In Gedanken an ihr neu gefangenes Kramurx, bemerkte Akira gar nicht, dass sich die anderen Trainer der Gruppe bereits bei der Raumverteilung befanden. "Endlich habe ich es", träumte sie und grinste in sich hinein. "Ich werde dich gut trainieren, das verspreche ich dir!" Sie streichelte den Pokéball und legte ihn an ihren Gürtel an. Ihr Blick wanderte von ihrem Gürtel zu Chad.
"Leute, wer von euch hat noch kein Zimmer?", fragte er einwenig verärgert, als ob er die Nacht am liebsten alleine verbringen wollte. Keiner antwortete ihm. Akira seufzte. "Eigentlich wollte ich ihn in Ruhe lassen", dachte sie angespannt, "aber ich glaube, ich muss meine Schüchternheit ablegen und ihn ansprechen. Selbstbewusste tippte sie ihn auf die Schulter und zwingte sich zu einem Lächeln. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht strömte und wusste, dass ihre Wangen leicht gerötet sein würden. Chad schaute sie zunächst verdutzt an, nickte dann leicht abwesend, versank aber wenig später wieder in seine eigene Gedankenwelt. "Das wäre geschafft", dachte Akira erleichtert und wandte sich anschließend an Schwester Joy, die der Gruppe anscheinend gerade was am erklären oder erzählen war. "Ich muss mich ablenken.", stellte Akira fest und versuchte sich auf die von der Krankenschwester erzählten Geschichte zu konzentrieren. Doch vergebens. Sie bekam nahezu nichts davon mit oder verstand die Zusammenhänge einzelner Wörter, die sich im Munde der Frau formten. Chad räusperte sich. "Dann gehen wir mal hoch.", sagte er beiläufig und wenig später wünschte er der restlichen Gruppe eine gute Nacht. Akira tat es ihm nach und lief ihm gesenkten Hauptes hinterher. Im Zimmer angekommen begutachtete Akira ihre Bleibe für die Nacht. Es gab zwei Betten, die beide einen wohligen Eindruck durch die warmen Farbtöne der Bettdecken machten. Die Schränke waren aus massiven Mahagoniholz, was Akira sehr verwunderte. Schließlich war diese Holzart einer der teuersten überhaupt. "Welches Bett möchtest du?", fragte sie Chad, der nach wie vor einwenig abwesend wirkte. "Ä-Äh...ich glaube ich nehme das linke Bett." Chad nickte und kurze Zeit später rief er seine Pokémon heraus. Darunter auch ein Trasla, dass eine auffällig andere Farbe aufwies als herkömmliche, "normale" Trasla. Sorgsam begutachtete sie das Pokémon. "Du hast ja noch ein Pokémon. Ein Trasla. Und es hat auch so eine ungewöhnliche Farbe!", sagte Akira schließlich und erschrak über ihre Spontanität innerlich.
"Ja. Dieses Trasla habe ich schon, seitdem es aus seinem Ei geschlüpft ist. Es ist ein Geschenk meines Vaters. Es befindet sich aber gerne im Pokéball. Im Gegensatz zu Mampfi. Daher habe ich es auch nicht so oft draußen.", erklärte er beschäftigt und widmete sich dann wieder voll und ganz seinem Rucksack. Sie grinste und freute sich, dass es anscheinend doch nicht so schlimm um seine Laune stand. Als er seinen Pokémon das Futter in süßen blaufarbenen Schälchen, wie Mizuki fand, bereitstellte, stellte sie fest, dass seine Lippen sich zu einem kleinen Lächeln formten. Sie nickte.
"Gute Idee. Ich werde meine Pokémon auch herrauslassen. Kommt raus, Mauzi und Kramurx!" Während Mauzi sich verschlafen streckte, flog Kramurx geradewegs wieder auf Chads Kopf zu und ließ sich nieder. Akira und Chad lachten im Chor. "Jetzt ist er wieder der Alte!", dachte sie glücklich. Dein Kramurx scheint sich wohl da oben wohl zu fühlen!" Sie schmunzelte belustigt. "So Kramurx, jetzt komm da runter. Du sollst jetzt auch etwas essen." Und prompt widmete sich das Flug-Pokémon dem ihn hingestellten Schälchen mit Pokémonfutter. Eine Weile schaute Akira ihren beiden hungrigen Pokémon beim Essen zu und bemerkte dann, dass Chad draußen in die Ferne und in den Sternenhimmel blickte. Seine Augen wirkten sehr angespannt und flimmerten im Mondlicht. "Ich kann das nicht länger ertragen.", dachte sie traurig, nahm all ihren Mut zusammen und stellte sich neben Chad. Sie zitterte. "Du Chad. Ist alles in Ordnung? Du wirkst irgendwie bedrückt." Wütend stellte Akira fest, dass ihre Stimme weniger mutig klang, als sie dachte, zu sein. Angespannt spielte sie mit ihren Fingern und wartete auf eine Antwort seinerseits.
