Kapitel XXV: Dinge ändern sich
Wie lange war Paul nicht mehr hier gewesen? Definitiv viel zu lange. Vielleicht sollte er eine Weile bleiben. Er könnte von Elias lernen. Eventuell brauchte Reggie auch ein wenig Hilfe. So oder so, Paul fühlte sich rundum gut, als er durch die belebte Großstadt Schleiede schritt und den Lärm, um sich herum kaum wahrnahm. Normalerweise war er ja sehr zielstrebig und verweilte nur ungern, aber er war sich in diesem Fall sicher, dass es keine verschwendete Zeit wäre.
Diese Gedanken gingen dem jungen Trainer durch den Kopf, als er nach etwa einer Stunde Fußmarsch die komplette Stadt durchquert und das etwas abgelegene Landhaus seines Bruders erreicht hatte. Reggies Land war ziemlich groß und von einem weißen Lattenzaun eingegrenzt. Oft kamen Leute hierher, um zu entspannen oder mit ihren Pokemon zu trainieren. Reggie ließ es zu, gutmütig wie er war. Manchmal kam es Paul so vor, als würde sein Bruder einen öffentlichen Park betreiben. Als er nun eines der Gartentore im Zaun hinter sich ließ und auf das zentral gelegenen Haus zuhielt, sah er bereits um sich herum all die Pokemon, die Reggie gehörten und von ihm aufgezogen wurden. Sein Bruder hatte Paul von seinem neuesten Projekt erzählt. Er züchtete Ponitas, die im Moment in der Hoenn-Region verdammt gute Preise erzielten. Mindestens zehn gut ausgebildete Exemplare wollte Reggie zum Ende des Jahres an seinen Geschäftspartner vor Ort verkaufen. Wenn dieses Geschäft glatt lief, könnte Reggie theoretisch für lange Zeit die Beine hochlegen. Aber das würde er nicht. Dazu liebte er seine Arbeit zu sehr. Von weitem meinte Paul auch die vom Rest der Anlage abgetrente Koppel der feurigen Pferde zu erblicken. So wie er Reggie kannte, bekamen sie nur das beste Futter, und hatten sorgfältig ausgewählte Eltern. Das Geschäft würde mit Sicherheit ein voller Erfolg werden.
Endlich erreichte Paul nun Reggies Haus. Es war auch Pauls Haus, mehr oder weniger. Jedenfalls konnte er mit Fug und Recht behaupten hier zu wohnen. Es war ein komplett aus Holz erbautes weißes Haus im amerikanischen Stil. Viele kleine Fenster ermöglichten den Einlass von viel Tageslicht. Um das Haus herum war nichts als Gras, ein Grünton, der im Kontrast zum dunklen Rot der Ziegel des Daches stand. Über der Haustür war ein weiteres niedrigeres Dach erbaut worden, das mit stabilen Stützbalken gehalten wurde. Paul stieg einige wenige Stufen zur Tür hinauf und blieb dort stehen. Er atmete einmal aus und dann wieder ein. Langsam zog er seinen Schlüssel hervor. Er war über ein Jahr lang nicht mehr hier gewesen. Ob sich die Einrichtung wohl verändert hatte. Er würde es gleich erfahren. Der Schlüssel wurde ins Schloss geschoben. Es klickte leise. Dann schwang die Tür auf und Paul trat hinein.
Es sah alles noch genauso aus, wie vor einem Jahr, als Paul nach seiner Niederlage im Achtelfinale der Silberkonferenz seinen Frust bei Reggies Trainigseinheiten losgeworden war. Alles hier wirkte gemütlich. Die große beige Couch, der steinerne Kamin, die Bilder von Pokemon an den Wänden.
Bedächtig und dabei die bekannten Eindrücke aufnehmend schlurfte Paul in sein Zimmer. Es war seit jeher spartanisch eingerichtet. Ein einfaches Bett teilte sich den Platz mit einer Komode und einem Schrank aus Holz. Die Komode musste zugleich die Funktion des Nachttisches übernehmen, eine alte Lampe war auf ihr abgestellt worden. In einer einsamen Ecke stand noch ein Karton. Dort stand er immer. Paul holte ihn hervor und setzte sich damit auf das Bett, das frisch bezogen schien. Scheinbar hatte sich Reggie bereits auf ihn vorbereitet. Paul hob den Deckel und sah in das Durcheinander von 24 kleinen Metallsymbolen. Die Orden der Kanto, Hoenn und Johto-Region.
Letzlich waren Pauls Siege dort ohne jede Bedeutung gewesen. Es interessierte doch bloß, wer gewann, alle anderen waren nichts als Verlierer. Diese Orden waren nichts weiter als eine Erinnerung an Pauls dreifaches Versagen, was ihn jedoch noch ehgeizig und zielstrebiger gemacht hatte. Daher warf er die Orden nicht weg.
