachen, wo er sich ansonsten nur ungern aufhielt. So cool. Er durfte nicht hinterherhinken, vor allem dann nicht, wenn er tatsächlich maßgeblich zur Entschärfung dieser durchaus unangenehmen Situation beitragen konnte. Aus seiner Tasche holte er Stars Pokéball und aus diesem Star. Sie materialisierte sich ausgebreitet auf dem Bauch liegend auf den Holzdielen und zischte die nächstbeste Person mürrisch an, rührte aber ansonsten keinen Finger. Gilian wandte sich mit erhobenen Augenbrauen an Henri.

    „Matschbombe, Einäschern, such dir etwas aus. Aber“, er blickte zu den verdunkelten Fenstern und der Tür, „solange die Tür dort der einzige Ort mit freier Schussbahn bleibt, dürften wir kaum als erste zum Zug kommen. Ich sage, die Scheiben müssen weg, sonst fällt ein Angriff eher… berechenbar aus.“

    Das war alles schön und gut, nur hatte Gilian herzlich wenig Lust, sich den Kämpfen weiter anzunähern und zu einem potentiellen Ziel zu werden. Dazu kam, dass Vandalismus eigentlich nicht in sein Gebiet der Expertise fiel, vielleicht aber in dasjenige von Henri.

    „Also, pardon die Annahme, aber du siehst aus, als… würden dir eingeschlagene Scheiben zumindest ähnlich viel Freude bereiten wie Ganze. Vielleicht lassen sich auch die Gäste hier motivieren, ich würde darum nur ungern…“, er hatte meine Haut riskieren sagen wollen, wollte sich dann aber für einen weniger feigen Wortlaut entscheiden, fand ihn nicht und verlief sich in ratlosem Gestikulieren. Schnell drehte er sich zu Martha um. „Ah, und was ist mit dem Hinterausgang? Bestimmt gibt es hier sowas, nicht?“


    OT: Mir ist aufgefallen dass unsere Mission noch keinen cleveren Namen hat und habe mich des Problems angenommen. Zumindest einem. Yeehaw, Aufholen!

    Sicher? Sicher nicht. Der könnte jetzt überall sein, am wahrscheinlichsten aber bereits unter der Erde. Aber…“ Sie setzte aus und suchte den Schankraum offenbar nach jemandem ab – und fand, was sie gesucht hatte: In der Nähe der Theke drängte sich eine Gruppe junger Männer um den Stammtisch und spielte Karten. Mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, orderte sie einen der Zecher zu sich. Dieser legte sein Blatt auf den Tisch, drückte seine Zigarette in den Aschenbecher und kam betont lustlos angeschlendert, Blick, Haltung und Aufmache wiesen ihn klar als Anwohner aus, ein zerzaustes Schwalbini hatte es sich auf seinem Kopf bequem gemacht. Die Herrin des Hauses beobachtete die beiden scharf.

    „Lucien hier hatte letzte Nacht Wachdienst. Lucien, erzähl unseren motivierten neuen Gästen hier doch mal von der… Abreise des Docs. Wohin er ist, wollen sie wissen.“

    Der Mann, der als Lucien vorgestellt worden war, hatte wirres schwarzes Haar, das in Kombination mit dem Vogelpokémon auf seinem Kopf an ein Nest erinnerte. Er schob sich einen Kaugummi in den Mund, kaute, kratzte sich an seinem Dreitagebart, öffnete den Mund jedoch nicht.

    „Mögen keine Schnüffler! Piep! Kommen gut zurecht! Steck Nase in Dinge, brich sie dir!“

    Es war durchaus eigenartig – seine stoische Trinkermimik hatte sich kein bisschen verändert, die Lippen noch immer versiegelt, doch das Schwalbini flatterte und zappelte. Hatte es anstelle des Mannes gesprochen…? Ein Putzlappen traf Luciens Gesicht, die Wirtin war nicht amüsiert.

    „Lass den Scheiß, Bürschchen. Uns allen hier tut es unendlich leid, dass du mit einem so nutzlosen Talent wie der Bauchrednerei gesegnet bist, aber das hier ist wichtig, klar? Wenn ich deinem Vögelchen den Flügel ausrenke, wirst auch du den Doktor vermissen.“

    Der verkannte Künstler verzog schmollend das Gesicht und lehnte sich an den nächsten Holzbalken. Auch er starrte unverfroren die Neulinge an, bevor er sich überwinden konnte, seinen nun offenen Mund zum Sprechen zu bewegen.

    „Seiens Bullen… oder so? Pfadfinder? Was wollen‘s überhaupt vom Doktor?“

    Von der Wirtin kam ein energisches Schnippen, sie wies ihn an, ihr den Lappen vom Boden zurückzugeben. Lucien, der die Hand, die ihn tränkte, nur ungern beißen wollte, tat wie geheißen und überreichte ihr den Fetzen. Sofort klatschte er ihm wieder ins Gesicht.

    „Vielleicht solltest du zur Abwechslung dein Federvieh zu Wort kommen lassen – käme bestimmt was Klügeres raus. Die wollen ihre Pokémon fixen, Grillenhirn. Und da sind sie hier nichtmal die einzigen, also spuck aus, was du gestern gesehen hast.“

    Lucien warf der Wirtin einen empörten, wenn auch schielenden Hundeblick zu. „Martha… wie grob.“ Bereits um diese Zeit roch sein Atem regelrecht brennbar, er senkte den Kopf und starrte Henri mit der überzeugten Theatralik eines Säufers durch die schwarzen Fransen an. Die Sekunden verstrichen, bevor er seine Worte beisammen hatte. Seinen Monolog begann er mit einem Rülpsen.

