„Warum sollte ausgerechnet Senshi mir ‚alles‘ erzählen, wir sind noch nicht einmal befreundet?“, wunderte sich die Rothaarige still, sagte aber nichts dazu. Dieser lief auf ihre Frage prompt wieder knallrot an, was Maiwyan aber nur aus den Augenwinkeln wahrnahm, konnte sie doch noch immer nicht den Kopf wenden. Was war denn jetzt schon wieder los? Er meinte, es sei etwas anderes gewesen, aber das Funkeln in den Augen seiner Schwester, behagte der sonst Maskierten gar nicht. Nun begann sie aber, ihr von der Familie der beiden zu erzählen und Maiwyan lauschte doch recht interessiert, wobei sie es gewissentlich ignorierte, dass Kyria Senshi wie einem Hund den Kopf tätschelte und dieser knurrte. Als sie zu dem Punkt mit dem Heiraten kam, schnaubte die Rothaarige verächtlich. Senshi und heiraten? Wollte ihr die Grünhaarige einen Bären aufbinden? Das passte nun wirklich absolut nicht zusammen. Offensichtlich aber war Senshi ihrer Meinung gewesen, soweit sie der Erzählung entnehmen konnte und er hatte sich aus dem Staub gemacht. Nun erinnerte sich die junge Frau auch wieder an ein Gespräch, wo er ihr von den potentiellen Bräuten, die ihm seine Familie vorgestellt habe, erzählt hatte und wie wenig er angeblich an diesen gefunden hatte. Wenn sie sich richtig erinnerte, hatte er damals auch einen sehr… befremdlichen Vergleich gestartet, um seine Ablehnung diesen Frauen gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Der Gedanke daran trieb Maiwyan die Röte auf die Wangen, wobei sie selbst nicht genau hätte sagen können, ob es Beschämung, Zorn oder Hilflosigkeit war, was sie zu dieser Reaktion trieb. Wenigstens sah man ihrem Gesicht eine leichte Röte nur schwer an.
Mit aller Kraft und möglichst, ohne, dass man es ihr anmerken sollte, riss sie sich zusammen und konzentrierte sich auf den Rest der Erzählung. Moment, bedeutete das, dass die Vorhut wegen Senshis Vergangenheit jederzeit fürchten musste, von einer folterfreudigen Assassine aufgesucht zu werden, die ihren Bruder suchte? Wenn ja, dann hatte er später noch einiges zu erklären, denn darauf konnte die Landstreicherin beim besten Willen verzichten. Der letzte Teil der Erklärung schien Senshis Schwester besonders zu erheitern, doch was sie nun sagte, brachte das sonstige Phantom dazu, irritiert die Stirn zu runzeln und dem Söldner einen verwirrten Blick zuzuwerfen, wobei sie feststellte, dass die lahmende Wirkung des Giftes langsam nachließ und sie schon wieder ihren Kopf etwas bewegen konnte. Senshi und ein Problem mit Frauen? Er, der die doch sehr anzüglichen Bemerkungen und Annäherungsversuche eines aufreizendem und sehr weiblichen Sukkubus, welcher vor einiger Zeit bei ihnen gewesen war, so beeindruckt und stumpf wie ein Stein geblieben war, er sollte ein Problem damit haben? Aber schon ließ es sich Kyria nicht nehmen explizit zu erklären, was genau sie damit meinte, wobei Senshi sich weigerte auch nur etwas einzuwerfen und stählern den Blick abgewandt hielt. Sie konnte es sich nicht vorstellen, wobei „stotternde Dampfmaschine“ recht gut auf den Senshi passte, der sie so nervös gemacht hatte, bevor seine Schwester aufgetaucht war. Der nächste Satz von ihr jedoch brachte die Rothaarige dazu, dass sich ihr Gesicht verhärtete, während sich in ihren Blick schmerz einschlich und sie schließlich diesen samt ihrem Gesicht abwandte und die Lippen zu einem schmalen Streifen zusammenpresste. Diese Frau musste ihr ja auch unbedingt wieder ihre derzeitige Situation ins Gedächtnis rufen. Sie wollte sich einfach nur noch verkriechen und die Blöße ihre s scheußlich entstellten Körpers verbergen… Unwohlsein war wohl schon eine Weile keine angemessene Beschreibung mehr für das, was sie momentan empfand. Starke Reaktion also, bezogen auf was? Dass man gewöhnlich bei ihrem Anblick nur Abscheu empfinden konnte? Und was bitte hatten ihre Kampffähigkeiten mit dieser Sache zu tun?
„Ich würde mich nicht als sonderlich Kampfbegabt einschätzen“, murmelte sie leise und ein leises klirren verrieht, dass sie am ganzen Körper leicht zitterte. Aber natürlich war es ihre Stärke, die ihn beeindruckt hatte, wenn überhaupt… „Lediglich meine Klingenschweife gewähren mir Kampftechnisch einen guten Vorteil, aber mit jeder Art der Magie kann ich nicht mithalten“, antwortete sie, wobei nun auch in ihrer Stimme den Schmerz nicht mehr verbergen konnte, „Und…Nebenbei… ich bezweifle, dass er wegen mir so reagiert hat, denn… egal, was du sagst, an mir ist nicht mehr unbedingt viel, dass man noch ‚weiblich‘ nennen könnte…“ Während sie gesprochen hatte, war ihr Stimme immer schwächer geworden, ehe nun komplett erstickte und man konnte Mai ansehen, dass ihr dies wirklich schwer gefallen war, darüber zu sprechen.
