Mit einem unbestimmten Stechen in der Magengrube fand sich Faye am nächsten Morgen mit den anderen Koordinatoren in einem extra für sie abgesonderten Wartezimmer neben der großen Wettbewerbshalle ein. Durch einen Monitor konnten sie live beobachten, was auf dem Vorführungsfeld geschah: gerade versuchte der erste Teilnehmer, ein hagerer, junger Mann, sein Kadabra möglichst gut zu präsentieren, doch Faye konnte sich nicht darauf konzentrieren. Sie war als Nächste dran und sie fühlte sich furchtbar elend, was jedoch ausschließend an ihrer Angst lag. Sie fürchtete, gleich bei ihrem ersten Wettbewerb in Johto und dem zweiten überhaupt in ihrer “Karriere” zu versagen. Was, wenn sie einfach noch nicht gut genug war und sich bis auf die Knochen blamierte? Unsicher drehte sie sich nach ihrem Traunfugil um. Dieses jedoch bedachte sie mit einem so vertrauensvollen Blick, dass Faye ein noch schlechteres Gefühl bekam. Ihr Pokémon schien keinerlei Bedenken zu haben und deutlich mehr Vertrauen in seine Trainerin zu setzen als sie selbst. “Na, dann hoffen wir mal, dass du Recht behältst”, murmelte die Koordinatorin, als über die Lautsprecher Jubel ertönte. Der Mann und sein Kadabra nahmen gerade eine einstudierte Abschlusspose ein, die Vorführung war beendet.
Schluckend rief Faye Traunfugil in seinen Pokéball und stand auf. Sie wollte sich noch nach Shin und den anderen umsehen, aber in dem dichten Gewusel aus wartenden Trainern konnte sie keinen von ihnen entdecken und im nächsten Moment stand bereits die Tür vor ihr. Ein letztes Mal holte das Mädchen tief Luft und betrat dann die Halle.
Obwohl man alle Fenster verdunkelt hatte, war es dank der Beleuchtung taghell. Faye spürte die blicke einer ganzen Menschenmasse auf sich ruhen, während sie zwischen zwei der Tribünen hindurchging. Auf dem Bildschirm vorhin hatte das Publikum weit weniger zahlreich gewirkt, sie fühlte sich wie auf einem Präsentierteller. Der Raum war eher einfach gehalten, nur die Anzeige an der gegenüberliegenden Wand und das Podest der drei Schiedsrichter stachen heraus. Die zwei Männer und die hiesige Schwester Joy nickten ihr aufmunternd zu, während von irgendwo eine Moderatorin ihren Namen so reißerisch verkündete, als sei er die aktuelle Gewinnzahl für einen Lotto-Jackpot. Das Ziehen in ihrem Magen war plötzlich verschwunden. Es konnte beginnen.
“Mori, du bist dran!” Energisch warf Faye den Pokéball in die Mitte des Feldes, während sie selbst am Rand stehen blieb. Die kleine Kugel öffnete sich mitten in der Luft und gab Traunfugil frei, welches, anstatt normal zu posieren, langsam eine Runde durch die Halle drehte.
Die Scheinwerfer folgten ihm, aber nicht schnell genug, sodass sich das Geistpokémon in einem ständigen Wechsel von Licht und Schatten bewegte, was ihm etwas Unwirklicheres verlieh. Es besaß keine klar umrissene Gestalt, der Körper wirkte fast wie ein Schleier, der mal eine lilafarbene, mal eine merkwürdig bläuliche Färbung besaß. In den zum Kopf verhältnismäßig großen Augen glitzerte etwas Dunkles, Mysteriöses. Die kleinen Kugel am Hals schillerten rot.
In Fayes Augen war ihr Traunfugil immer ein wundervolles Pokémon, wenn man sich nur die Mühe machte, genau hinzusehen. Jetzt galt es für sie als Koordinatorin, diese Schönheit für jeden sichtbar zu machen. Die richtige Vorführung begann, als sich Mori wieder im Zentrum des Feldes eingefunden hatte.