Paul stellte den Karton zurück und griff in seine Tasche. Zwei weitere Orden hatte er bereits errungen. Der Orden, den er hier in Schleiede zu gewinnen hoffte, würde ein besonderer sein. Lange schon hatte Paul den Moment herbeigesehnt, in dem er sich endlich offiziel mit Elias, dem alten Meister des Jin-Jitsu und der Kampfpokemon messen konnte. Eilias war stark und klug, doch Paul war sich trotz dieser Tatsachen schon jetzt sicher, dass er den Kampf gewinnen würde. Mit dem Anflug eines Lächelns schob er die Orden zurück in die Tasche und ließ diese auf das Bett fallen. Dann stand er auf und verließ das Zimmer wieder. Sein Blick fiel im Wohnzimmer sofort wieder auf eine Reihe von Orden. Sie hingen in Glasvitrinen über dem Kamin. Paul ging zu ihnen. Es waren mehr als Paul besaß, doch sie bedeuteten das gleiche. Reggie hatte es ebenfalls nie über die simple Teilnahme an einer natinalen Liga gebracht. Doch er hatte immerhin 6 von 7 Symbolen der Kampfzone in Kanto gewonnen. Das war schon komisch gewesen damals. Im Kampf um das siebte Symbol hatte Reggie so kläglich versagt, wie noch nie zuvor. Draufhin war mit seiner Trainerkarriere einfach so Schluss gewesen. Reggie hatte aufgegeben. Nur wegen dieses einen Kampfes gegen Brendon, der Kampfkoryphäe. Angeblich war dieser Kerl einer der besten der Welt und eigentlich auch in Lage Champ einer Region zu werden. Doch was interessierte Paul das.
In den Vitrinen waren auch die Orden der Sinnoh-Region. Pauls Blick fiel fast automatisch auf den Orden der Schleiedearena. Der Kampf zwischen Elias und Reggie war einer der besten gewesen, den Paul je von Reggie gesehen hatte und Paul hatte nahezu alle Kämpfe seines Bruders gesehen. Es war, als wäre der Kampf um den Orden erst gestern ausgetragen worden. Paul sah vor seinem geistigen Auge, wie Elias sein Nockchan mit seinem kühlen Blick aussandte. Reggie dagegen wählte sein Kangama, was den zusehenden Paul genauso verwunderte wie den Arenaleiter, war Kangama doch ein Normalpokemon und damit zumindest in der Theorie dem Kampfpokemon Nockchan unterlegen. Doch der Kampf begann zu Gunsten Reggies. Sein Kangama traf Elias Pokemon mit Megahieb und versuchte anschließend mit Kometenhieb nachzusetzen. Letzlich war es jedoch Elias, der seinem Pokemon einige komplizierte Befehle gab und somit den Kampf für sich entscheiden konnte. Das Nockchan in Pauls Erinnerung tauchte unter den Hieben seines Gegners hinweg und vollführte einige gezielte Schläge, die das gegnerische Pokemon außer Gefecht setzten. Der imaginäre Reggie nickte nur resiginierend und wählte nun Staraptor, eines seiner ersten Pokemon. Als Flugpokemon, war der theoretische Vorteil nun auf seiner Seite gewesen. Dank einige wirklich guter Ausweichmanöver, gelang es der Endstufe des kleinen Staralili auch das Nockchan zu schlagen. Auch Elias Kicklee musste sich nach wenigen Angriffen geschlagen geben. Paul erinnerte sich, wie er damals auf der Tribüne zu seinem kleinen Chelast gesagt hatte: „Jetzt wird es ernst. Kapoera ist sein bestes Pokemon.“
Und so passierte es auch in der Szene, die Pauls Erinnerung projezierte. Kapoera schlug Staraptor spielend. Reggies letztes Pokemon war dann ein Bibor. Der Erinnerungs-Paul wunderte sich sehr über diese Entscheidung, denn Bibor hatte Reggie seit der Kantoregion nicht mehr verwendet. Doch es erwies sich als äußerst clever, denn Kapoera konnte nur angreifen, wenn Bibor in den Nahkampf ging. Bei Staraptor war das einfach gewesen, denn dieses Pokemon kämpfte ausschließlich per Körperkontakt. Bibor dagegen feuerte Salven spitzer und giftiger Nadeln ab und zermürbte das eigentlich überlegene Kapoera nach einem langen Kampf. Pauls Respekt für Reggies Kampfstil war nach diesem Sieg noch weiter gestiegen. Das Bild aus Pauls Kopf verblasste und er erblickte nun wieder den Kamin mit den Orden.