„Oh dear“, murmelte Kyria als sie Mai vor sich innerlich zusammensacken sah. Senshi rollte nur übertrieben mit den Augen. Es wurde langsam wirklich langweilig. Er warf einen Seitenblick auf seine Schwester. Und sich vor der Grünhaarigen so eine Öffnung zu geben...war die Schwertkämpferin heimlich eine Masochistin? Moment, war Kyria der Typ für psychische Angriffe? fragte sich der Söldner. Hab nie mitbekommen ob sie genauso darauf abfährt wie auf Folter. Aber selbst mit dieser Möglichkeit, der Weißhaarige hätte nicht gedacht, dass sie Mai abdecken würde. „Du solltest dich wirklich nicht so leerverkaufen.“ Gefolgt von positiven Zuspruch...Moment, was? „Mach dir keinen Kopf, du kannst all diese Sorgen nun komplett hinter dir lassen. Was auch immer andere nun sagen mögen, egal wie du aussiehst, egal was für eine Person du bist, du hast nun einen ganzen Clan, der zu dir steht und dich mit allem, Haut und Haar akzeptiert.“ Senshi's Stirn legte sich tief in Falten. Woher kam das denn plötzlich und vor allem wieso? Den zärtlichen Ton, den Kyria's Stimme angenommen hatte, hatte er nur unglaublich selten mitbekommen und anders als der süßlich-falsche Ton, der ähnlich und doch vollkommen anders bei ihrer Hauptaufgabe zu spielen kann, war dieser für delikate Familienangelegenheiten vorbehalten und vollkommen echt. Der größte Schocker, der ihm beinahe die Augen aus den Höhlen trieb, kam jedoch erst, als er sich umwandte. Die Grünhaarige hatte Mai in eine feste Umarmung gehüllt (wahrscheinlich die Taubheit ausnutzend) und strahlte die tröstende und unterstützende Aura einer Schwester aus. So paralysiert war der Söldner, dass er erst merkte dass Kyria's Fokus wieder auf ihm lag, als ihr schmollendes Gesicht direkt vor ihm war. „Aber ehrlich mal, du hättest mir ruhig Bescheid geben können. Wenn du etwas gesagt hättest, hätten Mom und Dad bestimmt mehr Zeit gegeben und der ganze Aufwand wäre gar nicht nötig gewesen“, sagte sie in einem weinerlichen Tonfall. Senshi war von dem Tempo der Situation so aus der Bahn geworfen, dass aus seinem offenem Mund nicht mal mehr ein 'Was?' kam. Währendessen machte sich seine Schwester daran seine Fesseln wieder zu lösen, wobei sie auch an seinem Verband herum fummelte. „Und dann dieses ganze Getue als ob ihr euch nicht leiden könntet, schrecklich. Sie hat dich ja sogar verteidig, oder sich zumindest bereit gemacht...“, kommentierte sie, während er ein rotes Leuchten in den Augenwinkeln erkannte, aber leider keinen genauen Blick darauf bekam, was sie da machte. „So, das war es“, verkündete die Grünhaarige, nachdem ihre Tätigkeit offensichtlich beendet war. Der Schwertkämpfer fühlte seine Fesseln sich lösen, während seine Schwester sich erhob. „Dies ist auch der Punkt wo ich wieder verschwinde.“ Bei diesen Worten schlug Senshi's Herz vor Freude. „Mach dir keine Sorgen Mai. Du bist vollkommen okay so wie du bist und wir werden euch mit Freuden empfangen. Es war mir ein Vergnügen. Bleib nicht zu lange fort Bruderherz“, gab die Assassine von sich, während sie langsam das Zelt der verließ. Der Weißhaarige folgte ihr aus Vorsicht mit den Augen und rührte sich nicht, bis er sich 100% sich nicht mehr das kleinste Geräusch von Schritten zu hören. Mit einem leiderfüllten Seufzer setzte er sich nach einer guten Minute erst auf und rieb sich die Handgelenke, wobei er auch den nunmehr lockeren Verband betrachtete. „Was zur Hölle?“, murmelte er immer noch voller Verwirrung und Fragen. Die größte-neben der Bedeutung ihrer Worte-war, warum sie einfach so wieder verschwinden würde ohne ihm weiter Probleme zu machen . Hab ich etwas verpasst? Fragte er sich und verschränkte die Arme. Und was hat sie gemeint? Es wirkt beinahe so als... Senshi schreckte so plötzlich hoch, das Schwindel ihn erfasste. Doch kümmerte ihn eher der Husten, da er sich an der Luft verschluckt hatte. Als seine Lunge wieder genug Luft hatte, riss er sich die Oberbekleidung vom Leib und warf zitternd einen Blick auf seine Brust. Die Linien auf seinem Körper hatten sich verändert. Neben dem Kreis in der Mitte, der das Wappen seiner Familie enthielt, hatte sich ein zweiter gebildet. Direkt über seinem Herzen. Zwei Schlangen wanden sich darin umeinander, die Köpfe aneinander gelegt. Zum zweiten Mal erstarrte der Söldner an diesem Tag vor Schreck. „Oh Gott...Nein....“
Maiwyan blinzelte irritiert und starrte Kyria an. Diese Frau wurde ihr mit jeder Sekunde unheimlicher, was war das denn plötzlich für eine Wendung? Zuerst dieses beinahe genießerische Grinsen, anhand der Situation ihrer beiden Gesprächspartner und plötzlich mitfühlend und tröstend? Wo war die nächste Giftspitze, die diese Assassine ihr verpassen wollte? Außerdem hatte die andre wohl etwas falsch verstanden, denn die Tatsache, dass Mai ihre Kampfstärke nicht für besonders oder überdurchschnittlich hielt, war kein Grund für ihr Verhalten, im Gegenteil, sie machte sich ja nicht besonders viel aus Kämpfen und fand diese abstößig, sondern allein der Gedanke an ihr Aussehen und der Gedanke daran, was man ihr angetan hatte. Dann begann die Grünhaarige von einem Clan zu reden, woraufhin das Fragezeichen im Gesicht der Landstreicherin nur immer größer wurde. Was zur Hölle lief denn hier ab? Verdattert runzelte sie die Stirn und stellte mal vorsichtig ein anzweifelndes „Ähm?“ in den Raum, jedoch ging das direkt unter, als Kyria ihr plötzlich nahe kam und die Arme um sie schlang. Für gewöhnlich hätte die Tagelöhnerin jetzt einen Satz zurückgemacht und ihre Klingen zur Verteidigung erhoben, vor allem, da sie dieser neuen Situation alles andere als vertraute. Doch das Gift, was sie zuvor abbekommen hatte, leistete noch immer gute Arbeit und vereitelte ihr Vorhaben im Ansatz. Zum Glück blieb das erwartete Messer oder die erneute Giftladung aus. Wollte Senshis Schwester sie wirklich nur trösten? Auf der anderen Seite war zumindest jetzt endgültig bewiesen, dass die beiden verwand waren, diese Sprunghaftigkeit musste wohl in der Familie liegen.