    „Der hat eine Szene gemacht, hat er. Wollten ihn aber nicht rauslassen, he-he-eh, weil… ist halt der Doc, den brauchen wir. Dann hat er rumgeschrien und“, Lucien gestikulierte wild, sein Schwalbini ebenso, „mich einen, einen - äh, einen… beleidigt hat er mich! Sagte, er geht…“, er stieß auf, „Runden laufen. Rund… herum. Oder so… Oder nein, er geht – ah, egal. Nein, warte, warte! Genau das wollt‘ er nich‘ tun, er wollte, ähhh. Wollte dings.“

    Lucien machte eine kreisende Handbewegung und hatte dabei Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Die Wirtin warf ihm einen genervten Blick zu, ebenso die Gäste in der Nähe. Doch der Strolch glaubte nun anscheinend, eine heiße Spur zum gesuchten Ausdruck zu haben.

    „Die Kugel… Form da, wenn sie flach is‘, du weißt, da wollte er… ging er hin, ja – ja wissens, also… jA SCHEISS DRAUF, OKAY?! DER HAT DAS TOR KAPUTTGEMACHT! Hat sein Pokémon gerufen, fieser Bastard, eh – äh, und der hat es weggehauen, einfach so – bam“, er stellte einen Armstoß nach, „und is‘ dann verschwunden. Hatte dann doch kein‘ Bock mehr, bin ich gegangen, Angie hat gesagt, sie repariert dann, uh…“

    Martha schüttelte den Kopf. „Das hätte sogar ich besser hingekriegt, und ich hab geschlafen. Aber so lief es wohl ab: Irgendwas ist in den Doc gefahren und er hatte es auf einmal höchst eilig, von hier wegzukommen. Richtig überzeugt war er wohl, fast schon besessen, wenn man den Idioten vom Wachdienst gestern glauben kann. Viel gescheiter als Lucien hier schien er sich ohnehin nicht ausgedrückt zu haben. Naja“, sie stützte das Doppelkinn in die Hände, „wenigstens haben sie das Tor wieder in Schuss gekriegt.“

    „Ohhh… ziemlich gut, was? Is‘ wieder wie neu, da muss der… ah, der Doc! Da muss er schon früher aufstehen, so wie ich, siehst ja, ich stehe immer früh auf, bringe… die Wirtschaft zum Laufen, alles sportlich, immer.“ Er zog seinen Rotz hoch und stieß die Faust in die Luft, „CROMLEXIA!“

    Seine Saufkumpanen am Tisch taten es ihm gleich und brüllten ebenfalls. Luciens Blick mäanderte zu den Fenstern. „Aber, hey, hey… Hey! Was‘ das für ein Radau da draußen, ein Tumult is‘ das! F-Furor! Seiens doch leise, hier is‘ man beschäftigt!“

    Der Alkohol hatte seinen Fokus auf der Erzählung zerstoben und auf die Ereignisse vor der Tür gelenkt, die inzwischen an bemerkenswerter Lautstärke gewonnen hatten. Auch den übrigen Trinkern und Spielern war es aufgefallen und sie reckten halb neugierig, halb apathisch die Hälse. Das Bauchrednertalent ließ sich nicht lumpen und torkelte sogleich zum Ausgang, einige besonders neugierige oder sorglose Gesellen folgten ihm. Doch noch bevor sie aus dem Halbdunkel der Taverne ans Tageslicht getreten waren, wurde besagtes Halbdunkel noch etwas dunkler: Mit einem Schlag – wortwörtlich, denn es knallte ganz beachtlich – waren sämtliche Frontfenster des Saloons von einer tiefschwarzen, viskosen Flüssigkeit verklebt, gegen deren verfinsternde Wirkung das Sonnenlicht nicht ankam. Lucien stolperte mit dem Übermut eines Mannes, der die Stimme der Vernunft durch chronische Zufuhr von diversen Spirituosen gewissenhaft ertränkt hatte, durch die Doppeltüren und wurde prompt von einem Solarstrahl niedergestreckt.


    Gelehrte der Kriegskunst sind sich durchgehend einig, dass Mauern im Angesicht fliegender Feinde obsolet sind. Aber sehr zum Verdruss aller Anwohner waren die Leute von Cromlexia weder in der Kriegskunst bewandert, noch hatten sie es bislang mit fliegenden Feinden zu tun gehabt – doch es gibt immer ein erstes Mal, und dieses erste Mal spielte sich gleich jetzt auf höchst dramatische Weise im gesamten Dorf ab: Die Zombies kratzten nicht länger an den Barrikaden – sie hatten allen Anschein nach ihre geflügelten und schwebenden Mituntoten dazu überreden können, sie ein kurzes Stück mitzunehmen, gerade weit genug, um innerhalb des Dorfes wieder abzuspringen. Die flugfähigen unter ihnen hielten sich nicht lange in der Luft, sei es ihren brüchigen und malträtierten Flügeln, dem Gewicht der zahllosen kleineren Untoten, die sich eine Überfahrt über die Mauern gesichert hatten oder beiden Faktoren geschuldet, sie stürzten ziemlich bald schon wieder ab, mit einer Gleichgültigkeit, die man unter den Lebenden nicht fand. Schlugen sie auf, sprangen ihre Passagiere sogleich ab und stürzten sich auf das nächstbeste Ziel, nur wenig später hatten sich auch die Transporteure auf die gebrochenen Beine gehievt und sich dem Angriff angeschlossen. Cromlexia fand sich mit einem Mal im Mittelpunkt einer ausgewachsenen Invasion – doch von der Angst und dem Schrecken, die ein solcher Überfall nach Monaten der relativen Sicherheit mit sich ziehen sollte, war nicht viel zu spüren. Im Gegenteil: Die Raufbolde, die das Dorf ihre Heimat nannten, schienen ganz und gar begeistert, endlich Dampf ablassen zu können. Unter Kampfschreien, Kreischen und Stöhnen hatte sich das streitlustige Nest innerhalb weniger Augenblicke in einen undurchsichtigen Sumpf aus Gewalt, enthusiastischer Selbstüberschätzung und Rücksichtslosigkeit verwandelt, durch den Pokémon-Attacken in alle erdenklichen Richtungen schossen. Da war ein altes Männlein, das sein Pampross die Hauptstraße herunterhetzte, fieberhaft darauf bedacht, so viele untote Invasoren wie möglich zu zertrampeln; zwei Mädchen mit Zöpfen, die zuoberst auf einer klapprigen Rutschbahn ein Sodamak anfeuerten, das die anstürmende Horde mit seiner Aquaknarre wieder und wieder die Rutsche hinunterspülte; und auf dem Dach des Gebäudes gegenüber dem Saloon thronte ein modriges Tropius, an dessen Hals anstelle von frischem Obst ein farbloses Octillery hing, seltsam sorgfältig verknotet, sein eines noch intaktes, aber nicht minder lebloses Auge starr auf den Eingang der Lichen Lounge fixiert. Dieses unheilvolle Gespann war es gewesen, das den Durstigen in der Lounge erst mit einer Octazooka die Sicht auf die Straße genommen hatte und nun dafür sorgte, dass niemand mehr unbeschadet den Schankraum verlassen konnte.


