Das ist eine Beschreibung von Feminismus das in der zweiten Welle steckengeblieben ist
Nein, das ist einfach falsch und zeigt, dass du dich nicht wirklich mit Feminismus auseinander gesetzt hast. Es geht nicht spezifisch um Frauen vs Männer, sondern es geht darum, wie das Patriarchat sich auf die Gesellschaft auswirkt
Doch, das ist, wie diese Bewegung ursprünglich zustande gekommen ist. Steckt ja auch schon im Wort Feminismus drin. Und wenn dies die Beschreibung der zweiten Welle des Feminismus ist, dann liege ich an sich ja nicht falsch, eher ist es so, dass die Definition mit der Zeit überarbeitet wurde, wobei auch da die Frage ist, muss die überarbeitete Definition denn so hingenommen werden und sind diejenigen, die mit der alten Definition verweilen radikal.
Ja, der Feminismus greift in seiner Essenz das Patriarchat an, welches sich auf die komplette Gesellschaft auswirkt, nicht nur auf Frauen, aber ändert das doch nichts daran, dass es ursprünglich eine Frauenbewegung war, die für die Rechte der Frauen eingetreten ist, die gesellschaftlich und rechtlich benachteiligt wurden. Es ging um die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Genauso, wie es in antirassistischen Bewegungen um die Stellung Schwarzer in der Gesellschaft ging. Auch dort war die Essenz, dass alle Menschen, unabhängig der Hautfarbe gleich viel Wert sind, ja, aber trotzdem aus dem Blickwinkel der marginalisierten schwarzen Bevölkerung.
Zu sagen, auch Männer leiden unter'm Patriarchat ist so wie zu sagen, all lives matter. Ja, stimmt. Das ist Antirassismus konsequent zu Ende gedacht, aber geht ja darum, Bewusstsein für die Probleme besagter marginalisierter Gruppen zu schaffen. Im Falle vom Feminismus eben ein Bewusstsein speziell für die Probleme, mit denen sich Frauen, bzw. als weiblich gelesene konfrontiert sehen, zu schaffen. Und ich denke, vielen Frauen, die als Terfs gelabelt werden, geht's einfach nur darum zu sagen, dass die Identifikation als Frau nicht ausreicht, um ein Verständnis davon zu haben, bzw. am eigenen Leib zu erleben, was es heißt, wegen seines Frau seins Diskriminierung zu erfahren, bzw. weil man als weiblich gelesen wird. Was nicht heißt, dass besagte Transmenschen nicht anderen Diskriminierungsformen ausgesetzt sind. Und ja, wie gesagt, auf viele trifft der Begriff Terf mehr als zu, da wird's auch kranke Persönlichkeiten geben die Transmenschen verachten, aber man sollte da finde ich schon Abstufungen machen.
Das trans Frauen, die nicht komplett cis passing sind die Gewalt vom Patriarchat nicht kennen würden ist halt auch ein immer wieder wiederholter TERF-Mythos, das ganz besonders für BIPOC trans Frauen und trans Frauen mit Background aus dem nahen Osten ziemlich wenig mit der Realität zu tun hat, gibt dazu genügend Recherchen und Statistiken zur Gewalt gegen Trans allgemein (also nicht bloß gegen trans Männer und AFAB Nicht-Binäre wie von TERFs behauptet):
Transgender people over four times more likely than cisgender people to be victims of violent crime williamsinstitute.law.ucla.edu
Ich bin mir sicher, dass ich das so nicht behauptet habe. Gewalt gegen Transmenschen ist real, ich stimme auch zu dass sie noch verheerender ist, aber eben aufgrund ihres Trans-Seins. Unterschiedliche Diskriminierungsformen überschneiden sich in ihren Ursachen, aber trotzdem kann man das ja nicht alles zusammenwürfeln und sagen, ja Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Klassismus, hat irgendwo dieselben Wurzeln, also wird das schon irgendwo dasselbe sein. Jede Bewegung hat ihre demografische Gruppe.
