Das große Wettbewerbs-Gebäude in Johto war still, fast unnatürlich leise und verlassen. Die meisten Koordinatoren waren nach Ende des großen Festivals bereits wieder abgereist, nur vereinzelt sah man einige Menschen oder Pokemon, die nicht in Eile waren. So auch ein braunhaariges Mädchen, das in ihrem Zimmer saß und geistesabwesend dabei war, ihre Sachen einzupacken. eigentlich hatte sie sich vorgenommen, direkt nach ihrer Niederlage in ihre Heimatstadt Blütenburg City zurückzukehren, doch dann war sie doch noch geblieben, um das Finale anzuschauen und sie bereute es bitter. Es war schlimm genug zu wissen, das sie eine weitere Chance vertan hatte, dass die ihre Pokemon ein weiteres mal im Stich gelassen hatte, ohne dass sie das auch noch hatte ertragen müssen. Als hätte es ihre Gedanken gelesen stupste sie ein gepflegt aber traurig aussehendes Glaziola an. Das Pokemon rieb seinen Kopf anhänglich an den Beinen des Mädchens, wie um sie zu trösten und machte dabei einen leisen schnurrenden Laut.
Maike sah die Eiskatze an. Und sofort fühlte sie sich noch schlechter, als sie es gerade eben noch gewesen war. Sie musste ihre Laune nicht auch noch auf ihre Pokemon übertragen. Die waren schon enttäuscht genug über den letzten Wettbewerbskampf, doch war es nicht die Niederlage, die die Koordinatorin am meisten bedrückte. Nein, ihre persönliche Depression ging tiefer.
Ein weiteres Geräusch ließ sie aufblicken, auch ihr Lohgock war rastlos. Resigniert nahm sie ihre Bänderschachtel und warf sie achtlos in ihre Tasche. was nützten ihr ihre Bänder jetzt noch? Nur vergebene Mühe, ein Zeichen zweier Träume, die mit diesem Tag beide in unerreichbare Ferne gerückt waren. Ohne nachzudenken hob sie ihre Tasche vom Boden und band sie sich um die Hüfte. Bevor sie ging wandte sie sich noch einmal zum Spiegel, der neben der Tür in ihrem Zimmer hing. Sie blickte in ihre ausdruckslosen Augen. Blau war ihre natürliche Augenfarbe, doch das Licht der Abendsonne ließ sie seegrün strahlen, fast wie Smaragde. Einen weiteren Moment starrte sie in die Augen, die sie an jemanden erinnerten, der ihr so viel wichtiger war, als alles andere, dann presste sie ihre Augen zusammen und rannte. Sie konnte das nicht ertragen, konnte keinen Gedanken an ihn verschwenden.
Ihre Schritte beschleunigten sich, als sie durch die weiten Glastüren des Gebäudes lief, auf den schmalen Kiesweg durch den dunklen Wald nahe des Silberbergs führte. Sie verlangsamte ihr Tempo erst, als sie unter den ersten Bäumen war, wo sie sich erschöpft fallen ließ, mit Tränen in den Augen, ihre leisen Schluchzer schüttelten sie.
Es war einfach nicht fair, sie wusste, dass sie noch viele Möglichkeiten hatte, in einem großen Festival teilzunehmen, aber sie glaubte nicht, dass sie konnte. Dreimal war sie diesem Traum hinterher geeilt und dreimal war sie gescheitert. Aber niemals war es so schlimm, wie jetzt. Sie hatte sich noch nie so allein gefühlt, war noch nie so allein gewesen. Sie war sich sicher, dass sie nicht in der Lage war, weiterzumachen, obwohl sie es ihren Pokemon schuldete. Nicht jetzt, nicht ohne ihn. Sie zuckte sichtlich zusammen, als sie an ihren Rivalen dachte – Drew. Aber er war so viel mehr als das, er hatte sie immer wieder aufgebaut, wenn sie am Ende war. Doch jetzt, wo er Top-Koordinator war – in ihren Gedanken stolperte sie über das Wort – würde er seine Zeit wohl kaum mehr mit so jemandem wie ihr verschwenden. Er war nicht einmal gekommen, um ihr auf wiedersehen zu sagen. Mit einem Seufzer stand sie auf. Sie konnte sich auch genauso gut auf den Weg machen – es war sinnlos und kindisch noch länger zu warten, ihre schwachen Ausreden, zu bleiben hatten sie kaum selber überzeugt, es war Zeit ihren Lebensträumen Lebewohl zu sagen. Sie musste der Realität ins Gesicht sehen, sie würde keine Top-Koordinatorin werden, würde den Jungen, den sie liebte nicht wieder sehen. Mutlos stand sie auf und setzte ihren langen Weg fort. Schmerz, Angst und Wut vermischten sich in ihrem Kopf, während sie unentwegt auf ihre Füße starrte, als plötzlich –
„Hallo Maike. Du bist verträumt wie immer, wie ich sehe“
- Drew! Blitzschnell drehte sie sich um und sie hatte sich nicht getäuscht, da saß er auf einem umgestürzten Baum, auf seinen Lippen ein arrogantes Lächeln.
