Beiträge von Android 17

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    Werd zwar erst irgendwann am frühen Abend dazustoßen, würd euch aber auch Handelskai empfehlen.

    Hab dort bis vor meinem Umzug im Oktober +5 Jahre lang gewohnt und der U-Bahnbereich ist halt auch in Anbetracht der rush hour an 'nem Samstag um 11 Uhr mehr als groß und übersichtlich genug, um einen idealen Treffpunkt für eine größere Menge darzustellen.


    Die Millennium City bietet meiner Meinung nach verlässlicher genug Sitzplätze als der Westbahnhof, auch schon aus dem Grund weil Wbhf häufig gefühlt zur Hälfte mit Obdachlosen belegt ist. (Nichts gegen die, mir fiel halt nur oft auf, dass man bei Wbhf nicht gut Plätze finden kann wenns um Gruppen ab 4-5 Personen geht)

    Allerdings gibt's das Soho nimma..... (╥﹏╥)

    ja leider q.q

    Werd zwar erst irgendwann am frühen Abend dazustoßen, würd euch aber auch Handelskai empfehlen.

    Hab dort bis vor meinem Umzug im Oktober +5 Jahre lang gewohnt und der U-Bahnbereich ist halt auch in Anbetracht der rush hour an 'nem Samstag um 11 Uhr mehr als groß und übersichtlich genug, um einen idealen Treffpunkt für eine größere Menge darzustellen.


    Die Millennium City bietet meiner Meinung nach verlässlicher genug Sitzplätze als der Westbahnhof, auch schon aus dem Grund weil Wbhf häufig gefühlt zur Hälfte mit Obdachlosen belegt ist. (Nichts gegen die, mir fiel halt nur oft auf, dass man bei Wbhf nicht gut Plätze finden kann wenns um Gruppen ab 4-5 Personen geht)

    Ich bin wahnsinnig stolz auf Conchita. Vielen gefällt ihr Song oder ihr Auftreten nicht, doch mich hat sie vollkommen überzeugt.
    Starke Stimme, eine unglaubliche Ausstrahlung sowie Bühnenshow, außerdem hat sie bei jedem noch so kleinen Interview erwähnt, wie sehr sie für Toleranz und Akzeptanz kämpft.


    Es ist wohl allen bewusst, dass der Song alleine bestimmt nicht soweit gekommen wäre, obwohl er mir persönlich sehr gut gefällt. Dann gibt es noch eine Gruppe an Leuten die denken, dass sie es ohne Bart nie geschafft hätte... Das mag sein!
    Allerdings hat sie jene Aufmerksamkeit der Medien dazu genutzt, um gleichzeitig über kritische Themen wie Diskriminierung unter der Gesellschaft (LGBT) oder Intoleranz zu sprechen.
    Wer sich aber mal ein paar ihrer Interviews ansieht wird merken, es ist nicht nur der Bart. ;) Sie hat einfach das gewisse Etwas, sie hat Charme und Humor, einfach Unterhaltung pur & ein Hingucker.
    Was ich ihr ebenso hoch anrechne, hingegen all der Befürchtungen die sie mit obszönen Sexismus in Verbindung gebracht haben, hat sie sich on stage (besonders bei dem Event wo ganz Europa zuguckt) von ihrer besten Seite gezeigt, ohne auch nur das kleinste Bisschen an provokanter, nackter Haut zu präsentieren - schön, edel, elegant.
    Gut gemacht, Conchita!


    Meine Top 10:


    1. Österreich (Conchita Wurst - Rise like a phoenix)
    2. Polen (Donatan & Cleo - My Slowianie (We are slavic))
    3. Frankreich (Twin Twin - Moustache)
    4. Italien (Emma Marrone - La mia citta)
    5. Rumänien (Paula Seling & Ovi - Miracle)
    6. Niederlande (The Common Linnets - Calm after the storm)
    7. Schweiz (Sebalter - Hunter of stars)
    8. Norwegen (Carl Espen - Silent storm)
    9. Deutschland (Elaiza - Is It Right)
    10. Aserbaidschan (Dilara Kazimova - Start a fire)

    Wie findet ihr, dass die Türkei seine diesjährige Teilnahme abgesagt hat?


    Konnte mich mit den türkischen Beiträgen nie wirklich anfreunden.
    Ebenso letztes Jahr. Die Performance war 'n bisschen zu kitschig, dementsprechend bin ich nicht traurig darüber, die werden schon wieder zurückkommen, wenn ihnen danach ist. ^^


    Was haltet ihr von Cascada und ihrem Song "Glorious"?


    Mag sein, dass viele von Betrug und Kopie sprechen, eben vllt auch nicht zu unrecht...
    Allerdings gefällt mir Deutschlands Beitrag ziemlich gut, guter Ohrwurm und partytauglich, im Gegensatz zum alljährlichen Eurotrash der Ostblockländer.
    Bin mir sicher, dass Deutschland in diesem Jahr einen hohen Platz ergattern wird. Ob Cascada es auf Platz 1 schaffen, da müssen die Deutschen wohl noch 'n Hühnchen mit ein paar Dänen und Ostblockfutzis rupfen.
    Also, das Zeug für einen hohen Platz hat das Lied allemal, jedoch kommt's auch drauf an, wie Sängerin Natalie's Stimmbänder an dem Tag aufgelegt sind... Die Live-Performances könnten in my opinion stimmlich besser sein.
    Trotzdem, Austria gives 12 Points to Germany!


    Habt ihr bereits einen Favouriten für den ESC 2013?


    Das mag natürlich sehr patriotisch klingen, da ich in Österreich wohne, jedoch gefällt mir unser Beitrag dieses Jahr mit Abstand am Besten.
    Individuell, geht mir nicht mehr aus dem Ohr, tolle Stimme, süße Sängerin, souveräner Auftritt, jap.
    Mich hat's ehrlich gesagt negativ überrascht, es nicht ins Finale geschafft zu haben. An dieser Stelle: Jaaa, jeder hat 'nen anderen Geschmack, manche finden's scheiße, die Trackshittaz letztes Jahr waren auch zum...
    *hust* Egal, ich war nur etwas irritiert, da Natalia Kelly für ihren Beitrag sowohl von den (internationalen) Fans, als auch seitens der Wettbüros viiiel bessere Chancen bekommen hat, als zB. Nadine Beiler, welche es 2011 in Düsseldorf immerhin auf Platz 18 im Finale geschafft hat. Kann man leider nichts machen. :(


    Desweiteren:


    Deutschland (Gogogo! Bitte rächt Österreich dafür, dass wir vom Ostblock im ersten Semifinale eliminiert wurden)
    Dänemark (Im Gegensatz zu dem Großteil an Balladen dieses Jahr definitiv erfrischend und auch ohrwurmverdächtig, mal sehen ob sie es wirklich auf Platz 1 schaffen)
    Serbien (Ich weiß, ich weiß, Popsong... Naja, ich hab eben auch ein Ohr für Pop- und Dancemusic. ^^ Frag mich nur ernsthaft, warum die drei Mädels nicht die heißen Kleider vom Vorentscheid mit nach Malmö genommen haben...)
    Schweden (Ja, die Schweden haben halt fast immer ein beliebtes Lied am Start, mich hat der Chorus auch gepackt :))
    Vereinigtes Königreich (Vorweg: Der Song hat etwas angenehmes an sich, das mir einfach gut gefällt. Zum Zweiten: Vergleicht doch mal den Chorus des britischen Beitrages mit dem Lied "Let me be the one - Nicolette Larson" (1987). Womöglich denke nur ich so, doch Deutschland ist vielleicht nicht das einzige Land, welches sich heimlich am Kopiergerät bedient hat, oder zum Glück ist das betroffene Lied eben einfach viel zu unbekannt.)


    Werdet ihr die Show dieses Jahr gucken?


    Ich hätte mich soooo darauf gefreut, Serbien und Österreich im Finale zu sehen, leider wird's nichts...
    Egal, ich werde mir die weiteren Shows bestimmt ansehen und für meine Favoriten die Daumen drücken & voten. :)

    Eine neue Kurzgeschichte!


    + Soundtrack im Startpost vorhanden +



    [Blockierte Grafik: http://oi48.tinypic.com/2z3xi5h.jpg]


    +++


    Die Flucht




    Funkelnde Schönheit



    Das Herzstück, die goldene Ader unserer Stadt – Bezirk Eins.
    Mittig gelegen, ausschließlich bevölkert von Rang, Adel und der Noblesse, so wird dieser abgetrennte Bereich dargestellt.
    In Bezirk Eins leben ausnahmslos die Schönen sowie Reichen von Sinensis, Besitzer von erfolgreichen Geschäftsketten oder Firmen aller Arten, ebenso berühmte Ärzte, Wissenschaftler, Erfinder, Schauspieler oder Fotomodelle. Wie eine uneinnehmbare Festung thront das vergoldete Königreich im ersten Bezirk auf einem großflächigen Hügelgebiet, abgeschirmt durch funkelnde Betonwände, quasi unerreichbar aufgrund eines überwachenden Meeres aus Rosen, deren Dornen pures Gift absondern. Bezirk Eins erreicht man ausschließlich mit speziellen Genehmigungen, per Lufttransportation. Nebenbei werden dort häufig Straftäter und Kriminelle, gleich einer kranken, umjubelten Zeremonie, auf dem Pranger vor Sinensis‘ Augen hingerichtet. Der erste Bezirk beheimatet neben den Regierungsleuten und deren verschworenen Propagandaverbreitern etwa vier Millionen Menschen. Fashion, Glamour, Verschwendungswahn, Unzufriedenheit – die Leutchen dort genießen Saus und Braus, wissen jedoch nichts mit ihrem Glück anzufangen, während die ärmsten Groschendreher hierzulande oftmals jämmerlich auf den Straßen zu Tode kommen.
    Es ist eine äußerst rare Begebenheit, Bürger des ersten Bezirks auf den Straßen der Armen anzutreffen. Einige Einwohner würden sich bereits für simplen Augenkontakt prügeln, in der Hoffnung, es würde ihnen etwas Gutes widerfahren. Wenn ihr mich fragt, sollte man diese grauenhaft oberflächliche Spezies bis auf das letzte Bisschen ausrotten, wegsperren!
    Mit dem Prinzip – eine Hand wäscht die andere – profitiert die Regierung immer wieder. Sie wäre höchstwahrscheinlich viel zu mächtig, als dass man etwas an ihr zum Einstürzen bringen könnte. Folgendes läuft ab: Man wird in ganz Sinensis rund um das Zahlenrad mit Werbung überschwemmt.
    Einfaches Werben in den minimalsten Zeitungsabschnitten kostet heutzutage jedoch ein Vermögen, weshalb geldlosere Unternehmen, sollten sie Pech haben, innerhalb kürzester Zeit unter der Welle versinken. Die Regierungschefs waren schlau genug, um daraus eine Möglichkeit für ihre Gehirnwäsche zu nutzen. Viele Jahrzehnte vor meiner Zeit trennten sie die Spreu vom Weizen und unterstützen seitdem die derzeit erfolgreichsten Handelsketten, Markenprodukte. Sie ermöglichen ein günstiges Werben für deren Produkte, bauen demgegenüber ihre Propaganda überall ein. Erst kürzlich kam ein brandneues Müsli auf den Markt, welches anscheinend präpariert ist und Glücksgefühle auslösen soll. Sie versüßen die Freizeit, (verhindern damit Gedanken für Aufstände, Rebellion) und wären absolut preiswert. Für mich klingt das nach einer Droge.
    Dies ist lediglich ein bescheidenes Beispiel, befördert jedoch massig Kohle in die Geldsäcke von Bezirk Eins.


    Ich erreiche gerade den menschenleeren Hintereingang von Tonis‘ Jagdhaus. Die enge Gasse, deren dunkelgrauer Backstein regelmäßig mit neuem Graffiti beschmiert wird, ist für mich eine Art Metapher. Selbst bin ich das insektenkleine Wesen, welches verzweifelt durch jede dieser identischen Seitengassen schlüpft, vorbei an den endlosen Wolkenkratzern, um irgendwo am Ende einen Ausweg zu finden.
    Meine Kleidung sieht dezent zerknittert aus, das Haar wirr und durchwuschelt. Mir fällt ein, dass ich heute unbedingt pünktlich Feierabend machen muss, Fynnus will nämlich ein paar Dinge klären, mir Informationen zustecken, bevor ich mein Wissen kommenden Abend mit Chess und Luc teile.
    Tonis Todor, der Künstlername des Gründers dieser Jagdhausgesellschaft. Er ist ein wohlhabender Geschäftsmann. Sein Gesicht kenne ich ausschließlich von Fotografien und Werbeplakaten, er lebt ebenfalls im ersten Bezirk und lässt sich niemals hier blicken. Eigentlich kann mir das relativ egal sein, ich bin selbst nur Mitarbeiter der mittleren Schicht unseres hochrangigen Verkaufsgebäudes. Dennoch beschweren sich meine Kollegen manchmal, er wäre ein überaus unnützer Chef, dafür, dass er kein Interesse an seiner fleißigsten Firma von Bezirk Zehn zeige. Ich selbst finde es zu köstlich, überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden. Jener Zweck der Tätigkeit, welcher ich hier fast täglich neun Stunden nachgehen muss, ist ohnehin nicht wirklich sinnvoll. Vierundneunzig Prozent unserer Einkäufe erfolgt via Internet, die Kunden stammen allesamt aus dem ersten Bezirk. Dementsprechend kundenleer scheinen unsere Kaufräume zu manchen Geschäftszeiten. Die meisten Angestellten, inklusive mir, kümmern sich deshalb grundlegend um die Erhaltung von Jagdwaffen. Wir reinigen sowie erhalten sie ihrem qualitativ hochwertigsten Zustand. Gelegentlich frage ich mich tief grübelnd, wozu es solche Läden so weit gebracht haben. Zugegeben, Sinensis‘ Einwohnerschaft ist trotz Regierung bunter gemischt als jeder Salat, Interesse bestünde durchaus. Wälder oder Berglandschaften zum Jagen stehen uns nicht zur Verfügung, die Wenigsten könnten sich ein winziges Messerchen leisten. Nichtsdestotrotz, könnte das Geschäft mit Bezirk Eins kaum besser laufen. Wahrscheinlich ist nicht nur für mich reizend, Jagen als Sportart auszuüben, anstatt sich mit erlegten Tierkadavern zu krönen.
    Tonis‘ Jagdhaus ist dreistöckig, mit allen möglichen Abteilungen. Meine Aufgabe besteht darin, mich mit altmodischeren Modellen, fernab von halbtechnisierten Waffen, zu befassen, die Kunden damit vertraut zu machen. Von tödlichen Wurfmessern, bis hin zu den teuersten, von Menschenhand geschaffenen, Bögen und Speeren ist so gut wie alles in meinem Sortiment vorhanden. Ich gäbe einiges dafür, den Platz mit Philadelph zu tauschen – der Partner in meinem bescheidenen Geschäftsraum. Mich zeichnet das Denken aus, gut im Reden bin ich privat nun wirklich nicht. Sein wunderschöner Name, beziehungsweise, Zungenbrecher, klingt aus meinem Munde derartig unbeholfen und genuschelt, dass ich ihn einfach Phil nenne.
    Viele Erinnerungen sind mir von meinen Eltern nicht geblieben. Alles, was mir im Köpfchen blieb, ist, dass ich durch meine Lebensspender reinrassiger Texaner bin. Die immerwährende Sonnenbräune meiner Haut bezeugt dies womöglich, passt allerdings nicht besonders gut zum schlanken Rest meines Körpers. Philadelph würden meine Wurzeln eher stehen. Er ist ein stämmiger, gut gebauter Mann, etwas größer als ich, natürlich kräftiger. Ein Familienvater. Dafür überspannt zartrosafarbiges Hautpigment seinen Körper. Philadelph lebt mit seiner Gattin und den beiden Söhnen im neunten Bezirk. Obwohl Phil in unserem Department nicht sonderlich besser verdient, kann sich seine vierköpfige Familie durch den hohen Unterhalt seiner Frau, welche Leiterin einer beliebten Kolumnenzeitschrift ist, noblere Lebensbedingungen im teuersten Völkerbezirk des äußeren Stadtrings leisten. Zwölf, Dreizehn und Vierzehn bilden im Einwohnerprotokoll das Bild der sozialen Unterschicht. Eine Reise von Elf nach Zwölf kann beispielsweise Weltenbilder verändern.
    Phil und ich harmonieren wirklich gut miteinander, was die Waffenkunst betrifft.
    Das, obwohl ich nur mit Pfeil und Bogen erfahren bin. Er ist trotz seines guten Lebens allerdings kein bisschen abgehoben. Im Gegenteil, öfters hilft er mir bei verzwickten Situationen oder beantwortet Fragen.
    Rucks husche ich durch die bestückten Gänge, vorbei an ein paar namenlosen Gesichtern, zu meiner Linken eine Theke mit Pistolen, zur Rechten führt ein weiträumiger Flur in die erweiterten Abteilungen, wo neuerdings Kampfausrüstungen angeboten werden. Ich hoffe inständig, das Volk aus Eins wird sich mit unseren importierten Fabrikaten irgendwann die Köpfe auseinander schlagen und sich zu Brei zersägen. Seufzend lasse ich mir etwas heiße Schokolade vom Getränkeautomaten in einen Pappbecher gießen und nehme danach den Fahrstuhl in Etage Zwei.
    Es ist zehn Minuten vor acht Uhr. Kaum bestätige ich die Anwesenheit durch den Aufspürradar im Handgelenk bei der nächstgelegenen Stempeluhr in meinem Arbeitsareal, läuft mir Philadelph in die Arme – beinahe hätte ich sein Hemd mit flüssiger, heißer Schokolade verunstaltet. „Guten Morgen, Pethar. Komm schnell mit… muss dir etwas zeigen!“ Seine Herkunft ist Frankreich, die Aussprache bezeugt dies musterhaft. Obwohl ich noch etwas verschlafen von der berauschenden Fahrt wirke, ist es ein Leichtes, jene Sache zu verbergen. „Klar…“
    Wie ein kleines Kind, das eifrig an Schaufenstern herumschlittert, leitet Phil mich in unsere kleine Abteilung. Meine Arbeit macht mir nicht zuletzt so Spaß, weil wir uns ständig Mühe geben, unseren Verkaufsraum ordentlich zu halten. Die Wände, gestrichen in kräftigen Orangetönen, erzeugen motivierende Atmosphäre. Und genau diese ermutigt mich immer wieder, ordentlich zu arbeiten, fernab von Fluchtplänen, denn irgendwann und –wo muss ich eben mein Geld verdienen. Unser Verkaufstresen besteht aus einer sorgfältig eingerichteten Panzerglasvitrine, unter die sich tödliche bis elegante Jagdwaffen kuscheln.
    Ein, in die Länge gezogener, Waffenkoffer neben unserer Kasse schmückt die Vitrine. Meine Aufmerksamkeit ist geweckt! Ich gehe von einem besonderen Bogen aus, natürlich schmeichelt mir der Gedanke sehr. Philadelph öffnet den Koffer. „Das bleibt unser besonderes Geheimnis.“ Meine Vermutung bewahrheitet sich. Ich staune zutiefst.
    „So etwas Wunderschönes habe ich noch nie gesehen…“ Phil schmunzelt. Der eleganteste Bogen, dessen Antlitz ich je betrachten durfte, eingebettet in schwarzem Saum, liegt in greifbarer Nähe. „Der ist aus purem Gold“, flüstert mein Freund. Funkelnd geschliffener Edelstein umgarnt den Griff. Mir werden fast die Knie weich bei dem Gedanken, wie edel und glamourös es doch wäre, von den goldenen Pfeilen dieser hypnotisierenden Schusswaffe durchbohrt und erledigt zu werden. Eigentlich diabolisch, dennoch außerordentlich amüsant, spukt die kinoreife Vorstellung unter meiner Schädeldecke. Am liebsten würde ich mir das wertvolle Objekt sofort unter den Nagel reißen, doch Phil verschließt den Koffer. „Wir müssen das feiern, Pethar“, sagt er stolz. „Wie meinst du das?“ „Antonja, die miesepetrige Chefin der Abteilung für teure Schusswaffen hat heute Morgen einen Anruf bekommen. Darin schilderte eine Reiche aus Bezirk Eins, sie hätte nur positive Resonanzen von unserer kleinen Abteilung zu Ohren bekommen und wolle deshalb persönlich hier auftauchen, um sich dieses Prachtstück abzuholen.“
    In der Tat sind wir fleißig und werden nie gerügt. Unsere Kunden sind mehr als zufrieden, das zeichnet mich und Philadelph aus. Doch irgendetwas macht mich bei der ganzen Situation misstrauisch. Eine Reiche aus Bezirk Eins kommt persönlich hierher, in den weit entfernten, zehnten Bezirk, nur weil wir gute Arbeit leisten? Trotz mulmiger Magengegend kann ich Phil zweifelsfrei überzeugen, sein Frohlock hundertprozentig zu teilen.
    Ich gehe meiner Tätigkeit nach, kümmere mich um ein paar Dolche, schleife und poliere vornehme Klingen, während Phil die Umsatzkarteien der letzten Woche durchgeht. Disharmonie herrscht in meinem Kopf. Zuallererst ist da dieser eifersüchtig machende Bogen, dessen Besitzer ich niemals sein werde. Ich bin völlig zufrieden mit dem Eigentum in meinen vier Wänden, solch ein Prachtexemplar versetzt mich jedoch in eine neidische Position.
    Viel stutziger macht mich aber die Geschichte mit unserer kauffreudigen Interessenten. Eine Lüge, eine Falle? Hat man mich und vielleicht sogar meine Hackerkumpel auffliegen lassen oder erwischt? Gedankenversunken schleife ich die letzten Wurfmesser aus unserer Sammlung und ritze mir dabei ungeschickterweise eine winzige Kratzwunde in den Daumen – wenigstens blute ich nicht.