Dann ließ sie endlich von Maiwyan ab und blickte ihren Bruder an, um ihm einen kleinen Vortrag zu halten, wobei ihr Tonfall sich schon wieder um 180° gewandelt hatte. Himmel, welcher Mensch sollte denn bitte dieser Frau folgen können? Die Rothaarige konnte es definitiv nicht. Und nun wiedersprach sich Kyria auch noch, denn sie meinte nun, dass Senshi mehr Zeit bekommen hätte. Was hatte sich denn bitte zu vorher geändert – von den unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen einer gewissen Frau mal abgesehen? Na wenigstens schien sie jetzt ihrem Bruder die Fesseln abzunehmen und hielt dem Weißhaarigen dabei noch direkt vor, dass Maiwyan ihn zuvor versucht hatte, zu verteidigen, was der Landstreicherin eine peinlich berührte Röte auf die Wangen trieb, auch, wenn man es bei ihrer dunkleren, verbrannten Gesichtshälfte nicht so gut erkennen konnte, dafür an der sonstigen, sehr hellen Haut, umso besser. Bei der Sache, dass sie nur so tun würden, als könnten sie und Senshi sich nicht riechen, hätte die Rothaarige am liebsten entschieden widersprochen, aber mit der nächsten Aussage der anderen hatte sich das ja auch wieder erledigt. Sie hatte beinahe insgeheim hinterher gehofft, diese dumme Aktion von ihr wäre niemandem aufgefallen. Dann aber machte die Grünhaarige etwas seltsames, Maiwyan konnte es nicht genau erkennen, da der Rücken der anderen im Weg war, doch es schien, als würde sie auf die Hand von Senshi, die mit einem viel zu lockeren Verband grob bedeckt war, einen Finger legen, worauf sich von ihrem Finger ein kurzes, rotes Leuchten die Hand des Söldners entlang einer seiner schwarzen Linien hinaufzog und unter seiner Kleidung verschwand. Beinahe im gleichen Moment spürte die Landstreicherin einen ungewohnten Druck auf der Brust, der über das gewohnte unangenehme Gefühl ihres festen Verbandes dort hinausging, doch dieses war schon einen Wimpernschlag wieder verschwunden. Über das, was die Grünhaarige bei Senshi gemacht hatte, wollte Maiwyan lieber nicht denken, das war deren Privatsache.
Im nächsten Moment verkündigte Kyria, dass sie fertig wäre und entfernte die Fesseln von Senshi. Zudem verabschiedete sie sich, wobei die der sonst Vermummten sogleich einen Spitznamen verpasst und verließ auch prompt das Zelt, aber wenigstens war sie so anständig, danach den Eingang wieder sauber zu schließen.
Senshi schien zu warten, bis sie wirklich fort war und richtete sich dann wieder auf und rieb sich die Handgelenke, wo offensichtlich die Fesseln gesessen hatten. Die Landstreicherin hätte es ihm gerne gleich getan, aber noch immer konnte sie sich nicht vollständig bewegen. Lediglich in den Enden ihrer Gliedmaßen, sprich Händen, Füßen und einem Teil ihrer Schweifklingen spürte sie das lähmende Gift langsam an Wirkung verlieren. Allerdings war ihre Reaktionszeit und Bewegungsgeschwindigkeit wohl noch immer stark eingeschränkt. Seinem gemurmelten „Was zur Hölle?“ konnte sich Maiwyan ausnahmsweise nur anschließen und stieß selbst ein leises und sehr verwundertes „Was war denn das?“ aus. Der Weißhaarige schien ebenso ratlos wie sie und erst einmal nachzudenken, dann schnellte er hoch, bekam einen Hustenanfall und begann, kaum, dass dieser überstanden war, sich die Kleidung vom Leib zu streifen, wobei sein Gesicht alles andere als begeistert wirkte. Mit einem Schlag war das Gesicht der jungen Frau so Rot, dass es beinahe mit ihrem karottenroten Haar konkurrieren konnte und so schnell sie konnte, schloss sie die Augen.
Ihr steter Rivale stieß nun etwas aus, was wohl eine Mischung aus Fluch und Entsetzen war und sie konnte nicht mehr an sich halten. „Dir ist aber schon bewusst, dass ich noch da bin? Warte doch wenigstens, bis ich mich wieder bewegen und verschwinden kann, ehe du dich hier entblößt. Ich dachte, dir wär so etwas unangenehm“, erinnerte sie ihn mit leicht angesäuerter Stimme, wobei der Großteil dieser immer noch hoffnungslose Verwirrung darstellte.
Auf Mai's Einwand wandte sich der Söldner um. Allerdings war die Bewegung mehr als nur deutlich rein mechanisch. Auch war sein Blick immer noch abgewandt. „Sie kann doch nicht...Warum...Was hat sie davon...Glaubt sie wirklich...Es kann doch nicht...Ich kann nicht glauben, dass...So ein verdammter...Womit hab ich das nur verdient...Karma...“ Immer wieder murmelte der Weißhaarige Satzfetzen seiner Gedankengänge, die alle gleichzeitig Platz in seinem Schädel zu beanspruchen schienen. Schließlich schlug er mit einem Aufschrei die Hände gegen seinen Kopf, wie um sich von allen Gedanken zu lösen. Doch auch das schien seinen Kopf nicht zu leeren, auch wenn seinen Augen sich auf Mai richteten. Sie waren ausdruckslos und glasig, während sein Bewusstsein komplett woanders schien. Sein Gemurmel fing wieder an, während er auf eine Hand fiel und begann die Andere aus zu strecken.
Der Weißhaarige schien auf ihren Einwand nicht zu reagieren, denn weder erwiderte er etwa, noch konnte sie das Rascheln von Kleidung vernehmen. Im Gegenteil, Senshi begann damit, irgendwelches zusammenhangloses Zeug vor sich hinzubrabbeln, was letztendlich in einen kurzen Schrei des Söldners endete, bei welchem Maiwyan die Augen öffnete, und sich mit einem schnellen Blick vergewisserte, dass nichts passiert war. Aber es schien, als wäre ihr Rivale nur sehr heftig dabei, mit sich selbst zu hadern und sie musste zugeben, dass, so merkwürdig, wie er sich die letzten Minuten verhielt, er ihr doch langsam unheimlich wurde.
Dennoch schloss sie direkt wieder die Augen und versuchte mit der rechten Hand langsam hinter sich zu Tasten, um ihr Hemd zwischen die Finger zu bekommen. Glücklicher Weise ließ sich ihr Arm tatsächlich schon soweit bewegen, dass sie langsam nach dem schützenden Stoff tasten konnte. Sie wollte, sobald die Lähmung genug abgeklungen war, so schnell wie möglich wieder die Kleidung überstreifen und Senshis Zelt verlassen, nicht, dass sie diese Nacht in noch weitere, unerwünschte Situationen gezogen wurde. Und der Söldner sollte sich auch erst einmal abreagieren, so war wohl ohnehin nicht mit ihm zu Reden.
