Erstmal was Allgemeineres, bevor ich konkreter werde: Diskussionen haben für mich mittlerweile zwei Ziele, nämlich ...
... zum einen aus den Erfahrungen/Wissen anderer Menschen zu lernen oder Erfahrungen/Wissen mit anderen Menschen zu teilen,
... und zum anderen Menschen von meiner Position zu überzeugen oder mich von den Positionen anderer Menschen überzeugt werden zu lassen.
Im besten Fall erhalte ich also – auf konstruktive und kooperative Weise kommuniziert – Einblicke in Erfahrungen und/oder Wissen, sodass ich damit überzeugt werde, oder ich gebe – auf konstruktive und kooperative Weise kommuniziert – Einblicke in Erfahrungen und/oder Wissen, sodass ich damit überzeuge. Eine Diskussion ist für mich daher unter anderem dann gestört, wenn Folgendes zutrifft:
- Erfahrungen/Wissen wird nicht geteilt, spielen keine Rolle oder werden nicht als solche akzeptiert oder korrekt voneinander unterscheidbar benannt.
- Es existiert keine Offenheit dafür, überzeugt werden zu können, und/oder kein Wille, zu überzeugen.
- Konstruktivität und Kooperativität werden nicht als Mittel für die beiden Ziele eingesetzt.
Nach dem allgemeinen Einstieg, nun zum Konkreten: Ich habe die vorgestrige und gestrige Diskussion (ausgelöst durch diesen Beitrag) bislang nur am Rande und still mitverfolgt, da mich das Thema interessiert und ich gern von den Erfahrungen/Wissen dazu von anderen hier im Board, die davon deutlich mehr haben als ich, profitieren würde. Ich selbst partizipiere daher i.d.R. nur durch Reaktionen, die auch in ihrer Mehrheit letztendlich deutlich machen, welcher Seite ich zustimme bzw. welche Seite mich überzeugen kann. Aufgrund der Wahrnehmung von ein paar dieser Störfaktoren, die ich da oben aufgeführt habe, war ich jedoch zum einen nicht mehr bereit gewesen, jedem Beitrag der Seite, der ich mich anschließe, beizupflichten, und zum anderen vom Gefühl betroffen, dass Potenzial verschenkt wurde, eine einzelne Person von einer guten Sache zu überzeugen, die sogar in ihrer Praxis Impact hat. Und nun ganz konkret zu den Störfaktoren, die sich erstmal nur auf Konstruktivität/Kooperativität beziehen:
- Ich beziehe mich jetzt nur auf Beiträge am Anfang der Diskussion, weil mich besonders die Entstehung interessiert: Da war zum einen die auf mich potentiell despektierlich wirkende Aussage „lol, denkste“ ( #3.622, Sunaki ) und zum anderen die Frage „Hast du denn Kinder?“ ( #3.627, @QueFueMajor ), die so verstanden werden könnte, als würde die Qualifizierung für die Teilnahme an der Diskussion infrage gestellt werden. Das mag nicht „viel“ sein, das mag bei anderen Personen auch nichts auslösen, aber ich kann schon nachvollziehen, dass es Personen gibt, die daher „negative Vibes“ fühlen, auch wenn diese nicht beabsichtigt waren (ich gehe mal davon aus, dass ihr beiden diese Absicht nicht hattet und auch davon ausgegangen seid, dass die jeweilige Aussage/Frage unproblematisch sei). Und ja, da waren auch - und ich nenne da jetzt nur ein Beispiel - solche absoluten Aussagen wie „Das kommt aber NIE vor“ ( #3.625, Luca Herr der Mango ), die selten korrekt sind, verständlicherweise von anderen als falsch deklariert werden und womöglich betroffene Personen, die diese Erfahrungen jedoch gemacht haben, im besonderen Maße triggern.
- In Debatten existieren Redezeiten, unterschiedliche Seiten werden möglichst gleichgroß gehalten. Das ist außerhalb davon in Diskussionen wie dieser hier im Board selten gegeben. Und das hat aus meiner außenstehenden Sicht folgenden Nachteil: Wenn eine oder zwei Personen sich auf der einen Seite befinden und weitaus mehr Personen auf der anderen Seite, kann die Quantität vielleicht so erschlagend wirken, dass das die Chance, die sich in der Minderheit befindende Seite zu überzeugen, verringert, selbst wenn die Mehrheit überzeugende Erfahrungen/Informationen anbringen kann. Dann fällt es einer dieser Personen womöglich auch schwerer, auf einzelne Fragen einzugehen, da die Menge im ersten Schritt überfordern kann, und das führt vielleicht im zweiten Schritt auch dazu, dass man Aussagen/Fragen mehr/schneller als beleidigend auffasst, auch wenn sie es nicht sind/nicht so gemeint sind.
Ich möchte damit nicht ausdrücken, dass diese Diskussion, auf die ich mich beziehe, eskaliert wäre, denn von Außen konnte ich nun keine Beleidigungen finden, aber ich würde behaupten, dass es besser hätte beginnen und sich hätte besser entwickeln können. Und ich bin nun bewusst mit den obigen kritischen Punkten mehr auf die Seite der Diskussion eingegangen, auf der ich mich sehe, weil zur anderen Seite schon genügend im anderen und diesen Thema gesagt worden ist. Also, was ich mir von einer Diskussion nach diesen ganzen Gedanken wünschen würde:
- Offenheit gegenüber anderen Erfahrungen und Vermeiden absoluter Aussagen, wenn sie auf eigene Erfahrungen statt Wissen basieren
- Empathie für eine andere Wahrnehmung von Aussagen/Fragen und Sensibilität für Formulierungen, insbesondere bei Personen, welche vergleichsweise neu sind und die Diskussionen im Board daher noch nicht kennengelernt haben und die man daher noch nicht so gut einschätzen kann
- „In der Ruhe liegt die Kraft“ oder Stichwort Pausen, also einen Beitrag auch mal vielleicht eine Weile stehen lassen, wiederholt lesen und dann womöglich distanzierter von den Formulierungen betrachten, mit dem Gedanken "okay, es ist wahrscheinlicher, dass diese Person mich nicht angreifen möchte, auch wenn es sich für mich gerade so anfühlt", aber genauso auch Personen Zeit zum Antworten auf Fragen lassen, ohne neuen Input zu liefern, denn das WANN spielt vielleicht bei einem Beitrag zu einer Diskussion auch eine Rolle (und ich möchte nochmal betonen, dass ich damit nicht dazu aufrufen möchte, dass eine Person lieber nichts zu einer Diskussion beitragen soll, sondern nur die Frage befürworte, ob es statt "Jetzt" vielleicht noch einen besseren Zeitpunkt für den eigenen Beitrag geben könnte)