    Es ist knapp vor zehn Uhr vormittags, als sich Phils Information über den voraussichtlichen Tagesverlauf bestätigt. Ich erschrecke. „Hey, ihr lahmen Tölpel! Steht da nicht so dumm herum, eure Kundin ist gerade im Aufzug, sie wird in Kürze eintreffen! Macht das Beste draus, sonst werde ich euch beide kielholen!!“, brüllt Antonja durch die notorisch kreischende Lautsprecherdurchsage. Sie beobachtet uns wahrscheinlich schon eine Weile durch die Überwachungskameras.
    Wir werden nie gerügt, da unsere Arbeit stets sorgfältig und ordentlich gemacht wird. Die, Faulheit implizierende, Bezeichnung Antonjas deutet sozusagen auf konkurrenzlosen Neid.
    Sekunden später bewahrheitet sich ihre Ankündigung. Vulgär gekleidet in hautenger, korallenblauer Seide, mit tierischem Pelz als Kragen, trudelt die besagte Dame schwebend in unsere vier Wände ein – das Geräusch ihrer überdimensionalen Absätze auf den mahagonibraunen Fließen ist quasi unhörbar. Goldige Locken, hohe Wangenknochen und blutrote Lippen zieren das Haupt. Sie nimmt ihre sündhaft teure Sonnenbrille ab und stellt sich hoffähig vor. „Man nennt mich Octavia Autréchze. Guten Tag.“ Zwei bullige Bodyguards, wahrscheinlich bis zu den Zehenspitzen mit mordlüsternen Gegenständen eingedeckt, stehen wachsam hinter ihr. Die mysteriöse Dame verkauft sich formidabel und höflich, mich stört nur ein Aspekt an ihr erheblich. Sie wirkt trotz engelsgleichen Augen, makellos reiner Haut, natürlichem Profil und weiblicher Rundungen so kalt wie ein Stück Holz – für einen Androiden scheint sie aber zu menschlich. Möglicherweise eine Schauspielerin? Spionin? Verschworene der Regierung? Ruhig bleiben, Pethar!
    Ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, mit solch einer Person das häusliche Familienleben teilen zu müssen. Grauenhaft. Wie eine verletzliche Plastikpuppe, ohne jegliche Emotion, wirkt sie. Es ist schon schlimm genug, dass sie für diesen übermenschlich gutaussehenden Look vermutlich monatelang vor dem Spiegel gefangen verbringen muss. Ich male mir bei diesen überirdischen Kreaturen gerne aus, dass sie bei der unscheinbarsten Berührung zu Bruch gehen würden. Dass man ihr Selbstvertrauen, den Charakter, das Gesamtpaket mit einem unvorsichtigen Situationsverlauf in tausend Teile auseinander reißen könne. Frauen wie sie passen eher in gläserne Särge, wo man die Schönheit stundenlang bestaunen, genießen kann, anstatt in eine familiäre Umgebung. Dasselbe denke ich mir übrigens auch bei diesen chic aussehenden Suiten im ersten Bezirk. Eine falsche Bewegung – die wertvollste Antiquität ginge drauf, so lässt es sich doch wohl kaum leben.
    Mein Partner übernimmt die Situation selbstbewusst, er räuspert sich. „Wir begrüßen Sie herzlich in Tonis‘ Jagdhaus! Es ist wahrlich eine große Ehre, dass Sie unserer Geschäftseinrichtung höchstpersönlich einen Besuch abstatten, Frau Autréchze. Hatten Sie denn eine angenehme Anreise?“ Phils Worte klingen fürchterlich aufgesetzt, doch ebendies sowie sein französischer Akzent, schmeicheln Fräulein Perfekt offenbar. Besonnen nickt sie, würdigt mich keines Blickes, mustert nicht mal unser Inventarium. Mein Sarkasmus kommt zum Vorschein. An Interesse, herauszufinden, ob die Resonanzen über unsere vorbildliche Arbeit wahrheitsgetreu sind, mangelt es der Guten offensichtlich kein bisschen. Ich wage es zuletzt doch nicht, meiner freundlich lächelnden Miene abzuweichen – ihre Bewacher sehen dafür eine Spur zu gefährlich aus…
    Am liebsten würde ich mir fremdschämend die Hand ins Gesicht drücken, Phil erzählt und schwafelt nämlich eine gefühlte Ewigkeit über alles Mögliche. Die Gründung und Vergangenheit dieser Firma, darüber, wie zufrieden unsere Kunden sind, etc. Ungeachtet dessen wirft Frau Autréchze einen flüchtigen Blick auf unsere Wanduhr. Sie zieht die Augenbrauen schroff zusammen, ihre Stimmlage bleibt allerdings im gesitteten Bereich, als sie Phil plötzlich unterbricht - er verstummt augenblicklich. „Beeindruckend. Haben Sie nun meinen gewünschten Artikel, Herr…?“ Sie lässt die Frage offen im Raum stehen. „Herr Philadelph Coté“, informiert er. „Und ja, selbstverständlich.“
    Mich überrascht, dass seiner zuvorkommend freundlichen Mimik durch ihre unterbrechende Frage keineswegs ein Zacken aus der Krone bricht, zumindest äußerlich erscheint es mir so. Der Kunde ist nun mal König.
    Phil zieht den länglichen Waffenkoffer aus einem Fach hervor und platziert ihn auf der gläsernen Theke, behutsam öffnet er den Deckel. Zum ersten Mal zeigt unsere Kundin Emotionen, wenn auch nur einen winzigen Hauch. Der Abstand zwischen ihren Lippen vergrößert sich geringfügig, die Lider weiten das Blickfeld. Im selben Moment entrinnt dieses minimale Bisschen Menschlichkeit auch wieder unter einer eintönig narzisstischen Maske. Phil schließt den Koffer. „Ausgezeichnet“, sagt Frau Autréchze zufriedengestellt. Sie winkt einen ihrer Begleiter zu sich und erteilt ihm, den modernisierten Briefumschlag aus ihrer Handtasche zu überreichen. Ich bin leicht erstaunt, so einen sehe ich zum ersten Mal. Briefe wie dieser lassen sich nur mit einem ausgesprochenen Zahlencode öffnen. Jenes Material dieses Papiers ist unterspickt mit mikroskopischen Metalldrähten und daher unzerstörbar. Die blaue Lady übermittelt unterdrückt flüsternd den geheimen, achtstelligen Öffnungscode, Phil verwendet ihn unverzüglich und zählt ein dickes Bündel Geld in seiner Hand. Danach verbarrikadiert er es, ohne jegliche Zeit zu vergeuden, in unserem Safe.
    Ihrem zweiten Begleitschutzmann gibt sie den Auftrag, die Schusswaffe entgegenzunehmen. Des Weiteren hat sie eine nebensächlich scheinende Bitte an Philadelph. „Herr Coté. Da Sie in meinen Augen ein kompetenter Angestellter in diesem noblen Etablissement sind“, eine reizende Geste ihrer Arme untermalt die Worte „hätte ich ein kleines Anliegen. Mein Begleiter, Brutus“, Frau Autréchze deutet auf den Fleischbrocken samt Koffer im rechten Arm „zeigte vorhin ein gar überwältigtes Interesse an der Abteilung nebenan, doch unglücklicherweise fand sich dort ungelogen kein hilfreiches Personal auf. Würden Sie es ihm freundlicherweise näherbringen können?“ Ihre Stimme klingt sanft, hat in meinen Ohren jedoch etwas Trügerisches an sich. „Natürlich. Bitte folgen Sie mir.“ Mir fährt ein leichter Schauer über den Rücken. Gänsehaut breitet sich aus, als mir deutlich wird, dass die Fremde Philadelph und mich trennen will. Phil eilt aus unserem Geschäftsraum. Anstandslos, fast tölpelhaft, folgt ihm der monströse Fleischklotz.
    Innerlich hilfesuchend stehe ich hinter dem Tresen. Ich will keinesfalls ein unzufriedenes Gefühl in der Kundin entfachen, weiche ihren Blicken daher unauffällig aus und warte sehnsüchtig auf Phils Rückkehr. Die Sekunden verstreichen. Obwohl ich auf meine gefalteten Hände starre, spürt meine Haut förmlich, wie sie durch die blauen Pupillen der Kundschaft tausendfach durchbohrt wird, verätzt. Langsam breiten sich Nervosität und Ungeduld in mir aus. Plötzlich kommt sie einen Schritt näher. Ich schlucke merklich und kann nicht anders, als in ihr gespenstisch schönes Antlitz zu blicken. Noch einen Schritt und einen weiteren. Schon steht sie vor mir, lehnt sich federleicht gegen das Glas der Vitrine. Wohingegen ihre Augen zuvor blass und unerreichbar wirkten, so sprühen sie jetzt vor Feuer. Es soll nicht einschüchternd oder drohend wirken, denke ich. Viel mehr kommt es mir so vor, als hätte die seltsame Frau gerade ein Ziel erreicht, eine Mission erfüllt. Es steht fest, im Rätsellösen bin ich definitiv begabt. Aber was hat die Verrückte nun vor? Hetzt sie ihren verbliebenen, kurzhalsigen Muskelprotz auf mich? Vielleicht zückt sie auch im nächsten Moment eine Knarre und pustet mir das Hirn weg. Es ist möglich, ich traue ihr alles zu.
    Ihre kantigen Gesichtszüge lockern etwas auf. Bleib ruhig, du täuschst dich sicher. Sie ist doch nur geil auf ihren Bogen. Weitere Augenblicke gehören der Vergangenheit an, als sich erste Schweißperlen auf meiner Stirn bilden. Nichtsdestotrotz, bemühe ich mich um einen lächelnden Gesichtsausdruck. Jetzt drückt sie ihre weiblichen Kurven geradezu gegen die Scheibe. Wäre die Frau ums Zehnfache korpulenter und die Vitrine nicht aus Panzerglas, hätte das ganze Konstrukt eventuell nachgegeben.
    Hämisches Schmunzeln erhebt ihre blutroten Lippen, die von Nahem ziemlich füllig aussehen, fast so wie bei Geraldine. Amüsiert trommelt sie ihre aufgeklebten Fingernägel auf dem Glas. Ihr ist wohl nicht entgangen, dass ich leicht panisch reagiert habe. Urplötzlich ändert sich ihr Ausdruck erneut. Das Herz rutscht mir in die Hose, Entsetzen steht mir ins Gesicht geschrieben.
    „Sie passen besser auf, mit wem Sie ihre Zeit vertreiben, Herr Lumar.“ Ihre Stimme wirkt nicht mehr so kitschig, vielmehr warnend und beharrlich. Sie lässt sich auf ihre High Heels zurück, verlässt die Theke. Zittrig versucht mein Mund, Einspruch zu erheben, eine Frage zu stellen, doch dies wird ihm verwehrt. Unvorhergesehen zückt sie eine merkwürdig aussehende Pistole aus ihrem Kragen und zielt mit dem Lauf auf mich. So ein groteskes Schussinstrument ist mir bislang noch nicht vor die Augen gekommen. Meine Iris erweitern sich ins Maßlose vor Panik, ich setze den krampfhaft gefalteten Händen ein Ende, schütze damit meine Herzkammer. Ein aufblitzendes Licht entschwindet dem Lauf, vernebelt meine Sehorgane, schutzbedürftig fahre ich zur Seite. Eiskalt drückt sie ab, trifft meine rechte Schläfe, manövriert ihre Patrone in meinen Kopf. Der Schuss hat komischerweise keinen Knalllärm erzeugt. Nichtsdestotrotz, breitet sich ein schallendes Pfeifen tobend in meinen Trommelfellen aus. Schmerzen der Unbändigkeit schwängern meine Schädeldecke. Ich krache ungehalten auf den Boden. Unbekannte Bilder durchschwallen mein Gehirn, lassen meine Sinne verstummen. Geschockt beben die Gliedmaßen. Ist dies mein Ende? Plötzlich erkenne ich nichts mehr. Eine dickflüssige, rote Substanz verdeckt mein Sichtfeld. Blut? Schockiert hebt sich mein Arm, um nach der Wunde zu tasten, als der zusammenhängende Rest unkontrollierbar ohnmächtig wird. Um mich wird es schwarz, das surrende Geräusch erstickt. Nichts.

    Glühende Fäden, ähnlich silbriger Spinnweben benebeln meine Augen, als ich aufwache. Berauscht, als hätte ich eine narkotische Operation hinter mir, blinzle ich, um die verwischten Bilder einzusortieren. Ich sehe die fahlen Wände meines Zimmers, das weiße Laken meines Betts, doch im Moment will es mir nicht in den Sinn kommen, wo genau ich mich befinde. Bis ich zur Seite blicke und verschwommen ein schwarzes Objekt erkennen kann. Mein Bogen! Tageslicht strömt durch das Fenster, lässt millionenfach Staubfusseln gleichmäßig in der stickigen Luft tanzen. Die Tür steht einen Spalt offen, mein Hörorgan vernimmt vage Geraldines Stimme. Sie schluchzt, ich kann ihre vokalen Hieroglyphen nicht entziffern.
    Qualvoll pochendes Feuer verbrennt meine Nerven bei dem Versuch, mich aufzusetzen. Meine Lunge scheint zu geschwächt, um stärker atmen zu können, weshalb es mir so vorkommt, als würde einer der Flügel augenblicklich den Geist aufgeben. Der Kreislauf schüttelt meine Glieder, Gefäße, Adern unaufhörlich. Erst jetzt fällt mir etwas Ausschlaggebendes auf. Meine rechte Gesichtshälfte ist bandagiert. Der nahe Sichtwinkel verschärft sich ebenso: Das weiße Bettlaken in Gesichtsnähe – überströmt mit Blut. Ich bin unfähig, schreien zu können. Stattdessen verursacht die Panik einen halluzinativen Hitzeschwall, ich verliere erneut gegen den Schwächeanfall.
    Angsteinflößende Halluzinationen spuken in meiner Schlafwelt. Benommen stolpere ich durch die Straßen von Sinensis, meine Umgebung sieht ungewöhnlich verdunkelt aus. Keine Lichter, keine Menschen. Und doch höre ich von allen Seiten verzerrte Schreie. Meine Umgebung scheint hilflos, trostlos. Verzweifelt suche ich nach einem rettenden Seil, blicke hilfesuchend umher. Die Straßen um mich füllen sich mit unmenschlich wirkenden Schatten. Monströs, groß und kantig. Flüsternd strecken sie ihre krallenartigen Glieder nach mir, kommen stetig näher. Ich will nach Hilfe schreien, doch meiner Kehle entschwindet kein einziger Ton. Schweißüberströmt reiben meine Hände die Stirn, versuchen, meinen klaren Kopf wiederherzustellen. Doch plötzlich erhebt sich schadenfreudiges Gelächter aus der weiten Ferne und übertönt die Angstschreie. Es bringt markerschütternde Bombardements auf das gesamte Areal mit sich, reißt sämtliche Wolkenkratzer aus den Fundamenten. Das lechzende Feuer der Explosion schießt auf mich zu. Es zerstört die gesamte Stadt, löst sie in Luft auf. Reißt den Beton aus der Erde, verglüht die Schatten um mich. Wehrlos muss ich mitansehen, wie es unaufhaltsam näher kommt und mich schließlich zerfrisst.


    Keuchend fahre ich hoch, hocke erhitzt auf dem Bett. Ich habe geträumt.
    Meine Schmerzen sind gänzlich verschwunden, nur der Schock sitzt noch tief. Kontrollierend greife ich auf meine rechte Schläfe. Prüfend betatsche ich den Rest meiner Stirn, nichts Auffälliges zu finden. Ich gebe mir etwas Zeit, lasse die Schultern ins Kissen zurückfallen und meine Sinne wach werden. Nachdem sich Herz und Atmung beruhigt haben, entschließe ich, aufzustehen.
    Bogen, Köcher sowie Pfeile stehen in der einen Ecke. Die Andere beheimatet wie gewöhnlich mein rollbarer Kleiderschrank. Ich befinde mich in meinem Zimmer. Bis auf die zerknitterte Bettdecke scheint alles unberührt.
    Exakt kann ich mich nicht mehr an die Details erinnern. Mein Blick in die vergangen paar Stunden versucht inständig, alles zu rekonstruieren. Zuletzt hat mir Philadelph den prächtigen Bogen gezeigt. Alles? Nein. Dann stattet uns eine blonde Lockenschönheit einen Besuch ab und…
    „Sie hat mich angeschossen!“ Murmelnd fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Es ist bereits finster, die Stadtlichter schleichen sich auf überdrüssige Weise in meinen Raum. Mir widerfährt der Angstzustand, den ich bei ihrem Angriff empfunden habe. Ich scheitere kläglich bei dem Versuch, es zu verdrängen. Meine Schläfe hat nicht mal einen Kratzer abbekommen und dennoch kommt mir alles so unglaublich realitätslos und gleichzeitig gefährlich vor. Ich… ich brauche unverzüglich etwas Gesellschaft. Ob Geraldine und Fynnus noch wach sind?
    Holprig verlasse ich mein Zimmer, krache dabei unachtsam gegen den Türrahmen. Der Flur ist verdunkelt, ebenso die Küche. Zu meinem Pech fällt mir auf, dass es mitten in der Nacht ist. Meine Wohnungsgenossen schlafen offenbar schon. Die Angst verwandelt sich in pure Einsamkeit, ich bräuchte unbedingt jemanden zum Reden. Eine vertraute Person, die sich meiner Sorgen annimmt. Zu heulen ist mir zumute und trotzdem wecke ich die beiden nicht auf. Stattdessen schleiche ich, nach Möglichkeiten, leise in die Küche, stelle mir Kaffee in die Maschine und verbringe die Wartezeit vor dem Fernsehgerät, auf dem Sofa. Das Gefühl, als könnte mich die unerträgliche Stille ohne Schwierigkeiten mit sofortiger Wirkung und einem messerscharfen Dolch lynchen, veranlasst meine Finger unkontrolliert, den Fernseher anzumachen. Wenigstens leistet mir das unnütze Geschwafel der dämlichen TV Reporter etwas Gesellschaft. Kaffeeduft treibt mich wieder in die Küche. Ich nippe an meiner Tasse und realisiere, dass mir eine schlaflose Nacht bevorsteht.



    +++

    Zitat

    Achtung! In dieser Fanstory wird Blut fließen! Nicht geeignet für...


    ...süß! (Leser u. Autoren werden es kennen)


    Ich hoffe man nimmt es mir nicht übel, dass dies kein offizielles Zitat von einem User ist, sondern vielmehr von so einigen.
    Ehrlich gesagt, es ist über die Maße knuffig, wie solche Warnungen in jeder dritten FF auftauchen. Weiß nicht warum, doch ich finde diese ständigen PseudoFSK Einschränkungen so blöd, dass sie wieder genial sind.
    Denkt doch mal nach!


