1.) Es stimmt, dass Krieg und Ausbeutung den Nahen Osten nachhaltig destabilisiert haben. Allerdings stört mich der Begriff "Muslimische Welt" in diesem Zusammenhang, da Länder wie Indonesien oder Singapur, islamisch geprägte Länder, wohl kaum Krisenherde sind. Zudem gibt es den "Westen" als einheitlichen Akteur im Nahen Osten streng gesehen auch nicht. Ich kann mich jedenfalls nicht an schwedischen Bomber (*hust*) im Kampfeinsatz erinnern.
Hier muss ich dir zustimmen, man kan weder von einer homogenen "Muslimischen Welt" noch, und der Fehler wird auch seitens der politisch progressiven Kräfte zu häufig gemacht, von einem homogenen Westen (schon gar keinem nichtmuslimischen Westen, oder zählt jemand die Türkei heute ernsthaft noch zum "Osten"?) sprechen. Es waren auch Länder mit überwiegend islamischer Bevölkerung an der Coalition of the willing beteiligt.
Und natürlich handelt es sich um ein politisches, viel mehr als ein religiöses Problem. Die Religion ist nur das "Einfallstor", die Strategie zur Anwerbung neuer Kämpfer und "Instrument" des Terrors, der ja nicht nur dadurch lebt, dass Menschen auf irgendeine Art und Weise getötet werden, sondern dass eine Drohkulisse aufgebaut wird, wofür sich das Enthaupten der Kafar genauso gut eignet wie Gottes Flammenschwert oder, keine Ahnung, ne anstehende Alien-Invasion die Leute in den Selbstmord treibt.
Es stimmt zudem, dass Bomben ineffizient sind. Luftanschläge alleine, reichen nicht aus, um IS-Kämpfer langfristig zu vertreiben. Bodentruppen können es allerdings. [...] Extrem gut bewaffnet und organisiert, haben ihren eigenen Kalifat auf dem Gebiet von zwei souveränen Staaten errichtet und haben es sich auf die Fahne geschrieben, alle "Ungläubigen" abzuschlachten. [...] Mit solchen Fanatikern kann man nicht verhandeln.
Endlich! Bodentruppen sind hierbei dringend erforderlich, und das gleich aus mehreren Gründen: Bomben sind noch lange nicht so präzise und human wie uns Rüstungsfirmen und Regierungen glauben machen wollen. Mit chirurgischer präzision können Gebäude gesprengt und sich innen befindliche Feinde bekämpft werden? Wer's glaubt. Mit übergroßkalibrigen Geschützen aus kilometerweiter Entfernung auf Gegnergruppen schießen ist auch nicht die Lösung, so wurden im vergangenen Jahrzehnt wiederholt Journalisten getötet, deren Kameraausrüstung die Piloten für Bewaffnung gehalten hatten. Videos hierrüber kann man auf youTube einsehen: Der Pilot sitzt kilometerweit entfernt, fliegt mehrere Runden um das Trümmerfeld der ersten Einschläge und schießt wiederholt auf Überlebende und heraneilende Sanitäter.
Wirklich präzise arbeitet nur der einzelne Soldat, der jeden Schuss eigenhändig und unmittelbar auslösen muss, nachdem er sein Ziel hinreichend aufgeklärt hat. Ist das Ziel wirksam bekämpft stellen Bodentruppen das Feuer ein.
Richtig ist auch: Mit dem IS kann und darf man nicht verhandeln. Man sollte dem IS politisch, also auf der verhandlungsebene keinerlei Legitimation zukommen lassen. Dennoch muss man zumindest strategisch anerkennen, dass der IS über ein eigenes Territorium, ein gewisses Maß an Verwaltung, Bevölkerung und tatsächliche Herrschaft verfügt. Es ist alo de facto tatsächlich ein Staat. Hier unterscheidet sich auch die Sinnhaftigkeit des Vorgehens von den Konflikten des vergangenen Jahrzehnts: Die stehenden Armeen der eingreifenden Länder kämpfen nicht mehr gegen im verborgenen agierende Guerillas, die tagsüber einem ganz normalen Leben nachgehen, sondern Streitkräfte kämpfen gegen Streitkräfte. Es werden Städte erobert und verloren. Hier zeigt sich, dass Bodentruppen mit konventioneller soldatischer Ausbildung tatsächlich wirksam eingesetzt werden können und meiner Meinung nach auch sollten.