Paul nahm den sogenannten Bergorden aus der Vitrine. Ja, Gegen Elias zu gewinnen war eine Ehre.
„Den wirst du wohl auch bald gewinnen, oder Paul?“ sagte lachend eine freundliche Stimme hinter Paul. Dieser grinste und legte den Orden zurück an seinen Platz. Reggie war da.
Er sah völlig unverändert aus. Seine Haare waren noch immer sehr lang und von ihm zu eine, Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie waren violett, doch der Farbton war tiefer als bei Paul. Wie eigentlich immer trug Pauls Bruder seine grüne Schürze, die ihn bei der Arbeit vor Dreck bewahrte.
„Elias sollte sich warm anziehen.“ meinte der jüngere Bruder und schlug in die von Reggie angebotene Hand ein. Reggie verzog nach Pauls Worten das Gesicht.
„Ich glaub diesbezüglich bist du noch nicht ganz auf dem aktuellen Stand der Dinge.“
Was sollte das denn bedeuten? War Elias etwa etwas zugestoßen? Paul hoffte auf das Gegenteil, als er nachfragte: „Inwiefern?“
Reggie sagte ihm, er solle sich setzen und verschwand kurz in der Küche. Da Paul seine Nachfrage, ob er ebenfalls etwas zu trinken haben wolle, verneinte, kam erkurze Zeit später mit einer Tasse Kaffee für sich selbst ins Wohnzimmer zurück. Er nahm neben Paul auf der beige Couch Platz.
„Elias ist nicht mehr der Arenaleiter von Schleiede.“
Die Worte enttäuschten Paul wirklich. Er hatte sich so gefreut gegen den alten Meister anzutreten.
„Wieso das denn? Er ist oder ...“, Paul unterbrach um sich zu verbessern „war der beste Arenaleiter, den wir je hatten!“
Reggie nickte zustimmend und fuhr dann fort: „Er war der Meinung, dass er nun lange genug unser Arenaleiter gewesen ist und wollte einer neuen Generation nicht im Weg stehen. Elias wusste, dass der Rat der Jin-Jitsu-Meister ihn niemals abgewählt hätte. Also hat er seinen eigenen Rücktritt beschlossen.“
Das war nicht zu fassen. Dass Elias der Arenaleiter von Schleiede war, war für Paul immer wie eine unumstößliche Tatsache gewesen. Etwas, das sich niemals ändern.
„Du bist nicht der einzige, der das traurig findet, Paul.“ sagte Reggie aufmunternd und lächelte freundlich.
Paul war sich sicher, dass Reggie Recht hatte. Elias war stets sehr beliebt gewesen und hatte den Respekt der Leute genossen. Nur eine Frage stellte sich nun.
„Wer ist denn der neue Arenaleiter?“
Wer nur? Paul konnte sich beim besten Willen keinen würdigen Nachfolger denken. Vielleicht war es aber auch jemand, den er gar nicht kannte. Ein Schüler von Elias wahrscheinlich. Der beste. So musste es sein.
Reggies Grinsen wurde noch breiter. Er antwortete knapp mit: „Hilda.“
Überrascht und vor allem zweifelnd zog Paul eine Augenbraue hoch. Hilda? Das musste ein Scherz sein. Ganz sicher wollte Reggie einen Witz machen. Deshalb fragte Paul ungläubig: „Das ist nicht dein Ernst oder?“
„Es ist mein absoluter Ernst.“ erwiederte Reggie und schien sich dabei über Pauls Ungläugikeit zu amüsieren. Und das zu Recht. Paul kannte Hilda. Sie war ein wenig älter als er und so ziemlich das wandelnde Gegenteil von Selbstvertrauen. Sie hatte oft darunter zu leiden gehabt, dass Paul nach seinen Niederlagen seinen Frust an Schwächeren wie ihr ausgelassen hatte. Über die drei großen Pflaster, die sie stets an den Schultern und auf der Nase trug, hatte Paul sich mit großem Vergnügen lustig gemacht. Er wusste nicht, warum sie diese Lächerlichkeiten freiwillig annahm. Wahrscheinlich war, dass sie eine Art Ausschlag oder so etwas hatte und ihn mit den Pflastern zu verdecken versuchte. Schwer vorstellbar, dass das, was sich unter ihnen verbarg noch dümmer aussah. Paul verband Hilda mit Schwäche und keineswegs mit einem autoritären Arenaleiter, der die Herausforderer in Angst und Schrecken versetzte. Hilda war einer der allerletzten Menschen, die Paul für Elias Nachfolge ausgewählt hätte. Und so weit er wusste, war sie nichtmal eine Schülerin des alten Meisters. Das konnte nicht wahr sein.
