Beiträge von Layka

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“

    Den Kopf bequem gegen die Lehne zurückgelegt, die Reisetasche zwischen den Beinen verstaut, hörte Helen Ryan Musik. Als leises Hintergrundgeräusch nahm sie das ständige Brummen des Motors wahr, der hin und wieder stotterte und aufheulte. Er hatte kein leichtes Leben. Rote Ampeln, Bahnübergänge, höhere Geschwindigkeitsbegrenzungen – der Fahrer des alten roten Vans nahm jede Gelegenheit mit, um sein treues Gefährt auf die Probe zu stellen, und mit ihm die fünf anderen Insassen des Autos.
    Die Fahrt hatte mit großem Enthusiasmus aller Beteiligten gestartet, doch nach vielen Stunden Fahrt war die Gesellschaft zum Abend hin sichtlich ermattet. Nur Elias, Fahrer und Trainer der kleinen Gruppe, summte unter dem starken Einfluss von noch stärkerem Kaffee sämtliche Lieder seiner Oldies-CD mit. Helen saß auf dem Beifahrersitz neben ihm. Sie hatte die Augen zur Entspannung geschlossen und ihre etwas über kinnlangen Haare wie üblich zurückgebunden, mit einem schlichten naturfarbenen Leinentuch, das am Nacken entlang um ihren Hinterkopf führte und seitlich unterhalb des rechten Ohrs geknotet war. Für jeden, der von hinten einen Blick auf die junge Brünette erhaschte, war so ihr Zeichen zu sehen. Wie oft war sie schon auf dieses merkwürdige Tattoo angesprochen worden... Die letzte Zeit hatte es sich gelegt, doch als älteres Kind hatten sich viele über ihre Eltern gewundert, ja empört, wie sie diese Verzierung erlaubt haben konnten. Immerhin konnte sie die hyperkritischen Kreise ihrer Eltern mittlerweile fast gänzlich meiden.
    In ihre – nicht allzu begeisterten – Erinnerungen mischte sich ein fremdes Gefühl, ein Kribbeln, das sie erst für eine Fliege auf ihrer Fingerkuppe hielt. Unwichtig. Doch während der Kilometerzähler des Vans alle hundert Meter hochtickte, gesellten sich auch mit jedem Leitpfosten neue krabbelige Beine auf ihre Hand. Leicht genervt schlug sie die Augen auf und sah – nichts. Das Gefühl aber ließ nicht nach; diese Unruhe, die sie nicht mehr still sitzen ließ.
    „So aufgeregt, Große?“, lachte ihr Trainer in das Outro eines seiner Lieblingssongs hinein.
    „Wahrscheinlich...“, murmelte Helen. Aufregung. Das musste es sein. Es kam nicht jeden Tag vor, dass man einen der besten Kämpfer der Szene traf und auch noch die Ehre hatte, bei ihm zu trainieren. Aber ihre Aufregung gab sich normalerweise von allein, sobald sie sich mit Elias unterhielt. Er war weit davon entfernt, ihr Freund zu sein, aber seine stets optimistische Art übertrug sich auf sie. Warum sagte ihr dieses Gefühl dann, so schnell wie möglich aus diesem Auto zu verschwinden? Warum wollte sie gleichzeitig die Tür aufreißen, bei hundert Stundenkilometern hinaus springen und einem unbestimmten Ruf folgen?
    Es wurde schlimmer. Irgendeinen Anhaltspunkt musste es doch geben! Irgendetwas musste sie übersehen haben... Oder war es einfach Übermüdung?
    Dann bogen sie ab, und die Unruhe in ihr legte sich allmählich wieder. In ihrem Kopf verblieben Bilder, die sie lange zu verdrängen versucht hatte. Ihr Bruder. Pius, mit dem sie im Park spielte. Pius, der sie fragte, warum auf seinen Handrücken eine Raute gemalt war. Pius, der leblos auf den Boden lag, und ein Grabstein. Pius Ryan.


    „Da wären wir. Eine Runde Bourbon geht auf mich“, verkündete Elias, die Gruppe von Halbstarken im Schlepptau. Nach der langen Fahrt waren sie hungrig und wollten gemütlich in einer Gaststätte einkehren, bevor sie sich auf den Weg zur Unterkunft machten. Fünf der Sportler betraten wohlgelaunt das Gebäude, nur Helen blieb nach auf der letzten Treppenstufe stehen, sodass die Tür vor ihr wieder zu fiel. Natürlich hätte sie sie einfach wieder öffnen und hineingehen können, aber...
    Ehe sie selbst merkte, was sie eigentlich gerade tat, hatte sie sich durch das halb heruntergelassene Beifahrerfenster ihre Reisetasche geangelt, dieselbe geschultert und hatte die Stadt schon verlassen. Die Unruhe pochte unter ihrer Haut, aber zur gleichen Zeit entspannte es sie auch, endlich wieder ihre Ruhe zu haben. Mit fünf verschiedenen Menschen auf so engem Raum zusammenzusitzen, war auf Dauer nichts für sie. Sie merkte, dass die anderen sie für nicht ganz sauber hielten, was ihr jetzt jedoch auch ein Vorteil war: Für etwas seltsame Personen war es auch normal, etwas seltsame Unternehmungen zu beginnen, wie etwa die Gruppe zwischenzeitlich zu verlassen, um...
    Um was eigentlich?
    Helen widerstand dem Drang, einfach weiter und weiter zu laufen, und grübelte einen Moment lang darüber, was sie eigentlich tat. Nur frische Luft schnappen? Nein, das Gefühl trieb sie nicht nur ans Freie, es scheuchte sie den Weg entlang, speiste ihre vom Sitzen lahmen Muskeln mit Erinnerungen an ihren kleinen Bruder. Die Wärme, die sie stets in seiner Gegenwart empfunden hatte, durchdrang sie, als wäre sie in einen heftigen Regenschauer geraten. Jahre hatte sie dieses Versprechen auf Vertrauen nicht mehr gehört, nur um sie jetzt umso intensiver zu umgarnen. Vorwärts!, schickte es sie.
    Sie konnte nicht anders, als vorwärts zu gehen. Es machte ihr Angst, wie leicht sie einem Hirngespinst nachgab, und sie verstand sich selbst nicht mehr. Erst vor kurzem hatte Helen von Hypnose gelesen – angeblich sollte es Menschen geben, die nicht nur Scharlatanerie trieben, sondern die Kunst tatsächlich beherrschten! Oder Gehirnprothesen, die Nervensignale an den Träger schickten und ihn so zu undenkbaren Taten zwingen konnten. Helen erschauderte, als sie sich in ihr Schicksal ergab. Und wirklich lief sie fast wie in Trance den Weg entlang, eine Hand stets auf der Tasche ihrer Weste, wo die Schlagringe verstaut waren.
    Dann tauchte wie aus dem Nichts ein Tor vor ihr auf. Ihre Grübelei hatte ihr Sicht und Aufmerksamkeit geraubt. Gleichzeitig wusste sie, dass sie wirklich nicht nur eine Lunge voll frischer Luft schnappen gegangen war.
    Die Mauer, in der das Tor saß, war gefühlt dreimal so hoch wie sie selbst. Realistisch geschätzt war es wohl nicht einmal ihre doppelte Körpergröße, aber der Stacheldraht trug noch eine Schicht bedrohliches Aussehen auf. Sich freiwillig diesem Gefängnis – was sollte es sonst sein? – zu nähern, musste ein Zeichen von plötzlich zutage tretendem Masochismus sein. Und das passierte natürlich ausgerechnet jetzt, wo sie gemütlich essen und eines ihrer großen Vorbilder kennenlernen konnte.
    Trotzdem zog es sie näher, wobei nach einem Schritt in Richtung Umzäunung das Tor wie von Geisterhand aufschwang. War das jetzt ein Willkommensgruß oder doch nur eine Falle? Helen suchte die Mauer nach einer Kamera oder ähnlichem ab, fand aber in ihrer Hektik nichts. Schnell wurde ihr Blick auf den Hof im Inneren gelenkt, wo sie erst nur einen Motorroller sah, auf den zweiten Blick bemerkte sie dann auch das Mädchen, das an der Maschine zu arbeiten schien.
    Als Helen die Schwarzhaarige, die ihrem Äußeren nach aus Ardona stammte, sah, biss sie sich kurz auf die Unterlippe und trat dann durch das imposante Tor. "Hallo?", rief sie, um nicht allzu einbrecherisch zu erscheinen.
    Die Schwarzhaarig erhob sich ein wenig, blickte sich um und kratzte sich verwundert am Kopf. Dabei konnte man gut die drei waagrecht verlaufenden, veilchenblauen Wellenlinien neben ihrem linken Auge sehen. „Nanu, dich kenn ich ja gar nicht. Ich dachte, du wärst einer der Heimbewohner, der einen Spaziergang gemacht hat, aber da hab ich mich wohl getäuscht“, merkte sie grinsend an und hielt der andern die Hand hin, „Kasumi, das ‚Nebelmädchen‘“
    Helens Blick blieb für einen Moment an den Wellen an der Schläfe hängen. Sicher wurde diese Kasumi auch nicht selten auf das ungewöhnliche, aber auch ungewöhnlich hübsche Tattoo angesprochen. Unwillkürlich griff sie sich in den Nacken, wo ihr Zeichen die Haut zierte. Erst dann registrierte sie die Hand und schüttelte sie, das Grinsen aufrichtig erwidernd. „Helen Ryan. Einen Spaziergang wollte ich auch machen, aber als mich auf den Weg gemacht habe, wusste ich noch nichts von diesem... Heim?“ Nun, ein Heim war besser als ein Gefängnis, und Kasumis Freundlichkeit nach zu schließen war es auch nicht die schlechte Art Heim, die man aus Horrorfilmen kannte. Im Gegenteil begrüßte das Nebelmädchen sie herzlicher als alle anderen Menschen, denen sie bisher begegnet war – verkaufsfreudige Mitarbeiter aus Schuhgeschäften ausgenommen.
    „Kann es sein, dass dein Zeichen im Genick sitzt, oder warum hast du da grad hingegriffen?“, erkundigte sich die Ardonerin, „Keine Sorge, dieses Heim ist nur für Leute wie uns, aber es ist echt selten, dass einer von uns einfach so vorbei kommt. Normalerweise ist es immer ein Haufen Arbeit, jemand neues herzubringen. Von woher kommst du eigentlich, wenn du nur einen Spaziergang gemacht hast?“
    „Nun, ich bin in Stoneville losgelaufen... mittlerweile dürfte das schon ein etwas längerer Spaziergang geworden sein. Eigentlich komme ich aber aus Hiwood, ich hatte eigentlich vor, in Stoneville zu trainieren. Dann hat mich wohl die Lust nach frischer Luft überkommen.“ Helen stockte einen Moment. „Woher du von dem Zeichen wusstest, muss ich noch nicht ganz verstehen, oder? Aber ja.“ Sie drehte sich einmal um sich selbst und hielt die Haare vom Nacken weg, um das Schildsymbol zu zeigen.



    OT: Da wäre der erste Teil meines Einstiegsposts, in Zusammenarbeit mit Sheewa. Auf ein gutes Spiel ^^

    Name: Helen Ryan
    Geschlecht: weiblich
    Alter: 18
    Lichtfarbe: blaugrau
    Lichtstärke: stark


    Aussehen: Helen ist eine etwa 1,70m große, schlanke Frau. Sie hat dunkelbraune, fast schwarze Locken, durch die sich weiß-silbrige Strähnen ziehen und die sie kurz geschnitten trägt, die Länge variiert normalerweise zwischen Kinn- und Schulterhöhe. Da sich so kein ordentlicher Zopf machen lässt und die Haare trotzdem möglichst nicht stören sollen, bindet Helen sie öfters stirnbandartig zurück. Davor zeigt sich ein rundliches Gesicht mit dunkelblauen Augen, die nicht sonderlich auffällig sind.
    Ihr Körper ist in bester Form, auch weibliche Kurven wurden ihr wohldosiert zuteil, ohne sie ernsthaft stören zu können. Ihrem ansonsten durchaus hübschen Körper haftet durch einige Narben und oft auch blaue Flecken ein eher unschöner Makel an. Am meisten springt in der warmen Jahreszeit eine Narbe ins Auge, die von der rechten Schulter aus außen am Arm bis zum Ellbogen reicht, mittlerweile aber immerhin nur noch ein bis zwei Millimeter breit ist.
    Helens Kleidungsstil mutet tendenziell männlich an. Sie bevorzugt geräumige Jeans, Sneakers oder aber Arbeitsschuhe und Hemden. Außerdem trägt sie keinerlei Schmuck am Körper.



    Zeichen:
    Helens Zeichen befindet sich auf der ganzen Fläche ihres Nackens bis zur Mitte der Schulterblätter. Es handelt sich um zwei millimeterbreite Linien, die in den Haaransatz hineinreichen und nur zwei Fingerbreit auseinanderliegen. Nach zwei Zentimetern entfernen sie sich voneinander und reichen nun fast bis an die Seite des Halses, von wo aus sie eine Handbreit senkrecht nach unten verlaufen, um sich schließlich in der Mitte der Schulterblätter zu vereinen. Sie bilden so ein nach oben geöffnetes, dunkelgrau schimmerndes Schildsymbol.


    Eigenschaften:
    Dank ihrer frühen Freundschaft zu ihrem kleinen Bruder ist aus Helen eine freundliche und auch Fremden gegenüber relativ aufgeschlossene junge Frau geworden. Zwar strotzt sie nicht vor Selbstbewusstsein und Extrovertiertheit, doch sie geht gerne auf andere Menschen zu – unter anderem, weil sie es einfach interessant findet, ihre vielen Facetten zu entdecken. Dabei verliert sie manchmal das Feingefühl und stößt anderen mit zu taktlosen Fragen vor den Kopf, die sie aber nicht böse meint.
    Es ist für sie außerdem sehr wichtig, in ihrem Leben eine Bezugsperson zu haben. Das bedeutet nicht einmal, dass sie diesem Menschen großartig Vertrauen schenkt, sie braucht lediglich eine Orientierung, eine Konstante, von der sie sicher weiß, dass sie da ist.
    Generell ist Helen sehr aufmerksam und achtet auf viele Kleinigkeiten in ihrer Umgebung und im Verhalten ihrer Mitmenschen. Dabei läuft sie Gefahr, sich zu sehr in Details zu verlieren und das große Ganze nicht mehr zu sehen. Sie wird schnell nervös und ängstlich bis paranoid, wenn ihr auffällt, dass ihr etwas entgangen ist.


    Kraft:
    Helen besitzt die Fähigkeit, sich selbst und andere mit einem Schild zu schützen. Dies funktioniert unsichtbar, der Schutz erfasst die Person direkt, wie eine zweite, den ganzen Körper umfassende Haut. Diese absorbiert die Krafteinwirkung durch Schläge, wohingegen scharfe Gegenstände den Schutz durchdringen können.
    Durch Übung entdeckte Helen eine weitere Seite des Schildes: Er lässt sich in seiner „Elastizität“ beeinflussen, sodass er nicht nur den Schützling vor Schaden bewahrt, sondern die äußeren Impulse sogar vermindert – aber stärker, als die normale Physik vorgesehen hat – zurückwirft. Bei einem kräftigen Hieb kann das den Gegner zurückschlagen, gegen Schnitte zum Beispiel ist diese Fähigkeit jedoch nutzlos, zumal der Einsatz manchmal zu einem Ausfall des gesamten Schildes führt, immer jedoch mehr Schmerzen an den Geschützten weiterleitet.
    Theoretisch ist dieser Schutz zeitlich unbegrenzt. Praktisch lässt er sich oft nur eine Handvoll Sekunden einsetzen, da er Konzentration erfordert. Diese allerdings wird zusätzlich durch eine lästige Nebenwirkung des Schildes geschädigt: Der Geschützte fühlt schnell Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit, bei zu langer Wirkung folgen auch Halluzinationen und Bewusstlosigkeit. Bei jedem absorbierten Treffer werden diese Nebenwirkungen außerdem verstärkt, sodass sie ihn im Kampf normalerweise höchstens eine Viertelminute am Stück einsetzen wird.
    Wie bereits erwähnt kann Helen ihre Kraft auch auf andere Personen wirken. Dazu muss sie den Schützling berühren, der daraufhin für die Dauer des Schildes ebenfalls mit einem schwachen und nur etwa daumengroßen Abbild des Schildsymbols gezeichnet wird, wo auch immer Helen ihn berührt hat. Diesen Schutz kann sie deutlich länger wirken, da die Nebensymptome nur den Geschützten betreffen; jedoch muss sie immer noch einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit auf die Aufrechterhaltung verwenden.
    Von mentaler Stärke abgesehen kann die Fähigkeit Helens auch manuell getriggert werden, indem Druck auf die oberen Enden ihres Symbols ausgeübt wird, was einerseits von Vorteil ist, falls ihr jemand zu Hilfe kommen sollte, aber allgemein eine große Schwachstelle darstellt – denn durch die Nebenwirkungen kann sie so von Kundigen schnell schachmatt gesetzt werden.




    Geschichte:
    Helens Geburtsort ist eine Großstadt und gleichzeitig Standort vieler wichtiger Unternehmen. Ihre Eltern sind gut betuchte, aber auch eindeutig karriereorientierte Menschen, für die das Kinderbekommen weniger Leidenschaft als Pflicht für ein respektables Ansehen in der Gesellschaft war. Dementsprechend wurden sowohl Helen als auch ihre beiden nachfolgenden Brüder so schnell wie möglich in erzieherische Einrichtungen verfrachtet, eine enge Bindung zu den Eltern hat von den drei Geschwistern niemand, sodass die Ryans auch von der Andersartigkeit zweier ihrer Kinder nichts mitbekamen – denn nicht nur Helen selbst, sondern auch ihr nur knapp ein Jahr jüngerer Bruder Pius konnten sich zu den Erleuchteten zählen.
    Das hatte für Helen den großen Vorteil, dass sie trotz ihrer abstoßenden Wirkung auf normale Menschen fast von klein auf einen Spielgefährten und Vertrauten hatte. So entwickelte sie sich bis zu ihrer Einschulung sogar annähernd wie ein gewöhnliches Kind. Dann jedoch wurde sie für den Großteil des Tages von ihrem jüngeren Bruder getrennt, was für sie einer Katastrophe gleichkam. Die ersten Wochen saß sie fast nur kreidebleich im Unterricht, fühlte sich allen anderen fremd und sah als sehr aktives Kind auch den Sinn des Unterrichts und damit stundenlangen Herumsitzens nicht.
    Das änderte sich erst, als die Erstklässler eine Aufführung eines Kampfsportvereins miterlebten, was Helen ungemein faszinierte. Sie überzeugte ihren Vater – der ohnehin ein schlechtes Gewissen hatte, weil er sich aufgrund der Arbeitsstelle kaum um seine Kinder kümmern konnte – davon, sie zum Unterricht für eben jenen Verein anzumelden.
    Es stellte sich heraus, dass Helen schnell neue Bewegungsabläufe erlernen und gleichzeitig das Gegenüber aufmerksam im Auge behalten konnte – in den Maßen, wie man es von einem jungen Mädchen erwarten konnte. Hier fand sie auch mit ihrem Trainer eine neue Bezugsperson und somit neue Sicherheit in ihrem Leben, denn sie brauchte Menschen als Fixsterne in ihrem Leben.
    Bald entwickelte sie nie gekannte Lebensfreude: Nicht nur, dass ihr Bruder auch eingeschult wurde und damit wieder mehr Zeit in ihrer Nähe verbrachte, der Sport beflügelte sie auch regelrecht. Schnell kämpfte sie sich bei Wettbewerben auf die Stufen des Siegertreppchens, was vielleicht auch der Tatsache geschuldet war, dass sie im Gegensatz zu den meisten ihrer Altersgenossen außer dem Sport kaum nennenswerte Freizeitaktivitäten hatte – sie lies hin und wieder ein Buch und hörte Musik, doch fast alle spaßigen Tätigkeiten mit etwaigen Freunden blieben ihr verwehrt. Nichtsdestotrotz war sie glücklich, stolz auf sich selbst und vergnügt in den Unternehmungen mit Pius.
    Wenige Tage nach dessen zwölften Geburtstag, als Helen selbst dreizehn Jahre alt war, waren die Geschwister gemeinsam abends auf dem Weg durch die Stadt. Beide waren davor trainieren gewesen, Helen in der Turnhalle ihres Vereins und Pius vom Schwimmen, dementsprechend erschöpft gingen sie Richtung Zuhause. Darum sah Helen nicht rechtzeitig, wie ein Mann aus der Einbuchtung eines Hauseingangs heraustrat und erst nur zufällig durch die Gegend zu torkeln schien, sich dann aber fing und, nachdem die Kinder an ihm vorbei gegangen waren, das Mädchen von hinten packte und auf den Boden warf. Pius versuchte nach einer Schrecksekunde, seine Schwester zu verteidigen, doch der rothaarige Mann schlug den viel Schwächeren rücksichtslos nieder.
    Helen litt derweil unter Schwindel, da ihre Stirn auf einen Stein geknallt war. So konnte sie sich nur mit ziellosen Tritten wehren, als der Angreifer sie in eine Hofeinfahrt zog und am Boden festhielt. Man könnte fast von Glück sprechen, dass der Mann eine sadistische Ader besaß und durch seinen Wahnsinn, das Leid des Mädchens genießen zu wollen, eben diesem so die Chance schenkte, wieder etwas zu sich zu finden und ihn ihrerseits empfindlich zu treten. Sofort schlug dieser zurück, holte weit aus, fixierte Helen mit von Verrücktheit leuchtenden grünen Augen –
    Und prallte zurück, als sein Schlag von dem unsichtbaren Schild um Helen herum zurückgeschleudert wurde und seinen Arm zurückriss. Sie wusste nicht, was genau sie getan hatte, doch sie ergriff die Gelegenheit und befreite sich aus der Gefangenschaft, wobei sie auch den Täter K.O. setzte. Für sie hatte er seine Schlagringe abgelegt, die sie nun einsteckte. Ein Passant in einer der nächsten belebteren Straßen rief einen Notarzt für Pius. Es war zu spät.
    Kurz darauf erlag Helens kleiner Bruder seinen Verletzungen und sie verlor den einzigen Menschen, dem sie jemals voll und ganz hatte vertrauen können.
    Obwohl ihre Eltern ihr eine Behandlung bei einem renommierten Psychologen angedeihen ließen, fraß der Verlust und die Angst vor dem, was passiert war, sie innerlich auf. Sie zog sich mehr zurück, vernachlässigte monatelang ihren geliebten Sport. Doch ihr Trainer holte sie wieder ins Leben zurück – und sobald sich Helen, diesmal noch intensiver als zuvor, dem Kampfsport widmete, fasste sie neuen Mut. Seitdem befindet sie sich dank Wettkämpfen auch immer wieder quer auf dem Weg durch Wejau. Durch diese Reisen hat sie auch viele verschiedene Menschen kennengelernt und so mehr Offenheit und etwas Menschenkenntnis entwickelt.