In antirassistischen Bewegungen wird meines Wissens gerade der Punkt gemacht, dass etwa "Schwarz" keine einfache "biologische" Kategorie ist (auch keine Hautfarbe), sondern eine von Rassismus betroffene gesellschaftliche Position beschreibt, mit anderen Worten, es handelt sich um eine gesellschaftliche Konstruktion. Wie diese Position im Detail aussieht, ist eine komplexe Frage, die ich hier - gerade als weißer - sicher nicht ausreichend erschöpfen kann. Wenn der Vergleich des Feminismus mit antirassistischen Bewegungen bemüht wird, dann wäre entsprechend gerade die Folge, "Frau" nicht entlang der Biologie zu verstehen, sondern die (jeweilige) gesellschaftliche Rolle in den Fokus zu rücken. Mit starren "biologischen" Definitionen zu arbeiten ist dem schlicht nicht angemessen.
Nun könnte als Reaktion darauf der Gedanke aufkommen, dann eben eine Frau nicht strikt "biologisch", aber strikt "soziologisch", d. h. strikt in Hinblick auf strukturelle Benachteiligung/gesellschaftliche Rolle zu definieren. Dahingehend ist schlicht hervorzuheben: Es geht bei einem Ansatz der sozialen Konstruiertheit nun nicht vorrangig darum, eine strikte, metaphysisch stabile Definition einer Kategorie zu schaffen, was oft aufgrund der sozialen Kontextgebundenheit von gesellschaftlichen Rollen auch nicht immer so einfach geleistet werden kann (sicher nicht im Fall des Begriffs "Frau"); abgesehen davon ist tatsächlich ja gerade die Starrheit bestimmter Kategorisierungen Teil der Kritik. Gesellschaftliche Rollen sind, wie oben schon angedeutet, sehr komplex, ein Konglomerat aus verschiedentlichen gesellschaftlichen Vorstellungen und Erwartungen, die auch nicht immer alle auf jedes Individuum vollständig zutreffen müssen. Unterschiedliche individuelle Erfahrungen von Diskriminierung müssen sich nicht ähneln oder gar immer komplett identisch sein; es müssen auch nicht alle einzelnen Individuen einer strukturell benachteiligten Gruppe diese Benachteiligung am eigenen Leib erfahren, damit diese real ist. Eine strikte Definition entlang der sozialen Rolle, wie auch immer die am Ende im Detail aussehen soll, wäre dementsprechend vermutlich der abzudeckenden Extension des Begriffs "Frau" nicht angemessen (und würde vermutlich am Ende auch einige cis Frauen exkludieren), abgesehen davon, dass eine Definition von Personen allein über die Unterdrückung, die sie erfahren, auch nicht unbedingt cool ist. Der Grundfehler liegt meines Erachtens daher insgesamt allgemein schon darin, unbedingt eine metaphysische stabile Definition von "Frau" erreichen zu wollen. Ich glaube auch nicht, dass dieses Projekt jemals wirklich abgeschlossen werden könnte; ist bei dem Begriff "Mensch" ja auch noch nicht gelungen, ja eigentlich nicht einmal bei Begriffen wie "Stuhl" oder "Tisch". Dass wir im Leben auch ohne derartige strikte Definitionen klarkommen (Common-Sense-Philosophie lässt grüßen), sollte offenkundig sein. Wie es glaube ich Contrapoints mal gesagt hat: "Life's too short for metaphysics."
Und das ist, nebenbei bemerkt, auch der Punkt, wenn etwa TERFs versuchen, mit "What is a woman?" eine Gotcha-Frage zu stellen: Denn ihrer Frage liegt die stillschweigende Annahme zugrunde, dass es darauf eine eindeutige, kurze und einfache Antwort geben muss, und dass die Realität nun einmal komplexer ist, als sie es gerne hätten, kommt gar nicht in Betracht. Weshalb jede ehrliche und gut gemeinte Antwort auf diese Frage, die auf die umfangreichen sozialen Sachverhalte, möglicherweise auch auf verschiedene (philosophische) Konzeptionen eingeht und sie in ihrer Fülle und Beziehung zueinander darstellt, auch niemals von TERFs akzeptiert werden wird.