Mit einem Ruck fuhr Senshi sein Hirn wieder hoch und wenn das nicht genügte, dann die harte Rechte, die er sich verpasste. Die Wange reibend blickte der Söldner zu der Schwertkämpferin hinüber, während er verarbeitete was er beinahe getan hätte. Mit einem Seufzer der Verdammten sackte der Weißhaarige in sich zusammen, die Hände vor dem hochroten Gesicht. „Sorry“, war nach einigen Sekunden lahm und kleinlaut zu hören. „Hatte einen enormen Blackout da.“ Erstmal ließ er die spannungs-erfüllte Stille hängen und sammelte sich. Schließlich musste er sich der unangenehmen Realität vor ihm stellen. Ein ersticktes Lachen entwich Senshi zwischen seinen Händen, während er langsam aber sicher seine Gedanken in eine Reihenfolge brachte. Er konnte die Situation selbst nicht akzeptieren, aber das sie war wie sie war. Die Hände vom Gesicht nehmend, zog er ein humorloses Grinsen. „Lass mich erklären“, begann er und wies auf das neue Zeichen über seinem Herzen. „Dieses Zeichen hier ist meinem Clan extrem heilig und es zu tragen bringt normalerweise extremen Stolz mit sich. Mir hingegen bringt es in dieser Situation hingegen extreme Verzweiflung.“ Er beugte sich zu der Rothaarigen und flüsterte so leise, als würde er ihr ein kritisches Geheimnis anvertrauen. „Es ist unser Äquivalent eines Verlobungsrings.“ Sein Grinsen wurde breit und so falsch, dass es eine Beleidigung für die Augen wurde, während sich sein Ton nicht veränderte. In seinen Augen blitzte Verzweiflung auf. „Kannst du erraten, wo ich das Gegenstück vermute?“
Ein klatschendes Geräusch ganz in ihrer Nähe(zumindest näher, als sie Senshi vermutet hätte) veranlasste die junge Frau nun doch dazu, die Augen zu öffnen. Zu ihrer Überraschung war der Söldner offensichtlich wirklich näher gekommen, doch nachdem sie ihn einige Momente betrachtet hatte, sackte er in sich zusammen und schlug die Hände vors Gesicht. Alls er dann auch noch knallrot anlief und sich entschuldigte, war sich Maiwyan sicher, irgendetwas definitiv verpasst zu haben. Nicht, dass dieses fehlende Wissen über die Situation ihr nicht genützt hätte, im Gegenteil, ohne es wusste sie nicht so recht, wie sie reagieren sollte. Schnell versuchte sie im Kopf die letzte Zeit abzuspielen und kam zu dem Schluss, dass Senshi vermutlich dein Gefluche und verhalten nach Kyrias Abgang meinen könnte und Blackout würde dazu passen, dass er sich die Oberbekleidung vom Leib gerissen hatte. In der darauffolgenden Stille seufzte sie leise und schüttelte leicht den Kopf. „Mach dir keinen Kopf, so, wie du gerade wirkst, hat dich diese Sache mehr beschämt, als mich, also musst du dich nicht bei mir entschuldigen“, murmelte sie. Warum zum Teufel tröstete sie ihn denn jetzt? Vielleicht weil sie die Verwirrung die durch das Treffen mit seiner Schwester ausgelöst worden war, verstehen konnte. Nicht nur, dass Kirya sie auch ordentlich überfordert hatte, nein, sie selbst würde wohl ähnlich durch den Wind nach einem Treffen mit ihrer eigenen Schwester sein. Tatsächlich nahm er jetzt die Hände vom Gesicht und erklärte ihr, dass ein Zeichen, welches er auf der Brust trug gewöhnlich für seinen Clan mit großem Stolz verbunden war, ihm jedoch eher weniger zusagte. Als er ihr verriet, dass es eine Art Ersatz für den Verlobungsring war, hob sie nur verwundert eine Augenbraue. Er hatte sich also doch nicht vor den Verlobungsgesprächen gedrückt? Und seine Schwester ihn irgendwie daran erinnert? Was sollte denn das ganze? Aber sein Gesichtsausdruck mit diesem Grinsen, das eher einem Zähnefletschen glich und der Verzweiflung in den Augen, verursachten in ihr ein seltsam unwohles Gefühl.
„Woher soll ich wissen, wo das Gegenstück ist? Ich wusste bis du es erwähnt hast nicht einmal, dass es ein Gegenstück gibt“, antwortete skeptisch, aber aufmerksam, irgendetwas stimmte hier gar nicht, „Aber, wenn du schon verlobt bist, warum hast du es dann vor deiner Schwester verheimlicht? Wolltest du es nicht, dass sie es weiß?“ Sie konnte nicht anders, in ihren Augen blitzte der Schalk auf, was bisher noch nie vorgekommen war, wenn sie ihre Maske nicht trug, und betrachtete Senshi noch einmal eingehend. „Aber ich möchte doch höflichst erwähnen, dass ich die Frau, die die Dummheit begangen hat, sich mit dir zu verloben mein aufrichtiges Beileid besitzt. Dich hatte ich wirklich nicht für den Typ gehalten, der an Frau und Familie denkt.“
„Ah“, kam es aus dem Mund des Weißhaarigen, der ähnlich seinen Augen weit offen stand. „Ah, Ah, Ah...“ Konnte die Rothaarige wirklich die Situation einfach so abtun? Ihrem früheren Verhalten zum Vergleich hätte er kalte Wut und Feindseligkeit erwarten. Aber einfach so Toleranz und Akzeptanz seiner Entschuldigung? Hatte er irgendetwas verpasst? Irgendetwas missverstanden? Senshi verspürte das Bedürfnis, sich noch eine zu kleben, um auf zu wachen. „Und du regst dich über zweideutige Aussagen auf...Ich brauch einen Drink“, murmelte er, während seine Wangen brannten. Ohne große Umschweife schüttete er den Rest des Schnapses hinunter.
Der Söldner rieb sich den Nasenrücken über die Unverständnis von Mai. 'Hab ich mich nicht klar genug ausgedrückt?' dachte er genervt. „Welchen Sinn macht denn ein Verlobungsring ohne Gegenstück?“, fragte er für den Anfang, während er im Hinterkopf überlegte, wie er die Bombe klar und deutlich platzen lies. „Und ich konnte es Kyria gar nicht erzählen, da es bis vorhin gar nicht da war. Ergo, scheint sie es mir verpasst zu haben.“ Der Schwertkämpfer seufzte. „Leider hab ich keine Ahnung darüber, wie. Denn ich habe nie richtig zugehört, wenn wir darüber unterrichtet wurden. Ich weiß, dass es Voraussetzungen gab, aber nicht wirklich was. Daher kann ich nicht sagen, wieso sie dazu in der Lage war oder wie ich es wieder lösen kann.“ Wieder strich ein falsches Lächeln auf seine Züge. „Was ich aus ihren Worten und Verhalten ziehen kann ist jedoch...dass DU diejenige bist, die das Gegenstück trägt.“ Senshi ließ die Worte gar nicht richtig einsickern, bevor er den Hammer nochmal hob. „Ich bin ziemlich sicher darüber, aber vielleicht sollten wir sicher gehen? Sollte ich nochmal raus gehen?“
„Hä?“, kommentierte Maiwyan Senshis Gemurmel. Ok, sie hatte definitiv irgendetwas ganz entscheidendes verpasst. Und so wie es aussah, hatte sie auch noch das falsche geschlossen. „Unter Umständen reden wir nicht von der gleichen Sache, denn, falls es dir entgangen sein sollte, bis du dich selbst geschlagen hast, hatte ich die Augen zu“, teilte die Rothaarige ihre Vermutung ein wenig irritiert mit dem Söldner und beobachtete, wie er die Flasche Schnaps, mit der er ihre Wunde behandelt hatte, nun selbst in großen Schlucken leerte.