Maike konnte nicht antworten, ihre Stimme versagte.
„ Du bist doch nicht etwa traurig?“, fragte der grünhaarige Junge. „Es war doch nur ein einziger Kampf! Was ist los mit dir, du gibst doch sonst nicht einfach auf.“
Maike brachte immer noch keine Antwort hervor. Das war es, der endgültige Abschied, Es war genau, wie sie sich es vorgestellt hatte. Natürlich würde er sie nicht verstehen. Sie wünschte, sie hätte den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen.
„Maike? Was ist los mit dir?“
War das Besorgnis in seiner Stimme?
„Das ist doch alles nicht so schlimm, du kannst doch trainieren. Natürlich wirst du nie so gut, wie ich, aber du solltest dich nicht von einer Niederlage so entmutigen lassen“
Wie konnte er es wagen, ihr zu sagen, was sie tun sollte. Mit einem Schlag verschwand Maikes Trauer, ihre Verzweiflung. Sie war nur noch wütend. Wütend und enttäuscht. Warum sollte er sie auch verstehen.
„Lass mich in Ruhe! Du hast keine Ahnung! Glaubst du etwa, mir geht es nur um meinen Erfolg als Koordinatorin? Ich bin doch nicht du. Ich habe heute viel mehr verloren, als nur einen dummen Kampf.“
Die Worte waren draußen, bevor sie Zeit hatte, zu überlegen und sie bereute sie sofort. Es war ihre letzte Chance, Drew ihre Gefühle zu offenbaren, doch sie konnte nicht. Sie drehte sich um und rannte den Weg zurück, den sie gekommen war. Sie hasste sich selbst, weil sie so schwach war. „Maike, warte, was ist los?“ Die Worte trafen sie wie ein physischer Schlag. Hatte sie je eine Chance gehabt, dass Drew sie mögen könnte, so hatte dieser Tag sie vernichtet. Warum sollte er, der Top-Koordinator sie mögen? Es war besser, sie würde nie erfahren, was Drew über sie dachte. Sie wollte es nicht hören, oder?
„Maike, bitte, sag mir was los ist.“ Es war das erste mal, dass sie Drew jemals so einen bittenden Tonfall benutzen hörte. Plötzlich spürte sie Drews Arm auf ihrer Schulter. „Bitte...“
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie stehen geblieben war.
Sie holte tief Luft. Was hatte sie zu verlieren?
„Drew, ich weiß, dass meine Niederlage heute nicht relevant ist. Es ist dein Sieg, der mir mehr zu schaffen macht“
Sie sah die Verwunderung auf Drews Gesicht, deshalb fuhr sie schnell fort
„ Lass mich bitte ausreden.“
Wenn sie je eine Chance hatte, sich auszusprechen, dann war es jetzt.
„Jetzt wo du Top-Koordinator bist, wirst du wohl nicht mehr um die Welt reisen. Dies könnte das letzte Mal sein, dass wir uns sehen. Daher wollte ich, dass du eines weißt.“
Ihre Worte kamen zu schnell aus ihrem Mund, überschlugen sich regelrecht, als sie direkt in seine smaragdgrünen Augen blickte.
Noch einmal atmete sie durch, dann schloss sie ihre Augen und sagte:
„D..Drew. I..Ich liebe dich!“
Sie wagte es nicht, ihre Augen wieder zu öffnen, aber sie hörte, wie Drew zu einer Antwort ansetzte. Ihr kopf drehte sich, sie konnte nicht glauben, dass sie das wirklich ausgesprochen hatte.
„Maike...“
Die Stimme klang anders, als sie sie gewohnt war...netter...und doch 100%ig Drew. Ihr Magen krampfte sich zusammen vor dem, was nun folgen musste.
„Maike, vorher im Wald wollte ich dich etwas fragen. Ich wollte dir vorschlagen, nach LaRousse zu kommen um mit mir eine Koordinatorenschule zu gründen“
Er sprach schnell und ohne zu Zögern, nur etwas in seiner Stimme verriet Maike, wie viel Überwindung ihn das kostete. Doch Seine Worte machten keinen Sinn.
„Warum?“
Ihre Stimme klang hohl, leer. Was wollte er ihr damit sagen? Vielleicht hatte sie mit ihren Worten grad alles zunichte gemacht.
„Weil du die beste und talentierteste Koordinatorin bist, die ich kenne....und weil ich.... dich liebe.“
Schock durchfuhr das Mädchen. Sie zweifelte an seinen Worten, an ihrem Verstand. Doch stärker als alle anderen Gefühle waren die Hoffnung, die Freude und die Erleichterung.
Sie schlug ihre Augen auf und schlang ihre Arme um seinen Hals.
Und als Drew sie küsste, war jegliche Unsicherheit aus ihren Gedanken verschwunden.