Ich rannte durch den Park. Dieser Idiot!, dachte ich immer wieder, Dieser arrogante Idiot! Er hat nichts besseres zu tun, als mich andauernd zu verbessern und sich über meine Fehler lustig zu machen! Warum, warum kann er nicht einfach verschwinden?
Ich rannte immer weiter; es wurde bereits Abend. Endlich war ich am Ende des kleinen Stadtparks angekommen, wo ich mich schluchzend auf einer Bank niederließ. Ja, wenn das Leben doch so einfach wäre. Im Moment machte er es mir zur Hölle.
~*Flashback begins*~
"Los, Enekoro, setz Zuschuss ein!", befahl ich; ich spürte Panik in mir hochsteigen, denn ich war gerade dabei, den Wettbewerb zu verlieren. Die Kontrolle über den Kampf hatte ich bereits längst verloren, ich befahl nur noch wahllos Attacken, in der Hoffnung, mein Schicksal doch noch abzuwenden, während mein Pokémon, Enekoro, schon bereits sehr geschwächt war, und einen Treffer nach dem anderen einstecken musste.
Das Pokémon stellte sich auf die Hinterbeine und zwischen den Vorderpfoten der eleganten Katze bildete sich eine kleine, weiße Lichtkugel, aus der sich schließlich ein Rankenhieb formte und auf den noch beinahe unversehrten Gegner zuschoss. "Absol, Klingensturm", befahl der grünhaarige Koordinator mit siegessicherem Lächeln. Die Sichel auf dem Kopf des schwarz-weißen Schattenwolfes begann, weiß aufzuglühen, sodann schickte sie der Pflanzen-Attacke eine Salve von großen, ebenfalls in glänzendem Weiß strahlenden Klingen entgegen, welche die lianenähnliche Ranke mehrmals durchtrennten und schließlich auf mein armes Enekoro einprasselten und es einige Meter weiter hinten auf den Boden prallen ließen. Nur mühsam konnte sich das geschwächte Pokémon wieder aufrichten.
"Komm schon, Haruka, du hast keine Chance", sagte Shuu abfällig; als ich, statt wütend etwas zu erwiedern, wie ich es sonst getan hätte, nur betreten auf den Boden schaute, schien er wütend zu werden.
"Was ist mit dir los, Haruka? Wo bleibt dein Kampfgeist? Ich dachte, du hättest gesagt, dass du aus der Amateurphase schon längst raus wärst..."
Ich erwiederte immer noch nichts, befahl nicht einmal eine Attacke, blickte nur stumm auf den Boden.
"Gut, wie du willst. Beende es, Absol, Aquawelle!"
Mit einem zustimmenden Bellen erschuf der Schattenwolf eine azurblaue Wasserkugel in seinem Maul, welche zu einer riesigen Welle heranwuchs, welche über dem geschwächten Katzenpokémon zusammenbrach.
Mein Pokémon war besiegt; ich hatte nicht einmal wirklich gekämpft. Während Shuu als Sieger geehrt wurde, und keinen Blick mehr an mich verschwendete, rief ich die arme Edelkatze zurück und brachte sie zu Schwester Joy... nur schwer konnte ich die Tränen unterdrücken, und rannte hinaus in den Park, wo mich in der anbrechenden Dämmerung keiner mehr sah...
~*Flashback ends*~
Was war nur mit mir los? Nun ja, ich hatte gerade vor dem Wettbewerbskampf einen Anruf von Mama aus Blütenburg bekommen; sie hatte mir gesagt, dass mein Bruder Masato auf seiner Pokémonreise von wilden Pokémon angegriffen war und jetzt schwer verletzt im Krankenhaus lag... ich sollte nach Hause kommen und nach ihm sehen, da Mama den Haushalt führen musste und Papa in der Arena beschäftigt war...
In ein paar Tagen war zwar das große Festival, übermorgen der letzte Wettbewerb, an dem ich mein fünftes Band der Johto Region gewinnen konnte...
Das würde heißen, dass ich meinen Traum aufgeben musste; schließlich hing die Gesundheit meines geliebten kleinen Bruders davon ab.
Klar, Shuu und Saori wären sicher enttäuscht von mir, Harley würde sich freuen...
Aber war mir mein Bruder nicht wichtiger? Wichtiger als mein Traum... und Shuu? Ich schluchzte wieder. Kein Wunder, dass ich im Wettbewerb so unkonzentriert gewesen war, alles war an mir vorbeigerauscht, ohne dass ich mich darauf konzentrieren konnte. Ich fühlte mich elend.
Plötzlich hörte ich eine Stimme, noch weit entfernt, immer wieder meinen Namen rufen. Ich verkrampfte mich und gab keinen Laut von mir, wagte kaum zu atmen; ich wollte nicht, dass mich hier jemand fand, schließlich war ich hergekommen, um allein zu sein!
"Haruka? Haruka, wo bist du?" die Stimme kam immer näher.