    1. Bis jemals so richtig Blut fließen wird, ist die Story leider ohnehin inaktiv.
    2. Ob Warnung oder nicht, gewaltbeinhaltende Texte (also jene, die überaus ekelhaft oder verherrlichend geschrieben wurden) sind im Bisaboard ohnehin verboten.
    3. Kinder, die so jung sind, dass sie so etwas nicht lesen dürften (also eben jene Texte, die die allgemeinen Regeln nicht überschreiten), sollten ernsthaft mal nachdenken, was die da überhaupt im Internet verloren haben.


    Mit diesem Zitat will ich niemanden beleidigen, es ist meiner Meinung nach einfach nur extrem lustig.
    Lg

    Guten Abend, Gatto!


    [tabmenu]


    [tab=Vorwort]


    Wie brav, dass du so eifrig schreibst - es gab einiges zu lesen.


    [tab=Startpost]


    Zweifellos schön gegliedert und unterteilt, gute Arbeit!
    Eine Erkenntnis am Rande: Mir kamen schon total viele Startposts unter, wo die erste Silbe der Kategorienamen (Information, Inhalt, Charakter, etc.) dunkelrot, der Rest des Wortes aber weinrot gestaltet wurde. Wahrscheinlich nur ein Zufall, trotzdem interessant...


    Wie dem auch sei, deinen Header benutzte ich in meiner aktuelleren (leider inaktiven) Pokémon FF ebenfalls, den finde ich besonders cool, wenn's um die Hoenn Region geht. ^^ Vielleicht würde etwas mit einem romantischen Einfluss besser passen, egal.
    Ich muss dir an dieser Stelle jedoch etwas nahe legen. Keine Ahnung, ob du bei deinen vielzähligen, damaligen Fanfiktions mal irgendwelche Streits mit den Lesern hattest, doch wenn du möchtest, dass sie ihre Kritiken nach deinem Interesse gestalten, dann wäre eine Bitte angebrachter. Du lässt es eher wie eine Aufforderung aussehen. Ich finde, dass das etwas abschreckend wirkt.


    Trotz kurzer Inhaltsangabe, sind die restlichen Informationen sowie Steckbriefe zu den Charakteren, durchaus zufriedenstellend.


    [tab=Deine Kapitel]


    Im Allgemeinen hast du dich mehr und mehr gebessert, wenn ich an Dinge wie Beschreibung und Inhalt denke. Gut gemacht!
    Um die Umgebung noch besser miteinbauen zu können, solltest du deine beliebten Zeitsprünge ab und zu etwas vermeiden. Es kommt ein bisschen zu oft vor, dass etwas (tolles) passiert und du dann nach ein paar weiteren Sätzen einfach die Zeit nach vorne drehst. Kommt dazwischen echt nichts Erzählenswertes vor? Bitte nutze diesen Tipp, damit deine Kapitel etwas mehr Länge abbekommen.


    Zum Inhalt: Du stellst von Anfang an klar, dass es sich um eine Reise&Romantik Story handelt. Schön und gut.
    Deine kleine Geschichte harmoniert bisher auch perfekt, das soll bedeuten, dass du beide Genres passend nacheinander einbaust.
    Wirklich nobel ist es von Klarin, dass er Kris auf Händen trägt und sie auch gleich bei sich zuhause übernachten lässt, würde man meinen. Ich bin mir jedoch sicher, dass ein Fremder in meinem Haus nichts zu suchen hätte. Wenn ich mich nicht irre, bist du ein Mädchen, nicht? Kämst du je auf den Einfall, ein wildfremder Junge würde dich gleich so gut behandeln, obwohl er nur deinen Namen kennt? Außerdem, wer kann in kalten Wetterverhältnissen, so wie Klarin es doch erzählt, verträumt und nahezu narkotisch (weiter)schlafen? Das ist nur ein Beispiel von vielen, wo mir die Logik etwas fehlt.
    Wobei ich lachen muss, denn die Welt von Pokémon ist nicht sonderlich logisch, genauso wenig die Animeserie. Trotzdem wär es viel cooler, wenn du solche Logikfehler berücksichtigen würdest. Versetze dich doch selbst in die Lage von Kris und wäge ab, ob etwas im echten Leben auch so passieren könnte, wie du es dem Leser erzählst - das kommt um einiges realitätsnäher und nicht so abstrus rüber. ;)
    Was mir zudem auffällt: Findest du nicht, die verlieben sich in den paar Sätzen etwas zu schnell? :/ Kommt mir zumindest vor... (Um es genauer zu machen: Mag sein, dass es nicht lange dauert, bis sich zwei Menschen ineinander verlieben, doch kommen sie sich auch in solch kurzer Zeit zum Küssen nahe?)


    Zitat

    Irgendwie fand ich am Pokemon Training keinen Gefallen oder kam mir das nur so vor?


    Ich habe durchaus berücksichtigt, dass schnell ein flammender Streit zwischen den drei jungen Trainern entbrannt ist, wegen dem Liebesdrama.
    Trotzdem stimmt bei dem Text doch irgendwas nicht, oder? Wenige Sätze zuvor füllte ein heißer Arenakampf die Atmosphäre, Kris' Pokémon entwickelte sich weiter, es kam zum unerträglichen Unentschieden und doch erhielt die junge Trainerin ihren Orden, worüber sie sich selbstverständlich freuen musste... Und dann am selben Abend so eine merkwürdige Wendung?
    Wenn du schon so etwas passieren lässt, dann begründe es doch in mehreren Sätzen. ;) Bringe uns Leser auf Kris' Ebene und lass uns erfahren, dass sie trotz Sieg ziemlich ausgelaugt ist, wegen der gesamten Situation mit Klarin&Lucius, usw.


    Notiz: Toll aber, dass sie gewonnen hat. Ein Pokémonkampf, wie er im Buche steht. Muss auch sagen, dass es recht spannend erzählt war, verglichen zu all den vorherigen Kämpfen.
    Letztere wirkten absolut leer und wurden manchmal kein bisschen beschrieben (zB. als Kris das wilde Zigzachs fing). Hierbei hast du dir mehr Zeit genommen und es spannend rübergebracht, bitte weiter so.


    [tab=Tipps]


    Ich möchte dir, wie gesagt, Rechtschreib- oder Grammatikfehler nicht durch Zitate vor die Nase halten.
    Jedoch bitte ich dich, deine Kapitel vor'm Posten genauer unter die Lupe zu nehmen. In fast jedem Satz verstecken sich simple Fehler. Du brauchst auch gar keinen Beta-Leser, damit deine Texte um das Vielfache professioneller werden. Verwende doch einfach das Word Programm. ;)
    Ein weiterer Hinweis: Die Geschichte wird zwar aus Kris' Sicht geschildert, allerdings gibt es auch andere Möglichkeiten, anstatt "Ich" ständig verwenden zu müssen. Das Gleiche gilt für "aber" - auffällige Wortwiederholungen wirken nämlich ganz und gar nicht ansprechend auf Leser, sondern eher langweilig und störend.


    Auffällig ist ebenfalls, dass sich Zeitfehler gerne einschleichen. Wenn du darauf aus bist, die Geschichte in der Vergangenheitsform zu erzählen, dann achte bitte genauestens darauf.


    Es wäre sehr praktisch, wenn du dir bei den kommenden Kapitel mehr Zeit lassen würdest, mehr Ideen investierst und dich genauer fragst, ob es schon reicht. Damit meine ich die Beschreibungen, die ausgedehnte Erzählung des Geschehens, etc. Somit würde alles etwas länger und umfangreicher werden.


    [tab=Schluss]


    Es gab Schönheitsfehler an deinem gesamten, bisherigen Werk, welche ich dir näherbringen wollte.
    Trotzdem bin ich zufrieden mit dem Inhalt der Story und merke, dass du den Tipps deiner Leser Aufmerksamkeit schenkst, weiter so. ;)


    [/tabmenu]


    Lg




    + Soundtrack im Startpost vorhanden +



    [Blockierte Grafik: http://oi50.tinypic.com/2hx689k.jpg]


    +++


    Die Flucht




    Die Stadt



    Holografische Wände dienen meiner Meinung nach als Beruhigungsmittel.
    Ich bin keineswegs ein Einsiedler, welcher dort gerne die Seele baumeln lässt, in der Ferne nach Abgeschiedenheit sucht und einfach Ruhe will. Hingegen dessen ist der nahezu perfekte Ausblick auch eine Warnung darüber, was es hinter Sinensis‘ Mauern laut Regierung nicht mehr geben soll. Insofern ist das Feld auch als sogenannte Barriere des Verrats bekannt. Je näher man ihr kommt, desto lauter und unkontrollierter surrt, besser gesagt, vibriert das Hologramm. Selbstverständlich ist es durchlässig, man könnte praktisch mühelos hindurchschreiten und fände vermutlich nur wenige Meter dahinter eine endlos hohe Mauer vor. Aber bereits in den runtergekommenen Waisenhäusern wird Kindern eingepflanzt, dass sie keinesfalls auch nur einen Schritt hinter das Hologramm setzen dürfen. Wer dies tut, besudelt das Gesetz. Man zeige damit laut Regeln einen Drang nach Freiheit, der unbedingt im Zaum gehalten werden muss.
    Noch heute komme ich wegen der vielen Fragen im Kopf nicht regelmäßig an meinen Schlaf. Gedanken plagen mich, mögliche Schlussfolgerungen erhalten mich weiterhin wach. Warum tut die Regierung so etwas mit uns? Wieso halten sie uns gefangen? Weshalb wird so viel Geld verschwendet, damit wir beständig bis zum Schädelbruch von der medialen Omnipräsenz einer offenbar schwachpunktlosen Virenerkrankung zu gedröhnt werden, obwohl es so viele Menschen dringend bräuchten? Und warum gibt man uns keine Antworten…?


    „Habt ihr denn überhaupt schon einen Plan?“ Geraldine zieht ihre Beine an den Brustkorb und umschlingt sie schutzbedürftig mit den Armen. Zerzaustes Haar und Stirnfältchen offenbaren kopfzerberstende Gedankenstränge, die sie nicht loslassen. Die Augen wirken nicht voller Wärme wie normalerweise, sondern vielmehr leer und kalt, während es in ihrem Kopf nur so rumort. Der Gedanke an eine Flucht bekommt Geraldine immer noch nicht gut – doch es ist ja auch verständlich. Mehr als eine Chance zu fliehen würde uns die Polizei nicht geben und noch bevor ich bis drei zählen könnte, wären wir höchstwahrscheinlich schon tot oder Gott weiß wo.
    Ich kehre dem Fenster meinen Rücken zu und verschränke die Arme. „Noch nicht, doch übermorgen werde ich mich wieder mit unseren Jungs treffen.“ Ich versuche inständig, mir nichts anmerken zu lassen, doch auch in meinem Kopf wirbeln wilde Gedanken. Mit den Jungs meine ich Chess und Luc – zwei polizeilich gesuchte Hacker und ebenso hochbegabte Computerfanatiker, die den Umgang mit ihren Prozessoren tadellos beherrschen und mit mir verbunden sind. Sie teilen sich ein staubiges Loch (so nenne ich ihren mickrigen, immerzu verdunkelten Wohnraum) am Rande des achten Bezirks und können durch ein selbstkreiertes, ausgefuchstes Hacker ID Programm unerkannt bleiben.
    Ich kenne die zwei aus Waisenhauszeiten. Chess und Luc waren schon damals während der Schulzeiten Asse in Mathematik und Physik. Mit Fynnus und Geraldine bildeten wir eine kleine Clique und wurden regelmäßig von Frau Brutknecht, unserer deutschstämmigen, molligen, strengen Aufsichtsperson bei unsittlichem Verhalten erwischt und zu Strafarbeiten verdonnert. Als ich und Geraldine erst zwölf waren, sperrte sie uns eines Tages unwissentlich während der bitterkalten Wintersaison aus – wir mussten die Nacht in einem schäbigen Kletterhäuschen des Spielplatzes auf der gegenüberliegenden Straßenseite verbringen. Zum Glück verließen wir das Gebäude zuvor dick eingepackt in Winterkleidung, bibberten nichtsdestotrotz stundenlang und erfroren beinahe in der nächtlichen, eisigen Frist. Glücklicherweise waren wir danach so krank, dass man uns für zwei Woche abwesend schreiben musste und wir uns in einem Krankenhaus auskurieren durften. Die Waisenhauszeit war alles andere als schön, daher genossen wir diesen Urlaub förmlich.
    Wie dem auch sei, schon damals heckten Chess, Luc und ich gerne Streiche und Scherze aus. Einer davon beinhaltete, Frau Brutknechts Kleiderschrank aus Rache mit einem winzigen, explosiven Stoff aus dem Supermarkt in die Luft zu jagen – das benötigte Geld erbettelten wir uns Tage zuvor auf der Straße.
    Gesagt – getan, blieb von ihren Kleidungsstücken nicht mehr viel übrig. Komischerweise – doch auch zu unserem Wohlhaben – war Frau Brutknecht deshalb so schockiert, dass sie nicht mal versuchte, einen Brandstifter unter uns Kindern zu finden. Die Tat wurde lediglich auf einen ehemaligen Liebhaber ihrerseits geschoben, der sich auf unerklärliche Weise Zugang verschafft haben soll. Danach wurde das Thema unter den Teppich gekehrt und nie mehr wieder erwähnt.
    Ich kann mich nach wie vor gut an Frau Brutknechts akzentbehaftete, zornerfüllte Worte erinnern, wenn sie uns tadelte – aus euch Lausbuben wird niemals was Besonderes, ihr werdet früher oder später an eurer Naivität und Dummheit verrecken!
    Mir wird gerade bewusst, dass sie gar nicht so sehr im Unrecht gelegen hat.
    Luc, Chess und ich tüfteln schon seit vermutlich sechs Monaten an der tatsächlichen Realisierung einer Flucht. Wir haben mittlerweile einiges über das Stadtgeschehen herausgefunden, bisher befindet sich unser Plan jedoch zugegeben noch im Larvenstadium. Um dies zu erkennen, bräuchte man nicht mal einen hohen Intelligenzquotienten.


    „Ach, macht doch was ihr wollt…“, seufzt Geraldine. Ringe der Erschöpfung untermalen ihre Augenlider, sie lassen meine Mitbewohnerin und engste Freundin erschöpft wirken. Macht sie sich tatsächlich solch große Sorgen? Träge schlendert sie zu ihrem Zimmer und stolpert dabei fast über die langen Hosenbeine ihres weißen Pyjamas. Geschickt entfädelt sie unterwegs ihre Zöpfe und schließt die Tür hinter sich. Nach ein paar unwichtigen Wortwechselungen mit Fynnus und der regelmäßigen Körperhygiene begebe ich mich ebenso in mein Schlafgemach.
    In Sinensis behandelt man uns durchaus menschlich. Viele Bürger besitzen eine Arbeitsstelle und neben Sonntagen wöchentlich noch weitere vierundzwanzig Stunden Freizeit.
    Ein Wahlrecht, geschweige denn die Möglichkeit, überhaupt wählen zu können, steht uns nicht zu. Dafür darf jeder heiraten und eine Familie gründen. Selbst gegen Homosexualität sträubt sich niemand mehr, so wie es angeblich einst vor über hundert Jahren war. Wie gesagt, man erhält trotz Einmauerung – mit jener sich die Masse durchaus zufrieden stellt – einige Freiheiten. Was jedoch übereinstimmend beharrlich durchgesetzt wird, ist Disziplin. Ordnungswidrige Faulheit ist und bleibt ein unerwünschter Aspekt des Regelbuches. Genau deshalb sind in so gut wie allen Schlafvorrichtungen, seien sie öffentlich oder nicht, Lautsprecher zwecks Weckalarmierung vorhanden – das einzig Moderne in meinen privaten vier Wänden. Und dabei werden diese Lautsprecher über einen Computer im zentralen Bereich von Sinensis‘ Überwachungsorganisation gesteuert. Oft wage ich es nicht, auch nur einen Gedanken an meine ersehnte Flucht zu genießen. Man kann nie wissen, mit welchen Tricks die Überwachungsorganisatoren uns möglicherweise schon ewig unerkannt ausspionieren. Vielleicht sind sie sogar imstande, unsere Gedanken zu lesen?!
    Völliger Stuss, rede ich mir schläfenreibend sowie stirnrunzelnd ein. Chess und Luc wären in diesem Fall bereits zweifellos aufgefallen und erwischt worden. Ihre bisherigen Taten waren verdammt gesetzwidrig. Schon seit Ewigkeiten würden die beiden unter der Erde faulen, hätte ich mit meinen Spekulationen über unentdeckte Spionage und Gedankenleserei via Alarmgerätschaft Recht, denn auch in ihrem Loch befindet sich so ein Lautsprecher.
    Mein kleines, stickiges Zimmer. Da steht ein Bett inmitten farbloser Wände, ganz simpel und doch recht edel aussehend. Aus Holz hergestellt, mit unterschiedlich verschnörkelten Einkerbungen verziert. Ich will schlafend nicht gänzlich von den teils störenden, grellen Stadtlichtern bestrahlt werden. Aus diesem Grund habe ich mir vor Monaten einen rollbaren Kleiderschrank besorgt, damals natürlich noch leer, nicht mit sortierten Arbeitshemden und Freizeitkleidungen bestückt. Diesen kann man praktischerweise zwischen Bett und Fensterbrett schieben, sobald man schlafen möchte. Seufzend tue ich dem heute gleich. Ich lasse jedes Mal ein bisschen Freiraum, damit ich nicht vollständig in unkenntlicher Finsternis kauern muss. In einer Ecke des Raumes, wo noch nicht so viel Farbe der silbern lackierten Decke abfällt, lehnen Bogen samt Köcher mit ein paar Chrompfeilen. Polierte, messerscharfe Pfeilspitzen thronen empor – diese Waffe ist mein ganzer Stolz.
    Mir glühen die geröteten Wangen, doch dabei habe ich heute nicht mal hart arbeiten müssen und nach einer Krankheit fühlt es sich ebenso wenig an. Ich denke, dass Kopfschmerzen meine Nervenwindungen bald heimsuchen werden, sollte ich mich nicht schleunigst in das Land der traumlosen Nächte stürzen. Unbeholfen fällt mein dünner Körper in die unnachgiebige Matratze, das Bett scharrt quietschend und kratzend über den Fußboden. Warum glüht mein Kopf wie Feuer? Der menschenreiche Trubel einer Weltstadt kann für Neulinge schnell zu Überforderungen der Wahrnehmung und somit zur Erschöpfung führen, doch ich bin es eigentlich gewohnt. Andererseits, womöglich tut mir die Strahlung meiner holografischen Lieblingskulisse nicht gut. Es kann auch sein, dass der hitzige Sommer so langsam seine Temperaturen ausfährt, Abende und Nächte erwärmt.
    Ich betrachte den tiefschwarz bemalten Bogen, er liegt gut in der Hand und ist auch keineswegs zu lange. Wirklich bedauerlich, dass mir einheitliche Ausübungen in den gegebenen, meines Erachtens, gut ausgestatteten Sportanlagen etwas schwer in den Taschen liegen würde. Nur äußerst selten kann ich es mir leisten. Zudem wäre es ein waghalsiger Akt, wenn ich urplötzlich wild in der Stadt um mich schießen würde. Es könnte dazu führen, dass ich vielleicht jemanden verletze und schließlich eingesperrt würde. Eine weitere Sperre, wird es mir klar. Trotzdem kann man mein Talent vorbehaltlos als meisterhaft bezeichnen.
    Schlafbereit breite ich mich nach Möglichkeit auf der unansehnlichen Matratze aus, welche an den Seiten von ein paar scharfen Sprungfedern durchspießt ist. Die Augenlider werden schwer. Flackernd verschwimmen Bilder meiner stattlichen Schusswaffe und ich falle in einen seichten Schlaf.