„Darf ich vielleicht anmerken, dass ich im Gegensatz zu dir, dich noch nie ohne Oberteil gesehen habe und auch so gut wie nichts über die Riten deines Clans weiß?“, meinte sie leicht genervt, Senshis Getue, als müsste sie jeden seiner Gedanken bereits kennen, bevor er ihn aussprach, passte ihr gerade überhaupt nicht. Wer war sie denn, seine Mutter? Allerdings war es interessant zu hören, dass dieses Zeichen wohl erst gerade entstanden war. Die Landstreicherin kannte sich so gut wie gar nicht mit Magie aus und war daher fest davon ausgegangen, dass es eine gewöhnliche Tätowierung wäre, weswegen sie nun doch es interessiert betrachtete, bis ihr einfiel wo sich dieses Zeichen befand und sie leicht errötete und schnell den Blick abwandte. „Kyria hat vorhin, soweit ich gesehen habe, an deiner Hand herum gewerkelt, worauf etwas, wie ein kleines, rotes Leuchten die Linie auf deinem Handrücken hochgewandert ist, aber mehr konnte ich nicht erkennen“, erzählte die Rothaarige hilfsbereit. Aber bei dem, was er als nächstes sagte, wurde sie unter ihren Narben kalkweiß im Gesicht. „Spinnst du jetzt völlig?“, fuhr sie ihn scharf an, dieses Lächeln konnte er sich in seine Weißen Haare schmieren, „Warum zur Hölle sollte ICH das Gegenstück tragen?“ Ihre Augen verengten sich misstrauisch, auch wenn sie zugeben musste, dass Kyrias Worte auch in die Richtung gegangen waren, zumindest was Familie anging. „Und was meinst du mit nachschauen?“
Der Vorsicht halber wollte sie etwas von Senshi fortrutschen, da dieser immer noch näher war, als es ihr lieb gewesen wäre, allerdings musste sie feststellen, dass sie sich noch immer nicht wirklich bewegen konnte. Ihre Hände und die vorderen Teile ihrer Schweife ließen sich zwar schon recht gut bewegen, der Rest von ihr aber leider noch nicht. Leichte Panik flammte einen Moment in ihren Augen auf und sie hoffte, dass dem Weißhaarigen das und ihr missglückter Versuch, sich zu bewegen, nicht aufgefallen war.
„Dann will ich hoffen, dass es ein Missverständnis war und belassen es beim Unterlassen des weiteren Sprechen darüber“, erwiderte der Söldner und sah sich sehnsüchtig den letzten Tropfen Alkohol nach, die beim Schütteln hinaus fielen. „Nicht mal angetrunken. O grausiges Schicksal, ich kann das nüchtern einfach nicht durchstehen.“
„Ich sagte es und sag es wieder und wieder: Man bist du schwierig“, seufzte Senshi, womit er auch gleichzeitig sein Lächeln ausblies. „Was denkst du denn? 'Ich muss mich vergewissern, runter mit den Verbänden!', dachtest du ich würde etwa in dieser Art sagen. Weißt du, wenn du so weiter machst überzeugst du mich wirklich, dass deine Fantasie ein dreckiger dreckiger Platz ist.“
Der Weißhaarige grunzte frustriert und drehte sich zu der Lichtquelle in dem Zelt um, nachdem diese angefangen hatte zu flackern. Die Apparatur hatte auf dem ersten Eindruck das Aussehen einer normalen Öllampe, das heißt bis auf die zig Knöpfe, die zur Regelung des Kerns angebracht waren. Anstatt eines Dochts bestand dieser aus einer Kugel, in der eine klare Flüssigkeit blubberte und ein warmes Licht verbreitete. Der Schwertkämpfer fummelte ein wenig an den Knöpfen herum, doch knurrte nur, als das Flackern nur schlimmer wurde. Schließlich schlug er für seine Verhältnisse schwach dagegen und grunzte zufrieden, da sich der Schein stabilisierte.
„Nein, was wir machen ist, dass ich nochmal das Zelt verlasse und du schaust nach, ob du dasselbe Zeichen wie ich über dem Herzen hast“, erklärte er ihr, als er sich wieder umdrehte. „Für mich steht es fest. Kyria führt sich nur so auf, wenn sie ein Mitglied der Familie trösten will und ihren Worten nach scheint sie wirklich zu dem Schluss gekommen zu sein. Wie auch immer. So hast du deinen Beweis und ich meine Bestätigung.“
Fassungslos starrte die Rothaarige ihn an und hob langsam die noch schweren Arme schützend vor den Oberkörper. Zwar hatte sie ein Ungutes Gefühl bei Senshis zuvoriger Aussage gehabt, aber nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass… dass er genau dort dieser ominöse Zeichen vermutete. Bisher hatte sie diese Behauptung lediglich für einen sehr geschmacklosen Scherz gehalten.
„Über dem Herzen? Du meinst also genau, wie bei dir?“, wollte sie sich mit ungewohnt dünner Stimme vergewissern und blanke Angst loderte in ihren Augen auf. Das dringende Bedürfnis, sich zusammenzukugeln und ihre empfindlichen Regionen wie Hals, Brust und Bauch möglichst gut zu schützen, wuchs in ihr und wurde geradezu verzehrend, doch Kyrias Mittel hatte noch nicht ganz seine Wirkung verloren. War sie in den letzten Minuten, langsam etwas aufgetaut und hatte angefangen zu akzeptieren, dass Senshi scheinbar nicht interessierte, ob ihr Gesicht und ihre Haut offen lag oder nicht, so wirkte sie nun verletzlicher, als jemals zuvor und in diesem Moment erinnerte kaum etwas an den schalkhaften Maskenträger, der sie gewöhnlich war.