Jetzt erkannte ich sie, und verkrampfte mich noch mehr. Shuu? Warum sollte ER mich suchen?
Jetzt kam der Junge um die Wegbiegung gelaufen, die mich vor Blicken anderer Leute geschützt hatte, und sah sich mit suchenden Auge um. Es war bereits dunkel, do hoffte ich, dass er mich nicht sehen würde. Er trug einen warmen Mantel, auf jeden Fall sah esim Licht der Laterne, unter der we stand, so aus. Ich fror. Warum hatte immer nur er die praktischen Ideen? Wenn ich auch daran gedacht hätte, mir eine Jacke mit raus zu nehmen, wäre mir jetzt nicht so kalt. Klar, typisch. Ich musste immer überstürzt handeln. Aber wie auch anders, wenn man so verzweifelt war wie ich jetzt?
"Haruka?", fragte er, mit nun ruhigerer Stimme. Also hatte er mich doch gesehen. Mist!
"Geh weg", murmelte ich, und wischte mir die Tränen weg, was ihm nicht unbemerkt geblieben war.
"Du weinst?"
"Ich hab gesagt, geh weg. Ich will allein sein.", murmelte ich wieder, und versuchte einigermaßen wütend zu klingen. Doch wie, wenn man so verzweifelt war?
Er kam näher. Verflixt, war der taub?
"Komm, es war doch nur ein Band...", begann er zögerlich, "kein Grund, so ein Theater zu machen." Er stand nun direkt vor mir und strich sich arrogant eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht, damit ich auch bloß seine Überheblichkeit zu spüren bekam. Schwacher Trost.
"Ich hab jetzt echt keinen Nerv für deine bescheuerten Sprüche", schniefte ich und wandte den Blick ab.
"Man, Haruka, so kenne ich dich doch gar nicht! Sonst regst du dich immer so auf..." mein Rivale schien erschüttert.
"Kümmer dich um deine Angelegenheiten! Du weißt doch gar nicht wie das ist, wenn man so hart für etwas arbeitet und dann alles wegwerfen muss, weil man zu Hause gebraucht wird!", schrie ich ihn aus tränenüberströmten Gesicht an. Er fuhr zurück.
"Du - was?", stotterte er, und schien es nicht glauben zu können.
"Genau. Morgen fahre ich nach Hause, dann sehen wir uns vielleicht nie wieder. Wir sind keine Rivalen mehr.", sagte ich, und brach sogleich wieder in Tränen aus.
"Hey, aber das...", machte Shuu einen neuen Versuch, brach dann jedoch ab.
Er setzte sich einfach neben mich, und legte seinen rechten Arm um mich. ich spürte nahezu, wie mir die Röte ins Gesicht schoss; nur zu gut, dass es dunkel war. "Komm, alles wird gut", meinte der Junge mit nun viel weicherer Stimme. Moment mal, dachte ich, was soll denn das hier werden? Das hier ist Shuu! Was will der? Also schob ich seinen Arm weg und stand auf. "Hey, was... wo gehst du hin?", fragte der Junge hinter mir, der mir so viel bedeutete, den ich aber gerade jetzt nicht sehen wollte. "Ich geh weg, das siehst du doch", murmelte ich, und kehrte ihm erneut den Rücken.
Ich wollte gerade gehen, da spürte ich eine Hand an meinem Handgelenk, und direkt an meinem Ohr raunte eine Stime, die mir eine Gänsehaut bereitete, zärtlich: "Du willst weggehen? Gerade wo ich..." Ich fuhr herum, vor Schreck ließ er meine Hand los.
"Wo du was?"; ich funkelte ihn voller Verzweiflung an. Sah er nicht, dass er mir den Abschied nur noch schwerer machte?
Da kam sein Gesicht immer näher und ich spürte, wie seine Lippen die meinen berührten.
Erst wollte ich mich gegen den unfreiwilligen Kuss wehren, doch dann schlang ich meine Arme um meinen geliebten Rivalen; ich spürte so deutlich, wie ich ihn brauchte. Schließlich löste er sich von mir. "Alles wird gut, Haruka-chan", sagte er leise, "Alles wird gut. ich werde mit deinen Eltern reden, und im Notfall komm ich eben mit. Dann ist mir das Festival egal."
Ich spürte, wie mein Herz sich überschlug. Wusste er eigentlich, was er da sagte?
"Shuu, das kannst du nicht machen, deine Pokémon, dein hartes Training... du könntest gewinnen!", sagte ich, versuchend, meine Verzweiflung zu bändigen.
"Ach ja? ich kann machen, was ich will. Und das ist im Moment, bei dir zu sein."
Damit nahm re mich fest in den Arm, und seine Nähe tat mir unbeschreiblich gut.
Gemeinsam machen wir uns auf dem Weg zurück zum Pokécenter, seinen Mantel legte er mir um die Schultern, meinen Einwand, dass er doch frieren würde, ignorierte er einfach.
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