“Benutze mehrmals Konfustrahl und folge ihnen”, gab Faye das erste Kommando und wunderte sich, wie klar ihre Stimme dabei war. Sie verspürte überhaupt keine Angst mehr, an ihre Stelle traten Konzentration und Freude: sie liebte Wettbewerbe, auch wenn sie im ersten Moment nicht so richtig zu ihr, dem schüchternen Mädchen, das ihre Nase am liebsten in Bücher steckte, zu passen schienen. Doch die Schönheit und Eleganz, zu der selbst echte Monster wie Despotar theoretisch fähig waren, faszinierten Faye und letztendlich war alles nicht mehr als ein präzises, ausgeklügeltes Zusammenspiel von Attacken, Pokémon und ihren Trainern. Hier konnte sie ihre Intelligenz erst richtig einsetzen, in Kämpfen hingegen zählte hauptsächlich die rohe Kraft. So hätte sie beispielsweise selbst mit einer noch so guten Strategie niemals gegen eines der Team Rocket-Mitglieder an der Spitze des Zinnturms bestehen können…
Währenddessen begann Traunfugil sich zu drehen und ein dutzend kleine, geheimnisvoll leuchtende Kugeln abzufeuern, die durch merkwürdig fließende und zugleich dennoch abgehackte Bewegungen gen Decke stiegen. Sie bildeten einen etwas ungleichmäßigen Kreis, in dessen Zentrum sich das Geistpokémon elegant nach oben schraubte.
“Jetzt Groll!”, rief Faye, nachdem sich ihr Pokémon fast auf einer Ebene mit den Scheinwerfern befand.
Mori reagierte sofort, blieb in der Luft stehen und schloss die Augen. Einen Augenblick später entstanden dunkle Schatten, die den kompletten oberen Teil der Halle befielen und in verschiedene Abbilder zu ziehen schienen. Am Besten erkannte man es am Licht: die einzelnen Strahlen verdoppelten sich plötzlich oder zeigten in eine völlig falsche Richtung. Eine Wand wurde plötzlich höher als die Gegenüberliegende und die Konfustrahl-kugeln verschwammen zu einem einzelnen hellgoldenen Band, welche das vergrößert wirkende Traunfugil umkreisten und nicht mehr höher stiegen.
“Okay, das reicht. Schnell nach unten!”, schrie die Koordinatoren, wobei sie das Keuchen einiger weiblicher Zuschauer übertönen musste. Insgesamt blieb das Publikum ruhig und beobachtete ihre Vorführung mit Interesse: sie waren es gewöhnt, die merkwürdigsten Attacken zu sehen zu bekommen, da konnte ein simpler Groll niemanden erschrecken, der auch nur einmal in seinem Leben mit Geistpokémon zu tun gehabt hatte. Nun ja, fast niemanden.
Mori öffnete ihre Augen und brach das Schattenspiel ab, stattdessen ließ es sich einfach fallen. Im selben Moment war auch der ganze Spuk vorbei, alles stand wieder an seinem richtigen Platz und sah aus wie zuvor- mit Ausnahme der Kugeln. Ein Konfustrahl war mehr Illusion als Realität, daher erzielte der Groll einen ausdauernderen Effekt. Das helle Band bestand weiter, doch nun besaß es keinen Halt mehr- und stürzte zu Boden.
“Psystrahl!” Einige Meter weiter unten wartete Traunfugil bereits. Gerade rechtzeitig erschuf es die Attacke, die sich in Wellen ausbreitete und eine runde, in allen Violetttönen schillernde Fläche von etwa zwei Meter Durchmesser ergab. Die umgewandelten Konfustrahl-kugeln wurden von dem Psystrahl aufgefangen und durch die dort wirkenden psychischen Kräfte in kleine Bestandteile zerteilt. Für einige Sekunden war die ganze Attackenkombination golden, bevor die Funken langsam herabregneten. Dann war es vorbei.
Bedächtig, um die Wirkung der Vorführung auch ja nicht durch Hastigkeit zu zerstören, schritt Faye über das halbe Feld, bis sie unter ihrem Geistpokémon stand. “Mori?”, fragte sie leise. “Du warst fantastisch!” Das Traunfugil stieß ein stolzes Raunen aus und schwebte zu ihr hinab, während sie sich verbeugte.
Applaus brandete auf; Faye hatte das Gefühl, dass er nicht nur der Höflichkeit geschuldet war.
Merkwürdig entspannt ging sie zurück in den Warteraum der Koordinatoren und setzte sich auf eine Bank, die eine gute Sicht auf den großen Übertragungsbildschirm bot. Auch wenn sie sie hier im Moment nicht fand, wollte sie zusehen, wie sich Shin, Caty und Chad schlugen und ihnen die Daumen drücken.
OT: So, ich hoffe, ich konnte meine ziemlich wirre Vorfürhung halbwegs so beschreiben, dass man sie auch nachvollziehen kann. ^^
jetzt sind jedenfalls in erster Linie mal die Koordinatoren dran, ihre Vorführungen zu posten. Aber wenn jemand noch seinen arenakampf oder etwas ähnliches posten will, kann er das natürlich auch gleich tun. Wir wollen ja irgendwann wieder aus Teak City rauskommen^^