„Ich kann nicht!“, murmelte sie schwach und wandte den Blick ab, während sie ihre Schweifklingen mit der flachen Seite, wie einen Schild vor den Körper legte. Dennoch machte ihre ganze Haltung deutlich, dass es nicht die direkte Gegenwart, das Weißhaarigen war, was sie aus der Fassung brachte, sondern etwas ganz anders, denn ihr Blick schien auf einmal weit fort zu sein. „Senshi, ich kann nicht in der Nähe eines Mannes allen Schutz ablegen. Ich kann einfach nicht. Ich will nie wieder schutzlos sein“, murmelte sie sehr leise und begann zu zittern, während sie versuchte die Erinnerung an Vergangenes abzuschütteln. Solange sie noch etwas, und sei es nur Stoff zwischen ihrer Haut und ihrem Gegenüber wusste, verschaffte ihr dies zumindest einen Eindruck von Schutz und der Gedanke, diese minimale Sicherheit aufzugeben, bereitete ihr angst. Dabei waren es nicht einmal ‚schmutzige Gedanken‘ wie Senshi es genannt hatte, sondern lediglich die Angst körperlich verletzt zu werden. Zu oft hatte man ihr zugesetzt und auch die jahrelange Folter hatte sie noch immer nicht überwunden.
„Meh, ich hab gar nichts darüber gesagt, hm?“, meinte Senshi leichthin, die aufsteigende Panik der Rothaarigen zunächst nicht bemerkend. „Jup, bei den Verlobten bildet sich ein identisches Zeichen über dem Herzen. Zum Großen und Ganzen sind die Zeichen bei jedem Ausführen des Rituals gleich, allerdings gibt es auch bei jedem Paar individuelle Unterschiede. Man will sie schließlich auseinanderhalten. “ Der Söldner erwartete Beschuldigungen, Anschuldigungen, Schimpftiraden und Beleidigungen, gefolgt von einer Ablehnung..., aber nicht das Mai innerlich zusammenbrechen würde. Mit tellergroßen Augen strengte er sich an, die Worte der Schwertkämpferin zu verstehen. Er klappte den Kiefer auf, um etwas zu dem Bündel Elend vor ihm zu sagen, aber es kam erstmal nichts heraus. Das Trauma schien tiefer zu sitzen, als er angenommen hatte. „O-Oi“, brachte der Schwertkämpfer schwach hervor. „Oi Oi Oi Oi Oi Oi Oi Oi Oi Oi Oi.“ Er hob abwehrend die Hände, verwirrt und hilflos. „Du springst wieder zu merkwürdigen Feststellungen. Ich hatte nicht vor dich zu zwingen.“ Der Söldner räuspert sich, hob einen Finger und lächelte nervös. „Hör mal, hier ist mein Vorschlag:“-Er betonte das Wort, um ihr klar zu machen, dass es ihre Wahl war-„Wir sind beide viel zu durch den Wind, also holen wir uns erstmal Schlaf. Dann können wir morgen eine ruhige Minute abwarten und darüber grübeln, wir herausfinden, wie man es wieder los wird. Wie gesagt bin ich ziemlich überzeugt davon, dass du das Zeichen trägst, deshalb hast du alle Zeit für dich selbst nach zu sehen.“ Senshi verspürte einen merkwürdigen Stich im Herzen, während er Mai so hilflos vor sich betrachtete. Woher dieser kam und was er bedeutete konnte er nicht mal erahnen. Aber genauso wenig, warum sein Körper plötzlich auf automatisch schaltete, sich nach vorne beugte und sie in die Arme schloss. Es überraschte sie bestimmt beide, doch er sprach ungestört weiter. „Wir sind leider gemeinsam in der Sache drin und woran ich mich noch erinnern kann ist, dass beide Parteien benötigt werden, um das Ritual wieder auf zu lösen.“
Ein erschrockener Laut, einem Keuchen nicht unähnlich entwich der Rothaarigen, als ausgerechnet Senshi sie plötzlich in die Arme schloss. Da er dabei einfach an ihren Schweifklingen vorbeigegriffen hatte, hingen diese nun mehr oder weniger nutzlos vor ihrem Körper. Ein Zittern lief durch ihren Körper, welches ihre Schweife unheilvoll rasseln ließ, allerdings bewegten sich diese immer noch nicht. Maiwyan hatte ohnehin nie bewusst vorgehabt, sie gegen Senshi einzusetzen, zumindest, solange sich die Situation irgendwie anders lösen lassen konnte. Auf das, was er sagte, ging sie nicht direkt ein, zu sehr war sie von ihrer Panik und nun der neuen Situation überfordert. Allerdings machten sich nun die Auswirkungen des Tages bemerkbar und ihr war, als würde ihr Körper schwerer und Kraftlos werden. Gleichzeitig jedoch mit dem schwinden ihrer Kraft, wurde die junge Frau wieder etwas ruhiger und ihre Gedanken klärten sich ein wenig, wodurch es ihr erst möglich wurde, die Situation und die Nähe des Weißhaarigen voll zu erfassen. Als Resultat färbten sich ihre Wangen leuchtend rot und sie wandte schnell, aber noch immer verstört den Blick ab. Auch das Zittern ließ langsam nach und sie sackte ein wenig zusammen, als ihre unbewusst verkrampften Muskeln sich leicht lockerten. Unglücklicher Weise meinte ihr Kopf sie nun plötzlich darauf hinweisen zu müssen, dass Senshi immer noch Obenherum völlig unbekleidet und sei selbst nur mit einem sehr behelfsmäßigen Verband bedeckt war, was die Röte in ihrem Gesicht geradezu flammend werden ließ. Ebenso wandelte sich ihr Gesichtsausdruck in Hilflosigkeit und vielleicht auch etwas Entsetzen. Ihr Puls ging schnell und sie versteifte sich wieder, wagte aber instinktiv nicht, sich zu regen.