    Im Inneren des Saloons war die Hölle los. Auch der vernebeltste Taugenichts hatte mitbekommen, welches Schicksal Lucien ereilt hatte, aber noch hinderte der Schreck die gefangenen Haudegen daran, ihm zu folgen. Vorerst begnügten sie sich mit Gebrüll, Drohungen und Flüchen, Martha hingegen schloss die Kasse ab und schielte milde irritiert zu den Rüpeln. „Das hat jetzt besser nichts mit euch zu tun, Fremde. Aber wenn ihr schon hier seid, könnt ihr euch auch nützlich machen. Wenn ihr danach noch steht, geht Luciens Zehnuhrrunde an euch.“


    OOC: Ohje, ihr scheint in der Tinte, in der Falle und auch sonst überhaupt in keiner besonders reizvollen Lage zu sitzen. Vernünftig wäre es wohl, die Belagerung des Tropius zu durchbrechen - oder zu umgehen? Fenster gibt es im Untergeschoss der Lounge nur an der Front, Optionen hingegen schon mehr.

    [Cromlexia: Lichen Lounge - Vormittag]


    “Gar nichts hört man. Da achten wir drauf.“

    Die Wirtin brauchte Pay nicht zu korrigieren, sie war es, die dieses angeblich herausragende Bier den ganzen Tag ausschenkte und konnte somit mit Sicherheit sagen, dass das Bürschchen keine Ahnung hatte, was es da redete. „Wäre ja noch schöner sonst, bins mir nämlich nicht mehr gewohnt, Leuten mit Ansprüchen was aufzutischen. Also, tu dir den Gefallen und“, sie bückte sich, um zwei Flaschen unter dem Tresen hervorzuholen und machte dann eine Kopfbewegung gen Henri, „nimm dir ein Beispiel an deinem Kollegen hier. Das Bier ist nicht grundlos billig, will ich meinen.“

    Sie mischte den Drink, ohne vorerst ein weiteres Wort zu verlieren. Dann setzte sie ihn Henri vor, nannte ihm beiläufig den Preis und musterte erst ihn, dann den Rest der Gruppe scharf. Auch Sas wurde genau unter die Lupe genommen.

    „Hah, ziemlich dumme Zeit habt ihr euch da ausgesucht. Schade um das Häufchen Elend da“, sie zeigte auf das ermattete Servol, „der Doktor ist nämlich nicht im Hause.“ Sie schnippte mit den Fingern. „Weg, einfach so. Den hat seit gestern niemand mehr gesehen, die Leute reden schon. Soll letzte Nacht rausgegangen sein, niemand weiß, wohin… Schätze, ihr müsst warten, bis er zurückkommt.“

    Ein zweiter Bacardi Mojito, den die Frau in der Zwischenzeit zubereitet hatte, landete vor Pay.

    „Ist kein Top-Trank, aber vielleicht lässt’s deinen Liebling etwas weniger düster schauen. Macht dreißig.“

    Einige Momente lang starrte sie gedankenverloren das Servol an, dann beugte sie sich, die übrigen Gäste, die sich inzwischen wieder ihren eigenen Angelegenheiten zugewandt hatten, aufmerksam im Auge behaltend über die Theke.

    „Wisst ihr, vielleicht weiß doch nicht niemand, wohin Blanks gegangen ist. Vielleicht weiß es eigentlich ohnehin das halbe Dorf, weil er nicht unbedingt leise gegangen ist. Ich wünsche meinen Kunden ja nichts Schlechtes, aber ihr scheint mir zumindest nicht hilflos, also…“, sie blickte zur Decke, „kann ja nicht schaden, wenn jemand nach einem Mann von seiner Bedeutung sieht. Hey, er ist der Heiler hier. Ich für meinen Teil hätte nämlich nur wenig Lust, seinen Ersatz mit PDFs und Tiktoks in die Medizin einzuarbeiten – gibt hier nicht wirklich andere Fachkundige. Wenn ihr also arg Wommel im Arsch habt und ein paar Zombies euch keine Angst einjagen, könnt ihr ja mal bei den Gräbern im Süden nachschauen. Das Dorf würd‘s euch nicht übel nehmen. Sobald ihr ausgetrunken habt… und bezahlt, versteht sich.“

    Sie richtete sich auf und wandte sich wieder ihrem Putzlappen zu. So schien es zumindest, doch ein aufmerksamer Blick hätte erkannt, dass sie immer wieder zu den Rüpeln schielte, insbesondere dann, wenn eine Hand in die Nähe einer Brieftasche geriet.