    Waffe:
    Als Waffe bevorzugt Helen in erster Linie ihren eigenen Körper. Da sie aber weiß, dass der allein sie nicht immer retten kann, besitzt und benutzt sie schon seit längerem das Paar gestohlener Schlagringe.


    Besonderheiten:
    Helen fürchtet sich seit dem Übergriff auf sie vor Männern, die sie an den Täter erinnern. Zwar versucht sie, dagegen anzugehen, aber wenn die Erinnerung daran sie erst einmal besetzt hat, fällt es ihr sehr schwer, einer ähnlich aussehenden oder klingenden Person gegenüber aufgeschlossen zu sein.




    *


    So ^^ Ich hoffe natürlich, dass der Charabogen so passt, aber ich pass es natürlich auch gerne noch an :) Ein Bild von ihr kommt auch noch bald.

    Die Erleichterung stand wie mit Tinte auf Tarjas Gesicht geschrieben, als die Spinnenfrau besiegt in sich zusammenfiel. Sie war heil davon gekommen, ein Glück, das nicht allen Kämpfern zuteil war. Obwohl sie die Gruppe, von Sheewa mal abgesehen, kaum bis gar nicht kannte, tat es ihr doch Leid um die, welche nun nicht länger an dem Abenteuer – denn sie war sich sicher, dass es eines war – teilhaben konnten. Schaudernd erinnerte sie sich an das eine Mal, das sie vor einigen Jahren ernsthaft verletzt gewesen war, sodass sie zwei Wochen lang das Bett hüten musste. Sie war in eine Bärenfalle gestolpert und hatte sich dabei das Bein aufgeschürft und einige Knochen und Gelenke waren in Mitleidenschaft gezogen worden. Wie schrecklich war es gewesen, so unumkehrbar zum Nichtstun verdammt zu sein! Die Tage der Ruhe waren ihr wie Folter vorgekommen.
    Daher erfreute sie sich auch noch ihrer vergleichsweise guten Verfassung, als sie unter Gibaris Führung den beeindruckenden Wolkenkorridor betraten. Ihr fiel auf, wie er sich verändert hatte, seitdem sie ihn das letzte Mal überquert hatte: An einigen Stellen wirkte die Wolkenschicht durchscheinender als noch zuvor, und sie meinte zu spüren, wie der Boden unter ihren Füßen etwas tiefer einsank – einige Fingerbreit bloß, doch es weckte ihre Sinne auf. Allzu leicht konnte der Weg plötzlich durchbrechen, weshalb sie stets darauf vorbereitet war, ihre Flügel zu entfalten. Selbst wenn sie sich die Veränderungen nur einbildete, Gibaris Worte bestätigten doch bloß ihre Befürchtungen.
    So war sie eine der ersten, die ihre Schwingen ausbreitete, als der Wind sich auf einmal spürbar verschärfte. Tarja erblickte einige Albireo, die schräg vor ihr in der Luft umher tänzelten, und reimte sich zusammen, dass sie etwas mit dem Wind zu tun hatten – vielleicht waren sie von ihm hergetrieben worden? Sie hatte von den Wesen gehört, aber sie wusste nicht, inwieweit sie bewegungsfähig waren. Mit Sicherheit konnte sie bloß sagen, dass es keine Schande wäre, die Albireo in fallende Steine zu verwandeln, also zückte sie ihren Bogen und spannte einen Pfeil auf. Sie übertrug gerade ihre Windmagie auf das Geschoss, um trotz des Windes einigermaßen sicher auf eines der wankenden Wesen zielen zu können, als ein Windstoß sie an der Schulter traf und für einen Moment aus dem Gleichgewicht brachte, sodass sie einen halben Meter nach unten sackte, bevor sie sich wieder fangen konnte.
    Na, wenn das alles ist, dachte sich das Mädchen und zog die Sehne an ihr Auge, um dann den Pfeil loszuschicken.
    Sie sah nicht mehr, ob ihr Geschoss sein Ziel erreichte, denn den Bruchteil einer Sekunde nachdem ihr Finger sich entspannt hatte, brachte sie ein jäher Schmerz dazu, zusammenzuzucken. In ihrem Oberarm pochte etwas dumpf, und in kurzen Abständen überliefen sie Wellen des Schmerzes, die wie Reißnägel in ihr Fleisch zu treiben schienen. Ihr Griff um den Bogen lockerte sich, und gerade bevor er sich von ihr entfernen konnte, riss sie klar die Augen auf und verstaute ihre Waffe in ihrem Magnus. Erst da fiel ihr auch auf, dass sie in beängstigender Geschwindigkeit fiel, und die Worte Gibaris drangen durch den Wind verschwommen an ihr Ohr: „Die Winde, die die Albireos erzeugen können, enthalten ein starkes Gift…“
    Wieder ließ ein Krampf sie zusammenzucken, doch ihre Gedanken galten ihrem Führer – hätte er das nicht früher erwähnen können? Woher bitte sollte sie wissen, dass Wind, ihr geliebtes Element, ihr den Tod bringen sollte?
    Jäh wurde ihr Fall gestoppt. War das der Boden? So schnell schon?
    Es dauerte einige Augenblicke, bis Tarja, deren Geist immerhin von den Schmerzen verklärt war, erspürte, dass sie von Armen gehalten wurde. Kräftige Arme mussten es sein, die sie hier in der Luft – sie spürte noch einen leichten Wind – festhalten konnten. Sie schlug die Augen auf und erblickte ein Gesicht, das regungsloser nicht sein konnte. Die Person, eine im Grunde hübsche Frau, wäre diese leere Mimik nur nicht gewesen, schaute hingegen dem Kampfgeschehen über ihnen zu, als sei es vollkommen normal, einem vergifteten Mädchen das Leben zu retten. Gibt es überhaupt ein Gegenmittel?
    „Dan… Danke“, brachte die Braunhaarige zitternd hervor. Ihre Sicht wurde unschärfer, als das Gift weiter in ihren Adern kursierte, und ihre Augen brannten, also schloss sie die Lider. Sie hatte nicht den Eindruck, dass ihre Retterin sie beachtete, doch nichtsdestotrotz – und vielleicht lag es auch einfach nur am Wind, der ihre Worte zerstreute – sprach sie sie noch einmal an. „Wer seid Ihr?“
    "Mein Name ist Victoria, Obermaid in der imperialen Armee."
    Tarja hielt für einen Moment inne, um sich das Gehörte zu verinnerlichen. "Oh. Wow", sagte sie dann, gefolgt von der Frage, auf der sie sich fast keine Antwort erhoffte - "Und was macht Ihr hier?"
    "Ein Auftrag meines Vorgesetzten, für die Information Ihr nicht die Befugnis habt fürchte ich.", antwortete sie kurz und prägnant.
    „Uh.“

    In Zusammenarbeit mit Dragonfire entstanden (: Ob der erwähnte Pfeil trifft oder nicht, kann ja Sheewa entscheiden.

    Der Aufprall schien unausweichlich zu werden, als Cantara ihrer Gegnerin immer näher kam. Die Entfernung zwischen den beiden schrumpfte zusammen - dann stieß sich die Harpyie vom Boden ab und befand sich mit einem Mal in der Luft, von wo aus sie mit Genugtuung die Verzweiflung in dem Menschengesicht betrachtete, während sie die Magie in die Tättowierungen in ihren Beinen fließen ließ. Sie spürte, wie die Kraft sich in den Zeichnungen konzentrierte und das Muster so füllte, dass es sie davon abhielt, wieder auf den Untergrund zu stürzen. Stattdessen blieb sie auf Hüfthohe stehen, direkt vor der vollkommen perplexen Schwertkämpferin, die offensichtlich nicht mit dieser Art von Angriff gerechnet hatte. Das musste sich Cantara merken, denn sofern die Kämpfe nicht gefilmt und ausgestellt würden, konnte sie denselben Trick vielleicht noch einmal anwenden.
    Obwohl sich die andere gerade noch rechtzeitig zur Seite rettete und damit ihre empfindlichsten Körperteile geschützt waren, rissen die Vogelkrallen ihre Kleidung und die darunterliegende Haut auf. Sofort entließ die Vogelfrau die magische Energie und sank wieder hinab. Von ihren Händen tropfte Blut, doch was für welches! Orangefarben war es, erinnerte mehr an eine reife Frucht als an das Lebenselixier eines Menschen. Vielleicht war ihre Feindin ja doch keines von diesen verhassten Wesen? Durch ihre Überlegungen verpasste sie den Moment, in dem die Schwertkämpferin umgeworfen dalag, so verwundbar, dass selbst ein Kind ihr Schaden hätte zufügen können. Cantara verfluchte sich dafür, nicht zumindest einen blutigen Fußabdruck auf der Kontrahentin hinterlassen zu haben, aber jetzt war es zu spät, sich darüber zu ärgern. Sie konnte sich nur vornehmen, sich in Zukunft nicht von überflüssigen Gefühlsregungen ablenken zu lassen - wie leicht hatte sie sich gerade eine perfekte Gelegenheit entgehen lassen!
    Immerhin wirkte die Haltung der Schwertkämpferin etwas angestrengter, als sie wieder auf die Halbharpyie zuhielt, auch wenn sie offenbar leider nicht Linkshänderin war. So hielt sie ihre offensichtlich vertraute Waffe sicher nach oben in der richtigen Höhe, um es in die Brust Cantaras zu stoßen. Die wusste sich nicht anders zu helfen, als ihrerseits zur Seite auszubrechen, denn die Distanz zwischen den Frauen war in ihrer Geringheit allzu gefährlich. Dabei wusste sie schon, was ihr nächster Schritt sein würde: Diesmal setzte sie die Magie in ihren Armen ein und formte aus den Mustern kräftige Klingen, die an ihren Ansätzen noch die Form der Zeichnungen unter ihrer Haut besaßen, bevor sich die einzelnen Linien zu einer einen Dreiviertelschritt langen, säbelförmigen Waffe verbanden. Sie hielt diese eng an ihrem Körper, um Kollisionen mit der gefährlichen Umgebung zu vermeiden, und begann, zur Verwirrung ihrer Kontrahentin Schlangenlinien um die Säulen zu laufen, wo immer gerade ein Durchgang frei war.


    *


    Natürlich blieb die Vogelfrau auch dieses Mal nicht auf der Stelle stehen, sondern wich erneut geschickt aus. So schnell sie konnte, bremste Solin, um nicht mit der Schwertspitze voran in eine der elektrisch geladenen Säulen zu rennen. Während sie ihr Schwert herumdrehte und es in Verteidigungsstellung vor ihren Körper hielt – noch einmal würde sie sich von ihrer Gegnerin nicht überraschen lassen - musste sie beobachten, wie geschwungene Klingen aus den Unterarmen der anderen wuchsen. Wieder setzte sie sich in Bewegung, doch zu Solins Erstaunen lief sie nun in Schlangenlinien um die gefährlichen Säulen. Was hatte sie bloß vor?
    Um ihrer Kontrahentin keine Zeit für weitere magische Tricks zu lassen, fing Solin sie ab, als sie das nächste mal an ihr vorbei rannte. Ihre Klingen trafen klirrend aufeinander und sprühten Funken, wie der Rest der Umgebung auch. Einige Male wiederholte sich dieses Spiel und Solin bemerkte den Blutverlust immer deutlicher. Ihr linker Arm pochte wie verrückt, doch sie ließ es sich nicht anmerken. Sie wollte gewinnen, auch wenn sie wusste, dass es sie an ihre Grenzen treiben würde.
    Auf einmal geschah, was beide Kämpferinnen nicht verhindern konnten. Innerhalb von weniger als einer Sekunde kam der gleißende Lichtstrahl vom Himmel geschossen und traf die Säule zu ihrer Linken. In Bruchteilen eines Augenblicks lagen die Felder, auf denen die beiden jungen Frauen standen, komplett unter Strom. Solin reagierte schnell und sprang nach hinten rechts, weg von ihrer Gegnerin und weg von der tödlichen Säule. Leider waren ihre Reflexe doch etwas zu langsam, sodass der Strom einen Weg in ihren Körper fand. Während sie sich mit ihrem linken Bein abdrückte, schoss die Elektrizität durch sie hindurch. Die Wunde an ihrer Schulter brannte und sie ließ sich auf der „sicheren“ Platte auf den Boden fallen. Kaum auszuhalten war der Schmerz, der immer wieder durch ihren Körper zuckte. Solin atmete tief durch. Es würde noch ein paar Augenblicke dauern, bis sie sich wieder aufrichten konnte. Wenn die Vogelfrau diesen Blitzeinschlag aus irgendeinem Grund unbeschadet überstanden haben sollte, wäre sie ein allzu leichtes Ziel. Aber wenigstens wäre der Kampf dann vorbei und sie könnte endlich runter von diesem grauenhaften Kampffeld.


    *


    Mehrere Male wurde Cantara von ihrer Gegnerin gestellt und ihre Klingen hatten sich gegen das Schwert der anderen Kämpferin zu bewähren. Jeden Hieb gegen ihre magischen Waffen vibrierte bis in ihr Knochenmark, und die verformbaren Körperfortsätze zogen sich langsam zurück. Zwar wurden sie dabei auch etwas breiter, doch es war offensichtlich, dass der Harpyie schlicht die Kraft fehlte, ihre Klingen in der ursprünglichen Größe beizubehalten. Nichtsdestotrotz stand es nicht schlecht für sie, denn auch ihre Gegenspielerin musste durch den Blutverlust zumindest leicht geschwächt werden. Oder nicht? Cantara beobachtete sie mit ihren Argusaugen, um jedes Zeichen von Schwäche zu sehen.
    Selbst mit mehr Aufmerksamkeit gegenüber der Umgebung hätte niemand dem Blitzschlag entgehen können, der mitten im Gefecht die Säule direkt neben den Kämpfenden zum Glühen brachte. Cantara war geblendet, für einen Moment nahm sie alles nur noch als strahlende Flächen wahr, deren Konturen so scharf waren wie der Schmerz, der sich in die Haut der Vogelfrau brannte. Sie stolperte halbblind nach links auf die nächste Platte, wo sie mit geschlossenen Augen in die Knie ging. Eine Sekunde länger in der Nähe der Säule und die Elektrizität hätte ihr für immer den Blick auf die Welt genommen, wenn nicht gleich das ganze Leben. Nur langsam ließ der Schmerz in ihren Augäpfeln nach, doch die Geschwindigkeit dieses Vorgangs war ihr egal, sofern sie nur wieder die Fähigkeit zu sehen erlangen konnte.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit - einige Dutzend Sekunden waren sicher vergangen - öffnete sie die Lider einen Spalt weit und erblickte die Schwertkämpferin, die sich gerade aufrichtete. Auch ihr war es gelungen, der tödlichen Gefahr zu entfliehen, und offenbar hatte sie die Attacke vom Himmel wesentlich besser verkraftet. Cantara wollte es ihr gleichtun und wieder auf beiden Beinen stehen, doch bei dem Versuch zuckten und verkrampften sich ihre Muskeln. Wie lange würde es noch dauern, bis sie sich wieder frei bewegen konnte? Sie war ein einfaches Opfer für die Gegnerin, die nicht weit von ihr entfernt stand. Nur die magischen Kanäle, die sie mit ihrem bloßen Geist kontrollierte, funktionierten noch, und sie ließ sich ein weiteres Mal zur Verteidigung die Klingen wachsen, die sie bei dem Blitzschlag instinktiv eingefahren hatte.


