Kapitel 1
„...und damit beenden wir die heutige Lektion. Es gab sieben besondere Lichter, aus denen die Welt neu hervorging.“ Meister Iustus schloss sein Buch, aus dem er gelesen hatte und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Seine braunen Augen blickten in die Gesichter seiner Schüler – Toni, Leo und Miko.
Seitdem er sich um Leo kümmerte, statt deren Eltern, verbrachte das Trio zusammen Zeit.
„Also dann.“, Iustus blickte hinaus in die Dunkelheit von Glacier Place. „Es wird nun Zeit, dass ihr den Umgang mit dem Schlüsselschwert wahrhaftig erlernt. Morgen beginnt eure Prüfung: Ob ihr in der Zukunft würdig sein werdet.“
Es kristallisierte sich eine gewisse Strenge aus seiner Stimme heraus, als der Meister sich zu ihnen umdrehte. Toni und die anderen warfen sich angespannte Blicke zu, bis sie schließlich im Chor antworteten.
„Jawohl, Meister Iustus!“, gemeinsam beschworen sie ihre Schlüsselschwerter und warteten auf weitere Instruktionen ihres Lehrers. Gelassen und ein wenig stolz senkte dieser den Blick, was ihn lächeln ließ. Das Trio sollte weiterhin den Kampf mit dem Schlüsselschwert üben, genauso wie er es damals von seinem Meister erlernt hatte. Der Weg eines Trägers war steinig und gefährlich, was den dreien auch bewusst war.
Toni merkte, wie ihr die Puste langsam ausging. Den ganzen Morgen hatte die Jugendliche mit den anderen gegen Sphären aus Licht und Dunkelheit gekämpft. Zitternd von der Anstrengung strich sie sich Strähnen ihres braunen Haars aus dem Gesicht. Dabei stützte Toni sich auf den Griff ihres Schlüsselschwertes. Dieser glänzte schwarz, die Parierstange, welche das Handgelenk schützte, hingegen leuchtete in einem dunklen Blau. An dessen oberer Hälfte zur Klinge hin verdeckten weiße Wolken die eigentliche Schneide. Diese war silbern und hielt an einer Seite einen Halbmond und auf der anderen eine Sternschnuppe gefangen.
„Nie und nimmer werde ich gegen dich verlieren!“, rief Toni Leo zu, welcher die Schläge seines Mitstreiters Miko gerade noch so abblocken konnte. Sie rappelte sich auf, rannte auf ihren Gegner zu und ließ die Klingen Funken schlagen. Mehrere Male schlugen die Schwerter aufeinander, berührten einander und vollführten mithilfe ihrer Träger einen fantasievollen Tanz.
Leo hingegen ließ sich nicht so leicht aus der Puste bringen. Zwar hatte er es gleichzeitig mit Toni und Miko zu tun, aber er plante bereits seine nächsten Schritte – Auch Schlüsselschwertträger waren beim Training mal in der Unterzahl. Leo wirbelte sein Schlüsselschwert umher, welches so schien als wäre es von ihm selbst gebaut worden. Der junge Träger blockte Angriffe von Toni ab und versuchte, den Hieben von Miko auszuweichen. Meister Iustus hatte den Nutzen von Magie während des Trainings untersagt... wenn man sie beherrschte. Doch dies war zur Sicherheit der Schüler. Er hatte von Trainingslektionen erzählt, in welchen manche Träger plötzlich mit Verbrennungen oder Gefrierbränden behandelt werden mussten.
Aufgrund dieser Erzählungen konzentrierte das Trio ihre Energie auf den Nahkampf. Sie tauschten weitere Hiebe mit den Schwertern aus, während sie in der Trainingshalle umherliefen. Leider brachte es Leo wenig, sich hinter den Säulen zu verstecken – Zwar boten diese von der Breite her Deckung, aber leider waren sie aus Glas gefertigt. Es waren also stets Silhouetten hindurch sichtbar. Der Mond schien hell, während sich das Duell dem Ende neigte, in die Sternenhalle hinein. Schwer atmend ließ sich Toni auf den verspiegelten Boden fallen, wodurch sich dessen Schlüsselschwert in einen Windstoß aus Licht und Funken auflöste. Bei Bedarf konnte ein Träger sein Schlüsselschwert materialisieren oder wieder auflösen. Man munkelte, dass sich nur die Kraft des Herzens in einer Klinge verfestigte.