    OT: Weniger ein Handlungsschritt als eine Reaktion, mehr folgt in Kürze ✌

    [Ybernagiums Basis: Konferenzraum – 05:40]


    „Die Situation ist ernst.“

    Den Anwesenden im abgedunkelten Sitzungszimmer musste dies nicht extra erklärt werden, ihre Gesichter spiegelten ihr Wissen um den Ernst der Lage deutlich wider. Vorstand Morgans stand am Kopf des Konferenztisches vor dem die gesamte Wand einnehmenden Bildschirm und vollbrachte das Kunststück, noch ein wenig verbissener zu wirken als der Rest des einberufenen Teams.

    „Vor vier Stunden erreichte uns ein Bericht von unserem in Cromlexia stationierten Feldagenten bezüglich Hinweise auf eine mögliche Präsenz einer Zelle in der Umgebung, gleich darauf brach der Kontakt ab. Zurückverfolgung des Signals war bislang nicht möglich, weshalb davon auszugehen ist, dass unser Agent entweder durch äußere Umstände gezwungen wurde, den Kontakt absichtlich abzubrechen – oder aber ihm ist etwas zugestoßen. So oder so können wir diese Entwicklung der Ereignisse weder tolerieren noch ignorieren.“

    Morgans drückte auf ihrem Presenter herum und ein Mann erschien auf dem Bildschirm. Er mochte um die dreißig sein, hatte zurückgegelte blonde Haare, einen Bart und trug unauffällige Outdoorkleidung und eine Fliegersonnenbrille.

    „Agent Quick Blanks, seit fünf Monaten in Cromlexia als Beobachtungsposten aufgestellt, öffentlicher Identität nach Betreiber eines provisorischen Pokémoncenters. Mit ihm sind auch unsere Augen und Ohren in Cromlexia verschwunden, ein Umstand, den wir nicht hinnehmen können.“ Sie machte eine Pause. „Das sind die Fakten, ich übergebe.“

    Sie blieb steif, wo sie war, bis sich der Boss erhoben und ihr den Presenter abgenommen hatte. Dann nickte sie knapp und setzte sich. Vito sah schrecklich überarbeitet aus.

    „Nun denn, ich komme gleich zum Punkt. Quick Blanks Verschwinden kommt uns… ungelegen; insbesondere jetzt, wo sich eine Zelle offenbart haben könnte. Doch wie Vorstand Morgans bereits erwähnte, können wir uns nicht erlauben, jetzt noch Zeit zu verschwenden. Unser verfügbares Personal ist momentan dünn gestreckt, ihr“, er wandte sich an die anwesenden Rüpel, „werdet daher bis auf Weiteres von euren momentanen Pflichten enthoben und Vorstand Taiths Trupp zugeteilt. Die Rückgewinnung des Agenten und die Sicherstellung der Zelle wird damit zu eurer obersten Priorität.“

    Besagter Vorstand winkte ihnen zu, Morgans löcherte ihn mit bösen Blicken. Auf dem Bildschirm öffnete sich eine Karte von Cromlexias näherer Umgebung und Vitos Laserpointer wuselte im Südwesten herum.

    „Der Landweg ist zu gefährlich und somit keine Option, ihr werdet daher das Dorf von der Küste her betreten. Sobald ihr angekommen seid, hört ihr euch nach dem verschwundenen Pokémoncenterbesitzer um – der Saloon“, er zeigte auf ein Gebäude im Dorfkern, „sollte eure erste Anlaufstelle sein. Kein Wort von der Zelle. Solange Quick Blanks‘ Status unklar bleibt, ist dies eine verdeckte Mission – also auch keine Uniformen. Ihr werdet euch als reisende Abenteurer ausgeben, deren Pokémon Heilung benötigen. Hört euch nach dem Leiter des Centers um, findet ihn. Sobald ihr ihn habt, unterstützt ihr ihn nach Kräften, um die Zelle ausfindig zu machen – wenn es denn tatsächlich eine gibt. Falls Agent Blanks nicht mehr…“, er überlegte kurz, „verfügbar ist, besteht eure oberste Priorität in der Sicherung der Zelle. Es gelten die üblichen Missionsprotokolle.“

    Die Karte zoomte heraus und der Menhir-Weg tauchte auf. Vito trat einen Schritt auf den Bildschirm zu und wandte dem Team den Rücken zu.

    „Im Süden von Cromlexia befinden sich uralte Gräber. Die Konzentration von Zombiepokémon ist regelrecht absurd in dieser Gegend – vermeidet sie, so gut es geht.“ Dann drehte er sich wieder seinem Publikum zu. „Virgo?“

    Ein beinahe unhörbar hohes Rauschen erfüllte den Raum, als sich Virgos Sprachmodul einschaltete und sie ebenfalls von ihrem Stuhl aufstand.

    „Information: Laboruntersuche belegen, dass Zygardezellen mit Ungleichgewichts-Phänomenen interferieren. Präsenz der Zellen dämpft den Resteinfluss von Xerneas wie auch Yveltal. Aktivität von Zombiepokémon sinkt durch Aussetzung von Zygardezellen bis hin zu Stupor, erhöhte Empfänglichkeit für äußere Autorität. Zustand nimmt mit zunehmender Entfernung zu Zellen ab.“

    Vito nickte. „Wir fanden heraus, dass die Untoten in der Nähe von Zygardes Zellen träge und fügsam werden – behaltet das im Hinterkopf, wenn ihr nach ihr Ausschau haltet.“

    „Einwurf: Genau das hatten wir doch gesagt.“

    „Ja… danke.“ Der Boss warf einen angespannten Blick auf seine Uhr und fasste dann wieder die Rüpel ins Auge. „Meldet euch bei euerm Vorstand in zwanzig Minuten beim Tauchboot. Wir verlassen uns auf euch… enttäuscht uns nicht.“

    Der letzte Satz war dem Wortlaut nach ein Befehl gewesen, doch Vitos sorgenvoller Ton hatte daraus eher eine drängende Bitte gemacht. Damit leerte sich der Raum.