"Nein, ich denke es ist alles in Ordnung. Ich musste an einen Moment in der Vergangenheit denken. Aber ich hoffe, ich vergesse ihn wieder.", gab Chad zurück. Mitfühlend schloss Akira ihre Augen und atmete laut auf. "Du kannst auch gerne darüber reden... Du m-musst nicht. Ist nur ein Vorschlag...", murmelte sie eingeschüchtert.
"Nimm es nicht persönlich. Aber ich kann einfach darüber nicht sprechen. Ich weiß, dass es falsch ist, seine Probleme in sich hineinzufressen, aber ich..." Er schwieg. Akira schluckte. Was bedrückte ihn nur so? Hatte sie etwas falschgemacht? War sie vielleicht irgendwann negativ aufgefallen? Angestrengt dachte sie an die Anfänge in Neuborkia zurück. An ihr erstes Gespräch, den Doppelkampf, das Zusammensein im Wald...ihre abrupte Jagd nach dem Kramurx? "Das wird es sein!", stellte sie fest.
"Ich... Du zuerst!", sagten sie beide im Chor. Wieder lachten sie und das hob Akiras Stimmung enorm. Dann räusperte sich Chad, aufmerksam schaute sie ihn an und wartete, dass er anfing zu reden. "Ich war ein wenig sauer auf dich..." Also doch! Er war sauer auf sie!
"Was? Warum denn? Habe ich etwas verpasst?", spielte sie überrascht vor. Sein Blick verlor sich erneut im Sternenhimmel und wieder räusperte er sich. "Naja, anscheinend wusstest du ja vorneweg, wer ich bin... Und du hast so von meiner Mutter geschwärmt, Da dachte ich, du warst heute nur freundlich zu mir, weil ich der Sohn einer berühmten Pokémon-Koordinatorin bin..."
Sie presste die Lippen zusammen. DARAUF war sie wiederum nicht gefasst.
"Achso... Du dachtest also, ich hätte heute nur so viel mit dir unternommen, weil du Miss Andersons Sohn bist?" Er schwieg. "Natürlich war ich beeindruckt, als ich dich im Labor gesehen hatte. Immerhin saß da der Sohn einer Berühmtheit... Aber denkst du, ich hätte mich mit dir unterhalten, mit dir den Doppelkampf gemacht und mit dir die Sinelbeere zurückgebracht, nur, weil du der Sohn von Miss Anderson bist?" "Ja...", antwortete er ihr beschämt.
Akira lächelte erleichtert. Endlich hatte sie die langersehnte Klarheit, die sie so sehr verlangt hatte. "Meine euphorische Rede über deine Mutter war wirklich etwas zuviel des Guten. Natürlich hab ich das alles mit dir gemacht, weil ich dich mag und mit dir befreundet sein möchte." Erleichterung machte sich in Chad breit. "Es tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe...", gab er kleinlaut von sich. "Nein, entschuldige dich nicht. Ich muss mich entschuldigen. Mir tut es leid, dass ich so sehr von deiner Mutter geschwärmt habe. Ich hätte wohl dasselbe gedacht wie du, wenn es mir so ergangen wäre wie dir.", erwiderte Akira und wenig später konnten beide wieder gelassen miteinander agieren. Als sie sich schlafbereit gemacht hatten und auf die Betten legten, lauschte Akira noch einwenig den Geräuschen und Bewohnern der Nacht. "Es klingt ganz anders als in Teak City. Es klingt viel...es klingt anders.", dachte sie und kletterte aus ihrem Bett hinaus. Auch Mauzi erwachte aus seinem Halbschlaf und folgte seiner Trainerin sorgenvoll. Kramurx flog draußen umher, bemerkte seine neue Trainerin, ihren tränenerfüllten Gesichtsausdruck und landete entschlossen neben ihr auf dem Fenstersims. Zaghaft streichelte sie ihre beiden Begleiter und und zwingte sich zu einem Lächeln. Sie hatte Heimweh, zum ersten Mal seit langen.
"Kannst du nicht schlafen? Ist alles in Ordnung mit dir?"
"Ja...Alles klar..." Auf keinen Fall wollte Akira, dass Chad etwas von ihrer Schwäche und ihrer düsteren Vergangenheit erfuhr. Was würde sie denn für einen Eindruck machen, wenn sie es täte? Eine schlechte und intrigante Koordinatorin, würde er dann denken. Sie wandte sich von ihm ab. Wobei...