    Es ist Samstag, früh am Morgen.
    Schweißgebadet schmore ich unter der dünnen Bettdecke. Bin ich krank? Nein, die aufkommende, nächtliche Wärme hat meinen Körper wohl einfach überrumpelt und außerdem liegt er ziemlich eng verpackt da. Ein unangenehmer Reflex zuckt durch meine Glieder, als das Geräusch des morgendlichen Weckalarms ertönt. Es könnte praktisch mit Feueralarm verwandt sein, beziehungsweise, verwechselt werden. Etwa fünf Sekunden, nachdem der monotone Ohrenmarterpfahl losgelegt hat, spricht eine computerisierte Stimme zu mir. „Pethar Lumar, es ist zehn Minuten nach Fünf Uhr. Ihr Arbeitsdienst beginnt kurz vor acht Uhr, ist das korrekt?“ Für einen Moment lang dehne ich ausgiebig die Gliedmaßen und ignoriere den schallenden Lärm. Ob ihn meine Mitbewohner wohl auch so durchdringend mitbekommen? Aus ihren Zimmern kann ich jedenfalls nie auch nur einen Mucks wahrnehmen. „Ist das korrekt?“, wiederholt die Stimme, genauso emotionslos und robotermäßig wie davor. „Korrekt…“, kommt es aus meinem staubtrockenen Mund genuschelt. Ich setze mich auf, reibe etwas Sand aus den Augen und gehe Richtung Badezimmer. Ehe ich das Zimmer verlassen habe, erstickt das ohrenbetäubende Geräusch – es ist nicht laut, doch viel mehr nervig und selbstverständlich aufweckend. „Ihr nächster Weckalarm wurde für die Uhrzeit zehn Minuten nach Fünf Uhr vor dem Mittag, kommenden Montag, verfügbar gemacht. Wir wünschen Ihnen einen guten Morgen.“
    Fabelhaft, denke ich mürrisch.


    Während meine Mitbewohnerin bereits übereifrig Lunchpakete und Kaffee bereitgestellt hat, sie scheint heute wohl sehr motiviert zu sein, schläft Fynnus noch, als ich unsere Wohneinrichtung verlasse. Ich verzichte heute auf jegliches Frühstück, kleide mich stattdessen so schnell wie möglich ein, packe mir dankend das Lunchpaket in den Rucksack und verschwinde. Morgens bin ich nicht gerade für Scherze oder Gespräche aufgelegt, wenigstens trocknet der Schweiß unverzüglich und erhitzt fühle ich mich ebenso wenig.
    Mein genialer Wohnungskollege beginnt seine Dienstzeit meistens erst gegen zehn Uhr vormittags. Er arbeitet demgegenüber länger, manchmal sogar bis nach Mitternacht. Armer Fynnus, denke ich mir dann stets. Andererseits hat er sich aus eigenem Willen dafür entschieden, neun Stunden lang den sorgsamen Umgang mit geistig oder körperlich benachteiligten Personen zu pflegen. Geraldine dagegen, kümmert sich (freizeitabhängig) rund um die Uhr um unsere (häuslichen) Bedürfnisse. Mir ist es oft besonders peinlich, doch manchmal geht sie sogar so weit und schläft mit Fynnus, wenn es ihm schlecht geht oder er es nötig hat. Ich ignoriere die gesamte Szene anhaltend mit ausgedehnten Spaziergängen oder faszinierenden Hologrammen.
    Ob die beiden vielleicht ineinander verliebt sind, kann ich nicht wirklich abschätzen. Normalerweise benehmen sie sich eher wie beste Freunde, wie auch mir gegenüber. Als Strichmädchen oder Schlampe würde ich Geraldine deshalb aber nicht in meinen teuflischsten Gedanken bezeichnen. Sie ist einfach so oft wie möglich für mich und meinen Wohngenossen da, liebt uns von ganzem Herzen. Nebenbei arbeitet sie werktags fünf Stunden an der Essenstheke eines Obdachlosenheims. Geraldine verteilt dort zwischen Mittag und Abend Gulaschsuppen, Schnitzel oder Frankfurter Würstchen mit einem vitaminreichen Dessert. Mittwochs gibt’s wöchentlich ein anderes Küchengericht, um den Speiseplan der Heimatlosen etwas bunter zu gestalten. An manch freien Tagen steht Geraldine stundenlang vor dem Backofen. In ihren eifrigen Zeiten bereitet sie da immer leckeres Zuckergebäck, mundgerechte Kuchenstückchen und Kekse für uns sowie ihre Theke zu. Sie ist unglaublich fleißig und bei ihrer Arbeit äußerst beliebt, doch auch ich würde Geraldine nicht mal für ein freies Leben an die Regierung ausliefern. Dieses Leben will ich mir mit eigenen Händen erschaffen und wenn es noch so ewig dauert.


    „Werfen Sie doch bitte ein Auge auf unser wunderbares Zeitungssortiment; Meine Damen und Herren, treten Sie näher, nirgendwo in Sinensis schmecken Hot Dogs und Hamburger um diese Uhrzeit besser!!“ Mich überkommt morgens gelegentlich ein unausstehliches Gefühl von Übelkeit. Um nämlich zum nächstgelegenen öffentlichen Verkehrsmittel zu gelangen, gibt es nur einen Weg – quer über den (im Vergleich zu anderen, winzigen) Hauptplatz meines Häuserblocks, welcher jedoch, man wird es kaum für möglich halten, schon um Fünf Uhr morgens rammelvoll sein muss. Nasenschleimverätzende Gerüche von Fast Food aller Arten machen sich hier gehörig breit und ganz besonders schlimm wirkt es in der wärmenden Morgensonne. Fettdüfte schwadern ins Gesicht, terrorisieren wortwörtlich meinen Riechkolben. Zigarettenrauch macht es noch unausstehlicher. Ich bedecke die zur Atmung bestimmten Gesichtsöffnungen mit meinen schwarzen Lederhandschuhen und tummle mich energisch durch die wuselnde Menschenmasse. Hier ein Verkaufsstand mit Sonderangeboten, dort noch eine kleine Kette mit Fast-food Händlern, die dich vollquatschen und anlocken wollen.
    Zugegeben, ich bin selten pingelig was unsere technologischen Fortschritte betrifft. Jedoch könnte ich an haarsträubenden Momenten wie diesen Amok laufen. Denn, liegen meine Berechnungen im grünen Bereich, so haben wohl schon vor über hundert Jahren geruchsneutralisierende Sprays existiert…
    Obwohl ich mittlerweile bereits drängle, den Rucksack eng angepresst, geht es nicht wirklich voran. Wie ich den Sommer doch vermisst habe – wären meine sarkastischen Gedankenzüge tödlich, hätte ich nun allen Platz der Welt. Doch an so etwas wollen wir gar nicht erst denken.
    Immer dasselbe Programm. Trommelfellzerberstender Weckalarm, Körperhygiene, schleunigst die Wohnung verlassen, sich durch die Massen kämpfen, ab in die U-Bahn und einen weiteren Tag neun Stunden am Arbeitsplatz verbringen. Viel lieber würde ich es als Verschwendung bezeichnen. Jene wertvolle Zeit, die ich heute erneut in Tonis‘ Jagdhaus vergeuden muss, geht mir bei der wichtigen Planung für meine Flucht bedauernswerterweise verloren. Wenigstens gibt es Geld dafür. Mich kotzt es aber ehrlich gesagt an, dass gedrucktes Papier über mein Leben bestimmen soll.
    Zum Glück erreiche ich endlich die U-Bahnstation. Zweifellos würde ich meine komplette Zeit darin vertrödeln, die Aussicht um mich herum zu genießen, wäre sie nicht so eintönig und lieblos. Rings um unser Apartment befinden sich nichts als weitere Wohnblocks – Besitztümer des größten Jugendverbundes in Bezirk Elf. Obwohl diese Blocks eine vorteilhafte Möglichkeit für mittelprächtig verdienende Einwohner darstellen, wirkt das Gesamtbild auf Dauer gewiss deprimierend und farblos. Doch wie sonst sollten schätzungsweise vier Dutzend tiefgraue, aneinandergereihte Hochhäuser wirken? Gut möglich, dass so mancher vielleicht Freude empfindet oder eine Beschäftigung darin sieht, an den bröckelnden Fassaden zu spielen, doch was mich betrifft…
    Leicht bewölkter, verdunkelter Himmel entschwindet meinem Sichtfeld, während ich die Station betrete und mithilfe der automatisierten Rolltreppen dicht aneinander gereiht zu den Gleisen befördert werde.


    Ich befinde mich bei der Station Jugendverbund Drei.
    Zunächst warten auf einer Länge von etwa drei Kilometern bereits so unbeschreiblich viele Pendler, dass man den Pflastersteinboden zum eigenen Paar Schuhen gar nicht mehr identifizieren kann. Dabei fährt die Metro zu dieser Uhrzeit minütlich. Momente wie diese erinnern mich laufend an den Fakt, dass ich zusammen mit etwa fünfzig Millionen humanoiden Wesen in dieser Stadt gefangen bin. Der Begriff humanoid deshalb, weil sich die Leute oft sehr einseitig und maschinell benehmen. Ausdruckslos und still, doch wenn die U-Bahn ankommt (ich bezeichne dieses Eintreffen zu gerne als Zielaufgabe der Roboter), stürmen sie alle auf die Eingänge zu. Ähnlich, als würde man einem ausgehungerten Hund auf der gegenüberliegenden Seite eines Fußballfelds mit saftigen Fleischstücken winken, stoßen und pressen sich die Leute erbarmungslos gegen die zügig einfahrende U-Bahn. Lautes Gebrüll, schmerzlich klingendes Aufstöhnen, Hilfeschreie – eine weitere Routine in den Gleisen der Metro. Ein fremder Ellbogen rammt mir in den Magen, als hätte ich nicht schon genügend Übelkeit für heute Morgen durchstanden. Es erinnert mich daran, Brustkorb und Bauch schutzvoll mit meinen Armen zu umhüllen. Somit kann ich auch ein paar Wertsachen in den Seitentaschen meiner braunen Lederjacke vor Diebstählen sichern.
    Aus Sicherheitsgründen trennen schier unsichtbare Kraftfelder uns Passanten von den Schienen ab. Wären diese Kraftfelder nicht in allen Haltestellen vorhanden, gäbe es täglich zweifellos zahllose Tote. Luc und Chess raten dennoch, dass ich mich besser von den Dingern fernhalten sollte, da sie jederzeit fehlerhafte, undichte Stellen, auch bezeichnet als Lecks, aufweisen und mich dadurch in den qualvollen Tod anrollender U-Bahnen purzeln lassen könnten.
    Zumindest ist es ein kleiner Trost, dass sich während der Arbeits- und Stoßzeiten zirka zweihunderttausend dieser Züge in Betrieb befinden, manuell gesteuert. Somit sind beinahe alle anrollenden Abteile gänzlich leer und dazu da, um neue Gesichter zu transportieren. Ich ergattere mir in Etage Vier eine von zwölf Sitzgelegenheiten der siebten Reihe zur Fensterseite. Die Metros sind im Vergleich zur Vergangenheit ums Vielfache länger, größer und weisen ein satteres Fassungsvermögen auf.


    Die Fahrt geht los.
    Da bei ausnahmslos allen Stationen hunderte Reisende die Bahn verlassen, beziehungsweise, betreten, dauert der Aufenthalt dementsprechend lange. Als Ausstiegsmöglichkeit muss man die Türen in Etage Fünf jedes Zuges benutzen. Durch diese Etage betritt man jenen Stock, welcher über den Zugeingangshallen liegt. Es führen lediglich wenige Schritte zu den Rolltreppen und der damit verbundenen Oberfläche.
    Mit müden Augen werfe ich einen Blick auf meine Armbanduhr, es ist Viertel vor Sechs Uhr. Um zur Arbeit zu gelangen, benötige ich die hundertzweiundvierzigste Linie, die mich in den zehnten Bezirk, zu Tonis‘ Jagdhaus, befördert. Nur sehr wenige Bürger können sich ein automobiles Fahrzeug leisten, weshalb die Straßen (zumindest in unmittelbarer Nähe der Blocks des Jugendverbunds) relativ leer sind. Das öffentliche Verkehrsnetz ist auf der anderen Seite so groß, dass ein Auto meiner Meinung nach Geldverschwendung wäre. Es sind fast ständig unzählige öffentliche Verkehrsmittel unterwegs, mit wahnsinnig vielen Umsteigemöglichkeiten. So gut wie jeder Angestellte, besonders in den äußeren Bezirken, ist darauf angewiesen, von Untergrund- oder Straßenbahnen zum Arbeitsplatz gebracht zu werden. Die Stadt ist gigantisch, meine Strecke etwa zweihundert Kilometer lang. Aufgrund ermüdend langer Wartezeiten während der Stationsaufenthalte dauert meine Fahrt, trotz blitzgeschwinder Züge, mehr als anderthalb Stunden.
    Technisierte Stimmen bitten um die Fahrkarten. Für Kinder unter dreizehn Jahren sind die Bahnen kostenlos. Unbezahlte Fahrtteilnehmer tilgen den Ritt stehend. Mit etwas Glück schaffen es manche illegal von A nach B. Sobald aber ein Sitzplatz mit mehr als maximal vierzig Kilogramm erschwert wird, aktiviert sich ein punktrundes Licht in der linken Armlehne, größengleich einer Kirsche, über dem man sein Ticket scannen lassen muss. Monatlich besorge ich mir einen Fahrschein für Sinensis‘ Verkehrsnetz, zu einem erschwinglichen Preis, den mir der Automat mit Lasertechnologie in die linke Handfläche einbrennt – rückstandlos und schmerzfrei. Für mich ist es allerdings nur ein weiteres Paradebeispiel der kranken Dauerkontrolle unserer Regierung, welche buchstäblich unter die Haut geht. Nicht selten kommt es vor, dass Aufsichtsposten alarmiert werden, besetzte Sitzmöglichkeiten frei machen und fahrkartenlose Betrüger zurechtweisen müssen. Die Fahrgäste um mich herum verhalten sich ruhig, ab und zu ist ein Schnarchen zu hören.
    Wir halten gerade bei Jugendverbund Vier. Fragend blicke ich aus dem Fenster, eine wahrliche Rarität bietet mir das Gleis, denn es steht völlig leer, die Fahrt geht jedoch nicht weiter. Aus dem unteren Abteilen höre ich tosenden Streit aufkommen, es handelt sich um Schwarzfahrer. Nicht schon wieder… Beklagend rolle ich die Augen. Ein paar Angestellte regeln und fertigen die Situation augenblicklich ab, es geht weiter.
    Nachdem wir die fünfte und letzte Station mit dem Titel Jugendverbund verlassen haben, fährt die Bahn aus dem dazugehörigen Tunnelsystem die Schienen hinauf. Um die vollkommen belebten Straßen nicht durch Nahverkehr zu gefährden, bewegt man sich in den U-Bahnen außerhalb der zusammengehörenden Stationen (wie denen des Jugendverbunds) hauptsächlich in der Luft. Die Schienen rollen auf erhöhten, durch Träger gestützten, Verkehrslinien. Mein Blickfeld wird nicht mehr von dunklen Gängen verdeckt, bekommt stattdessen ein konkurrenzloses Großstadtpanorama vorgesetzt. Aufgrund der Geschwindigkeit und unzählbaren Gebäude wird einem fast schwindelig bei dem Versuch, all die erkennbaren Aspekte genauer zu untersuchen.
    Ich bin nach wie vor in Bezirk Elf, einem der äußeren Stadtteile und trotzdem schießt ein farbloser Wolkenkratzer nach dem anderen empor. Die Tatsache, dass momentan schwarz und weiß im Kleidungsstil der Allgemeinheit modern ist, frischt meine Aussicht nicht sonderlich auf. Einzig ein paar Werbeplakate hier und Leuchtreklamen dort machen den farbträchtigen Unterschied aus.
    Mein Interesse bleibt an einem brandneuen, grell in violetten Farbtönen aufleuchtenden Propagandaplakat hängen.


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    Öffnungszeiten: täglich von 8:00 Uhr bis 23:00 Uhr


    Neben dem Slogan sieht man eine makellos hübsche Schauspielerin, wie sie fürsorglich ein abgemagert aussehendes, mutterloses, dunkelhäutiges Kind in den Armen wiegt.
    Von wegen, das kommt doch alles den Reichen und Schönen zugute. Außerdem verwaist ihr diese Kinder gewaltsam, mögen sie eventuell auch von der Pandemie dahingerafft werden.
    Ich war, noch mit meinen Eltern zusammenlebend, von der tödlichen Infektionskrankheit befallen. Ich erinnere mich, es war nicht sonderlich angenehm. Mein Fleisch brannte, der Virus zerfraß meinen Körper, bis ich eines Tages hierher gebracht und geheilt wurde.
    Und so sehr ich meine Mitbewohner schätze, wäre ich heute tatsächlich lieber tot, gemeinsam mit meinen Eltern in der Ewigkeit, als hier.


    Ausdruckslos starre ich ins Gesicht des Stadtlebens. Industrielle Rauchfänge des fernen, siebten Bezirks verpesten die Luft, kein sehr reizender Anblick – wir erreichen Bezirk zehn. Sinensis wird in vierzehn dieser Bezirke aufgeteilt.
    Den äußeren Stadtring bilden Neun bis Vierzehn. In diesen Bezirken wohnt etwa Neunzig Prozent der Bevölkerung. Es sind so gut wie alle Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten vorhanden, jedoch nicht so groß angelegt und dargeboten wie in den inneren Bezirken.
    Die Bezirke vier bis acht beherbergen nur an ihren Grenzen zum äußeren Ring noch Wohneinrichtungen, dienen ansonsten eher als Gebiete für industrielle Zwecke und Arbeitsstellen aller Arten. Bezirk acht ist eher für den Einzel- und Großhandel gedacht. Hier arbeiten im Durchschnitt die meisten Einwohner von Sinensis. Von den kleinsten Ramschläden, bis zu den gigantischsten, umfangreichsten Shoppingzentren findet man jedes erwerbliche Produkt. Doch auch Ärzte, Krankenhäuser sowie alle möglichen Dienstleisterstellen finden sich dort.
    Bezirk sieben wird für die Energieerzeugung genutzt. Egal ob Wasser, Wind oder Erdwärme. Eine recht öde und karge Landschaft, die meisten Teile von Bezirk sieben sind ohnehin nur mit Genehmigung erreichbar. Aus diesem Grund sind dort seit Inbetriebnahme private, vom Gesamtnetz abgeschnittene Nahverkehrslinien erbaut worden.
    Bezirk sechs ist meiner Meinung nach nichts als verrucht und verfälscht. Dort gibt es einen Vergnügungspark randvoll mit Glücksspielanlagen nach dem anderen, zudem wird bei gegebener Stunde massig Prostitution betrieben, heißt es – wirklich nicht der passende Ort für jemanden wie mich.
    Der fünfte Bezirk bildet das Gegenglied zu seinem ranghöheren Genossen. In diesem Bezirk kann man zwar ebenso endlos sein Geld beim Fenster rauswerfen, jedoch für sittlichere Beschäftigungen. Im fünften Bezirk befinden sich einige hervorragende Sportanlagen, leider kann ich sie nicht allzu oft nutzen.
    Bezirk vier ist Sinensis‘ Reich all jener Tierarten, die gerettet und deren Rassen aufrechterhalten werden konnten. Er ist der Regierung zufolge ein passender Ort, um mit tierischen Welten in Einklang zu kommen. Dort gibt es neben Tierhaltungseinrichtungen viele Zoos, das mag wahr sein. Die zu besuchenden Abschnitte in Bezirk vier sind jedoch, verglichen zur Gesamtfläche, so gering, dass es mich wiederrum nicht interessiert, weiter darüber nachzudenken, was sich wohl hinter den Kulissen abspielt.
    So mancher Liebhaber fantasiert wahrscheinlich von abscheulicher Tierquälerei. Ich will den Zuständigen, Tieren zuliebe, nicht etwas so grauenvolles nachhängen und antworte mir selbst lieber auf die Frage: Woher kommt denn das zum Verzehr angebotene Fleisch im Supermarkt? Ich bin nämlich bekennender Fleischesser, führe aber keine Vorurteile gegen Vegetarier. Geraldine begnügt sich zum Beispiel lieber mit pflanzlichen Lebensmitteln. Gegen Milch oder Käse ist sie allerdings nicht abgeneigt. Und irgendwo müssen diese Güter doch auch durch tierische Erzeugung gewonnen, beigesteuert und auf den Markt gebracht werden.
    Nun zum Kern von Sinensis. Was mich darüber regelrecht zornig macht, hier draußen bekommt man kaum Luft zum Atmen, während der durchaus großflächige Bezirk drei scheinbar unerreichbar ist.
    Was sich in Drei, dem geografisch kleinsten Bezirk, befindet, darüber kann nur gemunkelt werden. Gerüchte sagen, es handle sich um die Brutstätte der Ideen und wissenschaftlichen Experimenten unserer Stadtoberhäupter. Ich habe mich selbst eines langweiligen Nachmittags in Waisenhauszeiten mit Fynnus davon überzeugen müssen, dass das Verlassen der einzigen Bahnhaltestation in Drei für Passanten und Bummler ausnahmslos verboten ist. Sechs Stunden Fahrzeit und dann so eine Enttäuschung, abstrus! Man muss noch anmerken, über die ganze Strecke von Vier nach Drei hinweg fuhr man unterirdisch. Selbst Chess und Luc, welche sich selbstverständlich schon vor einer Ewigkeit in die Überwachungsgerätschaften und Computer von fast ganz Sinensis eingehackt haben, können keine Auskunft darüber geben.
    Vielleicht, wenn mein Fluchtversuch scheitert, ich davonkommen mag oder einfach aufgeben muss, daran zu basteln, wird es mein Ziel, mehr über unsere Stadt herauszufinden. Dann werde ich mich wieder in den dritten Bezirk aufmachen und versuchen, die Sache zu klären.
    Zwei stellt das Herz des Verkehrsnetzes dar. Hier wird sämtlicher Schienenverkehr gespeist und in diesen hochangelegten, gewaltigen Wolkenkratzer münden ausnahmslos alle auf Schienen befindliche Fahrzeuge wieder. Zwei besteht grundlegend aus nur einem monströsen Gebäude und versorgt Abermillionen mit Arbeit.
    Und dann gibt es noch das Stadtzentrum. Wie das schwarze Loch in einer Galaxie, ähnlich der Lava in einem Vulkan.
    Bezirk Eins.