    [Küste vor Cromlexia – 08:25]


    Taith hatte den Anker in einer winzigen, felsigen Bucht ausgeworfen und sogleich die Luke geöffnet. Behände war er aus dem Tauchboot geklettert und balancierte nun auf der glatten schwarzen Oberfläche, während er enthusiastisch seinem Trupp aus dem Gefährt half.

    „Sieht abgelegen genug aus“, schrie er gegen den salzigen Wind, der ihm durch die schwarzen Haare fegte, „Aber wir sollten trotzdem zusehen, dass wir von hier wegkommen. Hier draußen wollen uns nicht nur die Pokémon an den Kragen.“

    Es stimmte: Während in Cromlexia selbst zwar die Ordnung durch eine motivierte Miliz aufrechterhalten wurde, suchten außerhalb des Dorfes Gesetzlose und andere Halunken ihr Glück. Mit einem gewagten Satz hatte er sich zu einer seichteren Stelle befördert, und als die letzten Passagiere von Bord gegangen waren, drückte er schwungvoll auf dem Schlüssel herum und das Boot verschwand mit zwei knappen Pieptönen in den Fluten.

    Dann galt es, die Küstenklippen zu bezwingen. Glücklicherweise nisteten hier nur ein paar Wingull, deren Gekreisch zwar unangenehm war, die Gruppe beim Aufstieg aber nicht weiter behinderte – selbst mit nassen Füßen. Oben angekommen war es nur noch ein Mauzisprung, bis die mit Holzpalisaden verstärkten Steinmauern Cromlexias in Sichtweite gekommen waren. Am Rande des dornigen Waldes, den sie eben passiert hatten, hielt Taith an und wies sein Team mit erhobener Faust an, dasselbe zu tun.

    „Jetzt gilt’s. Aber vorher noch – seid auf der Hut. Dieses Kaff hier ist einer der wenigen Orte, denen es in letzter Zeit nicht kontinuierlich beschissener geht, das will was heißen. Die Leute hier schlagen sich nicht so passabel, weil sie zimperlich sind… Ziehen wohl auch eine Menge anderes Gesocks an, das ein wenig Profit aus den Überresten der Region schlagen will; Plünderer, Halsabschneider, Glücksritter und die paar Wahnsinnigen, die in den Süden wollen.“ Er musterte die Rüpel, die allesamt einen Tick zu sauber aussahen. „Wir werden auffallen. Also bleibt zusammen und sagt nichts, was irgendwie als Provokation aufgefasst werden könnte.“

    Dann gingen sie zum Tor.

    Es war zu. Eine schmutzige Frau mit weitem Hut reckte den Kopf über das Geländer des rustikal zusammengezimmerten Wachturms daneben und krähte herunter.

    „Heey! Hab euch gar nicht rausgehen sehen.“

    „Waren die ganze Nacht draußen! Kannst deinen Kollegen fragen“, rief Taith zurück.

    „Was gefunden?“, wollte die Wache wissen und spuckte über die Brüstung. Taith warf ihr ein Handy hoch. Es vergingen einige Momente.

    „Das‘ ja kaputt!“

    „Die guten Sachen werf‘ ich bestimmt nicht herum.“

    „Konnte es ja mal versuchen. Na gut, dann kommt rein.“

    Wieder verstrichen die Sekunden, dann schwang das massive Holztor einen spaltbreit auf und der Trupp zwängte sich hindurch. Ein ausgemergeltes Absol schlich sogleich um die Rüpel herum und beschnüffelte sie, schien aber nichts Gefährliches ausmachen zu können. Man ließ sie in Ruhe weiterziehen.

    Die Sonne stand inzwischen höher am Himmel und warf ihre bleichen Strahlen auf das belebte Dörfchen. Feste Straßen gab es hier keine, nur ausgetretene brache Flächen überall dort, wo sich die Anwohner und ihre Pokémon öfters durchbewegten. Neben den heruntergekommenen alten Häuschen fanden sich zahlreiche Neubauten aus Holz, Stein und Blech, was auch immer man sich eben habhaft geworden war. Vor den Behausungen saßen auf zusammengebastelten Holzterrassen kämpferisch wirkende Menschen und Pokémon, die sich unterhielten, Waren feilboten, werkten, sich prügelten oder einfach in die Leere starrten. Die Atmosphäre war, so schäbig sie auch erschien, geschäftig und lebendig – die Zivilisation und ihre Grenzen waren in den letzten Monaten stetig weiter geschrumpft, doch in Cromlexia wucherte sie zwischen Staub und Schmutz beharrlich vor sich hin.

    Während das Team den Hauptweg entlangging, zog es Blicke auf sich. Trübe Augen unter breitkrempigen Hüten observierten die Rüpel, abschätzend, ob etwas und wieviel aus diesen Gestalten zu holen war, hinter vorgehaltenen Händen tuschelte man und zwischen behelfsmäßigen Vorhängen aus Stofffetzen oder Bauplanen blitzen Blicke voller Arglist – doch letztendlich hatten die Dörfler allesamt Besseres zu tun, als sich mit den Fremden abzugeben. Am Ende der Straße befand sich der Saloon, ein großes Holzgebäude, dessen Fassade wohl eine gewisse Noblesse hätte ausstrahlen sollen, aber nicht einmal überall gestrichen war. Eine Doppeltür führte hinein, Taith trat ein.