Miko hatte Wasserflaschen und bereits Spieße gegrillter Kirschen parat, womit das Trio eine Pause vom Training einschlug. Glücklicherweise war ihr Meister eine Person, die kein Training bis zur Erschöpfung auftrug. So lange man selbst aber hart trainierte, wurde er nicht streng mit seinen Schülern.
„Mensch Leo“, rief ihm Miko zu, während dieser sich neben Toni auf den Boden fallen ließ. „Hast dich heute echt wacker geschlagen, wobei Toni aber auch nicht übel war.“ Er stupste sie ein wenig mit der Wasserflasche an, worauf Toni ihn nur verlegen grinsend anstarrte. Leo aber knabberte an seinem Kirschspieß herum. Wirklich gerne aß er die jetzt nicht, aber an das rauchig-süße Aroma hatte er sich allmählich gewöhnt. Er wischte sich mit der anderen Hand den Schweiß von der Stirn, worauf er sich durch sein lockiges schwarzes Haar fuhr. Er trank aus der Wasserflasche und fragte: „Habt ihr euch jemals gefragt, wieso gerade wir drei Träger des Schlüssels sind?“, nachdenklich starrte er die beiden an. Was diente dem eigentlichen Zweck, ein Träger zu sein, wollte Leo indirekt ausdrücken. Doch diese Frage zu stellen, glaubte er, würde seinen Freunden die Freude verderben.
„Wohl Schicksal. Mehr oder weniger Zufall.“
„Zufall ist aber auch nur eine ungenaue Form von Zufall. Nur das man dieses nicht vorher berechnen kann und es sich einfach immer wieder ändert.“, Toni und Miko sprachen ungern über Dinge wie das Schicksal oder höhere Mächte. Hauptsache, man kam mit sich selber zurecht. Nur konnten dort einem die eigenen Gedanken manchmal im Wege stehen. Iustus hatte ihnen dies gelehrt. So lange niemand zu Schaden kam, war dies in Ordnung.
„Schicksal mag unausweichlich sein.“, urplötzlich tauchte der Meister hinter ihnen auf. Iustus hatte wohl auf einen Moment der Unachtsamkeit gewartet gehabt. „Die alte Generation von Meistern war jedoch vor dem Krieg in der Lage, in die Zukunft zu blicken.“
„Aber Meister!“, warf Miko mit angespanntem Ton ein. „Sie konnten die Ereignisse nicht etwa abwenden, oder etwa doch?!“
Seine Augen leuchteten dunkelgrün, als er über die ehemaligen Meister nachdachte. Wohin sind sie verschwunden? Weswegen? Angespannt lauschte er der Lektion Iustus' über die Vergangenheit. Er langweilte das Trio niemals mit langgezogenen Erzählungen, der Wissensschatz von Iustus schien allerdings gewaltig zu sein. Allerdings besaß er die Angewohnheit, plötzlich zu verschwinden und genauso wieder aufzutauchen. Hatte Iustus die drei beim Training beobachtet? Rasch zupfte er sich den Kragen seiner Jacke zurecht und räusperte sich.
„Durchaus waren sie dazu in der Lage. Aber wie, vermag ich nicht zu sagen.“, er warf seinem Bruder Leo einen musternden Blick zu. Dieser festigte den Griff um seine Wasserflasche, wodurch sie knackste. Seine beiden Freunde blickten aus den Augenwinkeln zu Leo hin, aber sagten nix.
„War dies alles?“, fragte der Meister. „Übt weiter oder verlasst die Sternenhalle für heute.“
Miko fand als erstes die Sprache wieder.
„Ja, Meister. Wir werden uns umgehend auf dem Heimweg machen. Oder, Leo?“
Mit einer kurzen Verbeugung mit dem Oberkörper zollte er Iustus Respekt, verabschiedete sich und zog Leo widerwillig mit hinaus.
Stille machte sich in der Halle breit, als Toni kurzerhand bemerkte, dass sie und Iustus allein waren. „Meister, geht es Ihnen gut?“, fragte die Jugendliche nachdenklich. „Ihr wirkt angespannt. Wenn ich das so sagen darf.“
Er trat zu ihr herüber und seufzte.
„Leo macht es mir manchmal wirklich ein wenig schwer. Hast du die Anspannung zwischen ihm und mir eben nicht mitbekommen?“, Iustus wirkte betrübt, fand Toni. „All diese Pflichten, die man als Meister hat, sind manchmal ein wenig ermüdend. Das macht das Leben mit Verwandten nicht gerade leichter.“
Iustus versuchte, ein wenig zu lächeln. Toni fragte sich, wieso er dies gerade ihr erzählte.
„Kann es sein, dass ihr---“ er unterbrach sie.