    +++

    Kurz und knapp, ein Kumpel hat mir geflüstert, dass es die bei Libro (Österreich) schon im Verkauf geben soll.
    Jedenfalls bin ich daraufhin sofort dort hin gefahren, erst vor 'ner halben Stunde. Hab gesucht und gesucht, in den Regalen war's nämlich noch nicht. Da ich aber davon wusste, dass die Verkäuferinnen dort hinter einem kleinen Tresen immer neben Bestellungen auch aktuelle Angebote neu bekommen, hab ich mich ran geschlichen und 'nen Blick riskiert, als die Mitarbeiterin dort kurz weg war.



    Und da stand sie: Eine rote Kiste, randvoll mit Schwarz&Weiss 2.


    [Blockierte Grafik: http://oi47.tinypic.com/zl91s4.jpg]


    Hab die Verkäuferin dann gefragt, ob das schon für den Handel frei wäre und sie war dann cool genug um mir das zu vergeben.
    Immerhin waren schon Preisetiketten drauf.
    Also, an alle Fans aus Österreich: Guckt bei Libro nach! o:


    Lg

    *profil stalk* uuh, Katzenliebhaberin. ^^
    Hallo, Gatto!


    [tabmenu]


    [tab=Vorwort]

    Zitat

    Ich würde euch bitten, dass ihr mich nicht mit zu viel Kritik in einem post ankommt


    Ich verstehe zu gut, was du meinst. Selbst freue ich mich zwar über alle möglichen Kommentare, (wenn sie denn den Regeln entsprechen, das heißt, kein Spam oder Doppelposts) doch für Anfänger im Fanfiktionbereich können zu lange Kommentare schnell mal irritierend oder ablenkend wirken, deshalb mach ich's kurz und bündig.
    Kleiner Tipp: Lange Kommentare sind nunmal unvermeidlich, wenn du für eine gewisse Zeit an deinen Geschichten schreibst. Da du aber auch schon länger in diesem Forum bist, wie ich sehe, wird dir sicher bekannt sein, dass (verschwenderische) Doppelposts nicht erlaubt sind. ;) Bitte deine Leser daher doch einfach, lange Texte oder Kritiken in Spoiler/Tabmenüs zu packen. Somit wäre es nicht zu viel auf einmal und schön geordnet.


    [tab=Positives]


    Reisegeschichten (Pokémon) sind und bleiben die besten, meiner Meinung nach.
    Die Ich-Form gefällt mir sehr gut. In meiner momentanen Fanfiktion habe ich diese ebenfalls gewählt - es wirkt einfach viel persönlicher und bringt den Leser auf ein verbundeneres Level. ^^
    Inhaltlich finde ich es gut, dass du dir die Kanto Region ausgesucht hast - absolutes Nostalgie Gefühl! :) Zudem geben einem Schiffsreisen tolle Atmosphären für den Start (man bricht sozusagen ins Unbekannte auf, in eine neue, atemberaubende Welt).
    Um den Titel passend zu bewerten, werde ich noch bis zur Beendigung der Bearbeitung warten.


    [tab=Tipps und Kritik]


    Ich bin kein Lesertyp, der dir Rechtschreib- oder Grammatikfehler vor die Nase hält - Fehler macht jeder.
    Mir ist es viel wichtiger, dass der geschichtliche Inhalt & die Beschreibung bzw. Erzählung passen!
    Du hast dir die Ich-Perspektive ausgesucht, das finde ich, wie gesagt, sehr anregend und spannend. Auf der anderen Seite gibt einem diese Perspektive wahnsinnig viele Möglichkeiten, um den Storyverlauf bzw - ablauf zu schildern. Du könntest so viel mehr aus der Umgebung herausholen, den Gefühlen des Protagonisten, etc.. Wie sieht zum Beispiel sein Zimmer aus? Was gibt es im Haus sonst noch zu erwähnen?
    Welchen Eindruck machte die Mutter bei der Abreise, war sie zb. etwas besorgt oder sehr glücklich?
    Wo genau lebt Kris eigentlich? Wie sieht seine Umgebung aus? So viele Dinge könntest du einbauen, damit deine Kapitel um einiges länger werden. Ganz unter uns, ich kann auch nicht mal einschätzen, ob Kris weiblich oder männlich ist, da dieser Name für beide Geschlechter verwendet werden kann... Weiteres: Kris ist im ersten Satz auf dem Schiff, gleich im nächsten sieht er/sie bereits die Hoenn Region. Zwischen Abfahrt und Ankunft könnte man doch sicher ein paar tolle Erlebnisse einbauen, wenn sie auch gar nicht handlungsbeeinflussend sein müssen, findest du nicht? ^^


    Bitte sei mir nicht böse, doch ich musste dir diese Punkte nahebringen.
    Ich würde dir auch noch raten, der Fanstoryschule im Fanworkbereich einen Besuch abzustatten, oder dir einfach FFs aus dem Profibereich durchzulesen, um deine Fähigkeiten im Schreiben optimal zu verbessern.


    [tab=Schlusswort]


    Es gibt ein paar Punkte an deiner Story, die mir gefallen.
    Allerdings hoffe ich, dass der Absatz in deinem Startpost nur eine Art Prolog oder Preview auf kommende Geschehnisse war.
    Man sagt ja, in der Kürze liegt die Würze, doch zu wenig ist auch nicht gut, oder? :) [/tabmenu]




    Freue mich schon auf das nächste/erste Kapitel!
    Lg Android 17


    +++


    Die Flucht




    Meine Welt



    Mein Name lautet Pethar.
    Ich besitze dunkelbraune Augen, schwarzes Haar und bin hundertachtzig Zentimeter groß. Seit zehn Jahren lebe ich hinter den Mauern von Sinensis, der Welthauptstadt. Wir schreiben das Jahr Zweitausendeinhundertdreiundsiebzig. Es ist Sommer, ein recht angenehmer Tag. Der einzige Unterschied, hier gibt es keinen Himmel. Zumindest ist er nicht real.
    Mit freiem Auge kann man es nicht erkennen, doch was einst Wolke, Horizont und Sonnenlicht über Sinensis war, besteht heute aus einem gigantischen, erleuchteten Kraftfeld und weiteren holografischen Bildern eines blauen Himmels, den es schon lange nicht mehr gibt.
    Ich sitze im Gras, welches zumindest noch echt ist, beobachte ein paar schlummernde Hunde und grüble vor mich hin. Hier draußen ist es zumindest noch ruhig.
    Jetzt gerade befinde ich mich im Park eines äußeren Bezirks. Unsere Welthauptstadt Sinensis war einst bekannt als Wien. Aber auch das sogenannte Österreich oder Deutschland sowie die Schweiz gibt es nicht mehr, schon lange. Jetzt existiert nur mehr die Hälfte Europas, doch was sich hinter den undurchdringlichen Mauern von Sinensis abspielt, ist mir nicht bekannt. Unsere Stadt besteht aus vierzehn gigantischen Bezirken, fast hundertsechzig Untergrundlinien, auf einer Fläche von rund zweiundzwanzigtausend Quadratkilometern und beherbergt, stetig wachsend, zirka fünfzig Millionen Menschen. Ob es darunter überhaupt noch viele Einwohner mit wienerischen oder europäischen Wurzeln gibt, ist unwahrscheinlich. Ich selbst weiß nur, dass meine Vorfahren vor mehr als hundert Jahren aus Amerika geflüchtet sind.
    Damals brach dort durch chemische Unfälle, vermischt mit aggressiven Viren, eine Pandemie aus und darum ist es nur verständlich, weshalb meine amerikanischen Eltern und ich in Europa leben.
    Heute herrschen strenge Regelungen. Die Stadt ist zwar modernisiert und mit Wien nicht vergleichbar, allerdings wird man hier von Gehirnwäschen nahezu überflutet. Ein schönes Leben wird einem vorgegaukelt – und so lebt es sich hier auch.
    Doch ich hasse diese Stadt. Ich weiß, dass meine Eltern noch irgendwo da draußen leben. Sie werden zwar leider nicht das gesundeste Dasein fristen, doch sie leben.
    Als ich acht Jahre alt war, setzten die Köpfe der Regierung von Sinensis Maßnahmen. Die Pandemie erreichte langsam auch die sicher geglaubten Teile von Europa. Deshalb entwickelten die Chefs von Sinensis einen Plan, um den verbliebenen Rest der Welt aufrecht zu erhalten.
    Sie entführten, entrissen mich meinen Eltern und sperrten noch tausend andere wie Tiere in einen Käfig. Kinder wurden weggenommen, doch ihre Erzeuger ließen sie draußen im Gift verrecken.
    Ich kann mich nicht genau an meine Eltern erinnern. Ich denke mal, dass ich äußerlich meiner Mutter ähnle. Ich weiß auch, dass die zwei stark sind, sie haben überlebt.
    Da bin ich mir sicher.


    Ich betrete ein graues, mehrstöckiges Apartmenthaus, tummle mich durch einen Haufen Leute, hier wohne ich, im elften Bezirk. Der elfte Bezirk ist einer der Größten, hier gibt es besonders viele Wachposten. Bezirk Elf bildet mit Neun, Zehn, Zwölf, Dreizehn und Vierzehn den äußeren Stadtring, welcher an den Wachmauern angrenzt.
    Unsere kleine Wohnung ist erleuchtet. Die Schuhe meiner Mitbewohnerin liegen auf einer braunen Matte. Zwecks Sicherheitsgründen und da sonst eine Kontrolle über die rund fünfzig Millionen Einwohner von Sinensis unmöglich wäre, sind Stempeluhren in allen Häuslichkeiten und an fast jeder Straßenecke angebracht. Wir haben eine gleich neben der Eingangstür.
    Bei allen Einwohnern, den Neugeborenen sowie selbstverständlich auch den Flüchtlingen und entführten Kindern werden umgehend Aufspürradare in Form von kleinen Kapseln ins Handgelenk eingepflanzt. Unsere Welthauptstadt bietet in vielen Ecken kaum noch Platz und ist tagsüber fast überall randvoll, doch auch für die ärmsten Schluckspechte gibt es ein Dach über den Kopf und wenn sie sich einen Raum in Größe einer Nussschale mit zwanzig anderen teilen müssen, muss es so sein. Die Stempeluhr dient nämlich zur Überwachung. Alle sechs Stunden muss man sich an einem dieser Geräte registrieren oder zumindest alle zwölf Stunden an der hauseigenen. Sollte man dies nicht tun, werden umgehend polizeiliche Maßnahmen gesetzt. Die Radare sind nämlich nullachtfünfzehn Gerätschaften der modernen Technik und bekommen durch diese Registrierungen ihren Saft. Und würde man sich dem widersetzen, den Aufenthalt verbotenerweise geheim halten und die Radare nicht wiederaufladen, nehmen diese Schweine ganze Häuserblocks und die halbe Stadt auseinander, um einen wiederzufinden. Ich verstehe bis heute nicht, warum sie so handeln. Viel weniger will ich aber an die bis obenhin angefüllten und verdreckten Blocks in den heruntergekommenen Teilen von Bezirk Elf und der Stadt denken, die bei solchen Zwischenfällen meist noch um drei Uhr morgens auf den Kopf gestellt werden.
    „Warst du wieder draußen, Pethar?“
    Tagsüber arbeite ich in einem Laden für alle möglichen Jagdutensilien. Ich bin wahrlich ein Meister im Bogenschießen und zumindest gibt die Stadt ordentliche Ausübungsplätze für alle möglichen Sportarten her.
    Doch wenn ich mal frei habe, vertreibe ich mir die Zeit lieber damit, bis ans Ende der Stadt zu düsen. Führerschein habe ich nicht, doch die öffentlichen Verkehrsmittel bringen mich zum Glück dorthin, wo ich will. Am Rande gibt es dann nicht mehr viel zu sehen, doch ich liebe das bisschen natürliche Grün, welches man innerhalb der Stadtmauern überhaupt noch sehen und riechen kann. Dort begutachte ich dann immer die holografischen, scheinbar mauerlosen Grenzen, die ein endlos grünes Feld projetzieren. Genau an dem Ort versinken meine Gedanken stets stundenlang.
    Daneben wohne ich noch in einem Jugendgebäude mit schätzungsweise zwanzig Stöcken und unzähligen Wohngemeinschaften. Mit mir in einer WG leben ein Junge und ein Mädchen.
    „Klar, Geraldine.“ Unsere Wohnung ist nichts Besonderes. Wir leben in einer hochmodernisierten Stadt, doch das bedeutet nicht, dass die Menschen von Robotern bedient werden oder der Himmel mit Flugschiffen übersät ist. Auch mein täglicher Ritt in der U-Bahn findet lediglich in einer verchromten und wahrscheinlich nur schnelleren Version von der Damaligen statt.
    Der Virus ist so aggressiv, dass ich heute gar nicht mehr leben dürfte. Es handelt sich um pures Glück, dass Europa so lange unversehrt geblieben ist, bis eine Lösung gefunden wurde – mir leider unbekannt, ich würde es zu gerne wissen. Doch durch die kettenreaktionsähnlich schnelle Ausrottung der Menschheit brach ein sehr großes Netz an Technologie zusammen, welches sich wohl gerade in der Evolution zur nächsten Stufe befand. Es kostete sehr viel Zeit, die verbliebenen Menschen zu schützen und im Endeffekt einzusperren, als dass man an einer hochtechnisierteren Welt arbeiten konnte.


    „Lass mich raten, deine Gedanken haben dich dort wieder stundenlang an eine Parkbank gefesselt, nicht wahr?“, witzelt sie und balanciert ein paar Pfannkuchen auf meinen Teller. Geraldine ist wie eine große Schwester für mich.
    Geraldine - braunhaarig, mit Zöpfen, die sie sich nach hinten gebunden hat, smaragdgrünen Augen und den vollen Lippe. Seit neun Jahren kenne ich sie nun, ihre Eltern wurden damals inhaftiert.
    Und bis wir beide fünfzehn geworden sind – wir sind gleichaltrig – verbrachten wir eine, meines Erachtens, ähnliche Gefangenschaft in einem Waisenhaus. Bis obenhin vollgestopft mit Rabauken war es dort. Doch von diesem Ort kenne ich heute noch einige Leute, die mir womöglich bei meiner Flucht helfen könnten.
    „Du kennst mich zu gut“, antworte ich und versuche dabei zu lächeln. Geraldine legt ihre Kochschürze ab und setzt sich ebenfalls an den Tisch. Der Tisch ist verchromt, in unserer Zeit gilt dieses Material allerdings bereits altmodisch und passt nur zur Mittelschicht oder den armen Haushalten. Das Chrom sieht schon dezent heruntergekommen aus, Spiegelungen erkennt man durch die vielen Kratzer fast gar nicht mehr.
    „Hast du eigentlich immer noch vor, von Sinensis abzuhauen?“ „Geraldine, der Gedanke daran erhält mich am Leben. Du weißt doch, warum ich hier weg will“, antworte ich schmatzend.
    Ich habe Hunger und stopfe mir die leckeren Pfannkuchen gierig in den Mund. „Hm, das ist fast unmöglich. Heute Morgen habe ich einen Bericht in der Zeitung gelesen, dass die Wachen erneut ein paar Einwohner dabei erwischt haben. Sie wurden unverzüglich ins Gefängnis gebracht und…“ Sie unterbricht für einen Moment, da unser Mitbewohner gerade durch die Küchentür kommt. „Hingerichtet“, fügt er hinzu. „Fynnus, da bist du ja endlich!“ Geraldine springt förmlich aus ihrem Stuhl und bereitet auch ihm einen Teller mit Pfannkuchen zu. „Das ist allerdings nur ein Gerücht, Geraldine. Ach und für mich bitte ohne Marmelade, nur etwas Zucker, ja?“
    Er lässt sich müde auf einen Stuhl nieder und seufzt. Sein weißblaues, kariertes Hemd liegt in Falten und riecht verschwitzt – ganz im Gegensatz zu meiner Lederjacke und dem weißen T-Shirt darunter. „Na, etwas Neues rausgefunden, müder Herr Fynnus?“ Hämisch grinsend spiele ich darauf an, dass heute mein freier Tag war, während er gearbeitet hat und schiebe mir wieder ein Stückchen Pfannkuchen zwischen die Zähne.
    „Ach, nur das Übliche“, antwortet er und nimmt seine Mahlzeit entgegen. „Geraldine dein Essen schmeckt wie immer toll aber…“ Er hält kurz inne, wir blicken ihn fragend an. „Bei den überfüllten Straßen könnte ich dennoch kotzen“, schmunzelt er.


    Nachdem wir gegessen haben und ich den Abwasch erledigt, lassen wir uns auf das kleine rote Sofa im nicht viel größeren Wohnzimmer fallen. Jeder von uns hat außerdem seine eigenen vier kleinen Wände, doch bei unseren Gehältern und den massig teuren Quadratmeterpreisen springt nun mal nicht mehr heraus. Da ich ohnehin lieber etwas Gesellschaft in Form von Freunden um mich habe, gefällt es mir zumindest in unserer Wohnung, wir sind wie eine kleine Familie.
    „Wieder nur Schwachsinn im Fernsehen.“ Fynnus beschwert sich täglich über das Fernsehprogramm. Er ist ein kleines Genie, kennt sich vorzüglich mit Technik aus und vergeudet trotzdem seine Zeit als Krankenpfleger in einem schmutzigen Krankenhaus. „Ich stimme dir zu“, äußert sich Geraldine.
    Doch bei der Auswahl kann man es niemandem verdenken. Drei Sendestationen zur täglichen Manipulation der Menschheit. In der einen berichten zweitklassige Reporter und Redakteure quasi rund um die Uhr von dem tollen Leben und den glücklichen Einwohnern in Sinensis. Die Zweite zeigt laufend Dokumentationen der neuesten und auch ältesten Fälle von Kriminalität und deren Eindämmung durch polizeiliche Brutalität. Im dritten Fernsehprogramm zeigen sie neu gedrehte Spielfilme von damals, deren Manuskripte noch gerettet werden konnten – in geschnittener Fassung. Wie im ersten Sender wird nur Gutes gesendet, die rebellischen Szenen gestrichen. Einige der Filme müssen meines Erachtens bereits antik sein, bei den ganzen naiven Vorstellungen und Ideen.
    Man muss wissen, da der Virus die Leute zur Anarchie getrieben und somit auch die klügsten Köpfe der Medien durchdrehen gelassen hat, ist nicht viel übrig geblieben. Mir ist es ziemlich gleich, doch etwas neuwertigeres Programm, das zum modernisierten Dasein wie Pech sprichwörtlich zu Schwefel passen sollte, könnte so manch harten Arbeitstag mit einem tollen Fernsehabend besser ausklingen lassen. Was damals New York war, gibt es nicht mehr. Die NASA, Weltraumtechnologie, Gesundheitswissenschaften, unzählige Dokumente, Aufzeichnungen und Lehrfilme, die uns jetzt helfen und das Leben erleichtern würden, sind für immer zerstört worden.