    Die Geräusche der Gäste waren bis auf die Straße zu hören gewesen, als das Grüppchen jedoch durch die Tür getreten kam, erstickten sie bemerkenswert schnell in einem misstrauischen Schweigen. Nahezu die gesamte Gesellschaft der Kneipe schaute von ihren Getränken und Kartenspielen auf und starrte die Neuankömmlinge schamlos an. Nur ein einzelner Musikant in seiner Ecke kratzte einige melancholische Akkorde aus seinem Banjo und das Castellith neben ihm klapperte grimmig mit den Scheren. Schulterzuckend wandte sich Taith an seinen Trupp. „Seht ihr, das meinte ich.“


    Die Wirtin, eine wuchtige Matrone mit ergrauendem Dutt, schaute nicht einmal auf, als die neuen Besucher an die Theke traten. Sie putzte die Tischoberfläche einfach weiter – jedoch war diese längst blitzsauber, es ging ihr offensichtlich nur um die Zurschaustellung ihres Desinteresses.

    „Hab‘ euch noch nie hier gesehen. Hoffe, ihr kommt nicht wegen dem Pokémoncenter.“




    OT: Herzlich willkommen in der Apokalypse! Vielen Dank für eure Anmeldung, eure Belohnung ist ein Sprung ins kalte Wasser. Dabei hoffen wir natürlich, euch viel Freude und Unterhaltung mit diesem RPG bieten zu können.
    Dies ist das Spieletopic, in dem ihr eure Post zu den Missionen verfasst - ihr könnt loslegen, sobald ihr bereit seid. Auf ein tolles Spiel!


    Kalos // Ybernagium




    Name: Gilian Finster

    Geschlecht: männlich

    Alter: 22

    Spezialisierung: Tutor (Kehrtwende)



    Aussehen:

    … sofern ihr akribisch die Entwicklungen im Nachwuchsfußball, spezifischer diejenigen innerhalb der U21 des Tabellenführers Association Sportive Illumina verfolgt, wobei der Name Finster abseits dieser Nische wahrscheinlich weitaus weniger geläufig sein dürfte, als Gilian es sich gerne einbildet. Nach seinem unrühmlichen Ausscheiden aus dem Club hatte er seine tiefroten Haare, die ihm unter den Fans den geschmacklosen Spitznamen „Rote Gefahr“ eingebracht hatten, bis zur Taille wachsen lassen und trägt sie nun bevorzugt in einem hohen Ponytail mit zwei sein Gesicht einrahmenden Strähnen. Jenes Gesicht ist blass und trocken, sein Kinn kantig und stets glattrasiert, die Augen grün und seine Körpergröße 177 cm. Als ehemaliger Berufssportler ist Gilian entsprechend athletisch gebaut und achtet auch nach seinem Wechsel in ein anderes Tätigkeitsfeld auf seine Physis, vornehmlich aus einer trotzigen Weigerung, vor seiner Verletzung zu kapitulieren: Vor zwei Jahren führte ein brutaler Unfall auf dem Spielfeld zu Gilians abruptem Karriereende, im Zuge dessen sein demoliertes rechtes Bein oberhalb des Knies amputiert werden musste. Ersetzt wurde es durch ein Glanzstück der modernen Kybernetik, futuristisch-elegant mit innovativster pneumatischer Muskulatur und dynamobetriebener Elektronik, mit eingebauter Taschenlampe, Temperatursensor und USB-Anschluss.



    Eigenschaften:

    Wäre aus Gilian Finster kein dramatischer Außenstürmer geworden, hätte ihn wahrscheinlich jede Theatereinrichtung mit Handkuss empfangen: Er trägt sein Herz auf der Zunge, liebt und lebt Kitsch und Romantik aller Art und lässt sich nur zu gerne zu ein paar Tränchen hinreißen. In seinen müßigen Stunden, von denen er in letzter Zeit nicht mehr viele hat, verfasst er auch gerne Gedichte. Diese übertriebene poetische Ader, die er nach außen trägt, reicht bis in sein Inneres, wo es jedoch ungleich düsterer aussieht: So manche Psychologiestudierende hätten ihre helle Freude an dem bitterbösen Groll, an dem Gilian verbissen festhält, ein Groll, der seit jenem Tag, an dem er mit dem übelsten offenen Bruch seit dem Aufkommen von Beziehungsdramen auf Social Media ins Krankenhaus gekarrt wurde, sein Handeln bestimmt. Andere Menschen erwarten vom Leben Unsinn wie finanzielle Sicherheit, Familienglück oder Ruhm – Gilian Finster hingegen steht morgens auf und schmiedet Mordfantasien gegen Lasse Ehrling, den Mann, der ihm mit einem einzigen Foul seine strahlende Zukunft verbaut hatte und vorerst mit nichts außer einer roten Karte für die Saison davongekommen ist. Doch er würde – wenn es nach Gilian ginge – noch früh genug sein spektakuläres Ende finden, geplant von langer Hand und befeuert von beinahe pathologischem Rachedurst. Überhaupt ist die Rote Gefahr ungesund nachtragend. Oberflächlich mag er zwar verträumt und unbekümmert wirken, aber sollte man ihm doch irgendwie zu nahe treten, rückt die Hoffnung auf eine zweite Chance in weite Ferne.

    Man muss über keine besonderen Menschenkenntnisse verfügen, um zu erkennen, dass Gilian eine kurze Zeit seines Lebens einen bemerkenswerten Hype geritten hat, zahllose Augen auf sich gerichtet hatte, kurz: Er war ein aufstrebender Star, ein Wunderkind. Entsprechend selbstverständlich ist es für ihn, dass man ihm auch manch ungebührliches Verhalten durchgehen lässt; sein Schwärmer-Image tut sein Übriges, um eigentlich flegelhaftes Benehmen in harmlose Exzentrik umzufärben.

    Rationalität und Logik holen ihn nicht wirklich ab, Tagträume, Leidenschaft, Poesie und das viel besungene Schöne und Erhabene schon eher. Sein Transfer zu Ybernagium hatte sein eingleisiges Streben nach Ehrlings Ableben in eine ganz neue, unnötig komplizierte, aber unglaublich stilvolle Richtung gelenkt, mehr darüber im folgenden Abschnitt.