Was hätte sie auch in solch einer Situation tun sollen? Zumal sie bei dem Söldner nie wusste, woran sie war. Allerdings wollte sie auch nicht, dass er bemerkte, wie es um sie stand und um abzulenken, versuchte sie auf das von ihm zuvor gesagte einzugehen, auch wenn es ihr mehr als schwer fiel, die Gedanken auf irgendetwas anderes auf ihre Panik bezüglich dieser Lage zu lenken. Dass inzwischen die lähmende Wirkung des Giftes nachgelassen hatte, bemerkte sie im Moment gar nicht. „Warum bist du dir so sicher, dass ausgerechnet ich das Gegenstück tragen soll?“, erkundigte sie sich mit schwacher und leicht unkontrollierter Stimme, „Deine Schwester kann doch gar nicht so grausam sein, dich mit jemanden zu verloben, den du abgrundtief verabscheust. Und wie soll das überhaupt ohne die Zustimmung der Beteiligten geschehen?“
Hitze stieg dem Söldner ins Gesicht. Seine eigenen Handlungen waren ihm unerklärlich. Allerdings wäre es nun noch viel unangenehmer, würde er seine Aktion bereuen. Also behielt er seine Position bei und zwang die Schauer auf zu hören. Senshi war ein Mann, der seine Instinkte vor jede bewusste Entscheidung stellte und sein Instinkt hatte ihn zu der Umarmung gebracht, also war auch etwas richtig daran. Mai hingegen schien sich nicht mit der Situation abfinden zu können und schien sehr unentschlossen, wie sie sich fühlen sollte, denn sie wurde abwechselnd steif und schlapp. Schließlich fragte sie kleinlaut und schüchtern noch einmal, warum sie das Zeichen tragen sollte. „Wegen Kyria's Reaktion“, erwiderte der Weißhaarige schlicht. „Meine Schwester kümmert sich genauso wie ich wenig um Menschen. Wir suchen selbstsüchtig unseren Spaß ohne uns wirklich darum zu kümmern, wem wir genau damit Schaden. Mit Ausnahme der Familie. Familienmitglieder sind die Einzigen, die wir so unterstützen und trösten würden, deshalb muss Kyria davon überzeugt sein, dass du ein zukünftiges Familienmitglied bist. Außerdem hat sie davon gesprochen, dass der Clan hinter dir steht und solange du meine Verlobte bist stimmt das auch. Ich kann dir nicht sagen, wie sie die Nummer abgezogen hat, dafür erinnere ich mich zu wenig.“
Maiwyan hätte ihn wohl normalerweise darauf aufmerksam gemacht, dass ihre eigentliche Frage gewesen war, ob seine Schwester Senshi es wirklich antun konnte, ihn ausgerechnet mit seiner Nemesis zu vermählen und dann noch gegen seinen Willen, wenn doch Familie in seinem Clan so hoch gelobt war. Allerdings hinderte eine winzige, aber doch bedeutende Kleinigkeit daran: der Weißhaarige war ihr verdammt noch mal einfach viel zu nah! Sie hatte ja eigentlich keine Berührungsängste, zumindest nicht, wenn die vollständig bekleidet war, was hier aber alles andere als der Fall war. Ihr Gesicht, welches sie ihm abgewandt hatte, glühte inzwischen wohl noch röter, als ihr karottenfarbenes Haar und außer an die Tatsache, wie nahe er ihr war und vor allem, wie wenig trennendes Material zwischen ihnen vorhanden war, schaffte sie es kaum einen klaren Gedanken zu fassen. Und erneut wurde ihr seine bloße Haut an ihrer bewusst, obwohl sie das eigentlich versucht hatte zu verdrängen. Sie musste das beenden! Irgendwie, aber lange hielt sie das nicht mehr aus. …Am Besten, sie versuchte Senshi taktvoll darauf aufmerksam zu machen, dass sie sich nach erfolgreicher Versorgung ihrer Wunde gerne wieder anziehen würde. Aber am besten ging sie vorsichtig vor.
„Ist dir eigentlich bewusst, dass wir beide Obenrumm so gut wie nackt sind?“, platzte es aus ihr hervor, wobei ihre Stimme noch immer schwach und unkontrolliert klang, „Bitte lass mich los, ich würde mich gern wieder anziehen.“
….
….
Ähm ja. Taktvoll, sehr taktvoll Maiwyan… NICHT! Sie hätte sich ohrfeigen können, während sie noch eine Spur röter wurde und ihr Puls langsam eher an den eines verschreckten Karnickels erinnerte.
Langsam und zaghaft löste sich Senshi von Mai. Nicht, weil er die Berührung besonders genossen hatte, aber weil jede hastige Bewegung ihn zuviel über seine Taten nachdenken ließ. Das nervöse Räuspern und die beinahe beständige Röte sprachen jedoch Bände darüber, wie ihm die Lage perfekt klar war, während er verlegen den Kopf wegdrehte. Ohne weitere Umstände stülpte sich der Weißhaarige sein Hemd über den Kopf und versuchte so würdevoll es ging seinen bekleideten Zustand wieder herzustellen. So sehr 'würdevoll' unter zerren und zetern möglich war. Als diese kleine-größere Aufgabe erledigt war, legte der Söldner ein Grinsen, oder besser gesagt schmerzerfüllte Grimasse, auf. „Hast du dich denn entschieden, wie es von hier aus weiter geht? Ich für meinen Teil hab ja absolut genug für heute. Wir können auch morgen noch darüber diskutieren, wie wir fortfahren“, meinte Senshi leicht stotternd, drehte ich danach jedoch wieder weg, nachdem ein Blick wieder kurz zu Mai gelangt war. „Natürlich erstmal, NACHDEM du dich wieder angekleidet hast.“
Tatsächlich ließ Senshi sie langsam und ohne weitere Kommentare los. Beinahe hätte man es wohl als zögernd auffassen können, als ob er lieber noch so verharrt wäre, doch daran wollte die junge Frau lieber nicht denken. Schnell griff sie, kaum, dass er sich völlig von ihr gelöst hatte, noch immer knallrot im Gesicht, nach ihrem eigenen Hemd und stellte erleichtert fest, dass sie sich inzwischen wieder völlig normal bewegen konnte, ehe sie sich das mitgenommene, leicht steife und schwarze Kleidungsstück über den Kopf zog. Im Gegensatz zu dem Söldner achtete sie nicht weiter darauf, dabei irgendwie noch halbwegs würdevoll auszusehen, sondern beeilte sich einfach nur, ihre Blöße zu bedecken. Es fühlte sich sicher an, als endlich wieder ihr verunstalteter Körper bedeckt war und erleichterte sie.
Als der Weißhaarige, nun ebenfalls wieder bekleidet, sie ansprach, fuhr sie sich mit einer ihrer behandschuhten Hände durch das kurze, karottenrote Haar, welches trotz der Tatsache, dass es gewöhnlich unter der Sturmhaube, welche ihren ganzen Kopf bedeckte, scheuerte, in den vergangenen Wochen und Monaten schon wieder deutlich länger geworden war und ihr nun bis zu den Ohren reichte und nun auch erkennen ließ, dass seine Natur eigentlich leicht gewellt und schwungvoll war. Sie würde es definitiv in nächster Zeit wieder kürzen müssen.
„Wieso entschieden?“, erkundigte sie sich leicht unwohl, vermied aber Blickkontakt, während sie schon die Maske, welche neben ihr gelegen hatte, in die Hand nahm, „Wir folgen wie geplant Isaaks Route und setzen morgen früh zeitig unsere Reise fort. Demnach sollten sich alle von uns eine Mütze Schlaf nehmen. Aber warum fragst du?“ Wahrscheinlich merkte er ihr an, dass sie sich absichtlich unwissend stellte, doch es war ihr egal. Allerdings würde sie mit Freuden seiner Aufforderung nachkommen, sich wieder vollständig zu bekleiden, was in ihrem Fall jedoch die komplette Verhüllung ihres Körpers mittels der Maske bedeuten würde.