    *


    Wie lange Solin einfach nur dalag und auf den letzten Angriff ihrer Gegnerin wartete, wusste sie nicht, doch nach und nach kamen ihre Kräfte wieder. „Vielleicht habe ich ja doch noch eine kleine Chance“, überlegte sie. Vorsichtig richtete sie sich auf und sah sich nach der Vogelfrau um. Sie lag einige Meter von Solin entfernt auf einer Platte und schien sich ebenfalls aufrichten zu wollen, doch Solin sah nur, wie ein Zucken durch ihren Körper ging und sie wieder zu Boden sinken musste. Als sie die Schmerzen ihrer Gegnerin sah, nahm sie selbst den pochenden Schmerz in ihrer brennenden Schulter noch deutlicher wahr. Noch einmal sah sie zur klaffenden Wunde, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich nicht in Flammen stand, bevor sie auf ihre Gegnerin zuging. Es könnte eine Falle sein, doch Solin war zu erschöpft, um sich weiter Gedanken darüber zu machen.
    Wieder bildeten sich die Klingen an den Armen der Vogelfrau und Solin umklammerte ihr Schwert noch fester. Aber der Angriff blieb aus. Ein Schlag; und der Kampf wäre beendet. Zischend bildete sich eine neue Elektrowand zwischen den Säulen rechts von ihr und erinnerten sich schmerzlich daran, wie gerne sie doch von diesem Kampffeld runter wollte. Alles in ihr schrie danach, den Kampf so schnell es ging zu beenden. Aber das konnte sie nicht. Wenn eines der estilanischen Monster am Boden lag, würde sie normalerweise flüchten, anstatt noch weiter auf es einzuschlagen. Warum sollte sie das auch tun? Auf diese Weise war der Kampf doch beendet, oder?
    Solins Anzug klebte durch das orangene Blut an ihrem Körper und immer noch floss weiteres aus der Wunde. Der Griff ihres Schwertes bohrte sich fast in ihre Handfläche, so sehr umklammerte sie ihn. Und doch stach sie nicht zu. Ein Außenstehender mochte sie für verrückt halten, aber sie hatte sich entschieden. Kaum ein Meter trennte sie sie von den Klingen ihrer Gegnerin. Allerdings war es genau dieser Anblick, der sie ihren Griff lockern ließ. Tief atmete sie ein, jederzeit zu einem weiteren Sprung bereit, der sie aber keinesfalls weit bringen konnte. Noch einmal ließ sie die Luft entweichen, bevor sie zu sprechen begann. „Ich bin Solin.“


    *


    Verwundert rätselte Cantara, warum die Schwertkämpferin der Auseinandersetzung nicht sofort ein Ende bereitete. Die Frau stand vor ihr und hielt den Griff ihrer Waffe fest umschlossen, obwohl sie diese nicht zum finalen Schlag hob, selbst als bedrohlich nahe neben ihr eine neue Elektrowand auftauchte - eigentlich Grund genug, spätestens jetzt die Halbharpyie zu besiegen. Doch sie tat es nicht, was die auf dem Boden Liegende nur noch mehr verwirrte. Unter dem wachsamen Blick der anderen regte sie sich nur leicht, aber ungeschickt genug, dass deutlich war, in welcher hilflosen Lage sie sich im Moment befand. Stirnrunzelnd nahm sie wahr, wie sich die Muskeln im Arm der Kontrahentin leicht entspannten und ihre Lippen die unerwarteten Worte sprachen: "Ich bin Solin."
    Es war das zweite Merkmal der Kämpferin, welches in Cantara Zweifel weckte, dass es sich bei ihr um einen Menschen handelte, denn ein solcher hätte sie gewiss bereits in die Ohnmacht gestoßen. Höflichkeit legten die Soldaten ihrer alten Heimat erst recht nie an den Tag. Einige Sekunden starrte sie Solin deswegen nur halb kritisch an, da sie unschlüssig war, wie sie auf diesen eigentlich so simplen Satz reagieren sollte. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wie ihre Mutter oder ihr Lehrmeister reagiert hätten, um sich davon eine angemessene Verhaltensweise abzuleiten, doch sie konnte sich nicht erinnern, die beiden jemals in einer solchen Situation erlebt zu haben. Zweimal öffnete sie den Mund, ohne etwas zu sagen. "Ich heiße Cantara", entschloss sie sich dann, zu sagen, eine neutrale Antwort, die auszusprechen ihr nicht schaden würde. Als Solin immer noch keine Anstalten machte, sie wieder zu attackieren, zog sie die Klingen in ihren Unterarmen langsam ein und verwandte die in ihnen konzentrierte Energie nun darauf, sich abzustützen und im Hocksitz wieder zu Ruhe zu kommen, das Gesicht während der ganzen Prozedur - deren Anstrengungen ihr nicht der nur Sekunden messenden Dauer entsprechend vorkamen - auf dasjenige ihrer Kontrahentin gerichtet, falls diese doch erneut zum Angriff übergehen sollte. Einen Moment verweilte sie so, um zu Kräften zu kommen, bevor sie sich ganz auf ihre beiden Beine erhob und leicht zitternd dastand.
    Sie spielte mit dem Gedanken, ihre Magie einzusetzen, aber ihr Gegenüber schien sich bereits besser von der Tortur erholt zu haben, und ihr Gerechtigkeitssinn meldete sich widerstrebend zu Wort, während sie im Kopf schon mögliche Offensiven durchging. Nein. Die Schwertkämpferin hatte die Chance auf einen eindeutigen Sieg auch abgegeben. Zudem konnte jede Bewegung zu viel das Ende ihrer eigenen Reserven bedeuten, unabhängig von jeglicher Moral. "Ich würde sagen, du hast gewonnen", fügte sie ihrer Vorstellung daher hinzu und lächelte Solin scheu an. Mit ihrem letzten Wort schlug einige Säulen weiter ein Blitz ein und bestätigte sie in ihrer Freude auf ein Ende des Gefechts.


    *


    Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis ihre Gegnerin etwas erwiderte und Solins Körper spannte sich wieder etwas an. Die Vogelfrau sah nicht so aus, als sei sie bewusstlos. „Vielleicht versteht sie mich nur nicht“, versuchte Solin sich selber zu beruhigen. „Das ist keine Falle.“ Bedrohlich zischte die Elektrowand neben ihr, doch sie spürte gleichzeitig, wie sich der Blutfluss aus ihrer linken Schulter verringerte. Anscheinend hatte das Blut endlich angefangen eine Kruste zu bilden. Fast wollte Solin erleichtert aufatmen, hielt sich aber im letzten Augenblick davon ab. Dieser Kampf war schließlich immer noch nicht zu ende.
    Ihre Kontrahentin öffnete den Mund, doch Worte blieben aus. Geduldig, aber aufmerksam wartete Solin, bis sich die andere schließlich ebenfalls vorstellte.
    Cantara… Also hat sie mich doch verstanden…“ Trotz der ersten Reaktion beschloss Solin weiterhin zu warten. Cantara lag schließlich immer noch am Boden und jede Minute, jede Sekunde, in der sich Solin nicht großartig bewegte, brachte ihre Kraft zurück und ließ ihre schmerzende Schulter sich beruhigen. Währenddessen verschwanden Cantaras Klingen wieder irgendwo in ihren Armen und sie setzte sich auf. In dieser Stellung verharrte sie einige Sekunden – den Blick starr auf Solin gerichtet. Als sie schließlich ganz aufstand und sich wieder vor Solin aufbaute schien sie erneut ihre Kräfte sammeln zu müssen – oder sie überlegte… Auf jeden Fall sollte es Solin immer noch ein leichtes sein, ihre Gegnerin zu besiegen. Jedoch war es wieder die gefährlichste Situation, in der sie den Griff um ihr Schwert lockerte. Letztendlich sagte Cantara etwas, was Solin nun wirklich aufatmen ließ, bevor sie sich zurückhalten konnte: „Ich würde sagen, du hast gewonnen.“ Wenn ihre Gegnerin zugab, dass sie verloren hatte, dann sollte der Kampf doch endlich beendet sein. Oder?
    Einige Platten weiter schlug erneut ein Blitz in eine der Säulen ein und ein Zucken lief durch Solins Körper, was ihrer verletzten Schulter kein bisschen gut tat. Nachdem der dabei entstandene Lärm sich wieder gelegt hatte, antwortete Solin: „Wenn du nicht mehr kämpfen kannst…“ Vorsichtig sah sie sich um, ohne komplett auf die Kampfunfähigkeit ihrer Gegnerin zu vertrauen. Wenn sie gewonnen hatte, dann müsste doch jetzt irgendein Zeichen oder so was kommen. Allerdings konnte Solin nichts der Gleichen erkennen, weshalb sie ihren Blick wieder Cantara zuwandte.


    *


    Cantara bestätigte die Nachfrage nickend. Für sie hätte es keinen Sinn mehr, zu kämpfen, nur um ihrer Kontrahentin im besten Fall noch einen Kratzer zuzufügen. Außerdem bestand in jeder Sekunde, die sie auf diesem geladenen Feld verbrachten, die Gefahr, noch einmal von einem Blitz erwischt zu werden - ein Fall, den die Harpyie nach Möglichkeit vermeiden wollte. So schwer es ihr fiel, zu akzeptieren, gegen einen Menschen verloren zu haben, so leichtsinnig wäre es gewesen, nur des Stolzes wegen auf eine Fortsetzung des Kampfes zu pochen. "Ich kann und möchte nicht mehr", führte sie aus, indem sie den Kopf zu einer weiter entfernten Säule drehte, die gerade von einem Stromschlag erleuchtet wurde. "Weißt du, wie wir von hier wegkommen?" Sie suchte den Himmel nach einem Schatten der Verstummten ab, doch fand keinen der Schiedsrichter. Die Federn an ihren Armen stellten sich angespannt auf, als ihr der Gedanke kam, dass es vielleicht sogar notwendig für die Entscheidung war, dass einer der Kämpfenden ohnmächtig oder schwer verletzt war. Bitte, bitte nicht, flehte sie stumm.


    *


    OT: Und hier ist der zweite Teil von Misanas und meinem Kampf. Schade, dass es auch der wohl letzte im Kademes ist, das Schreiben hier hat mir Spaß gemacht und ich hätte auch gerne noch weitergemacht. Auf jeden Fall vielen Dank meinerseits ans Komitee dafür, dass ihr euch die Mühe gemacht habt (:

    Geht mir um ehrlich zu sein genauso wie Misana ^^'
    Davon abgesehen ist es natürlich schade, dass am Ende nur noch so wenige aktiv waren, so ist das RPG die letzte Zeit ja wirklich nicht weiter gekommen. Und rein aus Neugierde: Wäre eigentlich storytechnisch außer den Kämpfen noch was geplant gewesen?

    Je weiter die Gruppe kam, desto weniger überzeugt war Tarja von ihrem Entschluss, sich ihr anzuschließen. Sicher, es war wesentlich spannender, als Fische durch Nakira zu befördern, aber sie hatte nicht bedacht, wie nah sie hier dem Wasser kommen würde. Sie redete sich Ruhe zu, schließlich war sie selbst auf den großteils nassen Steinen trittsicher und hatte das reißende Wasser nicht zu fürchten.
    Gerade meinte sie, sich an das Gefühl gewöhnt zu haben, jeden Moment weggeschwemmt werden zu können – und das obwohl die Lage immer schlechter wurde – da verkündete der Fischer, dass sie den Fluss überqueren müssten. Tarja blickte stromaufwärts und hielt Ausschau nach einer Brücke, ehe Gibari sein Vorhaben präzisierte, indem er sich auf den Weg auf die andere Seite machte, allerdings nicht wie erwartet über den Fluss, sondern durch ihn hindurch. Die Steine, die er dazu wählte, sahen glitschig aus, und bei einigen der anderen aus der Truppe wirkte der Übergang zum anderen Ufer nicht gerade sicher. Auch dass gerade Sheewa, die auf Tarja einen überaus kompetenten Eindruck gemacht hatte, sich vor dem Pfad scheute, trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Sie erwog, ebenfalls ihre Flügel zu benutzen, doch die Vorstellung, mangels Aufwind mitten in der Luft hinab ins Wasser zu stürzen, vertrieb diesen Gedanken rasch wieder. Ihre Anführerin verfügte über mehr Kraft als sie selbst, so dass sie es auch nicht wagte, allein mit der Kraft ihrer Schwingen fliegen zu wollen, denn schon die Rothaarige kostete dieser Teil der Reise sichtlich Mühen.
    Als eine der letzten stand Tarja auf dem Weg und wartete darauf, dass die anderen vor ihr den Fluss überquerten. Sie musste sich dazu durchringen, ihren Fokus nur auf das Ziel zu legen und nicht auf die massige Naturgewalt, die bedrohlich um dieses herumschwappte. Jedes Mal, wenn eine Welle gegen die Seite ihres Schuhes schlug, erstarrte sie für einen Moment und schluckte, um sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auf dem ersten Stein erwog sie noch, einfach stehen zu bleiben und sich nicht mehr zu rühren, aber sie wollte nicht auf ewig in der Mitte des Stromes gefangen stehen.
    Als sie endlich die andere Seite erreichte, fühlte sie sich unglaublich erleichtert, zumindest in einer Seite nicht das elende Nass zu haben. Dann ging sie dem Rest der Gruppe hinterher, sorgsam auf jeden ihrer Schritte achtend. Bloß nicht dort rein fallen!, sagte Tarja sich leise.
    Sie waren nicht lange gegangen, da hörte die junge Frau erst Stimmen einige Schritte vor sich – sie ordnete sie unsicher Gibari und Sheewa zu –, dann das Geräusch eines Körpers, der von den Wellen verschluckt wurde. Sie wandte den Blick vom Boden zum Himmelsstrom, wo über der Stelle neben dem Fischer eine Dampfwolke aufstieg. Darunter erkannte sie das verschwommene Bild der einer Statue gleich versinkenden Soldatin. Die Erkenntnis, dass ihrer Anführerin gerade das widerfuhr, wovor sie sich fürchtete, seitdem sie in Nashira in das kleine Boot gestiegen war, sickerte gerade erst in ihr Bewusstsein durch, als schon der einzige Mitreisende hinter ihr laut „Attentäter!“ schrie. Dem entnahm Tarja, dass Gibari die andere hinab gestoßen hatte – aber warum?
    Der Mann, seiner Kleidung nach ebenfalls ein Soldat, wenn diese auch sicherlich schon bessere Tage gesehen hatte, stürzte sich der Frau hinterher. Mit der Strömung ging es für ihn flussabwärts, bis er wieder die Stelle erreichte, wo sie den Fluss überquert hatten. Tarja beobachtete, wie er darum kämpfte, Sheewa wieder an die Luft zu befördern, obwohl die Kraft des Wassers schon ihm allein zu Last fallen musste. Während zwei weitere Mitglieder der Gruppe zur Hilfe eilten, stand sie nur stocksteif am Ufer und versuchte, sich dazu zu überwinden, ihre Hand ebenso anzubieten. Doch wahrscheinlich wäre sie, selbst wenn sie helfen wollte, eher eine weitere Belastung für die Truppe geworden, und daher konnte sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren, einfach zuzuschauen, wie die Rothaarige wieder den sicheren Untergrund erreichte. Langsam, da jetzt noch vorsichtiger, näherte sich Tarja der anscheinend Ohnmächtigen, deren Verfassung offensichtlich zu wünschen übrig ließ. Kein Wunder nach einem Bad in eiskaltem Flusswasser. Dank einer Feuermagierin, die sich Sheewa widmete und deren Hitze sich bis zu den Umstehenden ausbreitete, wachte sie schließlich wieder auf. Tarja atmete beruhigt aus, als die Soldatin sich bei ihren Helfern bedankte.
    Während sie sich noch erholte, erhob der Erste ihrer Retter seine Armbrust und richtete sich an den Fischer. „Du! Du hast Glück, dass sie noch lebt, sonst hätte ich dich auf der Stelle umgebracht. Jetzt liegt das leider nicht in meinem Zuständigkeitsbereich. Trotzdem bewegst du dich jetzt besser nicht von der Stelle!“, drohte er. Von diesem Eifer war Tarja nach der Anklage vorher kaum überrascht, obwohl sie sich wunderte, dass Gibari so ruhig blieb. Sie kannte viele Männer, die eine solch heftige Anschuldigung nicht auf sich hätten sitzen lassen, auch wenn die Waffe zugegebenermaßen ein gutes Argument für Zurückhaltung darstellte. Nachdem Sheewa die Angelegenheit geklärt und den Fischer bloß gebeten hatte, voranzugehen, wirkte Falkar – diesen Namen meinte Tarja mitbekommen zu haben – auf gewisse Art enttäuscht oder zumindest verwundert, als hätte er tatsächlich erwartet, dass der Mann sofort erschossen würde. Nichtsdestotrotz ging es ohne Bestrafung für den offenbar nur versehentlich Schuldigen weiter.


    Einige Minuten später stieß die Truppe auf ein ungemein beeindruckendes Bildnis, dessen Erschaffer vielleicht ein Kompliment für seine Macht, nicht jedoch für Ästhetik verdient hatte. Die braunen Wassermassen wirkten wie ein Hexenkessel, wie sie innerhalb der Begrenzung durch die schwarzen Felsen tobten, als wäre jedes einzelne ihrer Atome von rasender Wut ergriffen. Auch die sich drehende Wolkenspirale hatte etwas Bedrohlich-Faszinierendes, denn es war klar, dass ein solches Werk nicht von einem Laien geformt werden konnte. Gibaris gebrüllte Frage, „Was zur Hölle ist DAS?“, trag Tarjas Gedanken verblüffend exakt. Dabei fiel ihr erst auf den zweiten Blick das Licht auf, welches für die Bewegung der Wolken verantwortlich war, sowie die Fäden, die den Ursprung des Himmelstroms an seinem Platz hielten.
    „Schätze das ist die Ursache für die Naturphänomene auf Diadem!“, rief die Sheewa und fragte dann in die Runde, „Könnte das dort wieder so ein Verstärker sein?“ Die erst vor kurzem Dazugestoßene wusste nicht, wovon die Soldatin sprach, tippte aber auf das leuchtende Etwas, in dem sie die Kontur eines winzigen Gegenstandes erahnte - winzig vor allem angesichts dessen, was er zustande zu bringen schien.
    Niemand kommentierte ihre Vermutung, denn ein unmenschliches Zischen, mit welchem Tarja auch keinerlei andere Lebewesen verbinden konnte, zog die Aufmerksamkeit der Kämpfer auf sich. Einer von ihnen schrie, und wie die anderen folgte auch die Brünette mit ihrem Blick dessen ausgestreckten Arm. Sie wünschte fast, es nicht getan zu haben, weil das, was allmählich zum Vorschein kam, sie gewiss in ihren Albträumen verfolgen würde, falls sie denn überhaupt noch einmal die Chance bekam, sich zur Ruhe zu legen. Unentschlossen, ob das ein verunstalteter Mensch oder eine mutierte Spinne war, entschied sie sich dafür, das Wesen einfach als Monster anzusehen, obgleich die Worte in verständlicher Menschensprache vorgetragen wurden. Dennoch, die Frauenstimme zischte wie kochendes Wasser, das auf Eis geschüttet wurde.
    „Ich bin hungrig, kommt nur her, Menschlein“, verkündete sie deutlich hörbar. Zweifel daran, dass sie ein Problem mit dem Verzehr hatte, gab es kaum; in ihren überdimensionierten Spinnenleib passte gewiss ein Mensch, nur die Verdauung könnte sich für sie schwer gestalten. Tarja hoffte, dass die Bestie ihre Drohung nicht in die Tat umsetzen würde, und auf keinen Fall wollte sie sich das genauer vorstellen.
    Dann schrie sie auf einmal, ihre Käferzangen vibrierten und mit einem Faden, der ohne sein Glitzern geradezu unsichtbar gewesen wäre, riss sie das, was Sheewa als Verstärker bezeichnet hatte, von dem Kessel weg, um es dann zu verschlingen. Die Wolken beruhigten sich zwar und wirkten weniger bedrohlich, doch die junge Kämpferin war sicher, dass dies nicht zum Vorteil der Gruppe ausfallen würde, zumal die Gefahr des Wassers noch immer gegenwärtig war.
    „IHR seid das! Jene verfluchten Gören, die uns auf Mira und Anuenue in die Quere gekommen sind. Eigentlich dachte ich ja, Graemey, dieser nutzlose Mensch, hätte euch erledigt, aber wie es scheint, seid ihr zäher als gedacht.“ Trotz ihres Unwissens, wer Graemey war und was die Spinnenfrau mit ihm im Schilde geführt hatte, war sich Tarja endgültig dessen bewusst, dass sie hier keine Verbündete vor sich hatte, sondern vielmehr eine Feindin, der die Truppe offensichtlich schon länger ein Dorn im Auge war. Um sie herum begaben sich einige in Kampfposition, und die Brünette tat es ihnen gleich, ohne groß darüber nachzudenken. Sie holte ihren Bogen und zwei Pfeile aus den entsprechenden Magnus, wobei sie einen nockte und den anderen zwischen die Zähne nahm, damit sie ihn schneller wieder zur Hand hatte, falls das notwendig werden sollte – worauf die Wut der Halbfrau stark hinwies.
    „Aber vielleicht ist es so besser. Denn jetzt kann ich mich an euren Gedärmen laben und Rache an euch nehmen. Ja… Ich werde mich an euch für Neygrahls Tod rächen. Ihr sollt dafür bezahlen, dass ihr ihn umgebracht habt!“ Die Frage, wer nun Neygrahl und Graemey waren, verschob Tarja auf ein Später, welches sie hoffentlich noch miterleben würde. Jetzt aber sah sie ein Geschoss von dem Spinnenwesen auf die Gruppe zufliegen, das im Licht aufblitzte wie Eis. Die Bogenschützin setzte sich in Bewegung und schlängelte sich um die anderen herum, einerseits um dem Zapfen – es schien wirklich ein solcher zu sein – zu entgehen, andererseits, weil ihr an ihrer aktuellen Position zu viele Leute im Weg standen, die ihre Schussbahn verdeckten.
    An einer Stelle schrägvorne an der Flanke der Truppe, die praktischerweise einige Schritte von der entfernt war, wo schon der Bogen des nächsten Eisbrockens hinführte, ging sie in eine stabile Haltung über und hob ihre Waffe hoch zu der Bestie. Ihr Problem war, dass sie nicht wusste, wohin genau an dem Körper sie jetzt am besten schießen sollte, denn der Oberkörper war von den Schuppen bedeckt und geschützt, während sie bei dem Spinnenleib keine Ahnung hatte, welcher Punkt von ihm verletzlich und welcher für die Gesundheit weniger bedeutend war. In dem stummen Gebet, gerade nicht von einem gegnerischen Geschoss bedroht zu werden, nahm Tarja sich kurz Zeit und versuchte, den Ansatz des Unterleibs zu erwischen. Dann konzentrierte sie sich auf den Wind, der den leichten Gegenstand abzulenken drohte, und formte eine Art Tunnel, durch die sie den Pfeil schicken würde, sodass sie auf einen Treffer hoffen konnte. Statt die Flugbahn zu verfolgen setzte sie gleich den nächsten Pfeil auf, ließ ihn jedoch lose und hielt nach dem nächsten Eiszapfen Ausschau, der mit Sicherheit gleich nahte.