    Herkunft/Geschichte:
    Den Großteil seines Lebens verbrachte Gilian in der tristen Peripherie Illuminas, wo das spektakuläre Licht des Stadtzentrums die grauen Blocks, die aus dem rissigen Asphalt wachsen, nicht mehr erreicht. Seine alleinerziehende Mutter hatte neben ihren zwei Jobs nur wenig Zeit für ihren Sohn, weshalb dieser schnell gelernt hatte, sich entweder mit sich selbst – früher waren es Märchen- oder Bilderbücher, später alte Filme und Literatur – oder den Nachbarskindern zu beschäftigen. Über diese kam er auch zum Kicken, denn nach der Schule gab es in den Vororten für die Kids nicht viel zu tun außer sich die Zeit auf dem Hartplatz zu vertreiben. Unter der Heranwachsenden aus der Umgebung herrschten raue Sitten, und besonders Gilian mit seinen roten Haaren fand sich des Öfteren am falschen Ende von Sticheleien und herablassenden Kommentaren, denen er, unsicher und sensibel wie er war, hilflos ausgeliefert war. Um nicht für den Rest seines Lebens am unteren Ende der Hackordnung zu verweilen, musste er sich beweisen – doch da er weder besonders stark noch gemein war, blieb ihm nur eine Möglichkeit, sich Respekt zu verschaffen: Sein Hobby wurde zur Obsession, getrieben von seiner Unsicherheit fand er sich alsbald in jeder freien Minute auf dem Platz und versetzte die Jungs aus den Hochhäusern mit seiner Beinarbeit in Staunen. Seine Schulzeit verlief unspektakulär, sein Herz schlug für den Sport, weshalb ihn seine Mutter schon früh bei einem Club anmeldete, damit er gefördert werden konnte. Jahre später sollte diese Entscheidung Früchte tragen, nach Gilians Abschluss wurde er von einem Talentscout der Association Sportive entdeckt und durfte fortan einer Zukunft als Berufsfußballer entgegensehen – der Rest ist die altbekannte Erfolgsgeschichte. Aus den farblosen Banlieues kämpfte sich Gilian Finster ins Scheinwerferlicht der Sportreporter und machte dort nicht nur durch seine Tore, sondern auch durch seine Interviews von sich reden – Kritiker behaupteten nur zu gerne, dass dem Jungen der plötzliche Ruhm zu Kopfe gestiegen war, an seiner beeindruckenden Performance änderte dieser Umstand jedoch nichts. Doch die letzte Schlagzeile, die er verursachen sollte, krempelte sein gesamtes bisheriges Leben auf höchst dramatische Weise um: Bei einem regionalen Qualifikationsspiel vor zwei Jahren wurde Gilian Opfer eines grausamen Fouls, im Zuge dessen sein rechtes Bein so übel zugerichtet wurde, dass es von den behandelnden Chirurgen schweren Herzens amputiert werden musste. Dies war nicht nur für ihn selbst eine Katastrophe von apokalyptischen Ausmaßen, sondern auch für die Investoren der AS Illumina, hatte Finster doch die besten Chancen auf lange anhaltenden Erfolg versprochen. Obszöne Geldsummen wurden den Experten für seine Wiederherstellung in den Rachen geworfen, doch während die Wunder der modernen Medizin zwar Gilians Fähigkeit zu Laufen retten konnten, konnte man dasselbe von der Saison nicht behaupten: Etliche Monate vergingen, bis sich der Versehrte an seine Prothese gewöhnt hatte, und selbst danach blieb die Prognose düster: Selbst ein technologisches Meisterwerk aus den freitag’schen Laboren wie das seine würde ihn nie wieder spielen lassen können wie vor seinem Unfall – Gilians Karriere als Spitzensportler war vorüber gewesen, bevor sie überhaupt richtig Fahrt aufgenommen hatte.

    Sein Vertrag wurde gekündigt und sein Name verschwand in der Obskurität. Indessen wurde die ehemalige Rote Gefahr verschlungen von Hass und Rachegelüsten. Wenn er nie wieder einen Fuß auf die wirklich großen Spielfelder setzen konnte, sollte es dem Mann, dem er seine Misere zu verdanken hatte, mindestens genauso schlecht ergehen. Solange Lasse Ehrling, jener Schurke, sein Bein ruiniert hatte, noch atmete, würde Gilian seines Lebens nicht mehr froh werden. In dieser dunklen Zeit, in der er vor lauter Minderwertigkeitsgefühlen und Mordabsichten kaum mehr gerade denken konnte, bot ihm das Molunk, dass ihm seine Mutter gegen die Trauer überlassen hatte, wenigstens einen schwachen Trost. Nebenbei schritt seine Therapie voran, sowohl die zur Wiedererlangung seiner Mobilität als auch jene, die ihm dabei helfen sollte, mit seiner lähmenden Frustration umzugehen. So konnte ihm die Krise, die zeitgleich über Kalos entfesselt wurde und die Region in anhaltende Angst versetzte, kaum mehr als ein genervtes Stöhnen abringen. Innerhalb der Grenzen seiner Heimatstadt nahm das Leben als ein zunehmend autoritärer werdendes Abbild seiner selbst seinen gewohnten Lauf, von den täglich zahlreicher werdenden Flüchtlingen und Polizisten einmal abgesehen. Bei einer seiner letzten Sitzungen mit den Ergotherapeuten begegnete Gilian schließlich Dr. Freitag persönlich. Der Doktor, in seiner vor der Öffentlichkeit sorgsam verschleierten Funktion als Vorstand von Team Ybernagium, erkannte in der gebrochenen Seele seines Patienten einen fruchtbaren Nährboden für das Gedankengut seiner Organisation und bot ihm unter dem Deckmantel einer dem Wohle der Region zugutekommenden Tätigkeit eine neue Perspektive an.

