Scheinbar hatte Remys Vorgehen mit Xia Wirkung getragen. Die Hellebardenkämpferin beruhigte sich langsam wieder und als er der Meinung war, er könne sie nun alleine lassen, stand er aus der Hocke wieder auf und verzog sich in die Gruppe.
"Puh, noch einmal gut gegangen", dachte er sich, blieb aber so wachsam wie immer, wer wusste schon, ob Xia nicht plötzlich einen Rückfall haben würde? Seine Befürchtungen wurden allerdings - zum Glück - enttäuscht.
Nischara, der sich auch langsam wieder gefasst hatte, erklärte, dass die Wege nun wieder in Ordnung seien und dass man jetzt wieder weitergehen könne, was auch unmittelbar nach dem Vorschlag angenommen wurde.
Während des Marsches nach Balancoire, bewegte sich Remy relativ unauffällig zwischen den anderen, hatte aber immer wieder das eine Auge für Nischara und Xia übrig. Er war sich eigentlich ziemlich sicher, dass die Situation nun bereinigt sei, aber wann hatte Vorsicht denn je geschadet?
Als sie in Balancoire ankamen, sah sich Remy zuerst ein wenig um. Einige seiner Mitstreiter speicherten einige Blumen aus den Beeten in ihren Quest-Magni, andere das Wasser des Kanals. Balancoire war in keinster Weise mit den anderen zwei verrückten Dörfern hier zu vergleichen. Von der Farbenvielfalt des Dorfes der Bäcker und der Einseitigkeit des Dorfes Reverence kommend, sah sich Remy erstmals seit einer Woche wieder in einer Stadt, die ihm gewöhnlich vorkam, herumwandeln. Über Balancoire thronte schliesslich der Palast, und als man sich diesem weiter genähert hatte, kam der Gruppe schon eine Wache entgegen, ohne Zweifel, um sie in Empfang zu nehmen.
"Ihr müsst die Kriegertruppe um die Soldatin Sheewa sein, die Corelia hier herbegleitet hat und nach der wir Ausschau halten sollten", meinte die Wache, woraufhin Sheewa vortrat. Damit war die Tarnung dann wohl auch aufgeflogen. "Das sind wir, verzeiht die Verzögerung aber wir hatten nicht gerade großes Glück mit den wandernden Wegen", erklärte die Rothaarige dem Mann, "Die Königin hat uns Wachen geraten nach einer Rothaarigen Soldatin des Imperiums Ausschau zu halten, welche die anführt, da sich der Rest eurer Truppe wohl verändern würde. Und so wie es scheint hatte sie recht mit ihrer Vorhersage, denn unter euch sind einige Gesichter, von denen uns nicht berichtet wurde", Remy konnte sich denken, was er meinte, er war wohl nicht der einzige gewesen, der sich hier neu hinzubegeben hatte, aber er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn die Wache fuhr schon wieder fort, "Wie dem auch sei, ihr seid nicht zu spät, wir hatten schon die Befürchtung ihr würdet später eintreffen, da selbst unsere Lady und die Königin von Anuenue mit der Kutsche erst heute Morgen eintrafen. Deswegen könnt ihr leider auch nicht sofort zu ihnen. Unser Herzog Calbren, seine Nichte, die liebliche Lady Melodia und Königin Corelia sind im Augenblick noch in einem Gespräch mit einem weiteren Gast, von dem sie sich einige Informationen erhoffen, die auch für eure Mission wertvoll sein sollen. Schaut euch doch solange in unserer schönen Stadt um, jetzt wo ihr hier seid, können wir euch sofort benachrichtigen, wenn die Hoheiten mit dem Gespräch fertig sind.“ Er hielt einen Augenblick inne und betrachtete die Gruppe erneut mit wachsender Ehrfurcht. "Es ist mir übrigens eine Ehre euch kennen zu lernen, die Palastwachen Corelias haben schon viel von euch erzählt und davon, wie ihr unsere geliebte Lady vor diesen Abtrünnigen beschützt habt."
Remy fühlte sich vom letzten Satz nicht betroffen, schliesslich war er damals noch nicht dabei gewesen... Er müsste sich seinen Ruhm schon erarbeiten, so viel war klar.