    Wenn ich mal was dazu sagen darf: Soweit ich aus Erfahrung (und der Schule) weiß, ist der innere Monolog selbst zwar tatsächlich auf die Gedankenwelt eines Charakters beschränkt. Allerdings fielen mir jetzt wenige gute Beispiele ein, in denen das tatsächlich über 1000 Wörter glaubwürdig umgesetzt wurde, ohne irgendeinen Kontext zu haben. Ich zitiere mal aus der Schreibschule: "Gerne wird ein innerer Monolog dazu genutzt eine besonders wichtige Szene, oder ein Geschehnis, noch weiter zu vertiefen." ... así es. Zumindest ein paar Sätze zu dem, was Jezryk aufgezählt hat, finden sich eigentlich meistens und so ist's imho auch sinnvoller. Ergo fände ich es gut, wenn das hier erlaubt wäre - dass der innere Monolog dennoch überwiegen sollte, ist klar.

    „Nun ja. Ja. Also. Nein, aber eigentlich schon. Sagen wir so: Ich bin in der Lage, aber wiederum auch nicht. Wie soll ich das bloß erklären?“, antworte Cat nach einigem Zögern, woraus Cantara schloss, dass es sich dabei nicht um ihr Lieblingsthema handelte. Die vage Auskunft, verwirrte die Vogelfrau auch, da sie mit den vielen Worten, hinter denen keine wirkliche Information stand, nichts anzufangen wusste. Die andere seufzte, dann sprach sie weiter. „Ja. Ich könnte Feuer speien. Ich müsste nur mehr üben“, sie machte eine kurze Pause, „Ich bin faul, was meine Hausaufgaben angeht, mehr nicht.“ Das Drachenherz lachte über ihr eigenes Gesagtes.
    Verwundert zog Cantara eine Augenbraue hoch. Ohne viel Menschenkenntnis zu haben kam es ihr so vor, als würde die Rothaarige sich davor drücken, die Wahrheit auszusprechen. Woran könnte das liegen? Sicher, wir alle haben Geheimnisse. Nachdenklich ließ sie den Blick über die anderen Anwesenden schweifen, die sich heiter unterhielten und geflissentlich ignorierten, dass sie sich gegenseitig auf dem Weg zu ihren Wünschen blockierten. Konnte man auf diesem Turnier überhaupt wirkliche Freunde finden? War es nicht unmöglich, wenn jeder eine Gefahr für das eigene Wohl darstellte? Was wohl ihre Gründe sind, hier teilzunehmen? Die Halbharpyie versank kurz in ihren diesbezüglichen Überlegungen, bevor sie ihre Gedanken wieder Laetificat zuwandte. Es gibt im Grunde nur zwei mögliche Antworten auf meine Frage – entweder sie beherrscht das Feuerspeien oder nicht. Wenn sie es kann, könnte sie einfach leugnen, dass es ihrer Art möglich ist. Wahrscheinlich kann sie es wirklich nur teilweise… Wieso redet sie so viel darum herum?
    Sie hätte fast nicht mitbekommen, dass Cat sich auf die Bank stellte und ihre Flügel wachsen ließ. „Wartest du hier? Ich geh nur kurz etwas fragen“, meinte sie und schwang sich, ohne auf eine Reaktion zu warten, in die Höhe. Interessiert beobachtete die Brünette, wie genau sie mit ihren Flügeln schlug. Zweifellos waren es kräftige Muskeln, die in diesem Körper steckten, denn Aufwinde gab es in der Halle keine. Ihr leicht neidischer Ausdruck verschwand erst, als Cat in ihrem Aufstieg an die Decke stieß und ihr Gesicht sich verzog.
    Wenig später stand auch Cantara auf und holte sich von dem Buffet zwei der wenigen verbliebenen tiefroten Äpfel. Aus einer der offen sichtbaren Taschen auf der Außenseite ihrer Weste zog sie ein kreisrundes Stück moosgrünen Stoffes heraus, in dessen Zentrum zwei stecknadelgroße weiße Punkte aufgenäht waren. Sie legte die Krallenspitze auf den einen Punkt und zog ihn vom anderen weg, wodurch sich auch das Tuch ausdehnte und schließlich etwas größer als ihre Handfläche war. Bei diesem magischen Gebrauchsstück handelte es sich um eines der Überbleibsel ihres alten Lehrmeisters; jetzt, da sie den Gegenstand mit einer schlichten Geste vergrößert hatte, konnte sie die Äpfel auf ihn legen und dabei zusehen, wie das Obst durch die Oberfläche versank. Dann schob sie mit einer ähnlichen Fingerbewegung die Punkte wieder zusammen und verschloss so den verzauberten Beutel, um ihn sorgfältig zu verstauen.
    Da sie das Bedürfnis nach frischer Luft verspürte, begab sie sich nach draußen. Eigentlich wollte sie nur für einen Moment dort bleiben, damit Cat sie wiederfinden konnte, doch als ein Gong ertönte, versammelten sich ohnehin alle Teilnehmer im Innenhof, wo sie auf das rechteckige Gebilde starrten, auf dem vorhin der merkwürdige Mann zu sehen gewesen war. Von einem ihrer zukünftigen Gegner schnappte sie das Wort „Bildschirm“ auf, das wohl für dieses Etwas stand. Auf diesem Bildschirm formten sich umherwirbelnde Lettern zu Personen- und Menschennamen, die unter der Überschrift „Vorrundenkämpfe – Paarungen“ aufgelistet waren. So bald sollten die Kämpfe schon beginnen? Sie hatte sich gerade an die Ruhe hier gewöhnt.
    Der Wunsch nach einer längeren Erholungszeit von den Strapazen ihres Heimatlandes verblasste im Hintergrund, sobald sie ihren eigenen Namen fand. „Cain“, murmelte sie. Sie hatte keine Ahnung, um wen es sich dabei handelte, doch die auf einmal aus dem Nichts auftauchende Stimme verriet ihr, wie sie ihn finden würde. "Sobald sich die jeweiligen Gegner vor ihren Türen eingefunden haben, werden die Zugänge geöffnet und ihr gelangt zu den Teleportern, die euch zu euren Zielen bringen werden."
    Welche Türen? Cantara sah sich um und entdeckte die neuen Pforten, von denen die ihre sogar recht nahe an ihrem aktuellen Standpunkt war. ELEKTRIZITÄT prangte auf dem eisernen Schild, und während sie sich dort hinbegab, rätselte sie, was sich hinter diesem Begriff verbarg. Er war ihr bei ihren Studien schon begegnet, doch in den Adlerlanden war die Elektrizität nur eine kaum entwickelte Alternative zu den Dampfmaschinen. Das Wissen half ihr jedenfalls nicht dabei, sich eine Vorstellung von dem Gebiet zu machen. Und wenn schon – groß vorzubereiten vermochte sie ohnehin nicht. Ihre Kleidung saß angenehm und die Wurfmesser ließen sich, wie sie routiniert testete, problemlos ziehen. Als letztes, sie stand nun schon vor der entsprechenden Tür, ließ sie etwas Magie in die Tätowierungen an ihren Unterschenkeln gleiten und merkte sofort, wie sich die Schwerkraft verringerte. Sehr gut. Hoffnungsvoll übergab sie sich wieder in die Hände der Gravitation, um auf ihren Kontrahenten zu warten.

    Wie erwartet blieb Cantaras Pastete nicht lange als einzelnes Stück erhalten, sondern zerfiel mit dem ersten Bissen in seine Einzelteile, die ein Mensch wohl mit schiefem Blick angesehen hätte – geräucherte Würmer boten einen kaum appetitlichen Anblick für diejenigen, die dieses Essen nicht gewohnt waren. Immerhin verteilte sich der Inhalt nur auf dem Teller und nicht auf dem Tisch, auf welchem Fettflecken von längst verspeisten Mahlen glänzten. Wer wusste schon, ob das nicht ein sorgsam zubereiteter Vogel gewesen war? Ich denke lieber gar nicht daran, entschloss sich die Halbharpyie, Geschöpfe des Himmels gehören nicht auf ewig an die Erde gefesselt. Sehnsüchtig betrachtete sie die Federn an ihren Unterarmen, die es ihr niemals erlauben würden, gen Sonne aufzusteigen.
    Nach einigen Bissen, die ihren Appetit weiter angeregt, jedoch auch ihren Hunger zumindest zu einem Teil gestillt hatten, fiel ihr auf, dass sich Laetificat überhaupt nicht wie erwartet neben ihr gesetzt hatte. Mit einem knappen Blick über die Schulter sah sie, dass die Geflügelte damit beschäftigt war, möglichst viele Nudeln auf einmal in ihren Mund zu befördern, wobei ihr schon bei einem einzigen Bissen einige wegfielen. Anscheinend war sie es nicht gewohnt, sich zu ihren Mahlzeiten zu setzen.
    Als Cantara ihre letzten Reste zusammenkratzte, ließ sich die andere dann doch nieder. „Oh.“ Sie stieß mit ihren Flügeln gegen die Sitzfläche, als sei ihr entgangen, dass ihr Schwingen aus den Schulterblättern ragten. Wie kann man so etwas einfach übersehen?, fragte sich die Vogelfrau verwundert. „Siehst du, das bin ich, Cantara. Du bist ein Geschöpf der Lüfte, ich eines des Feuers. Ich bin ein Drachenherz. Ein Mensch mit der Fähigkeit sich in einen waschechten Drachen zu verwandeln. Auch teilweise. Deshalb auch mein Echsenschwanz, den du gesehen hattest.“ Mit ihren erklärenden Worten verschwanden Cats Flügel langsam.
    Die Brünette ließ sich nicht anmerken, wie sehr diese Information sie interessierte. Ein Feuerwesen mit Flügeln? Ein Drache? Ich kenne diese Kreaturen… Sie überlegte einige Sekunden, bevor sie die richtige Erinnerung wieder aufschnappte, denn mit diesen Wesen hatte sie sich während ihrer Studien nicht sonderlich intensiv beschäftigt. Deutlich stand ihr allerdings noch vor Augen, dass die Menschen die Drachen als Plage angesehen und deshalb vor vielen Jahrhunderten ausgerottet oder zumindest vertrieben hatten. Die von Gerüchten und Mythen verzerrten Aufzeichnungen aus jenen kriegerischen Tagen waren ungenau und unzureichend, und so waren auch die Bildnisse von Drachen wenig einheitlich gewesen. Zu mehr als einem ungefähren Bild in ihrem Kopf reichte es nicht aus, doch jetzt konnte sie es ja mit den beiden Merkmalen Cats ergänzen, die sie zu Gesicht bekommen hatte.
    Das letzte Teigstück verschwand in Cantaras Magen und sie legte ihr einteiliges Besteck auf den Teller, um ihrer Gesprächspartnerin zu antworten. Deren Tätigkeit überraschte sie, und für ein paar Momente sah sie dabei zu, wie das Drachenherz Essstäbchen zwischen Zeige- und Mittelfinger wirbeln ließ, bevor sie auf einmal ins Nichts verschwanden. Magie! Das auch noch? Welche Fähigkeiten verbirgt Cat noch? „Wenn du ein Geschöpf das Feuers bist – heißt das, du kannst Feuer speien?“, fragte sie neugierig nach. Dies war immerhin der von den Adlerlandrittern am meisten gefürchtete, da ihre Rüstungen und Häute zerschmelzende Angriff der Drachen gewesen.

    Cantaras Blick fiel von den randvollen Essensboxen, die Laetificat in den Händen hielt, auf die Flügel, die aus ihren Schulterblättern gewachsen waren. Es waren nicht die mit wunderschönen Federn geschmückten Schwingen der Vogelmenschen, mit denen sie aufgewachsen war, dennoch zweifelte sie nicht daran, dass ihre Gesprächspartnerin sich mit ihnen in die Lüfte erheben konnte. Sie erinnerten die Halbharpyie an eine Zeichnung von einem Tier namens Fledermaus, von dem sie einmal gelesen hatte, ohne es jemals mit eigenen Augen erblickt zu haben. Im Gegensatz zu deren graubraunen Flügeln kamen Cats ihr jedoch sehr ansehnlich vor, nachdem sie die erste Überraschung über den Anblick überwunden hatte – die glänzenden Schuppen, deren kräftige Farbe zu jener der Haare passte, hatten etwas für sich.
    „Da bist du ja. Hast dein Essen auch schon gefunden?“ Ihrem heiteren Tonfall nach zu schließen, hatte Cat die erstaunten Blicke Cantaras nicht mitbekommen. Stattdessen widmete sie sich bereits genüsslich den Nudeln und schien sich nicht darum zu kümmern, dass sich die anderen Anwesenden zum Essen gesetzt hatten.
    „Irgendwo hier musste es ja etwas Essbares für mich geben“, lächelte Cantara und spähte aus den Augenwinkeln auf die unglaublichen Mengen verschiedenartiger Speisen, die zugegebenermaßen nicht unbedingt übersichtlich war, wenn man auf der Suche nach etwas Bestimmten war. „Nun, wollen wir uns setzen? An Platz mangelt es definitiv nicht.“ Sie nickte zu der langen Tafel, an der manche kleine Dörfer der Adlerlande all ihre Bewohner hätten unterbringen können. Damit, mit Cat zusammen als Einzige im Stehen zu essen, hatte sie kein Problem, doch die Pasteten auf ihrem Teller hatten die unangenehme Eigenschaft, beim Reinbeißen auseinander zu fallen. Auf den Boden verteilt wäre der Inhalt zum einen nicht mehr genießbar, zum anderen für die übrigen Teilnehmer vielleicht ein Anlass, sich aufzuregen. Insbesondere letzteres brachte Cantara dazu, sich schnell einen Sitzplatz zu suchen und auf diesen zuzustreben - gleich einen derart ungeschickten Eindruck zu machen, wollte sie vermeiden.

    Cantara beobachtete die Reaktion der Anderen neugierig. „Oh… Oh!“, meinte die Fremde, als sie sich umdrehte. Verschiedene Ausdrücke liefen wie Wellen über das Gesicht, wobei die karmesinroten Augen sich zuerst auf die Krallen der Halbharpyie richteten. Achten denn alle Ungefiederten auf nichts anderes?, fragte diese sich frustriert. Dann verschwand die Abneigung offenbar, was Cantara mit einem kaum sichtbaren Lächeln zur Kenntnis nahm.
    "Hallo. Ich bin Cat. Naja, eigentlich heiße ich Laetificat. Aber lass dich nicht von meinem Namen täuschen, falls du ihn übersetzen kannst. Ich bin Assassinin." Die Brünette durchforstete ihre Erinnerungen nach einer Übersetzung für diesen ungewöhnlichen Namen, ohne jedoch eine Antwort zu finden. Sie tippte auf eine liebliche Bedeutung, wie sie Menschenmädchen oft zuteilwurde, etwas in die Richtung ‚Von der Rose geküsst‘, was mit Meuchelmördern wenig zu tun hatte. Nach nur kurzem Zögern nahm sie auch die ausgestreckte Hand an. Vorsichtig berührte sie ihre Gesprächspartnerin bloß mit der Handfläche und spreizte die Finger leicht ab, um sie nicht versehentlich mit ihren Krallen zu verletzen – es war kein Wunder, dass diese höfliche Geste es unter den Harpyien nie zu herausragender Beliebtheit geschafft hatte.
    "Aber vorerst sind wir Freunde - aber du hast doch nicht meinen Schwanz gesehen, oder? Das wäre mir sehr peinlich." Cantara war froh, dass die sich öffnenden Tore ihr Wahrheit oder Lüge ersparten. Zwischen und über den Köpfen erspähte sie nicht nur einen Raum unglaublicher Ausmaße, sondern außerdem allerlei Gerichte, die sich im Inneren der Burg fanden. Außerdem roch das Essen bis zu den beiden hinüber, sodass der Vogelfrau das Wasser im Mund zusammenlief und der Hunger in ihren leeren Magen fuhr. Anscheinend hatte auch Cat den Speisesaal bemerkt und kündigte an, sich dort umzusehen. „Kommst du mit?“, lächelte die Rothaarige und strebte selbst schon zu einem der Eingänge hin. „Natürlich!“, erwiderte Cantara begeistert und folgte der Assassine. „Übrigens bin ich Cantara.“ Dann, in Erinnerung an den Blick, den die Andere vorhin auf ihre Krallen und Federn geworfen hatte, fügte sie hinzu: „Ich bin zu einer Hälfte Vogelmensch und zu einer Mensch, daher meine Anhängsel.“ Mit einer ruckartigen Kopfbewegung wies sie auf die Schwungfedern, die an ihren Unterarmen weit durch den Schlitz im Stoff ragten. Zu übersehen waren dieses ja kaum, und Nichtharpyien legten mitunter sonderbare Verhaltensweisen an den Tag, sobald sie die Vogelmerkmale wahrnahmen.
    Viele andere Teilnehmer hatten sich schon im Inneren zusammengefunden und an der Auswahl gütlich getan, doch es war noch immer so viel übrig, dass dieses Mahl der Gefiederten für mehrere Tage ausgereicht hätte. Sie wusste überhaupt nicht, wohin sie sehen sollte, so vielfältig war das Angebot an Speisen, von denen einige anziehend exotisch, andere schlicht widerlich wirkten. Schließlich machte sie an einer Stelle mehrere Gerichte aus, die ihr bekannt vorkamen, und sie wandte sich zu diesen. Enttäuscht stellte sie fest, dass sie das Essen von gewöhnlichen menschlichen Gasthöfen und Menükarten kannte. Nichtsdestotrotz hatte sie sich schon beinahe einen blutigen Kalbsbraten genommen, als ihr noch etwas anderes ins Auge fiel und sie sich verzückt einige Meter zur Seite wandte, wo nach Tradition der Vogelmenschen zubereiteten Pasteten eine Ecke vorbehalten war. Cantara pickte mit ihren scharfen Krallen zwei üppige Exemplare heraus und lud die Gemische aus toten Insekten, Fisch und Teighülle auf einem Teller ab. Zufrieden mit ihrer unerwartet ansprechenden Ausbeute gesellte sie sich nun wieder zu Cat.

    OT: Freut mich ebenso, dass ich die Gelegenheit dazu hatte, Narime ^__^ Die große Gruppe wurde mir allmählich etwas unübersichtlich. =3

    Zwischen den Zweigen spähte Cantara zu der Talsenke hinunter, in der sich das Portal geöffnet hatte. Es war ihr unbegreiflich, wieso es sich gerade hier, nur anderthalb Wegstrecken von der Rebellenhauptstadt befand und sie hatte sich schon ausgemalt, von Soldaten eingefangen und aufgespießt zu werden, bevor sie überhaupt angekommen war. Deswegen hielt sie sich am Waldrand versteckt, die an Vogelfüße erinnernden Krallen fest um einen stabilen Ast geklammert.
    Als sie sich sicher war, dass sich keine Feinde in der näheren Umgebung aufhielten, sprang sie die Böschung Abschnitt für Abschnitt hinunter, womit sie schon fast bei dem Strudel angekommen war, der einen auffällig knalligen Kontrast zu der als Folge des langen Sommers ausgedörrten Landschaft darstellte. Zögernd beäugte sie das ungewöhnliche Objekt, dann vertrieb sie ihre Zweifel mit einem entschlossenen Atemzug und sprang beherzt in das Dimensionstor.


    Im Nachhinein vermochte die Halbharpyie nicht mehr einzuschätzen, wie lange die Reise gedauert hatte, doch sie war nichts desto trotz froh, als ihre Gedärme sich nicht mehr wie durch den Reißwolf gedreht anfühlten. An dem neuen Ort schien sie zuerst niemand wahrzunehmen, obwohl zahlreiche andere Personen – oder sollte sie es lieber Kreaturen nennen? – gleichzeitig mit ihr ankamen. Diese Ruhezeit füllte sie damit, die Burg zu betrachten, in deren Hof sie gelandet war. Zwischen den riesigen Mauern fühlte sie sich zuerst leicht eingedrängt, bis sie sich die Ausmaße des Geländes vor Augen führte. „Wahnsinn“, murmelte sie zu sich selbst. Wie reich und mächtig musste eine Person sein, um derartiges zu erschaffen?
    An einer Wand hing ein großes rechteckiges Etwas, das sie an ein Gemälde erinnerte, bis die schwarze spiegelnde Fläche auf einmal zum Leben erwachte und ein Gesicht darauf erschien. Cantara erstarrte und bohrte ihre Fingerkrallen vor Schreck in ihr eigenes Fleisch. Sie warf einen Blick auf die anderen Kämpfer und erkannte, dass das sprechende Ding für sie vollkommen normal zu sein schien, oder zumindest wirkten sie alle nicht so überrascht wie die Vogelfrau selbst. Um sich zu entspannen, fuhr sie sich mit der Hand durch ihr hellbraunes Haar, eine Geste, welche sie sich im letzten Jahr unwillentlich angewöhnt hatte.
    Die Person auf dem Bild begann grinsend, eine Ansprache zu halten, der Cantara aufmerksam zuhörte. „Egal wieso ihr hier seid, nutzt diesen Herzenswunsch, um glorreich aus den Schlachten zu gehen, denn der Wunsch ist nun zum Greifen nah!“ Bei diesen letzten Worten schloss sie die Lider unter den Erinnerungen, die in ihrem Geiste vor ihr vorbeizogen. Alles war möglich, wenn sie gewann. Allein diese Behauptung sollte man Lügen strafen, und dennoch hatten sich so viele wie sie versammelt, die dem Versprechen Glauben schenkten. Auch wenn es unwahrscheinlich war, dass ihr Traum in Erfüllung ginge, so hatte sie immerhin noch die Hoffnung darauf, durch die Wettkämpfe stärker zu werden und schließlich aus eigener Kraft heraus ihre Verwandten befreien zu können. Mit diesem Gedanken hatte sie sich auf den Weg gemacht, sich ihren Gegnern zu stellen.