"Nein...Es ist nicht...Es ist nicht alles in Ordnung." Chad sah sie besorgt an und wenig später setzte er sich auf ihr Bett und tippte auf einen Platz neben sich. "Komm, setz' dich mal zu mir.", bot er ihr an. "Setz' dich zu ihm und erkläre ihm, was dich bedrückt. Tu' es, bevor es eine andere Person tut." "Wer auch immer du bist", dachte Akira scharf, "...du bist extrem hilfreich." Sie drehte sich kurz zum Fenster, wusch die restlichen Tränen hinfort und schritt dann zu Chad, wo sie an seiner Seite Platz nahm. "Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.", seufzte sie beiläufig, doch Chad schien davon wenig beeindruckt.
"Dann fang einfach irgendwo an. Der Rest ergibt sich schon." "Seine Stimme klingt so sanft.", schwärmte sie angetan. Dankbar schaute sie ihm tief in die Augen und dankte ihm für die ihr nun zugeteilten Aufmerksamkeit. Sie atmete tief ein.
"Meine Großmutter leitet einen Tanzclub in Teak City. Vielleicht hast du ja schonmal von den Kimono-Girls gehört." Chad schüttelte den Kopf. "Die Kimono-Girls sind Pokémon-Trainerinnen, oder besser gesagt Koordinatorinnen, die sich vor allem auf die Eleganz und das Auftreten eines Pokémon spezialisiert haben. Meist verbinden sie Attackenkombinationen mit wundervollen Tanzschritten.", erzählte sie angetan und bemerkte, wie groß ihr Wunsch, ein Kimono-Girl zu sein, eigentlich war. Erinnerungen kamen in ihr hoch und sie merkte, wie ihr die Tränen wieder hochstiegen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und musste ihre Erzählung kurz unterbrechen. Plötzlich bemerkte sie, wie Chad ihren Arm um sie legte. Sie lächelte und schöpfte aus dieser liebevollen Geste erneut Kraft.
"Jedenfalls hatte ich vor einigen Monaten meine Aufnahmeprüfung mit Mauzi. Meine Gegnerin war eine Tochter aus einer sehr reichen und angesehenen Familie in Teak City. Jedenfalls..." Jetzt kam der Moment der Wahrheit. "...sagte mir meine Großmutter am Vorabend des Finales, dass ich den Wettkampf bereits verloren hatte. Ohne Begründung, ohne einen Anzeichen von Mimik oder Entschuldigung. In der Nacht grübelte ich lange Zeit, warum ich den Wettkampf verloren hatte. Und so kam ich zu dem Entschluss, dass meine Großmutter kein schlechtes Bild auf unser Teehaus werfen wollte, da die Familie wie schon gesagt sehr...angesehen war." "Ja, die Angeber sind wirklich sehr hoch angesehen!", bemerkte die Stimme höhnisch. Akira ignorierte es und kuschelte sich unbewusst näher an Chad, den dies nicht zu stören schien.
"Lieber enttäuschte sie dann ihre Enkelin, die einen teuflischen Plan schmiedete, um ihre Kontrahentin auszuschalten..." Sie biss sich ungewöhnlich stark auf die Lippe und schloss ihre Augen, wollte kein weiteres Wort mehr darüber verlieren. "I-ich sollte mich wohl nicht so nah an dich Rankuscheln." "Warum?", fragte Chad erstaunt.
"Ich bin deiner nicht würdig.", dachte sie beschämt und versuchte sich aus Chads Umarmung zu befreien, auch wenn sie es nicht wollte. Er trotzte ihr und drückte sie näher an sich. Sie riss die Augen auf während er sie noch fester umarmte. "Jeder, wirklich jeder macht mal einen Fehler. Und...wenn es dir hilft: Ich kann dich verstehen. Ich kann dich wirklich gut verstehen." Akira schluchzte und warme Tränen flossen ihr Gesicht hinunter. Allerdings waren es keine Tränen aus Scham. "D-Danke, Chad...", flüsterte sie leise und verloren. Sie schloss ihre Augen und wenig später fiel sie in einen ruhigen und sanften Schlaf.
(OT: Ich bin wirklich beeindruckt von deinem Post, DarkGuardevoir. =) Ich wünsche mir, dass dir meiner auch gefällt. Jetzt, wo ich ihn zum zweiten Mal lese, klingt er irgendwie einwenig dramatisch. :p Danke an alle anderen RPG-Mitglieder fürs' warten! Ich hab gestern leider keine Zeit mehr gefunden, zu schreiben.)