Zum ersten Mal seit einiger Zeit war Remy nun unachtsam, und gerade in diesem Moment erwies sich das als fatal. Bevor er überhaupt realisierte, was passierte, hatte Prophet schon einen schnellen Satz zu Sheewa gemacht und drückte ihr im nächsten Moment die Luft ab, wobei er in einer orhenbetäubenden Lautstärke zeterte:
"SO IST DAS ALSO! Du spielst einfach die freundliche Mitgefangene, dabei bist du die Anführerin dieser Teufelsgruppe! Zur Hölle mit dir, zur Hölle mit euch allen! Ich habe es gesehen, in meiner Vision! Das Gleichgewicht gerät aus dem Konzept, die Welt steht vor einer großen Katastrophe und ihr seid höchstwahrscheinlich die Verursacher! Du wirst dir wünschen mich niemals hinters Licht geführt zu haben!" Er hielt kurz inne, wandte sich dann aber an die Gruppe,"Niemand bewegt sich, oder ich breche eurer Oberketzerin das Genick!"
Remy war klar, dass es dem Geistlichen völlig egal sein würde, ob sich jemand rührte, doch mit seiner Feuermagie war hier wenig auszurichten, zumindest nicht, ohne jemanden zu verletzen. Also war der erste, der etwas tun konnte, Shadow. Der Schwertkämpfer näherte sich Prophet von Hinten und konnte ihn mit einem Rammmanöver dazu bringen, von Sheewa abzulassen und ihn zu Boden stürzen. Dabei hielt er dem Wahnsinnigen die beiden Schwerter vor die Kehle, allerdings hatte der nicht im Geringsten vor, aufzugeben, und stiess diese mit blossen Händen weg, was grässliche Schnittwunden zur Folge hatte. Schliesslich brachte er die Schwerter weit genug von seinem Körper weg, um Shadow eine Kopfnuss zu verpassen und Remy machte, sich, jetzt da Prophet dabei war, auf Sheewa zuzugehen, schon bereit und hüllte seine Fäuste in Flammen. Allerdings kam ihm Stefan zuvor. Remigius hatte zuerst keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, in wenigen Sekundenbruchteilen neben dem Geistlichen zu stehen, ihm eine grosse Eisenkugel in die Magengrube zu rammen, ihn zu Boden zu werfen und sich, die Hände des Opfers haltend, auf ihn zu setzen.
Nach einigen Sätzen verlangte Stefan nach einer Fessel, die man in Nekulas Eis fand, aber Remys Aufmerksamkeit war bereits abgelenkt. Sheewa hatte plötzlich zu glühen begonnen und strahlte enorme Hitze ab.
"Eine seltsame Art der Magie", dachte sich Remy. Er war zwar zu Hundert Prozent ein Feuermagier, aber etwas ähnliches konnte er nicht erwirken, zumindest nicht durch seinen eigenen Körper. Sheewa hatte sich inzwischen an Prophet gewandt, und hielt diesem eine ordentliche Standpauke, mit dem Resultat, dass sie ihn wieder freiliess, scheinbar hatte ihr Auftritt eine ziemliche Wirkung mit sich gezogen...
Doch schon drohte die nächste Katastrophe, obwohl die meisten vorhin auf Nischara geachtet hatten, weil sie seine Reaktion sehen wollten, hatte Prophet die anderen sehr erfolgreich abgelenkt, was sich jetzt ziemlich schlecht auswirkte.
Nischara zückte sein Schwert und hielt es auf Sheewa gerichtet. Die Anschuldigungen, die dann kamen, musste man gar nicht mehr hören, um sie zu kennen, Remy hatte besseres zu tun. Während die anderen zwei sich in Kampfposition begaben, bereitete er eine grosse Flammenwand vor, um sie zu trennen...
Allerdings hatte er die Rechnung ohne einen kleinen Jungen gemacht, der urplötzlich zwischen den beiden Kontrahenten stand und sie beide aus grossen Kulleraugen anschaute. Der Feuermagier musste sich dabei gehörig zurücknehmen, denn die Feuerwand hätte den Jungen zu Asche verbrannt, hätte er sie losgelassen, und so musste er die beinahe entfesselte Magie rasch wieder zügeln.
Aus diesem Grund bekam er auch erst nicht mit, was genau los war, jedenfalls lud ein älterer Herr die Gruppe ein, in sein Haus zu kommen, um die Sachlage zu klären. Remy folgte den anderen und lehnte sich schliesslich an eine Wand, um anderen die Sitzplätze zu überlassen.
"Mal sehen, ob Nischara dazu fähig ist, zu erkennen, was hier eigentlich los ist", dachte Remy sich, liess sich aber wie so oft nichts anmerken.