    Am Ende der Rede stellte sie zudem leicht enttäuscht fest, dass immer noch unzählige ihrer Fragen offen waren und sie wohl noch länger auf eine Antwort warten musste, wenn sie den Namen der „Verstummten“ richtig interpretierte. Diese fielen ihr erst auf, nachdem der ominöse Organisator selbst verstummt war und sich die Anwesenden in kleinen Gruppen zusammenfanden oder gegenseitig misstrauisch beäugten. Bei dem Anblick stellten sich die Daunenfedern an ihrem Haaransatz auf und sie verspürte eindeutig kein Verlangen, diese uniformen Phantome zum Reden zu bewegen.
    Was ihr gefiel war die Tatsache, dass sie unter den vielen sonderbaren Gestalten hier überhaupt nicht aus der Reihe fiel; die wenigsten von ihnen sahen aus wie die gewöhnlichen, ihr verhassten Menschen. Sie entdeckte gleich zwei Wölfe, die offenbar über genügend Intellekt verfügten, um am Kademes-Turnier teilzunehmen und sich bald an den wenig feindlichen Unterhaltung zu beteiligen. Noch war nicht abzusehen, dass sie sich zum Kämpfen und nicht zum Teekränzchen trafen.
    Das dumpfe Geräusch eines fallenden Körpers hinter ihr riss Cantara aus ihren Beobachtungen. Verwundert drehte sie sich um. Sind denn noch nicht alle da? Tatsächlich war durch das noch immer geöffnete Portal eine weitere Person eingetroffen, die jedoch offensichtlich eine astreine Bruchlandung hingelegt hatte. Es handelte sich um ein Mädchen oder vielleicht schon eine junge Frau, die nicht nur durch feuerrote Haare, sondern noch mehr mit ihrem Echsenschweif auffiel, also konnte es schon einmal kein reiner Mensch sein. Die Halbharpyie freute sich über jeden Anwesenden, der sich nicht dieser arroganten Rasse angehörig zählen musste.
    Cantara blinzelte eine lose Wimper von ihrem Augapfel. Als sie den Blick wieder auf den Neuankömmling richtete, hatte dieser sich schnell erhoben und, was sie inne halten ließ, besaß keinerlei Anzeichen mehr, etwas anderes als menschlich zu sein. Sehe ich nicht mehr richtig? Sie runzelte die Stirn und trat zu der Rothaarigen hin, die sich etwas zu der Gemeinschaft hin bewegt hatte. „Hallo“, sprach sie die Fremde an, „ich habe mitbekommen, dass du gerade eben erst angekommen bist, kann ich dir helfen?“ Die Begrüßung war ihr noch locker über die Lippen gekommen, danach musste sie einen Moment überlegen. Üblicherweise hielt sie sich mit Fragen nicht zurück, doch da sie sich auf die Verwandlung von Mit-Echsenschwanz zu Ohne-Echsenschwanz keinen Reim machen konnte, wählte sie den Umweg über einen weniger aufdringlichen Gesprächsbeginn.


    OT: Wegen Schule und anderem Zeug, das ich dringend erledigen musste, bin ich in der letzten Woche nicht zum Posten gekommen, daher kommt mein Einstieg jetzt erst. ^^
    Narime, ich bin mal davon ausgegangen, dass meine Cantara den Drachenschwanz noch kurz sieht, ich hoffe, das macht dir nichts aus – hat einfach gut gepasst :)

    Erstaunt beobachtete Tarja, wie sich immer mehr Menschen von dem Schiff herab zu den dreien gesellten, zum Großteil bei ihren Flug- und Landemanövern den Eindruck erweckend, keine große Kontrolle über die Lage zu haben. Als die Gruppe vollständig zu sein schien, war sich die junge Frau sicher, nie eine ungewöhnlichere Ansammlung von Individuen gesehen zu haben.
    Tarja war immer noch damit beschäftigt, die Neuankömmlinge zu mustern, da kam aus einem der Häuser ein kleiner Junge und rief ihnen etwas zu. „… will anfangen!“, verstand sie von ihrem Standort aus bloß. Zögernd kam die Gruppe der Aufforderung nach und trat durch die Tür, die der Halbwüchsige verlassen hatte. Er winkte auch Tarja zu, was sie überraschte. Über mögliche Gefahren nachzugrübeln kam ihr überhaupt nicht in den Sinn, sie folgte mit leicht sprunghaften Schritten.
    Im Inneren war es dunkel und der Raum begrenzt, und Tarja musste Acht geben, um niemandem in die Fersen zu treten. Die alte Frau hatte sie während ihrer Zeit in Nashira noch nicht gesehen, und was die besondere Erscheinung betraf, stand sie den bunt gemischten Personen, die sich bereits in dem Zimmer versammelt hatten, um nichts nach. Sogleich begann sie, eine Geschichte zu erzählen, deren Inhalt Tarja wie ein Ammenmärchen vorkam. Ein singender Fisch in einem riesigen Gewässer? Sie wollte schon fragen, welchen Sinn diese Erzählung hatte, als diejenige, die sie als Anführerin identifiziert hatte, ihr die Worte von der Zunge nahm.
    „Damit ihr versteht. Vielleicht wird euch dieses Wissen eines Tages nützlich sein.“ Obgleich es der jungen Frau unwahrscheinlich erschien, jemals aus den vorgetragenen Zeilen einen Nutzen zu ziehen, lauschte sie auch den folgenden Worten über diesen „Dark“, offensichtlich einer der Anwesenden, aufmerksam. Sie ergaben in Tarjas Ohren noch weniger Sinn, und als die Alte sie schließlich wieder nach draußen schickte, war sie vollkommen verwirrt.


    Kaum waren sie wieder an der frischen Luft, begann zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gruppe eine hitzige Diskussion, welche die Brünette mit den Ausführungen in Verbindung brachte. Erst ging es um Gottheiten, dann richtete sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf einen Mann, der angriffslustig von einem anderen niedergeredet wurde.
    Tarja zog sich etwas zurück und lehnte sich an eine Hauswand, wo sie die Schleife ihres Zopfes löste, um die Strähnen desselben über der Schulter wieder neu zu flechten. Eine auslastende Tätigkeit war das nicht, aber es war besser, als lauschend in die Runde zu starren. Schließlich hörte sie trotzdem den Großteil dessen, was ausdiskutiert wurde. Von Verstehen konnte allerdings nicht die Rede sein, denn weder wusste sie irgendetwas über die Vergangenheit dieses Nicht-Menschen, noch hatte sie die geringste Ahnung, was ein Magnus sein sollte. Soweit sie der Unterhaltung folgen konnte, war niemand wirklich begeistert davon, den Vorschlag der Wahrsagerin zu beachten und dem „Zeitlosen“ diesen Magnus zu überlassen, und die Gruppe fand keine Einigung, bis die Anführerin Shadow die Entscheidung übertrug. Danach wurde das Thema abgehakt und sie wandten sich auf die Worte einer Rotblonden, die sich anscheinend in Nashira auskannte, Richtung Bar.
    Hastig beendete Tarja ihre Bemühungen, sich ihre Haare ordentlich zu frisieren, und band mithilfe der dunkelgrünen Schleife einfach einen einfachen Knoten zehn Zentimeter über den Spitzen. Dann lief sie den anderen hinterher.
    Wie zuvor bei der Alten schob sich die junge Frau unbemerkt in das gut besuchte Gebäude. Es war ungewöhnlich still, was wohl an den vielen Fremden liegen mochte, die sich eingetroffen hatten. An einem Tisch entdeckte Tarja ein Gesicht, das ihr bekannt vorkam, vermutlich einer der Fischer, mit denen der Freund ihres Onkels sich manchmal unterhielt. Sie grüßte ihn mit einem Nicken und setzte sich auf den freien Platz neben ihm. Zuerst wirkte er leicht irritiert, doch dann erwiderte er ihr Nicken brummend.
    Derweil sprach die Soldatin mit der Wirtin und wurde von dem aufgebrachten Anführer der Fischer von Nashira unterbrochen. Tarja wäre nicht verwundert gewesen, wenn er die Rothaarige mit Fäusten und nicht mehr bloß mit Worten angegriffen hätte. Die spürbare Spannung wurde erst dank Gibari wieder aufgelöst, und die Brünette entspannte sich. Eine Auseinandersetzung zwischen Reblys und der selbstbewussten Anführerin stellte sie sich unangenehm, wenn auch spannend vor.
    „…Etwas hat sie getötet und gefressen und die Leichen in den Fluss geworfen“, erklärte Gibari laut genug, dass Tarja jedes Wort deutlich verstand. Von dieser Einzelheit hatte sie bisher nur leise Gerüchte gehört, und aus seinem Mund hörte es sich so glaubwürdig an, dass sie nicht mehr daran zweifelte. „Nun haben die Leute hier verständlicher Weise Angst und sind gereizt, auch, weil unsere Erträge durch das Hochwasser stark geschmälert werden.“
    „Dann lasst uns baldmöglichst aufbrechen“, entschied die Soldatin und die Gruppe verließ die Bar. Tarja drückte sich an der Tischplatte hoch und schob sich zwischen den anderen Tischen hindurch zum Ausgang. Diesmal legten die Fremden keine Redepause ein, sondern befanden sich schon auf dem Weg zu den Stegen, weshalb sich die junge Frau beeilte, den Abstand aufzuholen.
    Sie legte die letzten Meter zu der Rothaarigen halb rennend zurück, bis sie schräg vor dieser stehen blieb. „Habe ich eben richtig gehört, Ihr wollt zum Himmelstrom?“, erkundigte sie sich eine Spur begeisterter als geplant.
    Leicht verwundert hob die Soldatin eine Augenbraue und betrachtete das braunhaarige Mädchen, welches sie gerade angesprochen hatte. Sie hätte nicht erwartet, in diesem Dorf, das für seine Fremdenfeindlichkeit bekannt war, von jemanden so hemmungslos angesprochen zu werden. Aber dann schüttelte sie nur den Kopf, um ihren verfluchten Schopf aus ihrem Sichtfeld zu bringen, in das er schon wieder hin. „Ja wir haben vor uns diesen näher anzusehen. Warum möchtest du das wissen?“, erkundigte sie sich höflich und nahm nun doch eine Hand zur Hilfe, um den widerspenstigen Schopf aus dem Gesicht zu streichen.
    Unwillkürlich ahmte Tarja die Geste ihres Gegenübers nach und strich sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr. „Es interessiert mich, was dort vor sich geht – die letzten Tage hört man überall Vermutungen und trotzdem weiß niemand wirklich, was geschehen ist. Wisst Ihr denn mehr über die Gefahr, in die Ihr euch gerade begebt?“ Sie hoffte, dass dies als Begründung reichte und sie nicht genauer ausführen müsste, wieso sie sich derartig an den aktuellen Begebenheiten störte. Langeweile wäre für die Soldatin womöglich kein ausreichender Grund, um ihr mehr über die Situation zu erzählen, wenn sie denn überhaupt viel mehr wusste.
    Nun musste die Soldatin lächeln. „Wir wissen darüber vermutlich nicht mehr wie du, zumindest nicht viel. Du musst dich aber nicht um uns sorgen, wir wissen uns zu verteidigen. Aber lieb von dir.“, antwortete sie dem neugierigen Mädchen, wobei in ihrem Schmunzeln etwas neckendes lag. Sie hatte dieses leicht ungepflegt wirkende Mädchen schon zuvor gesehen, als die Gruppe hier in Nashira gelandet war und konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Antwort ihren Gegenüber zufriedenstellen würde.
    Die Jüngere biss sich auf die Unterlippe, als sie kurz darüber nachdachte, was sie antworten sollte. „Oh, ich zweifle nicht daran, dass Ihr wisst, was Ihr tut“, sie ließ den Blick kurz zu den anderen Anwesenden abschweifen, bei denen sie sich damit nicht ebenso sicher war wie bezüglich der Soldatin, „trotzdem kommt es mir merkwürdig vor, ohne die geringste Ahnung dorthin zu gehen. Und das noch dazu als Fremde, nachdem Ihr vor Kurzem erst nach Nashira gekommen seid…“
    Sheewas Lächeln wurde noch eine Spur breiter. Es belustigte sie, wie dieses Mädchen nach einer Antwort rang. „Wir haben doch einen Führer.“, erinnerte sie die Kleine und nickte in Richtung Gibari, der bereits in sein Boot gestiegen war. Die anderen Der Gruppe versuchten derweil sich auf der recht begrenzten Ladefläche zu verteilen. Viel Zeit hatte sie nicht mehr, bis der letzte einen Platz gefunden hatte und sie sich zu den anderen gesellen sollte. Also entscheid sie sich das Katz und Mausspiel zu beenden. „Also, was willst du von uns?“, erkundigte sie sich frei heraus, wobei sie aber nicht ihr Lächeln verlor.
    Tarja folgte dem Nicken und betrachtete kurz das Boot sowie Gibari, der sich hier natürlich wesentlich besser auskannte als sie. Sie war geradezu dankbar darüber, dass die Fremde sie nicht weiter herumreden ließ. „Ich würde euch gerne begleiten“, antwortete sie also, den Blick direkt in die Augen gerichtet, um die Reaktion zu sehen.
    Nun musterte die Soldatin das Mädchen kritisch. „Du hast selbst gesagt, dass es gefährlich ist. Meine Gruppe besteht aus Kämpfern, die sich gut verteidigen können.“, meinte sie ernst, obwohl sie noch immer leicht lächelte. Sie hoffte, dass dieses Mädchen den unausgesprochenen Zweifel an ihrer Kampfkraft heraushören und verstehen würde, denn selbst, wenn die kleine recht amüsant war, keiner der Gruppe konnte auf sie aufpassen, vor allem, da noch das Geschwisterpärchen bei ihnen war, von dem keiner wusste, wie gut es kämpfen konnte.
    „Das kann ich nicht minder.“ Entschlossen, nicht nachzugeben, erwiderte Tarja den kritischen Blick. „Ich habe keinerlei Probleme, auf mich selbst aufzupassen!“ Sie ballte eine Hand zur Faust, was nicht als Herausforderung gemeint war, sondern lediglich der Unterstreichung ihrer Worte dienen sollte. Dennoch fürchtete sie, dass ihr Gegenüber sie nicht ernst nehmen würde, wofür sie sie auch nicht verurteilen wollte, denn schließlich wusste sie von alltäglichen herablassenden Kommentaren und gelegentlichen Blicken in den Spiegel, dass sie über keine eindrucksvolle Statur verfügte. Normalerweise machte ihr dies nichts aus, solange sie sich selbst sicher war, dass sie sich gegen die meisten durchschnittlichen Gegner zu wehren vermochte, doch nun verfluchte sie es insgeheim.
    So leicht ließ Sheewa sich nicht überzeugen. Aber hier konnte sie nicht einmal die Fähigkeiten des Mädchens testen und Zeit hatte sie auch keine mehr, denn die anderen hatten es alle irgendwie geschafft, auf dem Boot Platz zu finden. Aber bevor sie das Mädchen vertrösten konnte, ertönte die brummige Stimme Gibaris, der das Gespräch wohl beobachtet hatte: „Wenn du willst dann komm an Bord, kleine Lady.“ Auf den Blick, den er darauf von der Soldatin kassierte, lachte er nur schallend. „Bleib ruhig kleine Soldatin. Das ist mein Boot und ich nehme jede Hilfe an, also springt auf.“
    In diesem Moment hätte die Rothaarige diesem ungehobelten Fischer am liebsten eine Nachhilfestunde in Sachen Respekt verpasst, aber sie riss sich zusammen und behielt ihr lächeln, auch wenn ihre Körpertemperatur etwas anstieg. Was bildete dieser Dorftrottel ein, so mit jemandem wie ihr zu sprechen? Für wen hielt sie dieser muskelbepackte Affe überhaupt, dass er es wagen konnte, ihre Autorität zu untergraben? Aber leider brauchte die gruppe ihn, also warf Sheewa ihm beinahe echt wirkendes Lächeln zu und gesellte sich zu den anderen auf die Ladefläche, wobei sie achtgab, niemanden zu berühren, was auf Grund der Enge beinahe unmöglich war.
    Tarja, die sich angesichts des vielsagenden Blickes der Soldatin gerade noch auf Frustration eingestellt hatte, strahlte für einen Moment glückselig. „Vielen Dank!“, rief sie aus. Immerhin sah dieser Fischer, dass sie eine Hilfe sein konnte! Aufgrund ihrer Freude machte es ihr auch nichts aus, dass es schwer war, sich in dem Boot, welches offensichtlich nicht für diese Anzahl von menschlichen Reisenden konzipiert war, einen Sitzplatz zu verschaffen. Hier kam ihr ihr schlanker Körperbau zugute, und sie schaffte es, sich auf der Ladefläche niederzulassen, ohne jemandem unbeabsichtigt zu nahe zu kommen. Dann fiel ihr noch etwas ein, und sie drehte sich zu der Soldatin um. „Wie heißen Sie überhaupt?“ Für den Fall, dass sie die Anführerin einmal rufen sollte, wäre es sicher günstig, ihren Rufnamen zu wissen.
    „Du kannst mich Sheewa nennen.“, antwortete die Soldatin dem fremden Mädchen, während Gibari sein Boot von den Stegen und somit von Nashira weglenkte, „Und wie ist dein Name?“
    "Ich bin Tarja", sagte sie und sah dabei zu, wie sich das sterbenslangweilige Nashira endlich entfernte. Dabei blendete sie angestrengt den Fluss aus, dessen Strom eine unergründliche braune Masse war, in die sie nicht zu fallen hoffte. Dankbar ging sie später als eine der Ersten an Land; obwohl auch hier Wasser den Weg prägte, war es ihr lieb, festen Boden unter ihren Füßen zu haben. Da sie niemanden aus der Gruppe kannte, ließ sie sich während der Wanderung etwas zurückfallen und konzentrierte sich weniger auf die Menschen als auf die Umgebung; letztere erschien ihr, insbesondere wegen des Kleinen Himmelstroms, wesentlich gefährlicher. Jedes Mal, wenn etwas deutlich hörbar nahe des Ufers platschte, zuckte Tarja innerlich zusammen.