Allerdings nur mit UN-Mandat (mit einem solchen Mandat wäre der Einsatz von Soldaten auch legimitiert, anders als der Irakkrieg damals, wo sich Deutschland klugerweise herausgehalten hatte und es wäre ein Zeichen, dass es sich um internationale Allianz handelt und nicht bloß eine "böse Koalition des Westens") in Zusammenarbeit bzw. als unterstützende Kraft mit regionalen Truppen, namentlich die irakische Armee, die kurdische Peschmerga und, das ist jetzt besonders wichtig, eine vereinte Front von gemäßigten Rebellen Syriens. Die Aussagen des britischen Premiers Cameron, dass 60000-70000 verbündete Rebellen in Syrien kämpfen, kann man getrost in die Tonne schmeißen. Die Rebellen sind untereinander zerstritten und bekämpfen sich teilweise. Einige Gruppierungen stehen sogar der al-Qaida nahe.
Diesen Absatz muss ich leider zerpflücken - tut mir leid. Erstens: Was ist die UN? Eine Laber-Veranstaltung der Russen und Chinesen. Die UN bewegt seit Jahren nichts mehr, und genauso wenig Aussagekräftig sind ihre Mandate. Ich vertrete hier einen humanistischen Standpunkt: Einsätze sind richtig oder falsch, wenn sie der Menschheit dienen oder schaden, nicht wenn irgendwelche Schwellköpfe aus aller Herren Länder sie für richtig oder falsch erklären. Ein Einsatz hat nicht mehr oder weniger legitimation, nur weil es einen blauen Brief dazu gibt. Man kann ja nicht mal unterstellen, dass das UN-Mandat bedeutet, alle in der UN vertretenen Länder heißen den EInsatz gut, so ist es ja nicht. Wird das Mandat vom Sicherheitsrat ausgesprochen, heißt es nur: Die Vetomächte sind einverstanden. Passiert es die Vollversammlung, heißt es, die Mehrheit der vertretenen Länder sind einverstanden. Daraus kann man praktisch gar nichts ableiten.
Hinzu kommt, dass die ur-eigene Aufgabe der UN nicht ist, Militäreinsätze zu mandatieren. Jeder souveräne Staat kann selbst entscheiden, wie und wo er seine Streitkräfte einsetzt. (Natürlich innerhalb der Spielregeln, die es ja unabhängig von jeden Mandaten gibt: Keine Angriffskriege, Menschenrechte, Genfer Konventionen, etc. pp.) Da würde ein NATO-Mandat, die Nato ist ein reines Verteidigungsbündnis, deutlich mehr Sinn machen.
Selbst wenn man all das außer Acht lässt und sagt: Ich will aber der Ästhetik halber trotztdem ein UN-Mandat, muss gesagt werden: Not gonna happen. Geopolitisch verfolgen die Akteure sowas von verschiedene Ansichten und Interessen, dass es niemals zu einem militärischen Mandat kommen wird. Niemals. Nichtmal eine wirkungsvolle Resolution bekommt die UN hin. Es wird sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinet und dann steht sowas drin wie "Wir verurteilen alles Böse, womit nicht gesagt ist, dass dort böses passiert, aber wenn, dann von beiden Seiten. Womit nicht gesagt ist, dass es Seiten gibt, denn eigentlich sind sich alle einig. Womit nicht gesagt ist, dass es ein Problem gibt, aber falls......"
Anschließend die Unterstützung der regionalen Kräfte: Welche soll man da unterstützen? Die "gemäßigten Rebellen"? Die kann man auch nicht als homogene Konfliktpartei ansehen, denn: Rebellengruppen können entweder gemäßigt oder extrem sein, das betrachte ich mal als Ausrichtung auf der X-Achse. Sie können aber auch noch hauptäschlich religiös oder politisch motiviert sein, das wäre sozusagen die Y-Achse, und innerhalb dessen noch verschiedenen Ausrichtungen (Christlich in 3 verschiedenen Ausprägungen, Muslimisch in 5-500 verschiedenen Ausprägungen, Sozialistisch, Nationalistisch, blah blah) verhaftet sein, das wäre sozusagen die Z-Achse. Diese Gruppen kann man unter keinen Umständen zusammen bringen. Also rein räumlich natürlich schon, aber nicht was ihre Ziele anbelangt.