„Du verarschst mich doch!“ widersprach er laut.
„Es ist die Wahrheit. Und sie macht ihren Job gar nicht mal so schlecht. Sie besitzt ein wirklich starkes Lucario. Außerdem benutzt sie Medite und Maschok. In den 6 Monaten, die sie schon Arenaleiterin ist, hat sie einige Gegner besiegt.“
6 Monate schon? Warum hatte Reggie ihm nicht früher von diesem wichtigen Ereignis erzählt? Paul stellte diese Frage jedoch nicht. Er war noch immer ein wenig geschockt und wollte das Thema lieber wechseln. Es gab so viel zu besprechen und zu erzählen.
„Ich glaube ich habe dir noch nichts von dem lustigen Abstecher nach Netro erzählt, den ich wegen deines Freundes Rob machen musste oder?“ Reggie sah interssiert auf und Paul begann unbeschwert zu reden. Reggie verurteilte keine Entscheidung, die Paul traf. Es sagte nichts, als Paul von seinem harten Training mit Panflam berichtete, das schließlich zu der Verletzung geführt hatte. Damals hatte Paul seinem Bruder nicht erzählt, wie sein Pokemon zu den Knochenbrüchen gelangt war. Nun wusste Reggie es und trotzdem hielt er seinem Bruder keine Moralpredigt von Pokemonliebe und anderem Geschwätz. Pauls Bruder mochte diese Methoden vertreten und damit sogar in gewisser Weise auch Ash ähneln. Aber er akzeptierte, dass Paul in diesen Dingen einfach eine ziemlich unterschiedliche Meinung hatte. Und deshalb freute es Paul immer mit Reggie zu reden. Es herrschte ein unbelastetes Verständnis zwischen den Brüdern. Sie konnten einander vertrauen und taten dies auch völlig selbstverständlich. Reggie erklärte Paul nicht für verrückt, als er berichtete, wie Lohgock auf einmal aufgetaucht war und ihn mehr oder weniger davon unterrichtet hatte, dass sein Trainer in Schwierigkeiten gesteckt hatte. Erst als Paul zu dem Abschnitt seines Berichts kam, in welchem Lohgock das erste abendliche Gespräch mit Chelterrar angefangen hatte.
„Es wundert dich wirklich, dass Pokemon Sympathien zeigen und Freundschaften schließen können?“ fragte Reggie ungläubig. Paul tat dies mit einem einfachen Schulterzucken ab und erwiederte: „Pokemon sollen kämpfen, dafür sind sie da. Ich dachte, es wäre kaum möglich, dass zwei Konkurrenten sich anfreunden.“ Reggie vertiefte seine Frage nicht weiter und ließ Paul fortfahren. Der jüngere Bruder erzählte von der Reise mit Lohgock, den Erinnerungen in Ewigenau und schließlich von seiner Gefangennahme im Krater bei Netro. Reggie schwieg nachdenklich und unterbrach seinen Bruder nicht einmal, als dieser von den Statuen und der Schießerei berichtete. Erst, als Paul die Ereignisse, die schließlich zu ihrer Rettung beigetragen hatten, zusammengefasst hatte, sprach er wieder: „Habe ich das richtig verstanden? Eine SMS hat die Verbrecher abgelenkt und der Polizei die Möglichkeit zum Eingreifen gegeben?“
Paul bejahte mit einem schiefen Grinsen. Das klang im Nachhinein echt noch dümmer als es schon vor Ort gewesen war. Rob hatte es ebenfalls zum Lachen gefunden.
Kopfschüttelnd lehnte sich Reggie zurück und nahm einen Schluck seines Kaffees, der mittlerweile eigentlich schon kalt sein musste.
„Von wem kam die Nachricht denn?“
Paul knirschte mit den Zähnen. Er hatte Reggie von seinem unliebsamen Konkurrenten Ash noch nichts erzählt. So eine Witzfigur war auch eigentlich keiner Erwähnung wert. Ihm kam in den Sinn, dass Reggie ja das Herzhofenturnier im Fernsehen verfolgt hatte. Also musste er Ash zumindest daher kennen.
„Kannst du dich an das Zweiermatch erinnern?“ Ein Nicken bestätigte dies. Paul fuhr kopfschüttelnd fort: „Die Pflaume, die meinen Teampartner darstellte ist der Kerl, der mir die SMS geschickt hat. Ich habe ihm meine Nummer irgenwann gegeben, um ihn ein bischen zu verarschen. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass er sie irgendwann benutzen würde.“
Auf Reggies Gesicht lies sich erkennen, dass er sich an Ash erinnerte.
„Ash hieß er oder? Der hat doch auch dein Panflam aufgenommen, nicht wahr?“
„Ja.“ meinte Paul knapp und legte eine Prise Abscheu in seine Stimme, die sowohl Ash als auch Panflam galt.