Senshi starrte Mai ausdruckslos an. Trotz dieser Ausdruckslosigkeit stand die Aussage 'Willst du mich eigentlich verarschen?' deutlich im Raum. Mit einem schweren Seufzer schnellte der Arm des Weißhaarigen vor und schnappte sich das Verhüllungsmittel der Rothaarigen. Er legte den Kopf auf einer Hand ab und begann mit der anderen die Maske um einen Finger herum zu schleudern. „Entschieden, ja...was könnte ich wohl mit 'entschieden' meinen“, fragte er sarkastisch. „Allen voran natürlich, ob du meinem Vorschlag zustimmst, dir morgen einen Moment zu suchen, in dem du dich selbst vom Vorhandensein des Mals überzeugst oder mich überraschenderweise über das Gegenteil informierst. Andererseits könntest du auch für dich selbst entschieden haben, zu verschwinden und mich mit den Konsequenzen allein fertig werden zu lassen. Tatsächlich befolgen wir Isaac's Plan, aber du könntest ja entschieden haben 'ohne dich'. Deshalb werde ich für heute Nacht die hier in Verwahrung nehmen.“ Er hielt die Maske hoch. „Denn damit bleibst du schön in meiner Nähe, sodass ich darauf achten kann, dass du nicht einfach verschwindest. Und morgen werde ich ebenfalls ein Auge auf dir halten.“
„Hey!“, entfuhr es Maiwyan und während sie sich auf die Knie erhob, versuchte sie nach ihrer geraubten Maske zu haschen, um diese zurückzubekommen. Ihre Schweife zuckten zwar kurz, blieben dann aber doch liegen, immerhin hatte sie nicht vor, ihre Maske oder Senshi zu verletzen, auch, wenn sie ihm letzteres wohl nicht auf die Nase binden würde. Dann aber gab sie den bisher erfolglosen Versuch auf und ließ sich wieder auf den Hosenboden sinken. Dann würde sie ihm eben zuhören, was er zu sagen hatte.
Es war ihr von Anfang an klar gewesen, dass Senshi ihre Ausflucht sofort durchschauen würde, aber sie hatte etwas Zeit gebraucht, um ihre Gedanken zu sortieren, auch wenn die Entführung ihrer Maske nicht unbedingt dazu beitrug, dass sie sich sammeln konnte, weswegen sie ihr liebstes Teil keinen Moment aus den Augen ließ. Allerdings musste sie kurz darauf schon den Blick abwenden, um vor dem Söldner die verräterische Röte, die sich erneut auf ihre Wangen geschlichen hatte, als er von „verschwinden“ sprach. Irgendwie war es ihr unangenehm, dass er ihre Gedanken erraten hatte, oder sie dazu inzwischen einfach nur gut genug kannte, um zu wissen, dass in solchen Situationen ihr Fluchtinstinkt anschlug. „Ich wäre zurückgekommen…“, murmelte sie und stellte überrascht fest, dass dies der Wahrheit entsprach. Auch, wenn gerade alles in ihr nur weg wollte, sie konnte es schon in Gedanken nur schwer über sich bringen, die Gruppe, für deren Begleitung sie sich entschieden hatte, zu verlassen und wusste, auch, wenn es eine Weile gebraucht hätte, sie wäre wohl zurückgekommen.
Dann seufzte sie und schielte erneut nach der weißen Maske in Senshis Hand. Sie wollte diese wiederhaben. Am besten sofort, um sich darunter zu verbergen. Aber so einfach würde der Weißhaarige ihr sie wohl nicht zurück geben. „Na gut…“, murrte sie leise und blickte erneut zu Boden, „Wenn ich morgen die Gelegenheit habe, um lange genug sicher alleine und unbeobachtet zu sein und nur dann, werde ich bei mir nachsehen, ob auch ich so ein Zeichen trage, aber ich gehe nicht davon aus.“ Nun blitzte sie ihn doch leicht störrisch an und hielt die Hand auf, in der Hoffnung ihre Maske endlich wieder zurück zu bekommen. „zufrieden?“
Der Söldner rieb sich nachdenklich das Kinn. „Normalerweise ja“, murmelte er eher als Gedanken statt als wirkliche Antwort. „Du bist der Typ von Mensch, der sich an sein Wort hält, selbst ohne Zwang. Selbst gegenüber jemandem wie mir.“ Der Weißhaarige warf ihr einen platten Blick zu. „Allerdings hab ich gelernt, dass man nie paranoid genug sein kann. Du bekommst sie wieder, wenn ich aufwache.“ Jegliche Proteste ignorierend machte der Schwertkämpfer sich ans Lager und warf die Decke über, die Maske unter sich. Es war zwar unbequem, behielt sie aber bei ihm. Aus Prinzip drehte er sich von der Rothaarigen weg. „Kage Chisio, du hältst Nachtwache. Wecke mich, wenn sie was versucht“, gähnte er zu seinem Schwert. „Gogigigi“, kreischte es als Antwort. „Ach reg dich nicht auf. Du pennst doch den ganzen Tag über“, erwiderte Senshi, als er die Lampe löschte und Mai im Dunklen ließ.
Dass Maiwyan auf seine Antwort eine beleidigte Schnute zog, schien dem Weißhaarigen gar nicht aufzufallen. Und statt ihr die Maske zurückzugeben nahm er sich seine Decke, drehte ihr den Rücken zu und löschte das Licht. Perplex starrte sie noch einige Sekunden auf die Stelle, wo sich sein Rücken befinden musste, ehe sie, begleitet von alles anderem als zufriedenem Gemurmel, welches man durchaus auch schon als leises, aber recht unfeines Gefluche bezeichnen konnte, nach ihrer Rüstung griff. Schnell stellte sie jedoch fest, dass sie ohne Licht keine Chance hatte, die Schnallen, die den Panzer um ihren Körper hielten, schließen zu können, weshalb sie diese nur der Sicherheit zwischen sich und den verhassten Söldner legte und sich selbst ihre beiden Klingenschweife vorsichtig um die Hüfte legte. Leider war es unerlässlich, dass sie diese sicherte, denn die Schweife konnten mit den Reflexen einer Schlange zuschlagen und selbst ein zucken dieser in der Nacht könnte nicht nur das Zelt zerfetzen, sondern auch Senshi verletzen. Nicht, dass ihr letzteres im Augenblick besonders wichtig gewesen wäre, aber sie wusste aus eigener Erfahrung, dass es sehr unangenehm war, in einem Trümmerhaufen aufzuwachen, nur, weil sie in der Nacht wieder einmal einen Albtraum gehabt und schlafend mit den Schweifen um sich geschlagen hatte.
Als das erledigt war, nahm auch sie sich ihre Decke, drehte dem Söldner ebenfalls den Rücken zu und zog die Beine an.
OT: Partnerpost mit Sheewa Teil 2.