    „Igitt, ein bedientes Mädchen, das sich in einen Vampir verliebt, grässlich“, kommentiert Fynnus. „Und dann auch noch diese peinlichen Dialoge.“ Ich muss lachen, doch auch die beiden anderen können sich zumindest ein Grinsen nicht verkneifen.
    Nach etwa anderthalb Stunden ist Geraldine kurz davor, an Fynnus‘ Schulter einzupennen. Wir haben keine Lust auf manipuliertes Zeug im TV, das benannte Mädchen aus dem Film ist beinahe von einem anderen Blutsauger getötet worden und liegt im Krankenhaus. „So, Schluss damit“, meint Fynnus und macht den Fernseher aus. Man möchte meinen, wir hätten schon etwas das Heimkino ähnelt, wie es die Menschen damals mit ihren Flachbildschirmdingern nachahmen wollten. Doch vor uns steht nur eine runtergekommene Version dessen, was die vor hundert Jahren vielleicht schon hatten, keine Ahnung.


    „Mich würde ernsthaft interessieren, wann wir endlich von hier verschwinden werden…“ Ich stehe auf, strecke genüsslich meine Gliedmaßen und offenbare, was mir schon den ganzen Tag und während dieses schwachsinnigen Films im Kopf herum spukt. „Wir?“ Geraldines betont das Wort, indem sie ihre Stimme eine Oktave höher wandern lässt. Ich weiß selbstverständlich, dass sie tendenziell eher dazu neigen würde, in Sinensis bis an ihr Lebensende zu bleiben. Darum haben wir Geraldine auch gar nicht erst in unser Geheimnis eingeweiht. Fynnus arbeitet als Krankenpfleger, das stimmt.
    Doch wenn er sich nicht für eine Sekunde zwischendurch auch Zeit nimmt um einmal zu entspannen oder heimlich Pläne für fantastische Erfindungen zu kreieren, macht er Überstunden im Krankenhaus. Fynnus versteckt sein besonderes Talent durch Arbeit in der untersten Schublade. Seine offizielle Tätigkeit besteht darin, sich einfach den ganzen Tag um verwahrloste und kranke Menschen zu kümmern, sie etwas zu pflegen und mit ihnen zu reden.
    Außerdem sind Arbeitsplätze heutzutage Gold wert und alle Jobmöglichkeiten randvoll. Bei dem Gewusel fällt es nicht auf, wenn er sich mal Überstunden nimmt, in Wahrheit aber einen leeren Fahrstuhl schnappt und damit ins Erdreich schlüpft.
    Unter vielen Krankenhäusern gibt es nämlich Schutzbunker, angereichert mit allen möglichen Dokumenten, Waffen und Schrottteilen die zur Mechanik und natürlich auch Wissenschaft dienlich sein können.
    So viel wert wie Diamanten ist das alles, sagt Fynnus immer und ich verstehe was er meint. Mein Kollege hat tagelang an der Identifikation des Zahlencodes zum Zugang der Bunker gearbeitet, doch fragt mich nicht, wie er ihn am Ende herausgefunden hat. Hohe Mathematik, denke ich.
    Auch er hegt großes Interesse daran, die unschuldig wirkenden, hinter Hologrammen versteckten Mauern von Sinensis hinter sich zu lassen und in Freiheit zu forschen.
    Die Wissenschaftler der Stadt analysieren Tag für Tag wie sie die Menschenmassen unter Kontrolle halten können – mit ihrer manipulativen Propaganda über ein schönes Sinensis und der unduldsamen Gesetzesregeln punkto Überwachung. Zudem kämpfen sie immer noch an weiteren Maßnahmen gegen den Virus. Woraus die Wände der Stadt bestehen könnten, nur Gerüchte werden Auskunft geben. Das Gegenmittel besteht aus einer ebenso anonym gehaltenen Substanz. Fynnus meint immer (er untersuchte den im Handel billig zu erwerbenden Impfstoff und war damals bei der Erkenntnis ziemlich überrascht), dass es sich dabei um eine Fusion zwischen der abgeschwächten Wirkung von Eisenhut und einer weiteren, künstlichen Eigenschaft handeln muss.
    Eisenhut klingt lustig. Es soll ein giftiges Gewächs und Mordwaffe in damaligen, nicht technisierten Kriegen gewesen sein, das es heutzutage gar nicht mehr geben dürfte. Durch seine Überstunden lernt Fynnus jedoch viel über die Heilmittel von vor über hundert Jahren.
    „Würdest du uns echt alleine ziehen lassen, Geraldine?“ Fynnus kuschelt sich brüderlich an ihre Seite, zum Glück trägt er seit Filmbeginn saubere Schlafkleidung. „Natürlich nicht, ich würde euch aufhalten.“ Die zwei bewerfen sich immer gerne mit dezent sarkastischen Kommentaren, meinen es aber glücklicherweise nie böse. „Da gibt’s aber kein Aufhalten“, kontere ich.
    Meine Augen blicken aus dem Fenster, folgen künstlichen Sternschnuppen auf dem Firmament. Ich beobachte das Treiben der Stadt, in finsterer Nacht getaucht. Obwohl wir hier in einer nicht ganz so modernen und sehr verkorksten Welt leben, könnte man die echten Sterne am Himmel wegen der vielen Lichter und Leuchtreklamen wahrscheinlich gar nicht erleben.



    +++

    Pandemie - Die Flucht



    Mauern werden mich nicht binden +++ Gift wird mich niemals zerfressen



    Informationen


    • Willkommen zu meiner neuen Geschichte Die Flucht
    • Behandelt diesen Startpost bitte wie ein Buch, jedoch ohne sonderliche Extras (wie man sie hier so schön in vielen Topics vorfindet). Ich hoffe, man versteht was ich meine.
    • Die Inspiration zur Geschichte kam mir ganz plötzlich. Ich wollte einfach wieder etwas Zeit in das Verfassen einer Fanfiktion investieren und wartete, bis mich die Muse geküsst hat.
    • Eine Danksagung finde ich an diesem Punkt zwar relativ unnötig, da ich mittlerweile mit fast niemandem in diesem Forum mehr Kontakt habe und mich auch sonst niemand inspiriert hat. Ich freu mich aber trotzdem über die Möglichkeit, hier meinem Geist freien Lauf zu lassen und möchte gerne Danke sagen. An Woelfin Akira, die mich gerne mal (trotz unregelmäßiger, urplötzlicher und ewig langer Unterbrechungen) während des Geschichtenschreibens begleitet hat und an Iver, der ab und zu doch noch ein Wort hier mit mir wechselt.
    • Es kann und wird durchaus vorkommen, dass Soundtracks in Spoilern zu den jeweiligen Kapiteln hinzugefügt werden, wenn sie denn dazu passen. Genaue Beschreibung findet man dann noch im Spoiler.
    • Textformen: Gedankenpassagen und manch betonte Bemerkung werden kursiv gepostet, der Rest bleibt unformatiert.
    • Erzählt wird aus der Perspektive des Protagonisten.
    • Zeitform: Ich möchte mich gerne an der Gegenwartsform versuchen. Da ich jedoch nie ein Meister in Grammatik war, bitte ich euch, mich nicht auseinander zu nehmen, solltet ihr Fehler finden.
    • Genres: Sci-Fi, Abenteuer, Drama, Dystopie



    Inhaltsangabe



    Seit zehn Jahren lebt Pethar in der Welthauptstadt Sinensis.
    Was damals als Wien bekannt war, ist nun der Heimatort für Millionen. Hinter den holografisch getarnten und hermetisch abgeriegelten Schutzmauern ist einem ein halbwegs gutes Leben bestimmt. Doch selbst der Versuch zu fliehen bringt die Todesstrafe mit sich. Manipulation verbreitet sich in der angeblich schönen Welthauptstadt.
    Die Regierung herrscht über rund zweiundzwanzigtausend Quadratkilometer. Was sich hinter den Stadtmauern befindet, wird streng geheim versiegelt gehalten.
    Und obwohl bekannt ist, dass beinahe die gesamte Menschheit durch einen infektiösen, giftigen Virus, eine uneindämmbare Pandemie, ausgelöscht wurde, will Pethar fliehen. Weg von diesem vollgestopften Ort. Bis an die entlegensten Ecken von Europa, wenn es sein muss. Dorthin, wo seine Eltern vielleicht noch leben.




    Inhaltsverzeichnis



    Die Flucht


    +


    Meine Welt
    Die Stadt
    Funkelnde Schönheit


    +



    Soundtracks:




    +


    Weg durch Hoenn


    Kapitel 3: Es war Blut!


    Nach einer langen Feier, bunten Lichtern, unzähligen Teilnehmern und dem Start als Pokémontrainer, begann der nächste Morgen umso schöner.
    Die große Feier hinterließ in ganz Graphitport City ihre Spuren, deshalb wurden auch schon vor Morgengrauen mehrere Reinigungskräfte beauftragt, um den ganzen Müll zu beseitigen. Auch das Podest sowie die großen Übertragungsbildschirme wurden zu frühen Stunden abmontiert. Es war erst 7:00Uhr, als Aura vom piepsenden Weckalarm ihres Navigators aus dem Schlaf gerissen wurde. Ihre Lungenflügel fühlten sich eingedrückt an, weshalb sie erst einmal kräftig gähnen und nach Luft schnappen musste. Trotz des vielen Rummels, verlief der gestrige Abend äußerst zufriedenstellend. Auch im Aufenthaltssaal des Schiffes war die Stimmung köstlich und nach einer Stunde klassischer Musik, verleitete ein in Hoenn beliebter DJ die Gäste dazu, das Tanzbein ordentlich zu schwingen. Aura war in dieser Angelegenheit etwas plump und zurückhaltend, dennoch hinterließ der Muskelkater ein paar unschöne Schmerzen in den Waden. Womöglich lag es auch nur an den Schuhen, die, trotz ihrer Schönheit, sich eher etwas unangenehm anfühlten.
    Benommen torkelte sie ins Badezimmer. „Meine Güte, ich fühle mich wie gerädert…“, murmelte sie vor sich hin. Nach einer heißen Dusche, deren prickelnde Hitze sich wie eine Massage im Genick anfühlte und der restlichen morgendlichen Hygiene, machte sich Aura für ihren Aufbruch fertig.
    Sie bekleidete sich mit ihren liebsten Klamotten. Ein beiges, schulterfreies T-Shirt schmückte ihren Oberkörper. Dazu noch einen laubbraunen, kurzen Faltenrock, kombiniert mit einem schwarzen Gürtel. Zwei schwarz-weiße Handschuhe, einen sandfarbigen Sommerhut sowie festes, rotes Schuhwerk. In ihrem grünen Rucksack befanden sich nebenbei noch Unterwäsche, Socken und ein Unterhemd als Ersatz, sobald ihre Kleidung mal gewaschen werden musste.
    Außerdem hatte sie noch belegte Brötchen, viele Äpfel und eine Sportflasche mit Mineralwasser als Proviant in ihren eingepackt. Zum Glück hatte ihr Faltenrock ein paar Seitentäschchen, in welche Aura ihre Reiseutensilien, den nagelneuen Navigator und eine Brieftasche, einsteckte.
    Fürs Überleben war der Inhalt der Brieftasche am allerwichtigsten. Neben ein paar Pokédollar befand sich darin nämlich eine Trainerkarte, mit der die Jünglinge in allen Pokémon Centers sowie in den Pokémärkten bezahlen konnten. Für die Kosten waren selbstverständlich die Eltern zuständig und darum war Aura natürlich klar, dass sie nicht verschwenderisch sein durfte.


    Eine Stunde nach dem Erwachen schlich sich die junge Dame, noch vor jeglichem Frühstück, klammheimlich aus dem Haus. Einzig ihr Evoli hatte sie bei sich. Ihre Eltern hatten den Abend zuvor noch ein bisschen getrunken und vergruben sich deshalb höchstwahrscheinlich noch unter den Federn.
    Heute hatte die frisch gebackene Trainerin keine Zeit für eine ausgiebige Meditation. Stattdessen machte sie sich auf den Weg zum Marktplatz. Graphitport Citys Pokémarkt war für seine enorme Vielfalt und Größe in ganz Hoenn bekannt. Und obwohl die meisten Verkaufsstände noch geschlossen hatten, wusste Aura, dass sie dennoch irgendwo bestimmt etwas Pokémonfutter für ihr Evoli finden würde.
    „Komm heraus, Evoli!“, rief sie, nachdem ihr Haus bereits hinter ein paar Hügeln verschwunden war. Genüsslich streckte der kleine Wonneproppen seine Gliedmaßen und gähnte ausgiebig.
    „Evoli“, lächelte es daraufhin. „Hey, mein Kleiner. Ich bin gerade auf dem Weg zum Pokémarkt, um dir etwas Futter zu besorgen. Willst du mich begleiten?“ Einwilligend hüpfte es Auras ausgestreckten Arm entlang, in Richtung linke Schulter. Von ganz Graphitport City aus hatte man einen unbezahlbaren Blick aufs Meer und den Strand. Und obwohl die hoch umworbene Stadt mit vielen Touristen und vereinzelt mit ein paar Wolkenkratzern gesegnet war, war sie nicht sonderlich dicht besiedelt, was wiederum viel Platz für grüne Flächen, Sträucher und Bäume offen ließ. Gelegentlich blinzelten ein paar Sonnenstrahlen durch den leicht bewölkten Morgenhimmel, während Aura dem Weg zum Marktplatz folgte. Einige Nachbarn aber auch unbekannte Gesichter der Hafenstadt kamen ihr entgegen. Evoli erkundete dabei neugierig und aufmerksam seine neue Umgebung. „Weißt du, ich bin hier in Graphitport City aufgewachsen. Außerdem denke ich, dass Hoenn eine tolle Region ist, um die Reise als Trainerin zu beginnen“, erklärte sie ihrem süßen Partner. „Ich hoffe, du hast ebenfalls Interesse daran, dieses große Gebiet mit mir zu erforschen und zu durchforsten.“ Schmunzelnd nickte das kleine Evoli. Bei dem Gedanken, bald weit weg von zuhause zu sein, spürte sie eine hohe Aufregung in ihrer Magengegend. Nichtsdestotrotz war sie fest entschlossen, endlich ihre Reise zu starten.


    Auf dem Marktplatz tummelten sich bereits einige Leute, um ihre Geschäfte zu erledigen. Momentan herrschte ein großes Interesse für die neuesten Ausgaben der Pokébälle, die von Metarost Citys Technikfirma namens Devon hergestellt wurden.
    Wie erwartet hatten einige Geschäfte noch geschlossen, zum Glück waren die regulären Betriebe und Supermärkte aber bereits geöffnet. Nachdem sie zwei ein-Kilo Säcke des Pokémonfutters gekauft hatte, machten sich Aura und ihr Evoli wieder schnurstracks auf den Heimweg. Ob Mama und Papa wohl schon wach sind? Ich hoffe es doch, denn sonst verschlafen sie vielleicht noch meinen Aufbruch in die weite Welt. Stirnrunzelnd, mit den Armen voller Einkaufstaschen, streifte sie durch den Marktplatz, bis zu dessen Ende, gefolgt von Evoli.
    „Fay, endlich hab‘ ich dich!“ In Gedanken versunken kam der Ruf etwas überraschend. Aura wirbelte umher und hätte dabei fast einen der beiden Säcke fallen lassen. „Gestern bin ich gar nicht mehr dazu gekommen, dich zu einem kleinen Kampf herauszufordern, bei dem ganzen Wirbel.“ Vor Auras Augen befand sich Natalee. Die grünhaarige Einwohnerin von Graphitport City zählte nicht wirklich zu Auras Freunden. Vielmehr versuchte sie oft mit ihrer provokanten Art aufzufallen. Das beste Beispiel war wohl ihr Name, um den sie, aufgrund seiner außergewöhnlichen Ausschreibung, fast ihr ganzes Leben lang bereits eine große Show abgezogen hatte.
    „Natalee, ich habe kein Interesse an einem Kampf gegen dich, du musst dir wohl jemand anderen suchen“, antwortete Aura schroff und drehte sich wieder um.
    Aura missfiel es, wie sich das grünhaarige Mädchen ständig benahm und ging ihm deshalb stets aus dem Weg. Selbst während Schulzeiten hielt sie sich immerzu von dem ihr fern. Natalee verfolgte Aura bis zum Ende des Marktplatzes. Überaus genervt stellte sie sich ihr in den Weg.
    „Ich finde, es ist eine bodenlose Frechheit, dass du durch den Beruf deines ach-so-tollen Vaters ein seltenes Evoli erhalten hast.“ Erzürnt starrte Natalee das kleine Ding an, woraufhin es sich ängstlich hinter den Beinen seiner Trainerin versteckte. „Darum will ich dich zu einem Kampf herausfordern, um dir mal zu zeigen, wer die Hosen in dieser Stadt an hat!!“ Aura seufzte. „Ich habe mir keinen Vorteil dadurch gemacht, mein Vater hat mir Evoli als Geschenk mitgebracht. Zudem werden die restlichen Trainer, damit auch du, wohl kaum mit schlechten Pokémon ausgestattet worden sein.“
    Dieses kleine Miststück wird wohl einen Pokéball nach dem anderen durchforstet und sich das Stärkste gewählt haben, dachte sie. Die himmelblauen Augen der grünhaarigen Trainerin passten gar nicht zu dem aufbrausenden Temperament.
    Mit geballten Fäusten sprudelte es aus Natalees Mund. „Ja, ausgerechnet dieser naive Buntspecht hat durch Zufall ein schillerndes Pokémon gefunden. Mit meinem Ding bin ich ebenfalls durchaus zufrieden, der Rest war aber mehr als Schrott.“ Lachend hielt sie ihren Handrücken vor den Mund. Ihre ekelhafte Art brachte den einen oder anderen regelmäßig zur Weißglut. Was beschwerend hinzukam, Natalee hatte zwar eine große Klappe, doch auch etwas dahinter. Selbst, wenn sie sehr herablassend und arrogant wirkte, ihre Kenntnisse über gewisse Eigenschaften der Pokémon sollte man nicht unterschätzen.
    „Weißt du was? Wenn dir so wenig an dem Training liegt, dann bleib doch einfach hier und verrotte in Graphitport City. Jedes Pokémon hat nämlich eine Chance verdient und in jedem liegen auch besondere Kräfte und Fähigkeiten“, schimpfte Aura. „So etwas peinliches wie dich braucht der Rest der Hoenn Region wohl wirklich nicht erleben“, fügte sie hinzu und huschte an ihr vorbei.
    Blutrot lief Natalees Birne an. Aufgrund des Zorns waren ihre Beine wie gelähmt. „Na warte, Fay!! Dieses Mal lasse ich dich noch davonkommen, doch sollten wir uns je auf der Reise begegnen, wirst du mich so richtig kennenlernen, du freche Kuh!!“ Mittlerweile haben ein paar Passanten die lautstarke Diskussion zwischen den Mädchen mitbekommen und guckten neugierig in deren Richtung. Im Dreieck springend zog Natalee von Dannen.
    Ich bin schon jetzt gespannt, wer später mal wen in die Pfanne werfen wird, Natalee!