    Im Laufe der Zeit gerieten einige Personen mit den Bewohnern dieses Gebiets aneinander, was die Braunhaarige aufmerksam beobachtete, sofern ihr die Sicht nicht gerade versperrt war. Stets präsent war die Gefahr, die in den Fluten lauerte, und aus Vorsicht holte sie den Magnus mit ihrem Bogen aus der Hüfttasche. Mit dem vertrauten Holz im Griff fühlte sie sich sogleich etwas sicherer, ohne dass dieses Gefühl ihre Wachsamkeit beeinträchtigte.
    Ein Geräusch schräg hinter ihr ließ die junge Frau innehalten und herumwirbeln. Zwei Meter von sich entfernt machte sie ein froschartiges Wesen aus, welches sie aus kleinen Augen anstarrte. Noch wirkte es unschuldig, aber Tarja hatte seinesgleichen schon vorher bei anderen Kämpfern gesehen und wusste daher, dass man die Kleinen nicht unterschätzen durfte. Sofort wechselte sie in eine stabilere Haltung und legte einen Pfeil an die Sehne an. Viel Zeit zum Zielen blieb ihr nicht, sodass sie auf der Basis reinen Gefühls abschießen musste. Durch die Nähe stellte dies eigentlich kein Problem dar, doch der Pul-Puk wich gerade rechtzeitig mit einem Satz zur Seite aus und wurde daher nur an einer Flosse von der Pfeilspitze angeritzt, was ihm nichts auszumachen schien. Mit zusammengebissenen Zähnen machte die junge Kämpferin drei Schritte rückwärts und brachte so eine Distanz zwischen sich das Wesen, von der sie hoffte, dass der Pul-Puk mehr als einen Sprung zum Überwinden bräuchte. In einem automatisierten Bewegungsablauf zog sie ihren Magnus erneut hervor und griff nach einem neuen Geschoss.
    Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sich ein weiterer Froschartiger seitlich angepirscht hatte. Gerade noch rechtzeitig hörte sie seine Flossen vom Boden abstoßen und drehte sich zu dem neuen Angreifer hin. Dabei ließ sie Windmagie in ihre Waffe fließen, die sich bei der schwungvollen Bewegung in Form einer Windböe löste und knapp stark genug war, um den Kontrahenten auf seiner Bahn durch die Luft abzulenken und desorientiert auf die Felsen zu werfen. In der Hoffnung, dass dieser Gegner für einen Moment ausgeschaltet war, drehte sie sich mit gespanntem Bogen zurück zu dem ersten. Dieser stieß sich gerade erneut ab und Tarja musste einen Sprung zur Seite machen, um dem Angriff zu entgehen. Nun hätte sie theoretisch einen Schuss abgeben können, doch das Risiko, einen weiteren Pfeil zu vergeuden und selbst verletzt zu werden, erschien ihr zu hoch angesichts des unruhig herumhüpfenden Ziels. Stattdessen vergewisserte sie sich mit einem Blick über ihre Schulter, dass in diese Richtung Platz war, und wich weiter zurück.
    Der Pul-Puk spie ihr Wasser entgegen, dass sie abwehrte, indem sie die Attacken mit Windstößen direkt aus ihrer rechten Faust in tausende Tropfen zerstreute. Dass das nicht lange gut gehen konnte, war ihr bewusst, zumal sie noch immer einen Pfeil in derselben Hand hielt, den wegzulegen sie zu beschäftigt war. Tarja zuckte zurück, als ein Tropfen ihre ungeschützten Fingerkuppen traf und wie ihr auf der Haut brannte. Das Froschwesen war indes näher gekommen und setzte offensichtlich zum Sprung an.
    Die kurze Zeit, die ihr durch das Ausbleiben der Wassermagieangriffe blieb, nutzte sie und verstaute ihren Bogen schnell. Für den Pfeil blieb keine Zeit mehr, also warf sie ihn weg, als sie sich seitlich zu Boden fallen ließ und sich drehend abrollte, womit sie am Ende anderthalb Meter von dem Pul-Puk entfernt hockte. Sie konzentrierte sich auf ihre Schwingen und drückte sich dann mit Füßen und Händen vom Boden weg, sogleich auch heftig mit den Flügeln schlagend, damit sie die Schwerkraft trotz der fehlenden Aufwinde überwand. Durch leichten Luftzug stabilisierte sie ihre Position einige Fuß über dem Froschwesen in der Luft, holte ihre Bewaffnung erneut hervor und zielte auf ihren Feind, dessen verwirrter Zustand ihr die nötigen Augenblicke zum exakten Zielen verschaffte, wenn sie schon wegen der Schwingen nicht ihr eigentliches Kraftmaximum auskosten konnte. Das Geschoss verließ die Sehne und drang mehrere Fingerbreit in das blaue Bauchfleisch ein.
    Der Kleine taumelte und wedelte orientierungslos mit seinen Flossen. Tarja ließ sich schräg vor ihm wieder hinabfallen und zog den noch intakten Pfeil aus dem Körper, sodass es aus der offenen Wunde hoffnungslos blutete. Die Braunhaarige bedauerte es beinahe, keine Träne für den Sterbenden übrig zu haben, doch schließlich hatte nicht sie versucht, sich auf ihn zu stürzen – und außerdem hegte sie die Hoffnung, mit dem Sieg über das zweite Pul-Puk ihre Kampfesfähigkeit zu beweisen. Zuerst musste sie noch dieses ausschalten, doch nachdem sie es erst einmal am Rande einer Wasserlache ausfindig gemacht hatte, war es einfach, sich seiner zu entledigen. Das Wesen war noch immer benommen, sodass sie in Ruhe ein Foto mit ihrem Kameramagnus machen konnte, ehe sie aus geringer Distanz auf die Kehle schoss. Sie wandte sich schon wieder ab, als das Froschartige noch sein letztes Zucken tat.
    Nicht weit entfernt fand sie den ersten verschossenen Pfeil wieder, der knapp oberhalb der Spitze abgebrochen und somit nicht länger nutzbar war. Der andere, den sie bewusst fallen gelassen hatte, war dagegen zum Glück noch intakt und sie fügte ihn zufrieden wieder ihrem Vorrat zu, bevor sie die toten Wesen zurückließ und weiterging.

    OT: In Zusammenarbeit mit Sheewa entstanden.

    [tabmenu][tab=x][tab=Mini-Kommis] Ich gebe mal zu jedem der Texte ein, zwei Zeilen Kritik, die mir während des Lesens in den Kopf gekommen ist.


    Die versteckten Gefühle
    Sehr störend ist hier die Formatierung, die das Lesen unangenehm macht; die sollte man vor dem Abschicken immer lieber zweimal kontrollieren. Der Text selbst ist für meinen Geschmack arg vorhersehbar und zu sehr happily-ever-after, wobei das noch in Ordnung wäre, wenn der Stil toll wäre. Hier fehlen mir allerdings die Beschreibungen und es wurde zu viel Handlung in die wenigen Wörter gepresst, wodurch meiner Meinung nach kaum Stimmung aufkommt. Der Autor hätte hier mehr auf die Gefühle, Umgebung et cetera eingehen können. Die Idee an sich ist aber putzig =3


    Happy End
    Erinnert mich vom Stil her an irgendeinen Wettbewerbstext vom letzten Jahr - in der Hinsicht auf jeden Fall interessant. Auch die Grundhandlung gefällt mir, bei der Umsetzung dann hakt es aber. Der Text liest sich mehr wie bloße Regieanweisungen als dass das Gefühl einer echten Situation aufkommt, da es hier ebenso wie beim ersten Text an Details mangelt. Außerdem ist das Ganze etwas verwirrend, ich weiß am Ende immer noch nicht, was genau der Mann jetzt falsch gemacht hat. Einfach den Film kitschig gefunden und sich deswegen mit seiner Frau in die Haare bekommen?


    Überlegungen und Überwindungen
    Der Autor / die Autorin dieses süßen Textes verdient einen Fanclub <3 Ohne große Handlung kann man sich hier in den Jungen hineinversetzen, einfach weil die Gefühle so wunderbar zur Geltung kommen. Manche Stellen kommen mir inhaltlich bekannt vor, aber selbst wenn ich mich da nicht aus eigener Erfahrung in den Chara hineinversetzen könnte, würde ich das sicher dank der herrlichen Wortwahl tun. Die Personen und die Umgebung werden hier gar nicht beschrieben, was ich normalerweise schlecht finde, hier allerdings lebt die Geschichte so sehr von den Gefühlen allein, dass es gar nicht notwenig ist. Drei Punkte hier ~ Mein erster Gedanke hier war übrigens, dass der Titel sich nach Jane Austen anhört.


    Bleib bei mir
    Nach dem Anfang ist es hervorsehbar, dass es sich bei dem fremden Geruch um den einst verlorenen Partner handelt, was einfach durch Weglassen des ersten Abschnitts zumindest mir besser gefallen hätte. Dafür ist schön beschrieben, wie sich das Flamara an dem Geruch orientiert und ihn wiedererkennt, auch in dem Gespräch mit Nero wirkt sie vom Verhalten her nicht wie ein Mensch. Das Ende ist auf schöne Weise traurig, da finden sich die beiden wieder und müssen sich gleich wieder trennen - ist im Übrigen auch eine gute Idee, mal diese Facette dessen Pokémon-Fangs zu erwähnen. Auch diesem Text gebe ich drei Punkte.
    Stütz mich - halt mich
    Ich habe jetzt nicht die Wörter gezählt, aber alles in allem denke ich, dass man noch mehr aus der Handlung hätte machen können. Etwas mit Gefühlsbeschreibungen gestreckt hätte man sich gewiss besser in die Szene hineinversetzen können, zumal die erste Person ja eigentlich die perfekte Perspektive für solche Aufgabenstellungen ist. Das Liebesgeständnis kam mir zu schnell, beziehungsweise angesichts dessen, dass das Vulpix anscheinend überhaupt nicht damit gerechnet hatte, wurde es mir zu wenig ausführlich dargestellt.


    Ein Blick zurück
    Netter Titel, ich finde insbesondere im Verlauf längerer Geschichten, in denen man sonst wenig über die Vergangenheit eines Charas erfährt, Flashbacks immer interessant. Der Text selbst ist allerdings eher eine gewöhnliche Erzählung, wobei am Anfang die Beschreibung der Menschen im Allgemeinen interessant ist. Gefällt mir insgesamt ziemlich gut, wobei ich es schade finde, dass zwischendurch einfach ein Satz abgehackt wurde ("Und nun liebte ich sie so sehr, dass ich nicht Wir hatten so viel gemeinsam und waren dennoch so verschieden, wie es nur sein konnte." - ja, was macht er denn nicht? ^^"). Einen Punkt für diesen Text.

    Asmodeus' Wille
    Ein Künstler, der seine Geliebte malt und sich dabei ihrer Schönheit erfreut... Mhm. Schöne Idee, aber nicht sehr verständlich niedergeschrieben. Mir fehlt dadurch die Nähe zu der Situation, vor allem einzelne Sätze sind sehr verwirrend und dafür weniger anschaulich, ich nenne als Beispiel mal den gesamten letzten Abbandwurmsatz. Auch inwiefern sie "ein Sammler" ist und er ihren "Körper nicht weiter durchlöchern" will, erschließt sich mir nicht.


    Von heut auf morgen
    Struktur und Sprache sind sehr auffällig, vor allem letztere, da es so wirkt, als hätte der Autor einfach seine Gedanken aufgeschrieben, ohne weiter über die Wortwahl nachzudenken, was zu der wenig förmlichen Sprache der beiden Charaktere passt. Ich kann mir vorstellen, dass der Protagonist die Geschichte so später einem Freund oder einer Freundin erzählt, mit wenig Umschreibungen und stattdessen einfach dem reinen Gesprochenen und Geschehenen. Gerade das macht es jedoch dem Leser schwierig, sich in die Handlung hineinzuversetzen; von dem Fremden/späteren Freund erfährt man leider kaum etwas. Ein Punkt hier.


    Ohne Titel 1
    Die Formatierung machen das Lesen schwer, ein oder zwei Absätze mehr hätten sicherlich nicht geschadet. Außerdem ist hier im Vergleich zu den anderen Abgaben und der Wortbegrenzung wirklich wenig geschrieben worden - das ist zwar an sich nichts, was man kritisieren könnte, aber dadurch existiert auch weniger ausnutzbares Potential für Handlungentwicklung. Es wird im Prinzip nur ein einziger kurzer Moment beschrieben, es entsteht so keine Spannung... Schade, der Stil des Autors liest sich eigentlich nett.


    Himmel und Erde
    Bis dahin eindeutig der kreativste Text, beeindruckend, wie viele Gedanken sich der Autor für so einen kurzen Text gemacht hat. Die Sprache des Volkes, die Geschichte um die Szene herum - alles in allem liest es sich mehr wie ein Ausschnitt aus einem Roman als wie eine eigenständige Kurzgeschichte, wobei dies dem Verständnis nicht schadet. Die Beziehung zwischen den beiden Charakteren ist interessant und gut ausgearbeitet, der einzige negative Punkt hier ist das Ende, welches sehr kurz ausgefallen ist, insbesondere im Vergleich zu den langen Erklärungen zuvor, wahrscheinlich ein Problem mit der Wortbegrenzung. Trotzdem einer der besten Text - 2 Punkte.


    Ohne Titel 2
    Schade, dass es hier schon wieder keinen Titel gab, ich zähle die immer zur Geschichte dazu; aber gut. Erstmal ist hier auch wieder eine Wall of Text, die man durch Absätze hätte vermeiden können. Außerdem gibt es kaum Beschreibungen und - wohl durch diese und die schlechte Formatierung bedingt - ist auch die Konversation sehr unübersichtlich. Man sieht meiner Meinung nach allerdings, dass der Autor sich bemüht hat, die Gedanken und geistige Verfassung des Protas widerzugeben.


    Erdbeerschokolade
    Hach, der Titel schon x3 Da die Erdbeerschokolade an sich nicht im Text vorkommt, sofern ich jetzt nichts überlesen habe, verstehe ich das auf die Szene übertragen - so süß wie Schokolade und Erdbeer zusammen. Passt insofern, als das Ganze sehr romantisch und eben süß abläuft, wobei die Handlung für einen Geschmack etwas zu kitschig ist.. Dafür wirken die (Re)Aktionen der Charas realistisch, die Gefühle der Protagonistin wurden auch sehr schön umgesetzt. Trotzdem, zu kitschig für mich, daher keine Punkte.


    Ferriswheelshipping
    Zugegeben, ich hatte erst überhaupt keine Ahnung, was für ein Shipping das ist, aber das erschließt sich beim Lesen ja. N ist von allen Charakteren in den Spielen und im Anime bisher mein liebster, von daher habe ich mich schonmal gefreut, das zu lesen. Negativ ist hier, dass zu viel in den kurzen Text gesteckt wurde und die verschiedenen Settings quasi nur abgehakt wurden, außerdem ist es im Prinzip ja keine Szene, wenn sie mal da, mal dort gehen. Auch in Sachen Beschreibungen (sowohl Umgebung als auch Gespräche) hätte man hier noch vieles besser machen können.


    Die Suche
    Liest sich wie eine Pokémongeschichte für kleinere Kinder, ähnlich wie beim ersten Text. Sehr niedlich, was auch durch die Pokémonwahl unterstützt wird, und am Ende steht natürlich ein Happy End für alle. Es fällt auf, dass der Text vor allem aus Gespräch besteht und kaum auf Umgebung oder Gefühle eingegangen wird, obwohl es solche Details sind, die einen Text erst wirklich lesenswert machen.


    Ohne Titel 3
    Meine Kritik fällt hier der Länge des Textes selbst entsprechend aus: Ist meiner Meinung nach viel zu kurz geraten, Beschreibungen fehlen und die Szene ist dadurch nicht anschaulich.


    Die Frau im Schnee
    Dieser Text hat es mir sehr angetan. Die Idee ist eine vollkommen andere als bei dem Rest der Abgaben, und die Umsetzung ist hervorragend gelungen. Besonders die Beschreibungen am Anfang helfen, sich in die Szene hineinzuversetzen, sich in den Charakter zu fühlen und seine Emotionen zu spüren - man merkt, wie traurig der Protagonist ist, dass er diese Frau verloren hat, auch daran, dass er sie in seiner Vorstellung zu sich reden hört. Das Ende rundet die Szene schön ab, ich hatte nicht das Gefühl, es würde noch etwas fehlen, obwohl ich natürlich gerne mehr über diese Frau und die Beziehung zwischen den beiden erfahren hätte, denn der Text macht da wirklich neugierig. Ein großes Lob und drei Punkte an den Autoren ^^


    Ohne Titel 4
    Und schon wieder kein Titel .-. Der Text hat eine originelle Grundidee, darauf wäre ich sicher nicht gekommen, und es passt auch erstaunlich gut zu den momentanen Temperaturen draußen x) Auch wird ansatzweise auf die Gefühle und das Setting eingegangen, insgesamt besteht der Text allerdings noch zu einem zu großen Teil einfach aus Gespräch ohne weitere Erläuterungen wie Mimik etc.


    Ohne Titel 5
    Putzig, aber viel mehr leider auch nicht, da die Idee nicht genügend ausgearbeitet wurde; siehe "Ohne Titel 3".


    Die kleine Wildrose
    Hier fand ich es wirklich schade, dass ich nicht noch einen Punkt mehr vergeben kann. Schon der Titel ist schön gewählt, ansonsten ist auch die Sprache ansprechend und man erfährt einiges über die Geschichte der beiden. Gefällt mir ^^


    Nur Kollegen?
    Hier stört mich dieses "aus der Sicht des Erzählers" usw, das muss man als Autor auch anders lösen können, Entschuldigung. Außerdem fehlen die Beschreibungen und wegen dieser beiden Punkte konnte ich mich nicht wirklich in die Story hineinversetzen; also keine Punkte auch hier.


    Vulnonas Heart
    Wenn schon englische Titel, dann wenigstens mit korrekter Rechtschreibung, bitte. (Vulnona's Heart) Der Text ist nett, sticht aber nicht wirklich aus der Masser hervor und bekommt deswegen auch keine Punkte von mir.


    Liebesopfer
    //Gerade gesehen, dass ich den Text beim Kommentieren ganz übersehen habe :x Mir gefällt die Du-Perspektive, die wirklich gut umgesetzt und ansprechend ist. Beschreibungsmangel kann ich dem Autor hier ausnahmsweise einmal definitiv nicht vorwerfen, im Gegenteil, er/sie kann wirklich gut mit Worten umgehen. Die Gefühle des Protagonisten kommen schön rüber, die Traurigkeit über den Verlust seiner Geliebten. Schön ist auch, dass es hier um Pokémon geht, die allerdings in ihrem Verhalten ziemlich vermenschlicht wurden. Auch hier hatte ich das Bedürfnis, noch einen Punkt zu verteilen, den ich leider nicht zur Verfügung hatte.


    [tab=Punkte]Überlegungen und Überwindungen - 3 Punkte
    Bleib bei mir - 3 Punkte
    Ein Blick zurück - 1 Punkt
    Von heut auf morgen - 1 Punkt
    Himmel und Erde - 2 Punkte
    Die Frau im Schnee - 3 Puntke[/tabmenu]



    Gruß, Rael~

    Ein sehr interessanter Wettbewerb, wenn man sich so die Votes und Texte anschaut. =3


    Magabana (2)
    Die Idee finde ich hier sehr ansprechend, Blindheit und Pokémon werden sehr selten zusammengebracht - ich erinnere mich noch an eine Fanstory, ist aber schon sehr lange her, dass diese hier zu finden war. Nun, zuerst fand ich das Drabble etwas verwirrend, die Auflösung des kleinen Rätsel kam dann überraschend. Trotzdem schaffe ich es nicht, mich wirklich mit dem Charakter zu identifzieren, von daher gibt es nur für das Konzept einen Punkt.


    Evolution (4)
    ... thematisiert einen Vorgang, über dessen Hintergrund man als Pokémonspieler fast gar nichts weiß. Wie funktionieren die Evolutionen? Wie schafft ein Wesen es, innerhalb so kurzer Zeit derartig zu wachsen, sich vollkommen zu verformen? Natürlich ist es nur ein Spiel/ein Film, nichtsdestotrotz will ich da ungern tauschen. Der letzte Satz nimmt das Trockene von dem Drabble, indem es auf den Trainer zurückkommt, der von alldem, was seine lebende Waffe durchmacht, überhaupt nichts mitbekommt. Irgendwas fehlt mir zwar hier auch, dennoch gibt es zwei Punkte.


    Bill (7)
    Am Anfang dachte ich mir hier, das wird so eine kurze Pseudoliebesgeschichte - der große Bill Gates hat am Ende doch noch ein Herz. Umso mehr musste ich dann bei den letzten Zeilen lächeln. Puppen haben das Potenzial, Angst einzujagen, vor allem im Falle Banettes (ich gehe mal davon aus, dass es sich um eine Pokémonpuppe handelt) ist das nicht erst nach dem Hören diverser Gruselgeschichten so. x) Sprachlich könnte man den ersten Absatz noch schöner lösen. Ich gebe hier zwei Punkte.


    Inschrift (9)
    Und schon wieder ein Ramoth, allerdings mit einem komplett anderen Inhalt. Der Titel ist nicht der kreativste, dafür trifft er es genau. Die "Inschrift" selbst ist sprachlich ansprechend ausgestaltet und wirkt für diesen Anlass passend, aber nicht zu unverständlich. Kritisieren kann ich hier wirklich nichts, daher bekommt dieses Drabble von mir drei Punkte.


    Träume (11)
    Ich schätze, hier geht es um Kindwurm oder Draschel, zumindest sind das die ersten beiden, die mir eingefallen sind. Der Traum vom Fliegen ist wahrscheinlich sehr vielen bekannt, und umso mehr einem Wesen, das weiß, dass es ihm eines Tages möglich sein wird. Man spürt richtig die Sehnsucht aus den Worten, welche auch sehr schön gewählt sind. Nur gab's die Situation schon einmal in einer Animefolge, glaube ich, daher trotz der schönen Ausgestaltung hier nur zwei Punkte von mir.