Reggie schien Pauls Unbehagen jedoch nicht zu registrieren oder es bewusst zu übergehen, denn er fragte neugierig: „Das heißt du musst ihn schon vor dem Turnier gekannt haben. Woher?“
Obwohl Paul nur Schlechtes mit diesem Versager verband, erzählte er seinem Bruder alles über Ash und die vielen Begegnungen der beiden jungen Trainer. Zu Pauls Verärgerung machte Reggie den Eindruck, die Meinung Ashs zu Pauls Traingsmethoden zu befürworten. Oft warf er ein „Da ht er nicht Unrecht“ in die Erzählung ein. Mit einem leisen Anflug von Neid erkannte Paul, dass sein Bruder Ash wohl ziemlich sympathisch fand.
„Und wann glaubst du wird Ash hierher kommen?“ hakte der ältere Bruder weiter nach.
Paul wusste es nicht und das Gespräch wurde ihm nun unangenehm. Er wollte sich die Beine vertreten. Irgendetwas machen.
„Ich glaube, ich suche Elias und rede mit ihm. Würde mich interessieren, was er zu Hilda sagt.“
Reggie kannte seinen jüngeren Bruder zu gut, um über diesen plötzlichen Abbruch des Gesprächs überrascht oder gar wütend zu sein.
„Du findest ihn in der Trainingshalle.“ gab er bereitwillig Auskunft und sah dann seinem Bruder hinterher, der sich hastig auf den Weg in die Innenstadt machte, um den alten Meister aufzusuchen.
Elias war sichtlich gealtert, obwohl Paul ihn noch vor etwa einem Jahr gesehen hatte. Der Unterschied war deutlich. Noch immer war er ein sehr großer und schlanker Mann, dessen Glatze von Falten durchzogen war. Sein Gesicht signalisierte Weisheit und Erfahrung. Der alte Körper steckte natürlich in einem Kampfanzug. Für sein Alter sah Elias sehr jung aus, doch Paul merkte, dass er nicht mehr lange so aussehen würde. Die beiden gingen in der Sporthalle auf und ab, während sie sich unterhielten und Elias ab und zu der Gruppe von Zehnjährigen, die hier unter seiner Obhut trainierten, etwas zurief. Elias hatte sich gleich an Paul erinnert, da er regen Kontakt mit Reggie pflegte. Nahezu alle Kampfpokemon, die die Organisation austeilte stammten aus Reggies Zucht.
“Du hast ein falsches Bild von Hilda.” sagte der Alte gerade bedächtig und sah prüfend einen Jungen an, der eine komplizierte Technik ausprobierte und dabei auf seinem Hinterteil landete. Rasch gab er einige Hinweise, damit es beim nächsten Versuch besser klappte.
Die Stimme des langjährigen Arenaleiters war rau und dennoch fest. Niemand unterbrach jemanden mit einer solchen Stimme.
Paul erwiderte nichts, sondern wartete auf eine Fortführung der Aussage. Er hatte schon nach wenigen ausgetauschten Worten begriffen, dass Elias sich gerne Zeit ließ und diese auch bekam.
Und so fuhr er nach einigen Momenten im selben Tonfall fort:
“Sie ist eine hervoragende Trainerin. Ich halte sie für die Beste, die wir im Moment haben.” Er sah Paul lächelnd an. “Du wirst es ja merken, wenn du gegen sie kämpfst. Ihr Lucario ist unglaublich stark und gibt nie auf. Manchmal glaube ich, dass Lucario die treibende Kraft hinter Hilda ist. Die beiden ergänzen sich perfekt.”
Eine Weile lang ruhte sein Blick auf den Trainierenden, dann fuhr er fort.
“Wie steht es eigentlich mit dir und deinem Chelast? Oder ist es schon ein Chelterrar?”
Paul antwortete: “Es hat sich schon entwickelt. Und es ist mein stärkstes Pokemon.” Vielleicht meinte Elias ein wenig Stolz bei dieser Antowrt gehört zu haben, denn er nickte wissend.
“Es gibt immer ein Pokemon, das über den anderen steht. Viele versuchen das zu leugnen, doch letzlich hat jeder Trainer nur ein spezielles Band mit einem seiner Pokemon.” Eine bissige Bemerkung zu Bändern zwischen Trainern und Pokemon schluckte Paul schnell hinunter.
Die beiden waren nun am Ende der Halle angekommen und Elias blickte zurück auf seine Schützlinge.
“Wenn du noch etwas brauchst, bist du hier jederzeit willkommen, Paul.”
