Auf der Reise nach Uriel hatte der Niugnip sich nicht besonders wohl gefühlt. Zum einen hatte er im Vergleich zu seinen Weggefährten sehr kurze Beine (als Vogelmensch war er ja nur einen Meter groß, und die Beine waren im Vergleich zum restlichen Körper auch nur halb so lang wie bei normalen Menschen), so dass er nur sehr unsicher im Sattel saß. Zum Anderen hatte er seine Glaubenskrise noch immer nicht ganz überwunden. Er hatte zwar seine Bücher mitgenommen und während der Reise auch ein paar mal darin geblättert, aber bisher hatte er keine Antwort gefunden, wie er mit dem Wissen umgehen sollte, dass er an dem Tod des Bruders seines alten Dienstherren mitgewirkt hatte.
Nachdem sie in der Kapelle von Uriel angekommen waren, verfolgte Jan aufmerksam die Worte des Teleportmagiers. Dabei kamen ihm einige Bedenken, dass er für die Geheimorganisation ungeeignet sein könnte. „Wenn bei dem Transport wirklich meine körperliche und seelische Konstitution überprüft wird, habe ich in meiner jetzigen Glaubenskrise schlechte Karten“, dachte er sich. Aber er ließ sich seine Bedenken nicht anmerken und schritt trotzdem auf das Portal zu. Seine Bücher hatte er dabei unter den Arm geklemmt, und auch sein Schwert nahm er mit durch das Portal.
Unterwegs wurde dem Vogelmenschen (genau wie der Transportmagier gesagt hatte) schwindelig, aber abgesehen davon kam er problemlos im Hauptquartier der Geheimorganisation an. Offensichtlich war seine Glaubenskrise kein Grund um ihn nicht in die Organisation aufzunehmen.
Nachdem er sich von dem schwindeligen Gefühl erholt hatte, verfolgte er aufmerksam, wie sich einige Leute vorstellten. Scheinbar waren alle Bewerber so höflich, dass sie lieber abwarteten als sich mit ihrer Vorstellung vorzudrängeln, jedenfalls entstanden einige Male Pausen, in denen jeder darauf wartete, dass sich irgendjemand jemand anderes vorstellte.
Nachdem sich gut zehn Leute vorgestellt hatten, fiel dem Vogelmenschen auf, dass sich bis jetzt noch kein Wasserwesen zu Wort gemeldet hatte. „Na gut, dann will ich das mal ändern“, dachte er sich und trat in die Mitte. Allerdings hatte er noch nie vor einer großen Gruppe geredet und so hatte er trotz seiner Angewohnheit, seine Gefühle für sich zu behalten, Lampenfieber. Und genau dieses Lampenfieber sorgte dafür, dass er erst einmal gar nicht bemerkte, dass er seine Rede auf telepathischem Wege an die in dem Raum versammelten Leute zu schicken versuchte:
„Mein Name ist Johann Friedrich Gustav von Unterberg. Wie ihr sehen könnt, bin ich ein Vogelmensch. Vielleicht habt ihr den Eindruck, dass ich einem Xinöphen ähnlich sehe, aber ich bin kein Angehöriger dieser Rasse, sondern ein Niugnip. Wir Niugnips sind ein sehr gläubiges Volk von Vogelmenschen, die dem Wasserelement angehören und trotz unserer Flügel nicht fliegen können. Außerdem achten wir sehr darauf, ein ehrenvolles Leben zu führen.“
Danach ging er noch darauf ein, dass er zuletzt bei einem Gnilblach gearbeitet hatte und fügte eine Beschreibung mit seinen Erlebnissen mit der Sternschnuppe hinzu. Er beendete seine Rede mit den Worten: „In Nachherein betrachtet bin ich mir nicht sicher, ob ich mich dabei ehrenvoll verhalten habe, und außerdem haben diese Ereignisse einige Fragen in meinem Glauben aufgeworfen, für die ich bis jetzt noch keine Antwort gefunden habe. Letzten Endes war das auch ein Grund, warum ich mich dem Sternenhimmel angeschlossen habe, denn ich vermute, dass ich durch meinen Dienst hier irgendwann meine Glaubenskriese beenden kann.“
Nachdem er mit seiner Telepathie-Rede fertig war, murmelte er: „Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich den Test der seelischen Konstitution bestehe, aber das war - dem heiligen Niugnip sei Dank - kein Problem.“
Erst danach bemerkte er, dass die meisten Leute ihn fragend ansahen, so als ob sie von seiner Rede nur die letzten gemurmelten Worte mitbekommen hatten. Daraufhin fiel ihm auch schon auf, dass die meisten Rassen gar nicht zu der Telepathie fähig waren, so dass die meisten Leute im Raum seine Vorstellung tatsächlich nicht mitbekommen haben konnten. Deshalb sagte er noch in der für alle hörbaren menschlichen Sprache:
„Oh, Entschuldigung. Ich hatte übersehen, dass die meisten Rassen keine telepathischen Fähigkeiten besitzen. Jedenfalls bin ich ein Niugnip, und ihr könnt mich Jan nennen. Bis vor wenigen Tagen stand ich in den Diensten eines Gnilblachs. Warum ich genau den Arbeitsplatz gewechselt habe, ist glaube ich eher unwichtig.“
Danach trat er wieder zurück, um abzuwarten, welche anderen Leute sich noch vorstellen würden. Dass er sich bei seiner zweiten Vorstellung deutlich kürzer fasste als bei der ersten war zwar Absicht, aber tatsächlich war die zweite Rede doch viel zu kurz ausgefallen: Die Tatsache, dass er vergessen hatte zu erwähnen, dass seine Rasse dem Wasserelement angehört und dass er trotz seiner Flügel nicht fliegen kann, fiel ihm gar nicht auf.
Off topic:
Nach dieser Vorstellung ist es wohl der geeignete Zeitpunkt, um euch noch einmal darauf hin zu weisen, dass die meisten eurer Charas bis jetzt gar nicht wissen, dass es die Rasse der Niugnips überhaupt gibt. Eine Ausnahme sind dabei nur die im Meer lebenden Rassen, denn der Ozean ist ja auch der Lebensraum der Niugnips.
@Diejenigen, deren Chara dem Wasser-Element angehören:
Von mir aus könnt ihr euch frei entscheiden, wie viel eure Charas von der Rasse meines Charas wissen. (Ich könnte mir gut vorstellen, dass eure Charas im Meer irgendwann schon einmal einem Niugnip begegnet sind, villeicht auch mehrmals.)