    Höhle (14)
    An sich mag ich Ellipsen, hier wird jedoch meiner Meinung nach ein wenig mit diesem Stilmittel übertrieben. Trotzdem kommt Stimmung zustande, und die Reime geben dem Ganzen eine Struktur, die ich ansonsten vermissen würde. Die Wortwahl wirkt ungewöhnlich, was vielleicht auch an den Ellipsen liegt, auf jeden Fall bleibt dieses Drabble von allen am meisten im Gedächtnis hängen. Drei Punkte.


    Wasserspaß (25)
    Mir gefällt, wie einfach eigentlich der Stil ist, in dem das Drabble geschrieben ist - und trotzdem tut mir das Karpador leid, das so undankbar gefangen wird. Es freut sich offenbar selbst, dass es gefangen wird, schließlich hat es auch auf das Fest gewartet, und dann kommt so ein unpersönlicher Kommentar, vermutlich keine Seltenheit für das Ding. Hier gibt es drei Punkte von mir.


    Alles in allem ein schöner Wettbewerb, ich hoffe mal, dass der nächste ebenso interessant wird. Hier auch nochmal übersichtlicher meine Punkteverteilung:
    Magabana (2) - 1 Punkt
    Evolution (4) - 2
    Bill (7) - 2
    Inschrift (9) - 3
    Träume (11) - 2
    Höhle (14) - 3
    Wasserspaß (25) - 3



    Grüße, Rael~

    Sind diesmal wirklich viele hübsche Bilder dabei, trotzdem vote ich nur für zwei, nämlich #4 und #15. Ersteres ist in meinen Augen die schönste Umsetzung der Idee mit der Christbaumkugel, die ja einige hatten - #1 finde ich vom Aufbau her eigentlich schöner, aber der Lichtreflex in der Kugel nimmt dem Bild die ruhige Stimmung, das hätte man schöner machen können. #4 dagegen spiegelt die weihnachtliche Besinnlichkeit wesentlich besser wider. Nun, und #15 hat nette natürliche Farben sowie eine gute Raumaufteilung und macht insgesamt einfach einen guten Eindruck. Außerdem aufgefallen ist mir #14 wegen des Konzepts, allerdings sind die Farben mir da zu blass.


    Rael ~

    [tabmenu][tab=Blahblah :)]Sehr schöne Geschichten und Gedichte sind hier, muss ich sagen ^^
    Mein Weihnachtsgeschenk kommt gerade noch rechtzeitig für ¥oshi's Stage. Ich habe sehr lange dafür gebraucht, da ich vor einem Monat nicht damit gerechnet habe, wie viel Stress die Vorweihnachtszeit doch immer wieder mit sich bringt. Trotzdem bin ich zum Schreiben gekommen und froh, dein Wichtel zu sein :) In deinem Profil habe ich leider nicht viel über dich herausgefunden, was sich in einem Text verwenden ließe (nebenbei: dein Musikgeschmack ist toll), aber ich habe mir dann dein Lieblings- und Seelenpokémon Reptain herausgesucht. In Gedichten bin ich nicht allzu talentiert, also hab ich mich an eine Kurzgeschichte gesetzt, mit der ich allerdings selbst nicht zufrieden bin... Du bekommst sie trotzdem ^^ Nebenbei, beim Schreiben an der Geschichte, habe ich noch vier zusammenhängende Haikus geschrieben, die mir nach leichter Überarbeitung besser gefallen haben als der ursprüngliche Text, obwohl sie etwas kitschig sind - du findest sie dann jedenfalls im dritten Tab.
    Vielleicht sollte ich noch zur Kurzgeschichte sagen, dass sie gar nicht viel mit Weihnachten zu tun hat; ich bin kein großer Fan von den typischen Weihnachtsgeschichten, und etwas Ungewöhnliches wollte mir einfach nicht einfallen. Nunja, ich schreibsel schon viel zu viel Überflüssiges ^^" Du kannst dich ja in meinem Gästebuch melden, wie dir dein Wichtelgeschenk gefällt!

    [tab=Grüner Wein]

    Grüner Wein

    Für einen Menschen, der diesen Waldweg überquerte, sah es wohl so aus wie auf jedem beliebigen anderen – insbesondere zu dieser Jahreszeit. Kahle Laub- und dunkelgrüne Nadelbäume formten sich an beiden Seiten der schnurgeraden Kieselsteinlinie, die sich durch den gesamten Wald des Weines zog, zu zwei riesigen Halbkreisen. Von oben, etwa aus der Sicht eines Schwalbinis betrachtet, war es ein weißer Kreis in einer weißen Landschaft, unscheinbar und von Trainern entweder gemieden oder bestaunt, die von der Legende des Waldes gehört hatten.
    „Weitergehen, Liv. Weitergehen! Da vorne…“ Die raue Stimme des Reptains verlor sich im Nebel. Es hatte Wälder immer geliebt, die zahllosen Pflanzen und Blumen, die auch dann violett und honiggelb erblühten, wenn die Menschen vom zerstörerischen Winter sprachen. Aber das war eine vollkommen andere Welt gewesen, im südlichsten Ausläufer des Ewigforstes. Dort hatte es nie geschneit und von den knöchelhohen Leichentüchern hatte Olivia allenfalls aus Märchen gewusst. Geschichten, die man den kleinen Geckarbor erzählte, damit sie niemals von der immer warmen Heimat weggingen.
    „Es macht mir Angst, wenn du mit dir selbst sprichst“, bemerkte Koru, ein Glumanda und Livs bester Freund, seitdem sie denken konnte. Ihre Eltern waren, wenig überraschend, nicht davon begeistert, dass sie ihre Freizeit ausgerechnet mit einem gefährlichen Feuerpokémon verbrachte, doch das konnte sie nicht daran hindern, immer wieder den Wald zu verlassen. Für den roten Dinosaurier war es fast noch schwieriger als für das Reptain, sich einen Weg zu bahnen, denn er musste darauf achten, mit der Flamme an seinem Schweif nicht das ganze Unterholz in Brand zu setzen.
    Liv – sie selbst hatte die Kurzform ihres Namens gewählt – kämpfte sich grimmig weiter. Oh, auch hier sah sie das vertraute Grün der Bäume! Es lag unter dem Schnee versteckt und zeigte sich, wenn sie ein nach dem anderen Mal ins Astwerk stolperte und das Puder ihr um die Schnauze geweht wurde. Wie sollte man sich hier auch zurechtfinden? Alles besaß die gleiche öde Farbe. Und ausgerechnet in diesem Labyrinth, das kaum zu erkennen im Herzen des Winters lag, hatten sie sich verlaufen. „Ich weiß, Koru, aber sonst verliere ich hier den Verstand! Wir irren seit Tagen hier durch die Gegend, und nie ändert sich etwas. Fast so, als würden wir immer auf der Stelle laufen.“
    Das Glumanda seufzte. Es war von Anfang an gegen diese wahnsinnige Expedition gewesen. Wochenlang hatte es seine Freundin bearbeitet, nicht wegzugehen, und der einzige Erfolg, den es gehabt hatte, war der, dass es jetzt als Begleitung ebenfalls hier gelandet war. Na gut, so war es immerhin ihm zu verdanken, dass Liv noch nicht erfroren war, denn das Feuerwesen hatte eine warme Ausstrahlung. „Liv, er ist es nicht wert, dass wir uns hier eine Erkältung und den Tod holen!“
    „Doch, er ist es wert! Ich finde den Grünen Wein, das verspreche ich dir!“, entgegnete sie entschlossen. Selbst war sie sich nicht mehr so sicher, wie ihr fester Tonfall es glauben machen wollte. Obwohl sie eine der ausdauerndsten Jugendlichen ihrer Art war, hatte sie das Ende ihrer Reserven erreicht. Wozu sich weiterschleppen? Warum legte sie sich nicht einfach nieder, auf die Blätter, die sie unter dem festen Schnee manchmal leise rascheln hörte? Nahm sie wirklich nur wegen ihm, einem Fremden, diese Strapazen auf sich? „Für ihn“, antwortete sie sich bestimmt, was Koru verwirrt mit einem Schnauben quittierte. Sie stampfte weiter, ließ sich von dem Schnee auf den Bäumen berieseln und trotzte dem Nordwind. Diese eisige Gegend musste direkt der Hölle entsprungen sein.
    Dann, als sie gerade einen neuen Geruch wahrnahm, der so frisch gegen den eingefrorenen Wald wirkte, dass er ihr bis in den Rachen stieg, verhakten sich die Krallen ihrer Zehen im hervorstehenden Wurzelwerk. Nach den Stunden und Tagen, vielleicht sogar Wochen, die Liv bereits für ihre Weltreise durchgehalten hatte, war ihr Reaktionsvermögen geschwächt. Sie registrierte den Fall und wusste, dass sie sich auffangen musste, doch ihre Glieder waren steif und ließen sich nicht außerhalb des angewöhnten Rhythmus‘ bewegen. Schnee erfüllte die vor Schreck weit aufgerissenen Augen des Reptains. Widerliche, schmerzende Eiskristalle.


    *

    Ein dumpfes Schlagen erfüllte die stille Luft. Trommeln hatte Olivia schon lange nicht mehr gehört, seitdem die alten Gewaldro durchgesetzt hatten, dass derartige Gaben der Menschen zu verachten waren. Wenige Minuten später waren die wertvollen Felle von Laubklingen zerschlissen gewesen. Und jetzt war dieses fremdartige Instrument, welches das Reptain schon immer geliebt hatte, in dem schrecklichen Wald. Das musste ein gutes Zeichen sein.
    Tropfen liefen den Mundwinkel des Pokémon entlang. Reflexartig schnellte dessen Zunge zur Seite und fing sie auf. Dergleichen hatte Liv noch nie gekostet gehabt, ein winziges Bisschen von einem herben Getränk, das zu köstlich war, um es zu beschreiben. Die Wirkung jedoch war offensichtlich: Einige Sekunden nur dauerte es, bis die Liegende wieder die Kraft gefunden hatte, um sich aufzuraffen und hinzuknien. Dass sich dabei Zweige durch die Schuppen in ihr Fleisch bohrten, war ihr in dieser Situation egal.
    Direkt vor ihrer Schnauze lief ein Bach durch den Schnee, eine Kralle breit und sicherlich auch nicht tiefer. Nicht nur die Tatsache, dass das Gerinnsel aus dem Nichts aufgetaucht war, sondern auch die Farbe des kleinen Gewässers war bemerkenswert. Jeder einzelne Tropfen, der sich den Weg durch den Wald bahnte, war hellgrün wie das junge Gras im Frühling. Hin und wieder spritzte einer von ihnen in die Höhe und färbte einen Fleck im Schnee ebenfalls ein. Von diesen Stellen gingen dann neue haarfeine Adern aus, die sich mit dem Hauptstrom verbanden und ein Netzwerk kreierten.
    Die unvorhersehbaren Muster waren so schön und so faszinierend, dass Liv sie ewig dabei beobachtete, wie sie sich weiter ausbreiteten und verzweigten. Erst ein Rascheln hinter ihr ließ sie herumfahren. Da lag Koru, den Schweif so über sich gelegt, dass die schwache Flamme nur ihn wärmte und nicht den Wald in Flammen setzte. Sie sprang mit zwei kurzen Sätzen zu ihm hinüber. „Koru, wach auf! Sieh, was ich gefunden habe! Den Grünen Wein! Das muss der Grüne Wein sein! Koru!“ Sie packte seine Schulter und schüttelte ihn. Wie konnte er so einen herrlichen Moment verschlafen?
    Müde blinzelte das Glumanda. „Was ist los? Ich will schlafen…“ Seine Lider fielen wieder zu. „Was los ist?“, wiederholte seine Freundin entrüstet. „Ich habe den Grünen Wein gefunden! Er fließt hier! Schau doch her!“ Diesmal gelang es ihr, ihn soweit wach zu halten, dass er einen Blick in die Richtung werfen konnte, wo sich das Gerinnsel ausgeweitet hatte. „Ich sehe nichts, Liv, du bildest dir nur etwas ein…“, murmelte das erschöpfte Feuerpokémon. Es schloss seine Augen, und egal wie sehr das Reptain versuchte, es wieder aufzuwecken, es gelang ihm nicht mehr.
    Dann kam Olivia der Gedanke, dass dieses grün fließende Wunder vielleicht nicht ewig Bestand haben würde. Eilig sprang sie auf und folgte dem Bach entgegen seiner Laufrichtung. Irgendwo musste doch seine Quelle sein, und diese war es, für deren Schätze sie gekommen war. Der sagenumwobene Grüne Wein fand seinen Ursprung in jeder Erzählung in diesem Wald und hatte diesem seinen Namen, Wald des Weines, eingebracht. Als Hohnnamen hatten ihm viele den Titel „Weinender Wald“ verliehen, denn diejenigen, die wiederkehrten, ohne die Kostbarkeiten gefunden zu haben, waren stets zu Tode deprimiert – und diejenigen, die auf ewig im Dickicht nach dem mysteriösen Trank suchten, hinterließen in Tränen aufgelöste Freunde und Verwandte.
    Auch in Livs Augenwinkel sammelte sich das Salzwasser einer Träne, doch es schien zu gefrieren und fiel als Eistropfen in den Schnee. Es war ein Ausdruck ihrer Freude, des Enthusiasmus‘ darüber, bei etwas Erfolg gehabt zu haben, das nie jemandem vor ihr gelungen war. Die Trauer darüber, dass Koru sich in einen nie endenden Schlaf gebettet zu haben schien, verdrängte sie in eine verstaubte Ecke in ihrem Bewusstsein.


    Der Ort, an dem der Grüne Wein entstand, war nicht minder verzaubernd als die Flüssigkeit selbst. Ein von saftigem dunklen Moss bewachsener Baumstamm, der bis in den Himmel aufzuragen schien, tauchte mit einem Mal zwischen erfrorenen und abgebrochenen Baumleichen auf. In seiner Rinde befand sich auf zwei Fuß Höhe ein haselnussgroßes Loch, aus dem das Rinnsal entsprang. Es fiel nicht in den Schnee, sondern in ein Auffangbecken aus geflochtenem Strauchwerk, von wo aus es dann in alle Himmelsrichtungen wegströmte. Das also war die Quelle des Grünen Weines.
    Die Legende sagte, dass jedem, der den Ursprung des Trankes fände, genau ein Krug voll diesem zustünde. Demnach hatte Liv in einem ledernen Beutel – ein Familienerbstück – ein solches Gefäß mitgenommen, wie es schon seit Langem in der Gemeinschaft zuhause tagtäglich mit Honigmilch oder Jonagobeerensaft gefüllt wurde. Ohne den Blick von dem leise vor sich hin sprudelnden Wunder zu wenden, nahm sie sich diesen Krug heraus. Er war von schlichter Handwerkskunst und diente vor allem dem Zweck, doch als Dekoration waren am Bauch Blätter eingeritzt.
    Bedächtig kniete Olivia neben der Quelle nieder, so vorsichtig, dass sie auch ja nichts berührte. Merkwürdig, hier fühlte sich der Schnee unter ihren Knien warm an, mehr wie heller Sand in der Sonne als wie der Grund einer Eishölle. Millimeter für Millimeter schob sie dann den Krug vor, unter den fallenden Grünen Wein. Er floss in den Hohlraum, plätscherte auf den Boden.
    Während Liv zusah, wie sich ihr Gefäß füllte, breitete sich ein Lächeln über ihr Reptaingesicht aus. Das hier war all die Strapazen der Reise und Kälte wert gewesen! Nur noch ein paar Zentimeter, dann wäre der Krug voll und sie würde wieder den Heimweg antreten.
    Sie würde den Grünen Wein zu ihm bringen.
    Es war weithin bekannt, dass er zum einen ein Liebhaber des teuren Speis und Trunks war, zum anderen wusste ein jeder von seiner Vorliebe für Sagen. John, ein Gewaldro einer der ältesten Familien aus dem Osten, hatte vor einigen Monaten seine Heimat verlassen und war in den Ewigforst gezogen. Dort lebte er in einem Meisterstück der Architektur, einer Baumhütte weit über dem Boden. Manche hatten ihn als Angeber und Zerstörer bezeichnet, doch das konnte Livs Bewunderung für das junge Gentlemon nicht schmälern. Was ihr noch fehlte, war die Aufmerksamkeit des geheimnisvollen Fremden, und wie könnte sie diese besser erhalten, als indem sie seine beiden bekannten Leidenschaften mit etwas scheinbar Unmöglichen verband? So hatte sie den Plan entwickelt, ihm einen Krug des legendären Grünen Weins zu bringen.
    Hier war er, ein Beweis dafür, dass dem Reptain etwas Unglaubliches gelungen war. Die Flüssigkeit füllte das Gefäß so, dass noch höchstens ein winziger Tropfen in ihm Platz gefunden hätte, nachdem sie den Pfropf hineingedrückt hatte. Es war zu perfekt, um wahr zu sein!
    Wie um diesen Gedanken zu unterstreichen zog sich vor Olivias Augen das Moos des wunderbar lebendigen Baumes zurück und wurde von der Rinde überwachsen. Diese alterte innerhalb einer Handvoll von Sekunden um hunderte Jahre, bis sie Risse bekam, durch die schwarze Käfer krabbelten. Angewidert blickte die eben noch Begeisterte auf die Stelle der Veränderung hinab. Dann, da ihr das einfach zu absurd vorkam, sah sie sich um.
    Auch die grünen Adern im Schnee waren verschwunden. Jedes einzelne Zeichen von Leben war von der vorausgeeilten Zeit ausgelöscht worden. Einfach so. Innerhalb von Sekunden.
    Nur mit dem vollen Krug in beiden Händen stand Liv in dem toten Wald. Träumte sie? Und wenn ja, war es ein Albtraum oder erwartete sie ein frohes Ende? Sie wusste es nicht. Einzig der Wunsch, von diesem verwunschenen Ort fortzukommen, nistete sich in ihren Gedanken ein. Käfer da, wo eben noch ein Wunder hervorgesprungen war? Ekel und Angst brachten ihren Magen zum Rumoren; ein Glück war es, dass sie nichts mehr zu sich genommen hatte, seitdem sie den Weinenden Wald betreten hatte, sah man von dem Tropfen Grünen Weines ab.
    „Geh weg, Liv, geh einfach weg.“