Paul suchte eine Weile nach den richtigen Worten. Schließlich entschloss er den direkten Weg zu wählen. “Da wäre noch eine Sache. Ich möchte gegen dich kämpfen. Ob du nun der Arenaleiter bist oder nicht, ist mir egal.”
Elias war sichtlich überrascht. Dann lächelte er.
“Sehr gerne, Paul. Sehr gerne.”
Eine beachtliche Menge an Zuschauern hatte sich auf der größten ebenen Rasenfläche auf Reggies Grundstück eingefunden. Einige sitzend, andere stehend, warteten alle gespannt auf den Kampf. Elias hatte wohl seit seinem Rücktritt keinen Kampf mehr bestritten. Viele erkannten auch den Bruder von Reggie wieder und waren auf seine Pokemon gespannt. Alles in allem stand dieser Kampf an Aufsehen einem Arenakampf in nichts nach. Reggie hatte Paul gesagt, dass er sich sehr auf diesen Kampf freute. Paul würde alles tun, um seinem Bruder einen guten Kampf zu zeigen. So wie damals, als Reggie und Elias gekämpft hatten.
“Darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten?” rief Elias nun. Er hatte seine Stimme nur leicht erhoben, doch alle verstummten sofort. Dieser Mann hatte einfach eine Sonderstellung in Schleiede.
“Dieser junge Mann hier ist Paul, der Bruder von Reggie, dem Züchter. Wir werden einen Drei-gegen-Drei Kampf austragen, bei dem der gewinnt, der zuerst alle drei Gegner ausgeschaltet hat.” Als er geendet hatte, brandete Applaus auf. Die Leute jubelten den Namen des alten Arenaleiters. Paul sah zu Reggie, der den Daumen reckte.
“Du hast die Ehre, Paul.” raunte Elias und der langersehnte Kampf zwischen Paul und Elias begann.
“Los Elektek!”” rief Paul und warf den Pokeball des gelb-schwarzen Elektropokemons. Voller Tatendrang ließ das Pokemon eine Stromladung durch sein Fell zucken. Mit rausguckenden Eckzähnen grinste es Elias herausfordernd an.
“Auf gehts Kapilz!” Auch Elias warf einen Pokeball. Diesem entschlüpfte ein etwa 1,2 Meter großes Pokemon, dass entfernt einem Känguru ähnelte. Sein Kopf war von einer grünen, pilzartigen Kappe bedeckt, sein langer Schwanz endete in einer Verdickung aus vier dicken grünen Kugeln. Seine kurzen Arme, sowie die kräftigen Beine endeten in großen roten Klauen. Das Pflanzenpokemon, das ebenfalls vom Typ Kampf war, sah recht harmlos aus, doch Paul wusste es besser. Die scheinbar kraftlosen Stummelarme konnte austeilen, und das nicht zu knapp.
Rasch überlegte Paul. Elektroattacken halfen kaum gegen Pflanzenpokemon. Er würde sehen müssen, was Elias tat.
“Donner!” befahl er deshalb laut und prompt schickte Elektek einen Stromschlag auf die Reise.
“Ausweichen und dann Tempohieb!” lautete Elias' Gegenmaßnahme, woraufhin Kapilz zu Seite sprang und dann in einem ungeheuren Tempo auf Elektek zuschoss. Seine rechte Klaue leuchtete grell auf und ehe Paul oder Elektek reagieren konnten, hatte Kapilz dem Elektropokemon einen Hieb in den Magen versetzt. Stöhnend kippte das getrofene Elektek zur Seite und hielt sich den Bauch.
“Sehr gut! Jetzt Egelsamen!” Da Elektek noch immer am Boden lag, hatte Kapilz alle Zeit der Welt es mit einem dutzend kleiner Kerne zu beschießen, die aufplatzten und schnell ein dichtes Netzt aus Ranken um den gesamten Körper des Pokemons sponnen. Diese Samen würden Elektek nach jedem Angriff Energie entziehen und diese Kapilz zukommen lassen.
“Steh gefälligst auf!” brüllte Paul und ärgerte sich, dass sein Pokemon es nicht schnell genug auf die Beine geschafft hatte. Kapilz jedoch dachte nicht daran Paul eine Chance zu geben. Es holte mit seinem Keulenartigen Schwanz aus und schlug Elektek erneut nieder. So kam Paul nicht weiter. Elektek musste sich irgendwie eine Atempause verschaffen. Vielleicht ging es so:
“Benutz Donner und steh dabei auf!” Elektek begriff und gehorchte. Da es in alle Richtungen Strom absonderte, konnte Kapilz nicht erneut zuschlagen und Elektek kam wieder in eine aufrechte Position. Jetzt wartete Paul auf einen Angriff durch Elias. Er war sich sicher, dass der Alte nun die unsichere Situation Pauls zur Offensive nutzen würde. Und so kam es auch.