    Als Aura zuhause ankam, hatten sich ihre Eltern glücklicherweise aus ihren Träumen erhoben. Der Streit zwischen ihr und Natalee war aufgrund von Vorfreude für den kommenden Antritt einer Reise auch schon wieder verflogen.
    Neben der Kleidung und den verschiedenen Utensilien blieb noch etwas Platz für das benötigte Pokémonfutter.
    Während das braunhaarige Mädchen die Treppe runterlief, war der Tisch bereits gedeckt. Der Duft von Kaffee schwängerte den Küchenraum mit dem typischen, morgendlichen Flair. Anna besorgte am Vortag noch reichlich Orangensaft, den sie mit ihrer Tochter normalerweise morgens am liebsten trank. Zum Glück sind sie nicht mehr in ihren Pyjamas, dachte Aura, da sie vorhatte, unmittelbar nach dem Frühstück aufzubrechen. „Guten Morgen, Süße.“ Die Gesichter ihrer Eltern wirkten noch recht verschlafen – kein Wunder, bei der feierlichen Nacht zuvor. „Guten Morgen“, erwiderte sie und nahm Platz. Am liebsten wäre Aura sofort aufgebrochen. Wo sie am gestrigen Tag viel mehr nach ihrem Vater Ausschau hielt und leicht verbittert war, so ermutigte sie der Rest der letzten Nacht enorm. Und zwar so sehr, dass sie am besten sofort losgelaufen wäre, ins Unbekannte.
    „Meine Sachen sind gepackt. Sobald wir mit dem Essen fertig sind, möchte ich losziehen“, verkündete das Mädchen fröhlich.
    Evoli schlürfte etwas Milch aus einer kleinen Schüssel. „So früh schon?“, fragte Arnold überrascht. „Also, wenn du mich fragst, ist das gar keine schlechte Idee. Somit beginnt dein Morgen fantastisch“, sprach Anna. Die Mutter konnte auch schon morgens sehr optimistisch sein. Vater Arnold hingegen fühlte ein kleines bisschen Enttäuschung, ließ sich aber trotzdem nichts anmerken. Immerhin wollte er den großen Tag seiner tapferen Tochter nicht vermiesen. Außerdem erkannte man in seiner verschlafenen Miene ohnehin keine absonderlichen Stimmungsveränderungen. „Meine Güte! Ich bin so froh, dass die gestrige Zeremonie für uns ohne weiteres Trara verging…“, kicherte Aura.
    „Also, ich beneide dich ja furchtbar, Aura. Früher fand dieses Festival nämlich noch nicht statt“, entgegnete Anna. Die Tochter dachte bei den neiderfüllten Worten an sie, wie sie wohl elegant vor all den Kameras posiert und die vielen Fragen der Journalisten gemeistert hätte. „Es ist nun mal Tradition“, lächelte Arnold und kaute dabei an seinem Schokocroissant. „Ein fixer Termin steht noch nicht fest, doch in wenigen Tagen werden einige der Pokémon per Flugmöglichkeit in ganz Hoenn verteilt, ehe wir wieder ablegen müssen“, wiederholte Arnold die Worte vom Vorabend. „Des Weiteren wird auch dieses Geschehnis gefilmt und in der ganzen Welt übertragen“, fügte er hinzu. Auras Laune wurde etwas trüb. Den hinzugefügten Satz nahm sie dabei nicht so wirklich war, sie dachte dabei eher… Ehe du wieder gehen musst, Papa.


    Nachdem die kleine Familie ihr Frühstück beendet hatte, begleiteten Anna und Arnold ihre Tochter zur Tür. Evoli hatte wurde in seine Ballkapsel verstaut. Draußen angekommen, wehte den dreien sogleich eine angenehme, belebende Brise entgegen. Kein einziges Wölkchen war am Horizont mehr zu sehen. Zum Sommerbeginn regnete und stürmte es auch tagsüber gerne mal, doch Aura hatte Glück. Sie hätte sich keinen besseren Zeitpunkt auswählen können.
    „Also, mein Liebling…“ Aura blickte in die Augen ihrer Mutter. Dabei fielen ihr ein paar kleine Tränen auf, die sich Anna beschämt weg wischte. „Gib bitte auf dich Acht! Ich hoffe doch, dass du alle wichtigen Sachen bei dir hast und solltest du jemals Probleme haben, kannst du dich jederzeit melden. Und schreib uns auch, sobald du ein paar tolle Erlebnisse zu berichten hast.“ Die Worte des Abschieds taten einer Mutter stets weh, allerdings musste jedes Kind irgendwann den ersten Schritt auf den eigenen Weg setzen. „Okay, mach ich“, versicherte Aura und drückte ihre Mutter fest. Obwohl es manchmal etwas Krach unter den beiden Frauen gab, so liebten sie sich zweifellos sehr. Arnold verdeckte die Wangen der Tochter mit seinen großen Handflächen. „Sei bitte vorsichtig, mein Schatz. Und versprich mir…“ Er hielt kurz inne.
    „Versprich mir, dass du eines Tages mit mir in die See stichst und in meine Fußstapfen trittst, hörst du?“ Ein warmes Lächeln zierte sein Gesicht. Überrascht guckte Aura ihm kurz in die haselnussbraunen Augen. Ihr Herz pochte vor Aufregung. „Gut, das mach ich“, versprach sie – ihre Stimme stotterte leicht.
    Die junge Trainerin machte sich endlich auf den Weg. Winkend verfolgten sie die Blicke ihrer Eltern, während sie sich immer weiter und weiter von zuhause entfernte.


    An dem weltberühmten Museum für Schiffsbauten und Segelwerke vorbei, musste Aura nur eine kleine Strecke zurücklegen, bis sie an Route 110 angelangt war. Viele Menschen und Pokémon waren mittlerweile auf den Straßen von Graphitport City unterwegs. Das Schimmern des Meeres verfolgte die Brünette noch bis zum Beginn des Waldes, welcher nördlich der Hafenstadt in die Höhe schoss.
    Route 110 beherbergte neben einigen Wäldern noch eine moderne Brücke für Radfahrer. Auch für seine spannenden Pokémonkämpfe war diese Brücke bekannt.
    Ich bin schon so gespannt, was mich erwarten wird, dachte sie. Die sommerlichen Luftzüge des Meeres wurden langsam etwas milder, da sich Aura mittlerweile eine Stunde lang auf dem Weg durch das Waldstück bis zur Radbrücke befand. Bisher traf sie auf keine Menschenseele, wilde Pokémon blieben ebenso aus. Durch diesen Umstand konnte sie aber zumindest die Stille und Ruhe des Waldes genießen. Ab und zu ging es recht steil hinab, auch Felsbrocken waren auf dem Wanderweg zu finden.
    Damals bin ich oft mit Mama in den Wald spaziert, wenn wir beide etwas Abstand von der Hitze des Strandes brauchten, erinnerte sich Aura. Genau aus diesem Grund hatte sie kein bisschen Angst vor der menschenleeren Strecke, auf der sie sich befand. Warum auch? Immerhin könne sie ihr tapferes Evoli vor allen Gefahren beschützen.

    Nachdem der Pfad durch den Wald etwas lichter wurde, schloss sich dieser einer Autostraße an, die direkt zum Hauptplatz von Graphitport City führte. „Oh, da vorne ist sie ja schon“, stellte Aura fest, nachdem sie die große Radbrücke hinter den langen, blumigen Feldern zu ihren Beinen ausmachen konnte. Etwas schrittschneller folgte sie dem Verlauf der Straße. Ein paar Radfahrer, wohl junge Trainer, kamen ihr entgegen und fuhren in Richtung Hafenstadt weiter. Strahlen der Sonne kitzelten Auras Haut, während sie den aufsteigenden Eingang der Brücke erreicht hatte. Hm, während der Wald vorher noch völlig unangetastet wirkte, komme ich mir hier wie in einer zukünftigen Epoche vor. Aura hatte Recht. Die hoch gebaute, moderne Brücke wirkte nämlich wie die Auffahrt zu einem Palast oder Königstempel.
    Ein kleines Infoschild zur Rechten des Aufstiegs versorgte die Passanten mit Hinweisen. „Das Begehen der ersten Meter dieser Brücke ist für jedermann gestattet. Ab dem, von Kontrollposten überwachten Abschnitt ist allerdings nur mehr das Passieren mit Fahrrädern gestattet“, las sie laut vor. Gespannt ging Aura die eiserne Treppe hoch, welche für Fußgänger errichtet wurde. Während ihr Aufenthalt stetig höher wurde, warf sie ein paar Blicke über die Schulter. Je weiter sie kam, desto mehr konnte sie vom blauen Meer entdecken, welches in der Ferne lag. Ihre Heimatstadt blieb allerdings hinter den turmhohen Baumkronen verdeckt.
    Die Treppe führt noch ein bisschen weiter nach oben. Mal sehen, ob ich von dort aus vielleicht sogar Graphitport City entdecken kann.
    In den ebenso hohen Bäumen neben dem Brückenaufstieg konnte das Mädchen ein paar Käferpokémon entdecken, wie sie achtsam die Äste entlang krabbelten und sich in den kleinen Aushöhlungen des Holzes versteckten.
    Oben angekommen stellte sie fest, dass sich ihre Vermutung bestätigt hatte. Ein paar der gewohnten Wolkenkratzer konnte sie durchaus erspähen, obwohl sie schon eine ziemlich weite Strecke zurückgelegt hatte. „Ich hätte nie gedacht, dass die Brücke so weit entfernt war“, stellte sie überrascht fest. Aura kannte nämlich nur ihre Hafenstadt, den Strand, ein paar Pfade durch den Wald und Wiesenflur (Einst besuchte sie mit ihrer Mutter mal die vor grünen Feldern und Blüten strotzende Ortschaft, doch dies per Zug).


    „Du bist so ein unnötiges Ding“, vernahm sie plötzlich und erwachte aus ihren Gedanken. Die für Fußgänger begehbare Zone führte noch ein paar Meter weiter. Kurz vor dem, mit Kameras ausgestatteten Kontrollpunkt, konnte Aura eine Person erkennen. Schaulustig nähernd erkannte sie einen männlichen Trainer - er sah um einiges älter aus, als Aura - zu dessen Schuhen ein schlappes Pokémon kauerte. Durch seine verwahrlosten Klamotten und das Piercing in seiner Unterlippe wirkte der Typ recht abweisend. Nicht zuletzt trug aber der fiese Gesichtsausdruck seinen Teil bei.


    Da Aura kein Feigling war, näherte sie sich dennoch. Wenn ich mich nicht irre, dann ist das ein… „Fiffyen, die Nachwuchshyäne. Dieses beharrliche Hundepokémon verfolgt seine Beute solange, bis diese erschöpft zu Boden fällt. Allerdings kann es auch vorkommen, dass es klein beigibt und flieht, sollte sich sein Opfer erfolgreich widersetzen“, erklärte ihr elektronische Pokélexikon.
    „Absolut zu nichts zu gebrauchen“, schnauzte der junge Mann. Aura konnte ihren Augen kaum glauben, doch der bösartige Kerl trat doch tatsächlich auf sein erschöpftes, wehrloses Pokémon ein.
    Schmerzverzerrt jaulte dieses auf. Verkrampft durch die Schmerzen, winselte es auf dem harten Fahrbahnboden nach Erlösung.
    Erbost marschierte Aura auf den herzlosen Trainer zu und wischte sich den Sommerhut vom Kopf. „Bist du völlig wahnsinnig?“, fragte sie und starrte ihn mit kühler Miene an.
    Etwas erschrocken wandte er sich Aura zu. „Huh, wer bist du denn…?“, erwiderte er großäugig.
    Die brünette Trainerin drückte sich etwas deutlicher aus. „Was, um Himmels Willen, tust du nur mit dem armen Pokémon?“, zischte sie und betonte dabei jedes einzelne Wort dreimal so deutlich, wie sonst. Ihr Gesichtsausdruck blieb weiterhin eiskalt, die Augen hätten sogar Betonwände sprengen können, allerdings entnervte es den jungen Mann keineswegs. Lässig steckte er sich einen kurzen Grashalm in den Mund und vergrub danach seine Hände in den Hosentaschen. Wenn es eins gab, dass Aura über alles hasste, dann war es Quälerei. Egal, ob bei Mensch oder Pokémon, sie konnte es absolut nicht mitansehen, wie ein wehrloses Lebewesen traktiert wurde. „Bist du denn schwer verletzt, mein Freund?“ Automatisch bzw. unbewusst wandelte sich ihre Mimik, als sie sich mütterlich auf die Knie fallen ließ und durch das Fell des am Boden liegenden Pokémon fuhr. Es war schlimmer, als sie es sich ausgemalt hatte. Dies erkannte Aura, da eine ihrer Handbewegungen das schwache Pokémon zum Aufheulen verleitete. Unabsichtlich und durch das buschige, schwarz-graue Fell verdeckt, griff sie nämlich in eine erhitzte Flüssigkeit.
    Es war Blut!



    Weg durch Hoenn


    Kapitel 2: Evolution


    Stolz blickte Aura über die vielen Menschen in Graphitport City, welche den farbengetränkten Nachthimmel genossen. „Von hier aus hätte man bestimmt einen unbezahlbaren Blick aufs Meer. Eine ausgiebige Schiffsreise könnte ich mir durchaus sehr gut vorstellen“, sagte Valerie, während auch ihre Augen durch die beleuchteten und lebendigen Straßen der ganze Stadt wanderten. Die Erde unter der teils kostümierten Masse bebte förmlich, während die jungen Trainer auf den Bürgermeister warteten. Gefolgt von den zwei Reportern, betrat er das Deck des riesigen Schiffes als Letzter. Ein Podest, welches der Form eines farbenprächtig geschmückten Pokéballs glich, besteigend, setzte er seine Rede fort.
    „Es ist soweit, liebe Menschen aus ganz Hoenn. Nun spreche ich aber ganz besonders für die Eltern dieser Kinder“, sagte er. Tatsächlich feuerten speziell diese in Gruppen ihre Sprösslinge an. Während Aura über die Menge schielte, sprang ihr plötzlich eine kleine Ansammlung von Leuten ins Auge. Eng befreundete Nachbarn umringten ihre Mutter. Gemeinsam jubelten sie tatkräftig und hielten Schilder mit ihrem Namen hoch. Etwas beschämt, doch sichtlich glücklich, winkte Aura ihrer Fangruppe.


    Wieder dem Antlitz des Bürgermeisters zugewandt, folgte das Mädchen seinen weiteren Worten. „Die diesjährigen Trainerlehrlinge von Graphitport City dürfen nun das Innenleben des internationalen Schiffes der Pokémon betreten und sich ihren ersten Partner auswählen.“
    Das Traineraufgebot, welches inklusive Aura und Valerie insgesamt aus etwa zehn Leuten bestand, wurde von einem weißgekleideten Obermatrosen in den großen Aufenthaltssaal des Wasserfahrzeuges geleitet. Nichtsdestotrotz, führte der Bürgermeister seine Rede fort. Der sich über dem Saal darüber befindliche Kontrollraum war durch Aufzug und Treppe unter anderem auch mit dem Aufenthaltssaal verbunden.
    Im Inneren des Schiffes befanden sich noch einige Maschinenräume sowie die Kajüten der Crew, Küchen und Baderäume. Am wichtigsten waren aber natürlich die Pokémon. Die Leute erzählten sich viel über die fabulösen Aufenthaltsräume für Pokémon dieses Schiffes. Von klein auf wurden die Kinder der Hafenstadt mit den buntesten Märchen über das Leben der Taschenmonster an Bord gefüttert.
    Da Auras Vater allerdings auf dem Schiff arbeitete, wusste sie genauer Bescheid. Im Inneren des modernen Schiffes gab es neben den Räumen für die Besetzung auch einige Hallen und Säle, die den jeweiligen Arten und Typen der internationalen Pokémon gewidmet waren. Vor dem heutigen Abend wurden jedoch alle Pokémon der ersten Evolutionsstufe in ihre Bälle verpackt, damit die Trainer wählen konnten.
    Festlich geschmückt, erstrahlte der Saal in vollem Glanz. Die leckersten Köstlichkeiten, verteilt in mundgroße Häppchen, nur für diese besondere Nacht gekocht, schmückten einige Tische am Ende des Saales. An den Seiten reihten sich die unteren Matrosen salutierend aneinander. Vor den Buffettischen sah man den Kapitän des Schiffes. Seine Erscheinung machte einen sehr freundlichen Eindruck. Er trug einen blütenweißen Anzug und den typischen Kapitänshut. Sein Gesicht zierten ein stolzes Lächeln sowie der weiße Oberlippenbart.
    „Hast du meinen Vater schon irgendwo entdeckt?“ Fragend wand sich Aura an Valerie. „Nein, offenbar ist er noch nicht hier...“, antwortete diese. Etwas enttäuscht ließ sie ihren Blick auf die Raummitte zurückfallen. „Als Kommandeur der Matrosen wird er sich dies hier aber bestimmt nicht entgehen lassen und schon bald auftauchen, Aura.“
    Die aufmunternden Worte zauberten ein kleines Lächeln auf dem Gesicht der Brünetten.


    „Es ist mir eine große Ehre, die Jugend von Graphitport City begrüßen zu dürfen. Bekannte Gesichter, oder Neuankömmlinge, ihr alle habt das Privileg, eure heiß ersehnte Pokémonreise nach der heutigen Feier beginnen zu dürfen. Dieses Schiff beherbergt jedes Jahr die unterschiedlichsten Pokemon. Genau aus diesem Grund machen sich unsere Besatzungsmänner das ganze Jahr auf die Reise und erkundet die entlegensten Teile unserer Welt. Unser Hauptaugenmerk richten wir hier allerdings auf verletzte oder kranke Wesen. Gesund gepflegt, werden die Pokémon entweder wieder ihrer Freiheit entlassen, oder für die neuen Trainer und unsere wunderschöne Region aufbewahrt.“ Klatschend hochlobte das Team aus Matrosen seine Worte.
    „Zuallererst bekommen die Jünglinge ein kleines Geschenk“, erklärte er, während die besagten Präsente verteilt wurden. Aura musste ihren Trainerpass vorzeigen und erhielt dadurch ein kleines Päckchen, auf welchem ihr Name zu lesen war. Erfreut öffneten sie es, indem sie die Schleife lösten und den Deckel entfernten.
    „Dieses Starterset, gesponsert von Professor Birk aus Wurzelheim, enthält sechs Pokébälle sowie die brandneue Ausgabe des Pokédexsystems. Mit diesem, wie ihr wisst, können die exotischsten und wildesten Pokémon im Nu analysiert werden. Diese zahlreichen Infos mögen euch hoffentlich eine Hilfe auf eurer Reise sein.“ Aura verspürte ein aufregendes Kribbeln auf der Haut, als sie ihren blauen Pokédex zum ersten Mal benutzte.
    „Guten Tag! Ich bin der ganz persönliche Pokédex von Aura Fay. Meine Informationen und Ratschläge sollen Ihnen stets dienen“, gab das elektronische Pokélexikon von sich. Staunend untersuchten auch die Anderen ihre Geschenke.


    „Nun wird es aber Zeit!“ Schmunzelnd machte der Kapitän wieder auf sich aufmerksam. „Ihr alle werdet nun in den Raum gebracht, wo sich euer zukünftiges, erstes Pokémon befindet!“ Vor Freude jauchzend, folgten die Trainer dem Obermatrosen. Valerie und Aura bildeten das Schlusslicht. Die Brünette spürte unglaubliches Glück. Trotzdem verbarg sich hinter ihrem erhöhten Herzschlag ein kleiner Zweifel. Und zwar jener, ob ihr Vater auch wirklich an sie gedacht hatte und sich in dem nächsten Raum befand. Unterdessen sie den langen Flur entlang gingen, offenbarte sich der Kapitän auf dem Deck des Schiffes vor den Menschen. Am Ende des Flurs wartete eine gläserne Tür. Automatisch öffnend, befand sich dahinter eine große, mit Pokéballmotiven geschmückte Halle.
    In der Mitte stand sich ein großer Tisch, auf dem sich unzählig viele Pokébälle befanden.
    „In den vor euch liegenden Bällen verstecken sich ausschließlich Pokémon der ersten Evolutionsstufe“, sagte der Obermatrose. „Unter anderem kommen diese Wesen aus Johto, Kanto, Sinnoh, Almia, Fiore, Orre und sogar Einall. Ihr habt nun die völlig freie Wahl über euren ersten Partner, doch streitet euch bitte nicht darum“, fügte er hinzu. Neugierig näherten sich die Trainer dem Tisch und griffen nach einem Pokéball. Valerie, welche sich ebenfalls einen geschnappt hatte, fiel ins Auge, dass Aura beim Eingang der Halle inne hielt.
    „Hey! Worauf wartest du denn?“ Rufend gewann sie die Aufmerksamkeit ihrer Freundin.
    „Ähm, ich möchte noch kurz warten. Bitte sei einfach so frei und fang schon mal zu wählen an“, antwortete Aura zurückhaltend. Eigentlich wartete sie auf ihren Vater und das Pokémon, welches er ihr ganz persönlich gefangen hatte. „Wie du willst.“ Schulterzuckend machte sich Valerie darüber schlau, welches Wesen sich in ihrem Ball befand und öffnete ihn. Ein dezenter Hauch an Ängstlichkeit machte sich in Auras Brustkorb breit. Was ist nur, wenn er mich vergessen hat...?