„Ich kenne dich schon seit du und Leo zusammen als Kinder spielend durch die Stadt gelaufen wart. Hör auf, mich als Meister zu betiteln, wenn wir allein sind!“
Toni erinnerte sich. Seit Leos Eltern verschwanden, kümmerte sich sein Bruder Iustus um ihn. Und auch für sie war er manchmal wie ein Bruder gewesen. Iustus schien manchmal ein wenig darunter zu leiden, ein Meister des Schlüsselschwertes zu sein... aber er blieb stark und bereitete seine Schüler auf die Zukunft vor.
„Lass mich dir etwas anvertrauen...“
„Mensch Miko, WAS sollte das denn gerade?“, Leo zerrte wütend an dem Griff seines Freundes, als sie durch die Türen der Sternenhalle traten. Er schubste Miko ein wenig beiseite, was diesem aber gar nichts ausmachte: „Beruhig' du dich doch erst mal! Hast doch auch sicherlich gemerkt, dass es an der Zeit war zu gehen, oder?“ Er schnippte mit den Fingern. „Training ist vorbei heute. Nix mehr.“
Leo hingegen versuchte jetzt, sich zu beruhigen und verschränkte schmollend die Arme. Mit rollenden Augen drehte er sich um und betrachtete die Stadt. Glacier bestand aus vielen hohen und auch niedrigen Häusern. Die Bewohner versuchten, das mangelnde Licht durch Leuchtschilder, Laternen und anderen mechanischen Dingen auszugleichen. Zwar schien stets der Mond, aber ohne Laternen würde man nicht sehen, wohin man trat. Leo drehte sich wieder zu Miko um und blickte diesen fragend an.
„Toni sollte gleich nachkommen. Wir sind ja auch einfach gegangen!“, lächelte der Jugendliche bescheiden. Wessen Fehler das wohl war..., dachte Leo. Miko glaubte, einen Fehler gemacht zu haben. „Lass uns doch einfach vorgehen.“, schlug er vor. „Ein wenig auf dem Hauptplatz schlendern, etwas im Park die Luft genießen... solch Dinge eben!“
Was hatte Leo zu verlieren? Ewig nachtragend sollte man seinen Freunden nicht sein. Und so befanden die beiden sich kurzerhand auf dem Weg zur Händlerstraße, wo die unterschiedlichsten Dinge angeboten wurden.
„Das Gleichgewicht der Welt?“, Toni blieb der Mund vor Entsetzen offen stehen. „Was bedeutet das, Iustus?“
„Ich bin mir nicht sicher...“, nachdenklich strich sich der Meister über das Kinn. „Aber Glacier Place befand sich seit seiner Entstehung zwischen den Grenzen von Licht und Dunkelheit. Und diese Kräfte konkurrieren seit Anbeginn der Zeit miteinander.“
Das hatte sie nicht erwartet. Brach Iustus gerade die Lehren seines Meisters? Wobei, jeder währte die Traditionen auf seine eigene Art und Weise...sollte das Gleichgewicht wirklich in Gefahr sein, musste etwas dagegen unternommen werden!
„Wie sehen die anderen Welten aus?“ Droht ihnen auch, aus dem Gleichgewicht zu fallen?“, aufgeregt fuhr sich die Jugendliche durchs Haar und wirkte ein wenig ratlos. „Was sollen wir denn bloß tun?“
Anscheinend hatte Iustus diesen Gedankengang nicht vorhergesehen. Ruhig versuchte er seiner Schülerin zu erklären, dass er als Meister verhindert war, die Schlüsselschwertträger von Außerhalb zu kontaktieren.
„Deswegen habe ich euch geschult und Vorbereitungen für die Prüfung getroffen. Denn nur wenn ihr genau in der Mitte von Licht und Dunkelheit steht, könnt ihr diese Welt sicher verlassen. Nun gehe zu deinen Freunden. Und kein Wort hierüber!“
Stumm nickend verließ Toni die Sternenhalle, lief hastig auf die vom Laternenlicht erhellten Straßen und blickte sich nachdenklich um.
Wie die Jugendliche ihre Freunde kannte, befanden die beiden sich wieder nahe des Mondblumenfelds im Park. Bestimmt aßen sie noch mehr gegrillte Kirschen. Mit schnellen Schritten machte sich die Jugendliche dorthin auf. Zwischenzeitlich lief sie durch Menschenmassen durch, bog an Gassen und dunklen Ecken ab.