“Kapilz, Himmelhieb!”
Das Pflanzenpokemon sprang in die Luft, wobei es sich kräftig mit dem Schweif abstieß und erneut leuchtete seine Klaue gefährlich. Aus der Höhe stieß es blitzschnell hinab, bereit Elektek erneut wuchtig zu treffen. Diesmal dachten sowohl Paul als auch Elektek jedoch mit und Elektek reagierte sogar schneller, als der Befehl Pauls Mund verlassen konnte. Wie schon so oft setzte es Schutzschild ein. Kapilz prallte an der schillernden Schutzwand ab und schlug stöhnend auf dem Boden auf. Jetzt war die Chance zum Gegenangriff.
“Donnerschlag! Voller Kraft!” Brüllend holte Elektek aus und rammte seine unter Strom stehende Faust mit aller Kraft auf das Pokemon zu seinen Füßen. Obwohl der Pflanzentyp die Attacke schwächte, wurde Kapilz ordentlich durchgeschockt und es kam nur mit Mühe wieder auf die Beine. Dabei nutzte es den kurzen Moment, in dem Elektek den Schmerz durch die Egelsamen wegstecken musste. Paul wurde klar, dass er den Kampf schneller machen musste, damit Elektek nicht einfach zermürbt wurde. Kapilz wollte jedoch die Initiative nicht bei Elektek lassen und schickte aus seinem Mund einige leuchtende Samenkugeln auf den Weg. Samenbomben, wie Paul wusste.
“Konter den Angriff mit Donner!”
Wie Paul es gehofft hatte, schnitt der Stromschlag durch die Geschosse und traf Kapilz, welches aufschrie und in die Knie ging. Das war die Chance!
“Mach schon, Feuerschlag!”
Pauls Geheimwaffe für diesen Kampf sollten selbigen entscheiden. Elektek behrrschte diese Technik noch nicht lange und da es ein Elektropokemon war, waren Feuerattacken nicht ganz so stark, wie sie sein konnten. Doch als Elektek seine lodernde Faust auf Kapilz niedersausen ließ, verflog Pauls Zweifel. Rauchend kippte das Pflanzenpokemon um und blieb erschöpft liegen.
Applaus ertönte und auch Elias nickte anerkennend.
“Nicht übel. Nicht übel.” murmelte er und zog sein Pokemon zurück. Paul dagegen rief zu Elektek:
“Diesem Tempohieb hättest du locker ausweichen können, streng dich gefälligst mehr an!” Dank der Trägheit seines Pokemons, war dieser Kampf eine knappe Sache gewesen.
Elias warf mit einem siegessicheren Blick seinen zweiten Pokeball. Diesem entschlüpfte ein Pokemon, das auf dem Kopf stand. Es war humanoid und komplett braun. Sein Kopf war sehr breit und hatte an seiner Spitze etwas, das einer Kreiselspitze ähnelte. Auf jener balancierte das Kampfpokemon Kapoera, das drei Beine besaß. Paul wusste genauso wie alle anderen Anwesenden, dass Kapoera das stärkste Pokemon von Elias war. Das würde nicht leicht werden, vor allem da Elektek die Egelsamen noch immer an sich trug. Kapoera war ein Pokemon, das ausschließlich physisch angriff. Das konnte Paul nutzen.
“Reflektor!”
Einem Schutzschild recht ähnlich erzeugte Elektek einen quadratischen Käfig um sich herum, der kurz aufblitzte und dann verschwand. Physische Attacken würden nun weniger stark treffen. Zumindest für eine Weile.
“Wir beginnen mit Dreifachkick!” rief Elias. Sein Pokemon begann rasend schnell zu kreisen und es hielt auf seinen Gegner. Da Elektek gerade erst Reflektor benutzt hatte, wurde es schwer getroffen und hielt sich stöhnend die betroffenen Körperstellen. Kapoera drehte eine Runde und steuerte erneut auf Elektek zu.
“Donner!” brüllte Paul und Elektek stieß mit aller Kraft Welle von Strom gegen Kapoera. Das Kampfpokemon biss jedoch die Zähne zusammen und griff noch unter Strom an. Die wirbelnden Beine versetzten Elektek heftige Tritte unter sein Kinn. Ein seltsamer Ausdruck trat auf Elekteks Gesicht.
“Was?” fragte Paul ungläubig. Dieser Donner hätte Kapoera umhauen sollen! Elektek hatte wahrscheinlich zu schwach angegriffen. Das Pokemon war heute unkonzentriert und das machte Paul wütend. In so einem Kampf durfte man nie nachlassen.