    „Entschuldige meine kleine Verspätung, Aura.“ Neben ihr offenbarte sich ihr der Brustkorb eines großen Mannes. „Papa!!“ Vor Freude aufschreiend sprang sie ihn fast um. Eine andere Wahl hatte sie auch nicht, denn ihre Beine hätten vor Schreck beinahe nachgegeben.
    Der Kommandeur hielt sein schluchzendes Mädchen ganz fest in den Armen. „Ich habe dich auch sehr vermisst, mein Mädchen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Ein wahrlich schönes Wiedersehen, so war er doch fast ein ganzes Jahr von zuhause entfernt.
    „Wie geht es dir, Schatz?“, fragte der stolze Mann. Auras Brust bibberte vor Freude. „D-danke, gut. J-jetzt wo du wieder da b-bist…“ Das sonst so vernünftige Mädchen zeigte selten solch tiefe Gefühle wie diese. Schmunzelnd wischte er letzte Tränen von ihrem Gesicht.


    Valerie hatte ihre Wahl bereits getroffen. Bis auf sie bemerkte keiner der Trainer das Wiedersehen zwischen Vater und Tochter, da alle noch mit ihrer Wahl beschäftigt waren.
    Mit dem Pokémon auf der linken Schulter ging Valerie auf die zwei zu. „Guten Abend, Kommandeur Fay.“ Keck mimte sie das Salutieren der Matrosen nach. „Valerie! Schön, dich frech und gut gelaunt zu sehen, wie jedes Jahr“, erwiderte er lächelnd.
    „Val, du hast dir ja schon ein Pokémon gefunden“, stellte Aura überrascht fest. „In der Tat. Ich griff mir einfach den ersten Pokéball meiner Wahl, befreite es und hab mich sofort dafür entschieden. Ist es nicht drollig?“ Ahnungslos betrachtete Aura es. „Süß und knuffig ist es allerdings aber worum handelt es sich eigentlich bei diesem Wesen?“, fragte sie. Wissbegierig aktivierte sie den Pokédex und richtete ihn auf Valeries grünes Pokémon.
    „Endivie, das Blatt-Pokémon. Dieses Pokémon liegt wahnsinnig gerne in der Sonne, um Kräfte zu sammeln. Dabei wird der starke Duft seines Blattes verbreitet, der wilde Pokémon anlocken könnte.“ Die Informationen verarbeitend, blickte Aura in die roten Augen des Pokémon. „Aber das Endivie in meinem Pokédex hat eine völlig andere Farbe“, stellte sie fest. Fröhlich quiekte das Pokémon vom Typus Gras, um Aura zu begrüßen.
    „Da hast du vollkommen Recht. Unfassbar, dass ich gleich bei meinem ersten Versuch ein Endivie erwischt habe und dann noch in einer völlig anderen Farbe. Die neidischen Blicke der restlichen Trainer haften wohl jetzt noch an mir“, protzte das rothaarige Mädchen lachend.
    „Weißt du, dieses Pokémon wurde uns von einem bekannten Forscher aus Johto überreicht, als es noch in einem Ei war“, informierte Kommandeur Arnold. „Es kommt oft vor, dass uns bekannte hochrangige Forscher mit ihren regionstypischen Pokémon auf die Reise schicken. Darüber, dass aus dem Ei ein Endivie schlüpfte und dann auch noch in einer seltenen Körperfarbe, war selbst für uns ein feierlicher Moment“, erklärte er.
    „Das ist großartig“, entgegnete Valerie. „Wo wir aber von meinem ersten Partner reden, wann suchst du dir endlich einen aus, Aura?“ Erwartungsvoll blickte diese zu ihrem Vater hoch. „Mein Papa hat selbst ein Pokémon für mich gefangen, stimmt’s?“ Gefesselt zappelte sie an seinem Arm, fast gleich einem kleinen Kind. Wo Aura sonst stets ein anmutiges und erwachsenes Wesen ausstrahlte, wurde sie neben ihrem Vater so weich wie Butter.
    „In der Tat. Es ist etwas ganz besonderes und typisch für meine Heimatstadt Prismania City in Kanto, wo ich es gefangen, oder besser gesagt, gefunden habe“, bestätigte er.
    Der Kommandeur griff in seinem Säckel nach dem Ball und warf ihn hoch. Aus dem strahlenden Licht entsprang das kleine Wesen und nahm Gestalt an. „Ach, du meine Güte, das ist aber selten!“ Ungläubig betrachtete Valerie das pelzige Wesen zu ihren Beinen. Aura fand ebenso augenblicklich Gefallen an dem knuffigen Fellknäuel, hätte aber über dessen Identität nur raten können. „Dein Wissen über Pokémon möchte ich auch gerne haben, Val…“, seufzte sie und benutzte erneut ihr elektronisches Lexikon.
    „Evoli, das Evolution-Pokémon. Aufgrund genetischer Anomalien kann sich dieses seltene Pokémon seiner Umgebung perfekt anpassen und entwickelt sich auch dementsprechend.“ Grübelnd musterte sie das braunfellige Taschenmonster. „Das bedeutet also, dass sich mein Evoli in die buntesten Wesen entwickeln könnte?!“, stellte sie fest. „Genau, in das Wasserpokémon Aquana oder in den Feuertypen Flamara“, ergänzte Valerie. „Dein Wissen über Pokémon ist wahrlich beeindruckend“, bemerkte Kommandeur Arnold. Die Trainerin nahm ihr kleines Evoli in die Arme und blickte in dessen Augen. Herzlich grinste es.
    „Aura, gefällt es dir?“ Kurios erwartete der Vater ihre Antwort. Auf einmal breitete sich ein Lächeln über des Mädchens Lippen. „Wie könnte man so ein niedliches Pokémon nicht mögen? Außerdem erscheint es mir passend für den guten Start einer Reise“, antwortete die frisch gebackene Trainerin bejahend. Ihre Antwort stimmte den Vater sehr glücklich.
    „Weißt du, in Prismania City gibt es ein kleines Forschungsinstitut, wo Evolis gezüchtet werden. Dein kleiner Frechdachs wollte soeben abhauen, da lief es mir geradewegs in die Arme. Aus Dank und zwecks des internationalen Schiffes der Pokémon, schenkte es mir der Leiter des Instituts“, erklärte er. „Was für ein großartiger Zufall“, lächelte Aura frohgesinnt.


    Inzwischen hatten auch die restlichen Trainer gewählt. „Das internationale Schiff der Pokémon ist wahrlich für seine seltenen Wesen berühmt“, stimmte Valerie zu, als sie deren farbträchtige Taschenmonster beäugte. Valeries Endivie schmiegte sich an deren rotem Haar. „Wenn ich fragen darf, was passiert denn eigentlich mit all den Pokémon, die heute nicht von den Trainern ausgewählt werden, beziehungsweise, den restlichen an Bord?“
    Kommandeur Arnold richtete seinen Hut, welcher durch Auras gewaltiger Umarmung verrutscht war. „Nunja, es ist zwar noch nicht offiziell, doch in kürze werden Zooanlagen in ganz Hoenn eröffnet, wo einige der Pokémon untergebracht werden. Die Wesen, die dann von Einwohnern und Touristen bestaunt werden können, kommen ausschließlich aus den anderen Regionen und werden frühestens morgen per Flug zu den jeweiligen Städten in Hoenn transportiert.
    Dann gibt es aber auch Pokémon, die wir in anderen Orten wieder freilassen. Hierbei entscheidet unser Team spontan“, antwortete er.


    „So, da ihr nun alle gewählt habt und offizielle Trainer seid, könnt ihr nun mit euren Liebsten feiern. Das Buffet des vorigen Saales steht euch und euren Familien selbstverständlich zur Verfügung!“, äußerte der Obermatrose. Somit kehrten all die Teenager mit ihren Poképartnern in den großen Aufenthaltssaal. Der Bürgermeister hatte seine lange Rede beendet und einige der Presseleute fuhren schnurstracks zu ihren jeweiligen Fernsehstationen zurück.
    Das große Festival war nach wie vor in vollem Gange. Feuerwerkskörper wurden zwar nicht mehr verschossen, doch das Schiff sowie alle Ecken und Enden der Hafenstadt waren farbenfroh und beleuchtet. Mehrere DJs sorgten auf ihren Podesten für gute Musik und Stimmung.
    Im Aufenthaltssaal hingegen, ging es etwas ruhiger vor. Klassische Klaviermusik wurde gespielt, während sich die Gäste überglücklich über die Trainer und deren Pokémon unterhielten. Der Service des Schiffes hatte ebenfalls dafür gesorgt, dass sich neben der Versorgung des Buffets, auch eigene Kellner um die feiernden Passagiere kümmerten.
    „Ich bin so stolz auf dich!“ Jubelnd stürzte sich Mutter Anna auf ihre kleine Tochter. „Mama, du erwürgst mich noch…“ Nach Luft ringend, wurde es Aura beinahe schwarz vor Augen. Amüsiert beäugte sie das kleine Evoli zu ihren Schuhen, während sie den kostbaren Sauerstoff wieder in ihre Lungenflügel pumpte. Mit demselben Enthusiasmus warf sich Anna auf das kleine Evoli. „Und das ist dein erstes Pokémon, nicht wahr?“ Entzückt kuschelte sie das kleine Fellknäuel durch. „Du bist ja so süß“, fügte sie hinzu und blickte in seine dunklen Augen. Vor Niedlichkeit hätte sie das kleine Ding fast zerquetscht, doch Evoli tolerierte es. Ehrlich gesagt, hatte es auch kaum eine Chance, vor dem Würgegriff von Anna zu entfliehen.
    Aura hielt sich etwas beschämt die Hand vor das Gesicht. „Das ist doch kein Grund, sich so aufzuführen, Mama…“, bemerkte sie. „Und ja, es ist mein erstes Pokémon. Ein Evoli.“ Die Scham in Auras Gesicht verflog sogleich wieder, da es doch eigentlich ein feierlicher und lustiger Abend sein sollte. „Deine Mutter ist absolut nicht aufzuhalten, wenn sie etwas Niedliches sieht…“ Kichernd nahm Vater Arnold sie in den Arm. „Ich hoffe, du warst eine gute Mutter während meiner Abwesenheit, Schatz!?“, fragte er, der Schalk im Nacken sitzend. „Sieh dir nur an, wie prächtig und erwachsen unsere Tochter geworden ist. Selbstverständlich gebe ich mein Bestes als Mutter.“ Für ihr Alter war Auras Verhalten manchmal schon fast etwas zu erwachsen, doch Anna ließ Arnold damit wissen, dass die beiden Frauen auch ohne permanent anwesende Vaterrolle gut zurechtkamen.
    Dem Rest des Süßholz raspeln ihrer verliebten Eltern wollte Aura lieber entgehen und wanderte den Tisch entlang weiter nach oben. Ihr war viel mehr danach, etwas Smalltalk mit Valerie und deren Eltern zu führen, als rot vor Scham ihren eigenen beim Küssen zuzusehen.
    „Hey, wie geht’s euch?“, fragte die Trainerin, nachdem sie sich durch eine kleine Gruppe an dem Buffettisch durchgezwungen hatte. Das Gesicht von Valeries Mutter strahlte vor Freude. „Uns geht es prächtig. Schön, dich mal wieder zu sehen, Aura.“ Nach kurzen Sätzen des Wiedersehens, lag der Rothaarigen eine dringende Frage auf der Zunge. „Sag mal, Aura, wohin willst du nun eigentlich reisen?“ Die Brünette dachte kurz nach, tippte sich mit dem Zeigefinger auf das Kinn. „Also, wenn du mich so fragst. Zuerst würde ich gerne mal nach Malvenfroh City reisen. Dort kann ich ja noch entscheiden, wohin mich meine Reise führen soll.“ „Stimmt. Ich denke, es gibt keinen besseren Ort, als diese Stadt. Malvenfroh City ist irgendwie ideal, da es so gut wie im Herzen der Hoenn Region liegt“, kommentierte Valeries Mutter. Die feurig roten Haare hatte sie zweifellos von ihrer Mutter geerbt. „Und wie sieht es bei dir aus, Val?“ Unterdessen tollten die beiden Pokémon um ihre Beine umher.
    „Mich zieht es auf das Meer“, antwortete sie und ballte ihre rechte Faust. „Ich werde in drei Tagen die Fähre von Graphitport City bis nach Moosbach nehmen, um dort Verwandte von uns zu besuchen.“ Auras Eltern mischten sich ebenfalls durch die kleine Menge und beteiligten sich an dem Gespräch. Manierlich begrüßte Kommandeur Arnold seine Nachbarn. „Habt ihr Mädchen denn eigentlich auch schon daran gedacht, was ihr auf eurer Reise unternehmen wollt?“, erkundigte er sich. „In der Hoenn Region gibt es durchaus große Herausforderungen. Wenn man auf das Kämpfen fixiert ist, sind die vielen Arenen empfehlenswert. Für Trainer, die auf Ausstrahlung und Talent unter ihren Pokémon aus sind, gibt es da auch noch die unzähligen Wettbewerbe und das große Festival.“ Aufgeregt, als wäre es ihre eigene Entscheidung gewesen, formten die purpurroten Lippen von Valeries Mutter hibbelig die Vorschläge. „Eigentlich, da wir in Graphitport City leben und viel Aufregung um die jährlichen Trainertradition, sollten wir als Eltern darauf achten, dass unseren Kindern etwas wird. Allerdings, wäre es doch am besten, wenn sie selbst entscheiden, was sie während ihrer Zeit als Trainer alles erleben wollen…“ Anna wusste nur zu gut, wie ehrgeizig die Mutter von Valerie war. Sie fügte den Satz deshalb hinzu, damit sich Aura nicht zu etwas gezwungen fühlte, was sie womöglich gar nicht tun wollte. Valeries Mutter missbilligte Annas Meinung nicht.
    „Ich hätte durchaus großes Interesse, eine Koordinatorin zu werden. Doch zuallererst habe ich mir die Reise nach Moosbach City als Ziel gesetzt, um Verwandte zu besuchen“, erklärte Valerie.
    „Und wie ist es mit dir, Aura?“, fragte Valeries Vater. „Ja, erzähl uns doch, was du während deiner Reise machen möchtest, Süße“, fügte ihre Mutter hinzu.
    Aura nahm ihr kleines Evoli auf den Arm. „Mich interessieren die Arenakämpfe nicht wirklich. Genauso wenig will ich meine Pokémon dressieren, um sie dann auf einer gigantischen Bühne zur Schau zu stellen.“ Aura machte eine kurze Pause, die Augen waren geschlossen.
    „Um ehrlich zu sein, ich will einfach reisen. Ich will die entlegensten Orte und Landschaften unserer schönen Region besuchen. Möchte Spannung erleben, Geheimnisse lüften, Höhlen und unbesiedelte Wälder durchstreifen.“ Gänsehaut lief über ihren Rücken, unterdessen sie von den vielen schönen, unentdeckten Plätzen in Hoenn erzählte, die noch auf sie warteten. „Mein erstes Ziel ist Malvenfroh City, mal sehen, was mir bis dorthin alles über den Weg läuft…“

    Habt ihr den ESC 2012 gucken?


    Jap, ich gucke erst seit 2011 richtig mit, hatte aber auch im letzten Jahr bei den Semi Finalen keine Zeit, um mitzufiebern.
    2012 verfolgte ich alle drei Shows. :)


    Welches Land war euer Favorit?


    Puh, da gab es mehrere...


    Ukraine: Der Song macht einfach total Lust auf Tanzen, wirkt mitreißend und hat sich schon Monate zuvor einen Platz in der Musikliste meines Handys ergattert. Zudem fand ich die Performance und stimmliche Leistung einfach Hammer! Eine höhere Platzierung wäre durchaus drinnen gewesen...


    Norwegen: Hier gelten die gleichen Gründe wie beim ukrainischen Beitrag. Sehr ohrwurmverdächtiges Lied, tolle Performance.
    Mindestens einen Platz in den Top 10 hätte ich Tooji allemal gegönnt. Dieser letzte Platz mit nur 7 Punkten war für seine Leistung imo nicht gerecht.


    Russland: Die singenden und tanzenden Omas fand ich einfach zu epic. x) Der Song gefällt mir ebenfalls, die Halle hat bei beiden Auftritten gebebt, allerdings erreichten die den zweiten Platz wohl eher wegen der Einzigartigkeit ihrer "Performance". Etwas ähnliches gab es zuvor nicht wirklich.


    Deutschland: Schönes Lied. Von einer mitreißenden Performance (tanzen), kann man hierbei zwar nicht reden, bei dem Song ist es ja auch selbstverständlich, jedoch war die stimmliche Leistung super!
    Hab auch fleißig für Deutschland gevotet. x)


    Dänemark: Ohrwurm! Srsly, etwas besseres als Platz 23 wäre durchaus drinne gewesen.
    War ja aber auch im letzten Jahr so, dass genau einige meiner Favoriten aus'm Vorfeld dann weiter hinten gelandet sind (Beispiel wegen 2011: Estland, Schweiz, Spanien).


    Estland: Die männliche, estnische Version von Nadine Beiler. xD Naja, fast...
    Jedenfalls, tolle Stimme und auch schöner Song.


    Rumänien: Könnte der nächste Sommerhit werden!
    Wie zB. der 2011er Beitrag von Norwegen, gefiel mir der rumänische Beitrag ziemlich gut.


    Albanien: Für den einen war es ohrenbetäubendes Geschreie, für den anderen (mich zb.) klang es eher wie ein herzzerberstendes Liebeslied. Respekt!


    Österreich: Muss sagen, wegen der Mundart war ich anfangs etwas besorgt. Leider sind wir mit nur 8 Punkten insgesamt auf dem allerletzten Platz gelandet.
    Dennoch finde ich das Lied nicht auch nur annähernd so schlecht, wie es in den Medien dargestellt wurde. Auch die powergeladene Performance (trotz eines Kreuzbandrisses während des Auftritts!!) war keine schlechte Leistung.


    Was haltet ihr von der Votingänderung?


    Nunja, einen guten Effekt hat diese Änderung meiner Meinung nach kaum.
    Manche wollen ja vllt nicht so lange wach bleiben, um voten zu dürfen. Dadurch haben einige gute Beiträge womöglich ihre Fans verloren. Die ganzen Balkanländer lassen sich dies natürlich nicht entgehen und blah... xD
    Halt nur'n kleiner Witz am Rande, dass der ESC aber recht politisch abläuft, ist bekannt.


    Außerdem will ich erwähnen, dass dadurch die vorderen Startnummern womöglich aus dem Gedächtnis der Zuseher völlig ausfallen, während die letzteren Teilnehmer natürlich eher hängen bleiben.
    Kann man als Nachteil betrachten, muss man aber nicht, da es ja während der Votingzeit zwei Schnelldurchlaufe gab.


    Wie gefällt euch Euphoria von Schweden?


    Ansich gehörte es nicht unbedingt zu meinen Favoriten.
    Der schwedische Beitrag hat mir gut gefallen, doch... Keine Ahnung, ich kann es nicht beschreiben, es gehört halt iwie nicht zu meinen Favos.
    Dass Schweden letztendlich gewonnen hat, fand ich aber gut. Verdient haben sie es sich mit dem Auftritt schon und außerdem wäre es doch 'ne Schande, wenn so langsam die punkteschiebenden Länder die völlige Unterbindung aller anderer Teilnehmer erreichen würden.. ;x


    LG