Toni fielen die Verkäufer am Straßenrand in ihren verschiedenen Ständen auf, die mitunter Lampen verkauften oder exotisches Gemüse anboten. Kurzerhand kam sie auch schon an ihr Ziel – Zwar war es wunderlich, wie in Glacier ohne das Sonnenlicht Pflanzen wuchsen... aber es funktionierte allen Anschein nach bei Mondblumen, Tomaten und einigen Faunasorten, deren Namen Toni nicht kannte.
„Ihr beiden gönnt mir aber auch nicht mal einen Augenblick Pause!“, rief Toni ihren Freunden aus einigen Metern Entfernung zu. Wie gedacht, saßen Miko und Leo auf einer Bank und diskutierten darüber, ob es sinnvoll wäre, das Grundwissen noch einmal durchzugehen. Dabei hatten sie den ganzen Morgen trainiert, argumentierte Leo. Sie sollten lieber für heute entspannen. Miko jedoch bestand auf das Gegenteil. Die beiden schienen aber nicht zu bemerken, wie abwesend Toni war. Worüber Iustus mit ihr gesprochen hatte, ließ der Jugendlichen keine Ruhe. Gleichgewicht der Welt... Andere Meister? Das bedeutete also, es existierten noch weitere Träger des Schlüssels dort draußen – Was, wenn sie schon in dieser Stadt waren?
Sie schluckte.
„Toni? Hey, alles in Ordnung?“, Miko wedelte mit seiner Hand fragend vor ihrem Gesicht herum. „Wir haben doch beschlossen, für heute zu faulenzen und morgen weiter zu trainieren.“, er und Leo standen auf.
„Und überlegt, uns ein paar Kirschen zu holen vom Stand zu holen. Bist du dabei?“
Nachdenklich fuhr Toni sich mit der Hand über die Stirn und lehnte ab. Sie fühle sich nicht gut, erklärte sie. Es sei aber alles in Ordnung, beteuerte sie lächelnd.
„Na dann. Sitz' da aber nicht wie angewachsen rum, sondern geh heim! Oder tu etwas, damit es dir besser geht!“, Leo verabschiedete seine Freundin mit einem High Five, dann folgte er Miko. Einige Momente später war die Jugendliche alleine. Toni atmete die Luft ein und seufzte tief, während sie in den Sternenhimmel blickte. Gelegentlich liefen einige Menschen an ihr vorbei, aber das störte sie nicht. Gerade, als die Schlüsselschwerträgerin aufstehen wollte, erregte etwas im Mondblumenfeld ihre Aufmerksamkeit.
Langsam erhob sich Toni und ging auf das Blumenfeld zu. Leider erhoben sich die Blumen bis über ihre Stirn, so dass die Jugendliche eben solche beiseite schieben musste. Immer weiter tauchte Toni in das Blumenmeer hinein, bis sie glaubte, in einem Labyrinth aus Pflanzen zu stehen. Der Duft der Mondblumen war leicht, keinesfalls erdrückend und irgendwie beruhigend. Toni erinnerte sich, dass ein Tee aus getrockneten Mondblumensamen beim Einschlafen half. Aber würden diese auch jetzt dafür sorgen, dass sie einschliefe? Doch ehe Toni sich weiter Gedanken ums Einschlafen machen konnte, hörte sie ein stumpfes Geräusch... Befand sich jemand in der Nähe? Riss es sie aus den Gedanken. Vorsichtig trat sie einige Schritte vorwärts und erneut ertönte das Geräusch... Fast so, als würde jemand etwas vergraben!, dachte sie sich.
Vorsichtig lugte die Schlüsselschwertträgerin zwischen den Blumen hervor... Und erblickte einen jungen Mann mit hellem Haar, welcher ein blaufarbiges und kleines sternförmiges Ding in der dunklen Erde vergrub. Doch in der Dunkelheit sah man weder das Gesicht, noch was er genau trug.
Wieso tut er das? Woher kam er?, Toni wurde nervös. Sie merkte, wie ihre Hände anfingen, zu zittern. Langsam versuchte sie zurückzutreten... Doch irgendwie gehorchten ihre Beine nicht. Tonis Kopf fühlte sich schwer und benommen an. Langsam gaben die Beine der Jugendliche nach und sie merkte, wie der Schlaf sie übermannte.
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Das ist erst einmal die Rohfassung. Sprache werde ich nachträglich kursiv stellen und kleine Fehler ausbessern. Habe das per Handy kopiert und weiß noch nicht, wie das eigentlich auf dem Desktop eines PCs aussieht. Kapitel 2 werd ich in den nächsten Tagen dann posten. ;)