Ich stimm dir da durchaus zu. Es ist eine auf den zweiten Blick viel komplexere Fragestellung, und in gewisser Weise haben Transmenschen dem Feminismus sogar nen Dienst erwiesen, indem sie der Gesellschaft nen Spiegel vorgehalten haben mit der Frage, was eine Frau denn nun konkret ist, ob gesellschaftlich oder biologisch. Folgt aus der Erkenntnis, dass es keine eindeutige Definition gibt, aber, dass man für sich selbst keine Definition annehmen kann, bzw. es nicht auch die meisten, die die Eindeutigkeit einer Definition anzweifeln, nicht selbst trotzdem tun. Sich einem spezifischen Geschlecht zugehörig zu fühlen, setzt ja voraus, dass man bestimmte Eigenschaften mit besagtem Geschlecht assoziiert und frausein und Femininität auf eine gewisse Weise für sich definiert. Obgleich du sagst, dass die Definition des Geschlechts äußerst schwierig ist und vielleicht nie endgültig gelöst sein wird, gibst du in deinem Profil ja auch das männliche Geschlecht an, also scheinst du ja nichtsdestotrotz eine gewisse Definition vom männlichen Geschlecht oder Assoziation mit diesem zu besitzen.
Genauso, wie es ja auch schwierig wäre, seine Sexualität einzuordnen ohne eine vorausgesetzte Definition seiner Präferenzen. Ich fühle mich zu Frauen hingezogen, aber ok, was ist eine Frau. Feminine Züge, aber ok, was ist Femininität überhaupt? Im Rahmen meiner Sexualität habe ich dementsprechend natürlich auch eine Definition dessen, was eine Frau und was feminin für mich ist und ich sehe da nicht wirklich ein Problem mit, weil andere diese Definition nicht teilen müssen.
Dementsprechend mag eine Definition von Geschlecht anhand konkreter, biologischer bzw. äußerer, oder auch gesellschaftlicher Aspekte nicht objektiv richtig oder präzise sein, wird für viele aber ein wichtiger oder ausschlaggebender Aspekt sein. Und mir als Mann geht es da auch gar nicht drum mitzureden, weil ich nicht betroffen bin, was ich aber sagen will, ist, dass eben cis Frauen sehr wohl das Recht haben mitzureden und deren Definition nicht invalidiert wird durch die Erkenntnis, dass es keine strikte und objektive Definition gibt.
Btw AFAB Personen, die immer noch weiblich gelesen werden (und weiblich gelesen werden WOLLEN!), erfahren absolut denselben Sexismus. Niemand fragt dich wie du dich identifizierst, bevor sie dir gegenüber sexistisch sind lol ... btw, was in meinem privaten und Arbeitsumfeld va in den letzten Jahren sehr selten vorgekommen ist, aber das such ich mir ja auch dementsprechend selbst aus.
Zudem werden vielen trans Männern auch ihre Erfahrung mit Sexismus und sexueller Gewalt abgesprochen, sobald sie als maskulin wahrgenommen werden, als hätten sie all die Jahre zuvor nicht als weiblich gelesene Person gelebt.
Aber das ist ja eigentlich genau der Punkt, den ich machen wollte. Als Frau gelesen zu werden ist ein wesentlicher Aspekt des Frau seins in unserer Gesellschaft, den ich niemals nachvollziehen werde, selbst wenn ich mich nun aufrichtig als Frau identifiziere. Und das ist denke ich der Punkt, den viele "radikalere" Feministinnen vertreten, wenn sie sagen, in der Gesellschaft als Frau wahrgenommen zu werden bedeutet was, geht mit konkreten, geschlechtsspezifischen Problemen und Gefahren einher, von denen Männer verschont bleiben und auch dann genauso verschont bleiben werden, wenn sie ne weibliche Geschlechtsidentität haben.
Ich sehe diesen Trend um ehrlich zu sein auch zunehmend aus der eher linken Sphäre, wo linke Frauen und linke, politische Aktivistinnen, die sich für soziale Gerechtigkeit, Antikapitalismus und Antirassismus stark machen, auch für Transrechte, sagen, diese extreme Form der geschlechtlichen Ambiguität teile ich nicht und hab ne andere Auffassung von Geschlecht, und das obwohl sie früher selbst solidarisch ihre (she/her) Pronomen in der Bio stehen hatten und dann zurückgerudert sind.
Deshalb wie gesagt, ob ich alle, die diesen Standpunkt von Geschlecht nicht teilen, als radikal und unwissenschaftlich abtun würde, wo hier doch selbst gesagt wurde, dass die Definition nicht abschließend geklärt ist und wohl auch nie geklärt sein wird und es die Leute im Umkehrschluss für sich definieren können wie sie wollen, eher nicht.