“Was für ein mieser Donner, Elektek.” sagte Paul deshalb kopfschüttelnd und zog sein geschlagenen Pokemon zurück. Die Wahl fiel nun auf Chelterrar. Das riesige Pokemon beeidruckte die Umstehende mit seiner puren Masse und Paul meinte einen Anflug von Furcht auf Kapoeras Gesicht zu erkennen.
Erstaunlicherweise machte Elias einen Fehler, den Paul ihm nicht zugetraut hätte.
“Risikotackle!” Kapoera drehte sich erneut sehr schnell und begann zu leuchten. Dann ging es auf Kollisionskurs. Chelterrar wusste nur zu gut, was es zu tun hatte. Es erzeugte eine schützende Wand vor sich. Zu spät erkannte Paul, dass Elias ihm eine Falle gestellt hatte. Er hatte gar nicht vergessen, dass Paul sich per Schutzschild verteidigte.
“Schnell, Schaufler!” Kapoera brach den Angriff plötzlich ab und bohrte sich rasend in den Boden.
Chelterrar war gezwungen den Schild zu unterbrechen, da es diesen nicht lange aufrechterhalten konnte. Noch bevor Kapoera zuschlagen konnte, schaltete Paul und er rief: “Erdbeben!” Brüllend stemmte sich Chelterrar auf die Hinterläufe und ließ krachend sein gesamtes Gewicht auf den Boden prallen. Alle Unstehenden wurden von den Füßen gerissen, auch Paul und Elias. Der Rasen platzte an einige Stellen auf, als die Welle unglaublicher Energie durch den Boden wogte.
Als alle wieder standen, kämpfte sich Kapoera aus einem Loch am Boden hervor und brach dann vor den Füßen seines Gegners zusammen.
Das war leichter gewesen, als Paul angenommen hatte. Letzlich hatte es wahrscheinlich daran gelegen, dass Elias nicht mit Erdbeben gerechnet hatte.
“Beeindruckend.” kommentierte dieser und libte sein geschlagenes Pokemon. Paul sah zu reggie, der anerkennend nickte. Paul grinste leicht.
“Los gehts Quappo!” rief Elias jetzt und schickte sein letztes Pokemon in den Kampf. Es war eine Art große Quappe mit großen muskulösen Armen und Beinen und einer schwarzen Spirale auf seinem weißen Bauch. Sonst war das Wasserpokemon blau. Eine Ungewöhnliche Wahl gegen ein Pflanzenpokemon wie Chelterrar befand Paul. Schnell machte Elias klar, dass seine Entscheidung ihren Grund hatte.
“Eishieb!”
Quappos Faust wurde von einer hellblauen Schicht umgeben, welche es mit aller Kraft gegen Chelterrars Kinn schlug. Das getroffene Pokemon knurrte wütend und schüttelte das schmerkzende Haupt. Letzlich hatte wohl der Reflektor einen Großteil des Schadens absorbiert.
“Gigasauger!”
Zu Quappos Nachteil standen die beiden Pokemon sehr nah, sodass die Grünen Strahlen aus Chelterrars Rücken ihr Ziel sehr sicher trafen. Quappo wand sich in den energieraubenden Strahlen,doch es kam nicht frei. Elias hatte allerdings eine Idee. Er befahl seinem Pokemon Hypnose einzusetzen. Die Spirale auf Quappos Bauch drehte sich nun schnell. Chelterrar reagierte völlig richtig und ließ seinen Gegner fallen, sodass der Angriff fehlschlug. Das gab diesem jedoch die Möglichkeit zum Angriff.
“Power-Punch!” rief Elias.
Sein Pokemon hob eine leuchtende Faust.
“Schutzschild.” sagte Paul ruhig und sah zufrieden, wie Quappo an der Schutzwand scheiterte. Als nächstes befahl Paul Chelterrar einen Blättersturm. Die mächtige Attacke aus scharfen Blättern hob Quappo vom Boden und schleuderte es weit von Chelterrar weg. Zeit es zu beenden.
“Los Hyperstrahl!”
Ein Energiestrahl wurde aus Chelterrars Maul entfesselt und ließ Quappo in einer gewaltigen Explosion untergehen. Alle Anwesenden schrien überrascht auf, doch allen wahr klar, dass Quapo besiegt war. Paul hatte den Kampf gewonnen!
Unter dem tosenden Applaus aller Zuschauer zogen Paul und Elias ihre Pokemon zurück und schüttelten sich die Hände. Paul spürte ehrlichen Stolz und Zuversicht. Er hatte es tatsächlich geschafft den großen Elias zu besiegen! Jetzt, dachte er, während er mit Reggie zu ihrem Haus ging, war der Sieg in der Arena gegen Hilda nur noch reine Formsache.