Hinzu kommt, dass man mit einigen Rebellen auch gar nicht zusammen arbeiten wollen würde, weil sie entweder auf Seiten des IS oder Al-Quaida, oder was weiß ich wem kämpfen - und die will man ja bekämpfen.
Die Kurden zu unterstützen halte ich hingegen für richtig. Die kommen mir am säkularisiertesten vor und schaffen es, zumindest in ihren Gebieten eine einigermaßen funktionierende Verwaltung zu unterhalten. Außerdem ist mir von gravierenden Menschenrechtsverletzungen aus dieser Richtung nichts bekannt. Hier taucht politisch aber das problem des Umgangs mit der PKK und daraufhin mit der Erdogan-Türkei auf. Das können wir aber gern an anderer Stelle diskutieren.
Assad ist als Verbündete außerdem nicht tragfähig. Dieser Diktator war verantwortlich für die Abschlachtung seines eigenen Volkes.
Achtung beim pauschalen Assad-Bashing. Ja, Assad ist unhaltbar und politisch verantwortlich für den Chemiewaffeneinsatz im eigenen Land. Er war aber auch viele Jahre lang ein stabilitätsfaktor und hat den Menschen in Syrien ein komfortables Leben ermöglicht. Solche Shah-Persönlichkeiten hat der Westen sehr lange unterstützt. Assad muss vor ein internationales Gericht und sollte natürlich so lange den Schutz der Staatengemeinschaft genießen, wie die Familie auch. Ihn militärisch zu stürzen halte ich aber im ersten Schritt für falsch. Erstmal der IS, dann Assad.
3.) Zunächst einmal - ja, dem IS muss öffentlich den Anspruch, dass sie DAS Staatsgebilde ist, in dem alle Muslime den wahren Islamismus praktizieren, genommen werden. Anfangen sollten wir damit, indem wir sie nur noch Daesh (ausgesprochen "Da-esch") nennen. Begründung
Neh, man kann den IS auch IS nennen. Ist vollkommen wurscht. Die CDU hat ja auch nicht den Anspruch alle Christen zu vertreten und es fühlen sich auch nicht alle Christen von der CDU vertreten. Der vergleich an der Stelle kommt vielleicht bisschen krass, es geht aber im Grunde nur um den Markennamen: So lange der Markenname eindringlich und etabliert ist, kommt eine zwanghafte Änderung weird an. lieber beim bisherigen Namen bleiben, jeder weiß, was gemeint ist. Übrigens stellt IS meiner Ansicht nach treffend heraus, dass es sich eben um einen de-facto-Staat handelt, der hier bekämpft werden soll, von daher hat der Name schon auch seine Vorteile.
4.) Doch, konventionelle Armeen können Daesh-Truppen ohne weiteres besiegen. [...]
JA! Siehe oben
Und wenn wir schon beim Thema "Verbündeten" sind...warum zur Hölle exportiert Deutschland und diverse andere Länder ihre Waffen nach Saudi-Arabien? Ein Land, dass Wahhabismus verbreitet, alle möglichen Art von Menschenrechtsverletzungen begeht und Leute steinigt? Allgemein sehe ich den Export von Waffen als eine Gefahr für den Frieden, was wohl nur der Rüstungsindustrie hilft, aber noch dazu Saudi-Arabien?...Da gießt man nur wortwörtlich Öl ins Feuer.
Ja, sehr schwierig. Ich persönlich bin für Rüstungsexporte, vor allem aus Deutschland. Dennoch sollte die Bundesregierung ein scharfes Augenmerk darauf richten, in welche Länder die Waffen gehen. Saudi-Arabien sollte ganz sicher nicht dazu gehören. Ich persönlich habe keine Ahnung, warum überhaupt Großwaffen nach S.-A. exportiert werden, zumall der Saudische Markt keine allzu große Bedeutung für deutsche Rüstungsfirmen hat. Wie gesagt, ich kann es mir nicht erklären, warum immernoch nach Saudi-Arabien exportiert wird.