    Durch den von Freitag vermittelten Kontakt erfuhr Gilian schließlich auch von Vitos großem Plan. Obschon er eigentlich keinen Kopf für das Gemeinwohl hatte und bislang überzeugt gewesen war, dass was auch immer gerade in Kalos vor sich ging nicht schlimmer sein konnte als sein persönliches Schicksal, erregte das Mittel, mit dem die Balance in der Region wiederhergestellt werden sollte, seine besondere Aufmerksamkeit: Seit dem Moment, in dem er aus dem künstlichen Koma aufgewacht war, hatte er an ausgefallenen und poetischen Methoden der Rache gefeilt, und endlich war ihm klar geworden, dass es nur eine wirklich befriedigende Möglichkeit gab, Ehrling ins Jenseits zu schicken – es würde Yveltal selbst sein, das ihm das Leben aus dem Körper riss, während Gilian zuletzt lachend daneben stehen und schließlich seinen verdorrten Schädel unter seinem mechanischen Fuß zermalmen würde.
    Oh, feierliche Gerechtigkeit, wie sie sich kein Schriftsteller hätte besser ausdenken können!

    Mochte danach aus der Region werden, was wollte. Denn wenn der Unhold, der Gilian auf seinem Zenit seine Existenz geraubt hatte, in seinem letzten Augenblick der Personifikation des Todes ins Gesicht blickte und verzweifelte, würde die Welt wieder in Ordnung sein.



    Pokémon:


    Amfira

    Spitzname: Star

    Geschlecht: Weiblich

    Level: 33

    Fähigkeit: Korrosion

    Attacken: Mogelhieb (Zucht), Aussetzer, Einäschern, Matschbombe (TM)

    Herkunft: Star ist gewissermaßen ein Familienhaustier – Gilians Mutter akquirierte sie noch vor seiner Geburt bei einem Züchter, seither wurde sie gehätschelt. Nachdem Vater Finster von seiner Familie nichts mehr wissen wollte, musste Star als Bezugsperson hinhalten und wurde besonders während Gilians früher Kindheit von seiner Mutter nach Strich und Faden verwöhnt, entsprechend verfressen und bequem war sie bereits als Molunk gewesen. Gilian hatte sich schon immer gut vertragen mit ihr, zu seinem Pokémon wurde sie aber erst nach seinem langen Krankenhausaufenthalt, als seine Mutter ihm schweren Herzens ihr Molunk gegen die Einsamkeit überlassen hatte. Während einer besonders gnadenlosen Drillsession von Morgans entwickelte sich Star schließlich zu einem Amfira.

    Wesen: Übergewichtig, faul und anhänglich ist Star nicht unbedingt ein furchteinflößendes Pokémon, doch das muss sie auch nicht sein – für Gilian hatte es ausgereicht, in der Zeit nach seinem Unfall, als er sich von der ganzen Welt im Stich gelassen gefühlt hatte, wenigstens eine einzige Freundin auf seiner Seite zu wissen, der er ohne Hintergedanken sein Herz ausschütten konnte. Umgekehrt liebt Star ihren Trainer über alles und nimmt ihren Auftrag von seiner Mutter, gut auf den Jungen aufzupassen, sehr ernst, manchmal zu ernst: Wenn sie nicht gerade in der Sonne faulenzt, neigt sie zu Eifersucht, oft genug zu Gilians Verdruss. Als Molunk saß sie gerne auf seiner Schulter, diese Vorliebe ist ihr auch nach der Entwicklung geblieben, nur dass er sie jetzt huckepack tragen muss.



    Flunkifer

    Spitzname: Tanamo

    Geschlecht: Männlich

    Level: 17

    Fähigkeit: Rohe Gewalt

    Attacken: Feenbrise, Horter, Biss, Eiszahn

    Herkunft: Gilian traf das Flunkifer während eines Spazierganges auf Route 9, der ihm von seinem Arzt im Zuge der Rehabilitation verschrieben wurde. Wo andere Leute im Angesicht seines üblen Kiefers Reißaus genommen hätten, verliebte er sich hingegen sofort in das bizarre Kerlchen und verschleuderte ihren gesamten Proviant, um das wilde Pokémon von sich und Star zu überzeugen. Die leitende Idee hinter dieser Aktion war natürlich ein bis zur Unkenntlichkeit zerbissener und zerfleischter Ehrling, doch während sich diese Gelegenheit bislang noch nicht geboten hatte, hatten die drei in der darauffolgenden Zeit mehr als genug Gelegenheiten, sich an einander zu gewöhnen.

    Wesen: Jung und begeisterungsfähig hat sich Tanamo bisher stets die feentypische Unschuld bewahrt, selbst wenn er sich bisher wahrscheinlich kein einziges Mal gefragt hat, ob sich die Herausforderungen des Lebens durch Praktiken abseits der Gewalt bewältigen lassen. Sein erster und ursprünglichster Instinkt ist das Zubeißen, weshalb er auch nicht wirklich versteht, warum er innerhalb der Basis eine Glocke um den Hals tragen muss – immerhin konnte sein Trainer die Vorstände davon abbringen, ihm einen Maulkorb anzulegen. Leicht zu beeindrucken und immer auf Anerkennung aus ist das enthusiastisch-leichtsinnige Flunkifer aus einer moralischen Perspektive eines der letzten Pokémon, das an eine Person wie Gilian geraten sollte, wenigstens steht noch Tante Stars lethargische Art zwischen ihm und dem vollständigen Aufgehen in der Rolle als Kampfhund. Wähnt sich Tanamo, aus welchem Grund auch immer, irgendwie in einer vorteilhaften Position, kommt in letzter Zeit je länger je mehr Großspurigkeit oder gar Übermut zum Vorschein.