Ich springe.
Ich lande. Immer wieder. Jede Faser meines Körpers spannt sich an, meine Muskeln erhärten sich, mein Blick wird enger, schärfer. Langsam gehe ich in die Hocke, bücke mich. Ich schließe die Augen, den alles entscheidenden Zeitpunkt erwartend. Schlagartig löse ich mich aus meiner Position, öffne meinen Körper, öffne mich wieder der Umwelt. Ich springe.
Dass ich dabei stetig mit der Schädeldecke gegen etwas stoße und dadurch entweder Geld oder etwas zu Essen in Form eines Pilzes erhalte ist inzwischen Normalität. Ich ertrage es. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ich fühle mich wie ferngesteuert, bin nicht Herr meiner Sinne, fremd in meinem eigenen Körper. Alles was mir bleibt ist mein Verstand. Noch. Darauf hoffend, dass dieser mir nicht auch noch geraubt wird, setze ich mich wieder in Bewegung. Die Landschaft um mich herum ist mir unbekannt. Links und rechts von mir tiefe Abgründe. Vor und hinter mir eine einzige Straße auf der ich mich bewege. Zurück laufen kann ich nicht. Für mich gibt es nur das vorwärts, immer weiter. Ich drehe mich niemals um. Ich springe.
Wieder stoße ich mit dem Schädel gegen etwas kistenartiges. Meine rote Mütze verrutscht dabei leicht; ich schiebe sie wieder zurecht. Sie ist mir sehr wichtig. Es ist ein Unikat, nur für mich gemacht. Mein Name ziert die Vorderseite der Mütze... Zumindest der Anfangsbuchstabe meines Namens. Damals bekam ich sie von einer wunderschönen Frau geschenkt, eine waschechte Prinzessin, deren Name ebenso fruchtig ist wie ihr Charakter. Peach. Ich springe. Mal wieder.
Peach wurde entführt, von einem Monster, das seines Gleichen sucht und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht sie zu retten. Uns verbindet etwas ganz Besonderes; etwas Unbeschreibliches. Wenn ich bei ihr bin fühle ich mich wohl, geborgen, sicher. Ihr strahlendes Lächeln erfüllt auch mich jedes Mal mit Freude. Je öfter ich sie ansehe, desto klarer wird es mir. Ich bin verlie... Ich springe.
Ich laufe schneller. Schritt für Schritt tragen mich meine Füße dichter an sie heran. Doch mit jedem Schritt verliere ich meine scharfen Sinne. Es ist, als würde ich auch meine letzten Erinnerungen, mein vorheriges Leben, mein Hier und Jetzt verlieren. Mein Verstand schwindet. So sehr ich mich auch an meine letzten Gedankengänge kralle; ich verliere die Kontrolle über ihn, bis ich nur noch ein Ziel habe: Peach. Am Ende dieses Pfades wartet sie auf mich und auch, wenn dutzende Schildkröten versuchen mich davon abzuhalten: Ich werde sie retten. Wieder springe ich, ich weiß nicht wieso, lande auf einer Schildkröte, die sich blitzartig in ihren Panzer zurück zieht und sich geschlagen gibt. Mein Ziel kommt immer näher. Mein Blick wird trüber. Ich verliere mich; immer mehr. Ich springe.
Das Ziel fest im Blick kämpfe ich mich voran. Ich springe, ich lande und schließlich stehe ich vor ihm. Feuerspuckend sieht er mich an. Laut gröhlend lacht er hämisch. Abartig. Er ist die Inkanation des Bösen, der Teufel höchstpersönlich. Mir bleibt die Luft weg, doch hält mich der Gedanke Peach so nahe zu sein auf den Beinen. Ich springe über einen seiner Feuerbälle. Mein Körper, wie ferngesteuert, nähert sich der Kreatur immer näher. Ich warte bis zum richtigen Moment, dann schieße ich los. Ich setze alles auf eine Karte, schließe die Augen.
Ich springe nicht, sondern er.
Ich hechte unter ihm durch, schaffe es in seinen Rücken und betätige einen Kopf hinter ihm, der sein Ende bedeutet. Kurz huscht ein Lächeln über mein Gesicht, doch sammel ich mich wieder, atme tief durch und renne in das Verließ des Schlosses. Ich rufe ihren Namen - immer wieder. Doch alles, was mir antwortet, ist der Klang des leichten Echos meiner Stimme. In keinem der Räume scheint sie sich zu befinden. Ich sehe auf den Boden, eine Träne läuft mir übers Gesicht. Ich verstehe nicht, wo sie ist.
Plötzlich öffnet sich eine Tür, eine in einen Umhang gehüllte Gestalt tritt heraus; schreitet auf mich zu.
"Peach?" rufe ich voller Verzweiflung in die Gänge des Verließes hinein, doch erhalte keine Antwort. Immer weiter nähert sich die Person. Schritt für Schritt.
"Peach?", flüster ich noch einmal ins Ohr der Person und höre eine leise Antwort.
"Wer bist du?"
"Dein Retter."
"Wie heißt du?"
Ich nehme die rote Kappe von meinem Kopf und Blicke auf sie. Dort, wo einst der Anfangsbuchstabe meines Namens war, ist nun eine weiße Fläche.
"Ich weiß es nicht." [Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/120725/evt6p9gb.png]