    *

    Die Reisende hatte auf ihr Gefühl gehört und sich um ihre halbe Achse gedreht, um dann geradeaus loszulaufen. Schnelligkeit konnte sie dabei nicht wirklich an den Tag legen, zu groß war dazu ihre Sorge um den Krug in ihren ungeschickten Händen.
    Mit der Zeit versiegte die Kraft, die der Trank ihr gegeben hatte. Die Eiseskälte bis wieder unter ihre Schuppen. Sie wusste, dass das Wichtigste war, immer weiter zu gehen und nicht einen Moment innezuhalten – doch so etwas sagte sich so leicht! Diejenigen, die Tipps zum Überleben gaben, waren nie in einer Situation gewesen, in denen ihre Gelenke bei jedem Schritt knackten, die Muskeln sich nicht mehr zusammenziehen wollten und sich bereits eine zentimeterdicke Schneeschicht auf ihrem Kopf niedergelegt hatte. Mit Sicherheit nicht.
    „Geh weiter, Liv, nicht stehen bleiben“, sprach sie in den Winterwind. Die Worte wurden davon getragen und verschwanden mit jedem Zoll, den sie zurücklegte, mehr aus dem Bewusstsein des Reptains, bis es sie vollkommen vergessen hatte. Zwischen zwei Tannenbäumen legte sie sich nieder, den Krug in ihrem rechten Arm. Sie würde ihn nicht loslassen, ebenso wenig, wie sich ihren Wachzustand entgleiten lassen würde. Sie würde nicht einschlafen, nur für einen Moment einmal ausruhen. Es wäre zu viel von ihr verlangt gewesen, jetzt ohne Pause weiterzuwandern.
    Die Reptaindame schlief nicht ein, aber sie starrte mit leeren Augen in den immer gleichen milchig weißen Himmel. Die Energie, sich wieder zu erheben, fand sie nicht mehr, sie beobachtete nur die Ereignislosigkeit. Schneeflocken fielen vom Himmel und setzten sich auf ihrer Schnauze ab.
    „He… Liv?“, hörte sie ein leises Flüstern. Sie war sich sicher, dass es ein Produkt ihrer Einbildung war, denn weit und breit war offensichtlich niemand außer ihr in dieser kalten Hölle gestrandet. „Liv! Hörst du mich? Ich bin’s, Koru!“ Nein, die Stimme war zu deutlich, sie musste real sein. Mit einem hoffnungsvollen Lächeln auf den Lippen drehte sie den Kopf nach links. Sie sah einen roten Schemen, der sich von dem Weiß absetzte. Er war wohl noch einige Meter entfernt, doch hören konnte sie ihn gut. „Ich höre dich“, hauchte sie. Ihre Worte kamen so schwach aus ihrer Kehle, wie sie sich fühlte.
    Dann endlich konnte sie das Glumanda eindeutig erkennen. Es wirkte schlaftrunken und taumelte ein bisschen, doch das konnte Livs Erleichterung darüber, ihren Freund wiederzusehen, nicht mindern. Auch er strahlte, als er sie deutlich vor sich erblickte, und hielt seinen Schweif über sie, damit das Feuer ihre Starre löste.
    Es fühlte sich herrlich an, wie die plötzliche Wärme in ihre Glieder biss, eine wunderbare Abwechslung von dem ewigen Frost. Sie atmete und genoss das Gefühl, nicht mehr bei jedem Zug ihre Lunge erfrieren zu spüren.
    Koru nahm ihr vorsichtig den Krug aus der Hand. Erst protestierte Olivia leicht, aber sie vertraute ihrem Freund zu sehr, um ihn nicht gewähren zu lassen. „Das ist also dieser Grüne Wein… Ich sehe ihn nicht. Ich rieche ihn nicht. Ich bin ein Feuerpokémon, und er ist nur für Kinder des Waldes wie dich bestimmt. Also solltest du ihn trinken, da er das Einzige hier ist, was dir die Kraft zum Weitergehen verleihen kann.“
    „Aber er ist doch für John“, widersprach Liv zweifelnd.
    „Du hast ihn gefunden, also gehört er dir. Und wenn du ihn nicht trinkst, wer soll ihn dann heimbringen? Ich schaffe es ohne dich nicht, den Weg zurück zu finden.“
    „Ich gebe ihn dir… Du schaffst es auch ohne mich, Koru“, meinte das Reptain. Trotz der Wärme, die ihre Muskeln entspannte, konnte sie sich nicht vorstellen, tatsächlich aufzustehen und weiterzugehen. Das Glumanda dagegen hatte eine eigene Wärmequelle, und wenn es nur geradeaus ginge, musste es eigentlich bald den schrecklichen Wald verlassen haben.
    Einige Minuten stand der Begleiter ruhig neben ihr und dachte nach. „Weißt du, was Weihnachten ist?“ Liv schüttelte den Kopf. „Es ist ein Fest, das die Menschen zu dieser Zeit feiern. Zugegeben, ich verstehe den Sinn nicht ganz, denn es ist kalt und es schneit, ich finde den Winter hier ziemlich schrecklich. Aber die Menschen stellen jedes Jahr wieder einen abgeschlagenen Tannenbaum in ihre Häuser, freuen sich über den Schnee und geben sich gegenseitig Geschenke.“ „Und was hat das mit unserer Situation hier zu tun?“, hakte Olivia nach.
    „Nun, wir haben hunderte Tannenbäume. Wir haben Schnee. Und ich habe ein Geschenk für dich!“ Mit dem letzten Satz entkorkte er den Krug und hielt ihn vor das Gesicht seiner Freundin. „Bitte, trink es. Es ist unhöflich, ein Geschenk nicht anzunehmen. Was sollte unser Gentlemon denn davon halten?“, meinte er verschlagen. Liv lächelte und öffnete die Lippen, sodass einige Tropfen der Flüssigkeit in ihren Mund fielen. Koru hatte sie überzeugt – sie spürte, dass er Recht hatte. Sie würden es gemeinsam schaffen, nach Hause zu kommen, und vielleicht war dann noch die Hälfte des Gefäßes mit Grünem Wein gefüllt, den sie John schenken konnte.
    „Frohe Weihnachten“, lächelte Koru erleichtert.


    Ende
    [tab=Winterherzen]

    Winterherzen


    Bloß Schnee und Kälte
    Und Eis überziehen uns
    Kein Funken, kein Licht


    Wir hetzen weiter
    Immer, pausenlos, zeitlos
    Ohne aufzutau‘n


    Im Winterherzen
    Ist eine warme Flamme
    Da bist du, mein Schatz


    Wir sind gemeinsam
    Niemals allein unterwegs
    Das beste Geschenk


    [/tabmenu]

    Frohe Weihnachten euch allen! =)


    Rael ~

    Dragonfire: Dann übernehme ich hier^^


    Dragonfire: Angenommen und abgesegnet


    Dann versuch ich mich auf die letzten Tage auch noch hier ^^


    Name: Cantara

    Alter: etwa 19 Jahre

    Geschlecht: weiblich


    Rasse:
    Halbvogelmensch, auch Halbharpyie genannt. Sie besitzt schwarze Vogelaugen, krallenartige Hände bzw. Finger und Auswüchse in Form von Federn, kann jedoch nicht fliegen, da ihr die Flügel fehlen. Ihre Knochen sind nicht so leicht wie die der Vogelmenschen, brechen jedoch leichter als die von Menschen.

    Harpyien werden in der Heimat Cantaras als Gesandte des Himmels betrachtet. Sie haben üblicherweise eine menschenähnliche Statur, sind jedoch etwas kleiner und wesentlich leichter. Ihre Haut ist an vielen Stellen von Federn geschmückt und aus ihren Schultern wachsen die Flügel verschiedener Vogelarten, zudem haben sie Vogelaugen. Dabei lässt sich eine einzelne Harpyie nicht zwingend einem einzigen tierischen Anteil zuteilen. Die Heimat der Vogelmenschen liegt im Gebirge und dessen Ausläufern, wo die Menschen einen großen Respekt vor ihnen hegen. Cantara selbst jedoch wird von den meisten religiösen Personen als „schmutzig“ betrachtet, da das Menschenblut in ihren Adern die Heiligkeit der Harpyien verdorben habe.


    Aussehen: Das Menschenblut in ihr sorgt dafür, dass Cantara aus einer Harpyienansammlung schon durch ihre Größe von etwa 1,70 m heraussticht. Ihr Körper ist gut in Form, schlank, aber nicht dünn, und wirkt durch ihre breiten Schultern und nur schwache Rundungen leicht männlich. Sehr deutlich schlägt sich die Rasse ihrer Mutter in ihren Augen nieder, die vollkommen schwarz und in den Winkeln abgerundet sind. Cantara hat schulterlange hellbraune Haare, die ungleichmäßig geschnitten sind. An den Ansätzen an der Stirn finden sich einige weiße und braune Daunenfedern, die auf den freien Stellen eines Tattoos gewachsen sind. Diese Muster bestehen aus Wirbeln, Blüten und ineinander verschlungenen Linien, die sich am Haaransatz entlang von Schläfe zu Schläfe ziehen, auf der linken Seite sogar bis in die Augenwinkel hinein. Das Gesicht der Halbharpyie ist oval, ihre Lippen sind schmal und wie der Rest ihres Körpers ist ihre Haut sehr blass.

    Cantara kleidet sich in unauffälligen Beige- und Brauntönen, um ihren Mitmenschen nicht noch einen weiteren Grund zu geben, auf sie aufmerksam zu werden. Zumeist besteht diese Bekleidung aus einem dünnen sandfarbenen Seidenoberteil, das an den äußeren Seiten der Unterarme ausgeschnitten ist. Durch diese Öffnungen stehen auf jeder Seite mehrere weiße und dunkelbraune Schwungfedern heraus, und um die Stellen, an denen sie aus der Haut wachsen, finden sich die gleichen eintätowierten Musterungen wie auf Cantaras Stirn. Darüber trägt sie eine mit Schafsfell gefütterte mahagonibraune Weste, in die viele versteckte Taschen eingearbeitet sind. Als Hose bevorzugt sie ihre maßgeschneiderte, widerstandsfähige Lederhose, die ebenfalls an der Außenseite Löcher für die Federn an den Unterschenkeln besitzt. Auch hier ist die Haut detailliert tätowiert. Um die Hüfte ist ein Ledergürtel geschnallt, an dem an jeder Seite je zwei Wurfmesser in ebenfalls ledernen, locker hängenden Scheiden stecken.

    Schuhe zieht Cantara nie an, da ihre Füße an Vogelkrallen erinnern und auch je einen an der Ferse nach hinten abgespreizten Zehen haben. Selbst wenn sie einen passenden Schuh fände, würde sie darin niemals laufen können. Auch ihren Händen ist das Harpyienblut auf diese Art anzusehen, obgleich sie wie jeder Mensch einen funktionsfähigen Daumen anstatt eines nach hinten abgespreizten Fingers besitzt.


    Verhalten/Eigenschaften:
    Harpyien sind für ihre Angriffslust bekannt, was sich in Cantara deutlich wiederspiegelt – nicht nur im Kampf. Es gelingt ihr selten, diese Eigenschaft zu unterdrücken, selbst wenn es in einer Situation wesentlich klüger für sie wäre, da sie es hasst, in die Defensive gedrängt zu werden. Sie schreckt nicht davor zurück, Schaden einstecken zu müssen, wenn sie dafür einen Vorteil gegenüber ihrem Kontrahenten erlangen kann. Insofern ist sie zwar nicht so zurückhaltend, wie es angemessen wäre, aber sie kann durchaus vorausschauend planen.

    Das größte Problem für Cantara ist, dass sie unter ihrem Lehrer Mercurio zwar viel über den Umgang mit Waffen jeder Art gelernt hat, nicht jedoch den Kampf gegen jemand anderen als einen Sandsack. Daher fällt es ihr zunächst schwer ihre Kontrahenten einzuschätzen. Um ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet zu verbessern, versucht sie, ihre Gegenspieler in günstigen Gelegenheiten genau zu beobachten und zu analysieren. Eine dieser Gelegenheiten ist, wenn die Halbharpyie sich ein Versteck für eine kurze Pause sucht und hofft, dort möglichst lange für den anderen unsichtbar bleiben zu können. Auch als Folge ihres einseitigen Unterrichts ist sie im Kampf nicht sehr selbstbewusst und vor allem zu Beginn noch nervös. Ein weiteres Merkmal ist, dass sie die bereits genannten Ruhepausen häufig benötigt, da ihre Ausdauer wenig vorbildlich ist.

    Außerhalb des Gefechts scheint Cantara zuerst keine allzu gesellige oder gar liebenswerte Person zu sein. Sie ist ungeübt in Unterhaltungen mit ihren Mitmenschen und sehr misstrauisch gegenüber diesen. Insbesondere wenn dieser tatsächlich der menschlichen Rasse angehören, entwickelt sie sogleich ausgeprägte Vorurteile gegenüber ihnen. Sie hat kaum etwas von Gebräuchen oder Höflichkeitsfloskeln gelernt, ebenso wenig wie von der Tugend, manchmal den Mund zu halten und nicht direkt das auszusprechen, was ihr auf der Zunge liegt, was sie oft sehr unsensibel und unbedacht wirken lässt.

    Cantara ist von Natur aus egoistisch, was durch ihre weitgehende Isolation noch verstärkt wurde. Sofern es sich nicht um jemanden handelt, den sie liebt, ist ihr das eigene Wohl immer wichtiger als das einer anderen Person. Sie besitzt nicht viel Vertrauen in sich selbst, woran gemessen es erstaunlich ist, dass sie so mutig ist und unerbittlich verteidigt, was zu ihr gehört. Außerdem besitzt sie den Willen, stets an sich zu arbeiten und die vielen verschiedenen Wesen um sich herum kennenzulernen, um aus ihnen und ihren Verhaltensweisen selbst zu lernen.


    Geschichte:
    Cantaras Mutter Moe war ein Vogelmensch, ihr Vater Lean ein einfacher Soldat der Adlerlande. Daher kam Cantara nicht wie gewöhnliche Kinder zur Welt, sondern war Teil eines Versuchs, bei dem Magier eine Mischung aus Vogelmenschen und normalen Menschen kreieren wollten. Als Moe davon erfuhr, dass an ihrer Tochter nach der Geburt Experimente durchgeführt werden sollten, wurde sie wütend und brachte die Magier dazu, ihr Kind freizulassen.

    Längere Zeit verbrachte die Familie gemeinsam in einer ruhigen Kleinstadt im fernen Vorgebirge. Sowohl Menschen als auch Harpyien lebten hier, doch erstere akzeptierten sie nicht und ihre Kinder ärgerten Cantara häufig. Dennoch war sie ein glückliches Kind.

    Sie war fünf Jahre alt, als ihr Vater die Familie verließ, da er in den Kampf gerufen worden war. Lean versprach, so bald wie möglich zurückzukehren, doch nur wenig später wurde die Nachricht überbracht, dass er in einem Gefecht mit antireligiösen Rebellen ums Leben gekommen war. Moe versank in Trauer, während Cantara zunächst nicht verstand, was geschehen war. In der nachfolgenden Zeit, in der sie alleine durch die Gegend streifte, war sie fasziniert von den vielen verschiedenen Personen, die vorbeikamen.

    Einer dieser Männer, ein Magier namens Mercurio, überzeugte das Mädchen davon, dass sie Geld für den Unterhalt ihrer depressiven Mutter verdienen müsse, und bot an, ihr solches zu geben, wenn sie ihm einige Gefallen täte. Diese bestanden aus der Ausbildung in der Handhabung verschiedener Waffen, zudem wurde ihr Lesen und Schreiben beigebracht. Es war einer der Forscher, die Experimente an der Halbharpyie hatten durchführen wollen.

    Cantara wurde älter, und obwohl ihre Fertigkeiten bewundernswert wurden, machte es sie wütend, immerzu die Hänseleien der Menschenkinder über sich ergehen zu lassen. Mit fünfzehn Jahren drehte sie eines Nachts durch und entfernte sich den Grund dieses Übels. Ohne weiter nachzudenken nahm sie eines der Wurfmesser und säbelte sich mit diesen die Federn ab. Das allein wäre nicht problematisch gewesen, hätte sie nicht auch versucht, die Ansätze zu entfernen. Als Folge dessen fand sie sich am darauffolgenden Morgen mit enormem Blutverlust auf einer Krankenstation wieder. Von der Nacht blieben ihr Narben an Stirn, Beinen und Armen.

    Moe verjagte Mercurio, dem sie die Schuld an dem Unfall gab, aus der Stadt. Zurück ließ der Magier für seine Schülerin bloß einen Bruchteil seines Besitzes. Zuerst war Cantara traurig darüber, dann jedoch besuchte sie statt der Sonderausbildung eine normale Schule, wo die Menschenkinder sie endlich in Ruhe ließen.

    Mehrere Monate nach dem Vorfall entdeckte Cantara auf dem Markt ein kleines, dunkelblaues Zelt, welches sie dort nie zuvor gesehen hatte. Ein Schild war davor aufgestellt worden, das verkündete, dass es hinter dem Eingang „Faszinierende Tätowierungen für Menschen zu niedrigen Preisen“ zu erwerben gebe. Die Halbharpyie ignorierte die Tatsache, dass sie nur zur Hälfte ein Mensch war, und betrat den kleinen Stand. Stunden später kam sie wieder heraus, das Gesicht sowie die Gliedmaßen geziert von verschlungenen Mustern, wo zuvor nur bleiches Narbengewebe gewesen war.

    Es dauerte nicht lange, bis Cantara herausfand, weshalb der Mann im Zelt keine Vogelmenschen hatte tätowieren wollen. Selbst auf sie als Halbblut reagierten die Zeichnungen bei körperlicher oder psychischer Anstrengung mit einem leichten Leuchten. Moe, die dies sofort mitbekam, machte sich Sorgen um ihre Tochter und schickte diese zu einer Weisen der Harpyien. Diese erzählte eine Legende, die besagte, dass früher derartige Tätowierungen bei den Vogelmenschen Standard gewesen waren, bis sie aus unbekannten Gründen eine solche Empfindlichkeit gegenüber den Zeichnungen entwickelten, dass heftige allergische Reaktionen auftauchten. Nachdem viele Harpyien zugrunde gegangen waren, wurde die Tradition aufgegeben.

    Cantara dagegen schien genau den richtigen Anteil Harpyie und Mensch zu haben, um die Tätowierungen zu vertragen und sie trotzdem noch in ihrem ursprünglichen Sinne nutzen zu können. Denn die scheinbar wirren Schnörkel hatten ein unergründliches System, das es ermöglichte, durch sie mit genügend Willenskraft Magie zu wirken. Von dieser Anwendungsmöglichkeit war allerdings kaum Wissen mehr überliefert worden.

    An ihrem achtzehnten Geburtstag wurde Cantara in der Stadt auf ein Plakat aufmerksam: Die Aufforderung, am Kadames-Turnier teilzunehmen. Sofort war sie von dieser Idee begeistert und wollte teilnehmen, um das alte Wissen zurückzuerlangen.

    Drei Monate lang übte sie in dem unerschütterlichen Glauben, ihren Wunsch wahr werden zu lassen. Doch es kam anders, als sie es sich erhofft hatte. Auf den Tag genau ein Jahr vor dem Turnier erhoben sich die Rebellen in den Städten der Adlerlande. Diese Revolutionäre hassten alles inbrünstig, was mehr als eine Handvoll Federn hatte – und somit nicht nur ihr Vaterland, sondern auch die einst geheiligten Harpyien. Diese töteten sie nicht, sondern verbannten sie in ein magisch versiegeltes Exil. Cantara indes hatte einen noch besseren Grund gefunden, das Kadames-Turnier für sich zu entscheiden.


    Fähigkeiten:
    Durch ihr Harpyienerbe hat Cantara sehr gute Augen, mit denen sie auch auf eine große Entfernung noch viele Details erkennen kann; dies beschränkt sich jedoch auf normales Tageslicht, in der Dämmerung oder sogar Nacht ist ihre Sehkraft nicht besser und manchmal schlechter als die normaler Menschen.

    Dank ihrer Tätowierungen verfügt sie außerdem über begrenzte magische Kräfte, die allesamt nutzlos werden, sobald die Muster auf ihrer Haut durch Schmutz oder Kleidung nicht mehr sichtbar sind. Die Macht der Zeichnungen ist nicht unbegrenzt, was sich darin äußert, dass sie nach der Benutzung verblassen und ihre Farbe erst mit der Zeit wieder so stark wird wie im gewünschten Normalzustand. Wie lange dies dauert, hängt von der physischen Verfassung Cantaras ab. Aus diesem Grunde können die magischen Zeichnungen nicht ewig genutzt werden und müssen klug eingesetzt werden. Cantaras Wissen über diesen Umgang ist aber stark beschränkt, da sie noch nicht genügend Zeit zum kontrollierten Üben mit diesen Fähigkeiten hatte.


    Waffe:
    Von den Waffen, mit denen umzugehen sie unter Mercurio gelernt hat, sind Cantara nur die Wurfmesser geblieben. Von diesen besitzt sie vier Stück, die sie an einem Gürtel an der Hüfte trägt. Die etwa zwanzig Zentimeter langen Messer bestehen aus einem jadegrünen Griffstück und der silbernen, mit schwarzen Ornamenten verzierten Klinge, die etwa die Hälfte des Gegenstandes ausmacht.

    Daneben können auch Cantaras Krallen als Waffe gezählt werden, da diese erstaunlich scharf und damit schmerzvoll sind.

    Die Tätowierungen jedoch sind ihre Lieblinge, speziell jene an den Armen. Aus diesen wächst je eine stabile Klinge von einem halben bis zu einem ganzen Meter Länge, wobei sie schmaler werden, je länger Cantara sie mit ihrer Willenskraft formt. Generell erinnern diese Klingen an Säbel, denn sie sind leicht gebogen und nur an einer Seite scharf. Sie sind zu Beginn dunkelgrün und werden heller sowie leicht transparent, wenn die Magie der Muster zu lange oder zu intensiv beansprucht wird. Auch die Zeichnungen an ihren Beinen kommen Cantara oft zugute, da sie mit diesen ihren Fall verlangsamen und kurz fast in der Luft stillstehen kann. Für die Tätowierungen an der Stirn hat die Halbharpyie bisher am wenigsten Verwendungszweck gefunden. Diese lassen sich auf eine hohe Temperatur erhitzen, was allen außer Cantara bei Berührung Verbrennungen zufügen kann. Wenn ein Gegenstand wie zum Beispiel eine Waffe gegen die Haut dort gedrückt wird, erhitzt sich - je nach Material - auch dieser und ist somit in der Lage, bei dem Opfer neben der eigentlichen Verletzung auch leichte bis mittelschwere Verbrennungen anzurichten. Der Erhitzungsvorgang dauert jedoch mehrere Minuten, wofür Cantara ihre Zeit und Konzentration im Kampf nicht aufbringen kann.


    ~


    Gruß, Rael