~ Ingrid - in Gesellschaft des Glibbers ~
Gerade noch glaube Ingrid sich endlich wieder zurechtzufinden, da geschahen plötzlich unglaublich viele Dinge unglaublich schnell und warfen sie völlig aus dem Konzept. Von der einen Seite wurde sie von diesem Nichtsnutzigen gelben Bediensteten beleidigt - dieser dumme, tölpelhafte Schuft! Ingrid würde ihn auf der Stelle rausschmeißen hätte er bereits eine Festanstellung bei ihr. Und weil er das nicht hatte, wollte sie ihm eine geben, NUR um sie ihm dann wieder wegzunehmen! Anstatt sich seine wohlverdiente Standpauke von seiner Herrin anzuhören fiel er gleich nach seiner Rede um. Kurz fragte sie sich ob der göttliche Wille ihn für seinen Ungehorsam niedergestreckt hatte, leider aber schien er nur zu schlafen. Lange konnte sie sich darüber nichtmehr aufregen, denn noch während sie in Gedanken Pläne schmiedete wie sie das Volk gehorsamer machen konnte, wurde sie von der Seite dumm von irgendeinem anderen Unwürdigen angemacht - über denn sie sich WIEDER nicht genügend Aufregen konnte. Das nächste Ereigniss folgte so schnell, dass sie nichtmal verarbeiten konnte was der Unhold zu ihr sagte; dass sie sich nicht einmal zu ihm umdrehen konnte um ihm in die niederträchtigen Augen zu schauen; dass sie nichtmal daran DENKEN konnte ihn mit IHREM gerechten göttlichen Zorn niederzustrecken: Man biss ihr in den Hintern.
Ingrid hörte sich schreien, fühlte wie sie zu Boden viel und sich wandte und wälzte vor Schmerz, doch ihr Verstand kam nicht hinterher. Ihre Gedanken waren noch immer mit dem ersten Ereigniss nach ihrem Fall beschäftigt, und so erschlagen wie sie von neuen Eindrücken und Unverschämtheiten war, hätte sie fast geweint - wäre ihr Zorn nicht, wie so oft, das stärkste Gefühl in ihr.
"GAUNER!", brüllte sie hysterisch, während sie mit ihrem Hinterteil heftig über den Boden schrubbte, um den Schmerz zu betäuben "Ihr Nichtsnutze! Ihr Schmutzfinke! Ihr Unwürdigen!" Sie schrie noch einiges mehr, wahrscheinlich jede Beschimpfung die sie kannte, doch sie bekam es noch immer kaum mit. Noch immer wollte ihr nicht aufgehen, was passiert war - hatte man einen Anschlag auf sie verübt? Wollte man ihr Reich stürzen noch bevor es entstand? Oder wollte man sie einfach nur in besonderem Maße demütigen? Ingrid wusste es nicht, aber was sie wusste war, dass die Schmerzen nicht besser wurden, wenn sie die offene Wunde an Dreck rieb. Verstört rollte sie ihren fülligen Körper herum, bis sie auf dem Bauch lag. Mit der einen Hand rieb sie sich ihren malträtierten Allerwertesten, mit der anderen zeigte sie anklagend auf das Wesen, dass ihr soeben seine Zähne ins Fleisch gejagt hatte. Ihre Sicht war ganz verschwommen von Tränen des Schmerzes, und so konnte sie ihren Angreifer kaum richtig erkennen.
"Du hässlicher rosaroter Käfer!", kreischte sie, gefolgt von ein paar weiteren Schimpftriaden, die abermals wie von selbst aus ihrem Mund geschossen kamen. Irgendwann warf das Ding ihr vor wie Essen auszusehen, und Ingrid wäre ob dieser offensichtlichen Anspielung auf ihr leichtes Übergewicht wohl ganz furchtbar explodiert, hätten die Schmerzen sie nun nicht endgültig ganz für sich eingenommen.
Lange - zumindest für ihr Empfinden - lag sie auf der Erde wie eine verlorene holde Maid, aus den Büchern die sie immer so gern las. Sie hielt sich die Wunde, wagte aber nicht daran zu reiben, aus Angst den Dreck zu verteilen und eine Entzündung zu riskieren. Ein geschwollener Hintern, wie sähe das denn aus? Einer Königin auf jeden Fall nicht würdig. Sie wusste nicht mehr ob sie sich mit dem rosa Ding noch länger gestritten hatte, oder was sonst um sie herum geschah. Als sie wieder halbwegs zu Bewusstsein kam, fürchtete sie sogar, kurz in Ohnmacht gefallen zu sein - doch um sie herum schien wieder halbwegs der Frieden eingekehrt zu sein, und niemand schien ihren kleinen Ausfall bemerkt zu haben - sonst würden sich schließlich alle um sie herum getummelt haben, weinend vor Sorge um sie.
Die schleimige Bedinstete die zuvor ihr Leben gerettet hatte stellte sich gerade vor - Ingrids Chance sich wieder in das geschehen miteinzubinden. Niemand sollte denken sie sei leicht zu schlagen.
"Du, liebste Bedienstete, darfst mich Ingrid nennen", sagte sie, qualvoll bemüht souverän zu klingen ohne sich ihre Schmerzen anmerken zu lassen. Nun endlich konnte sie auch das andere Vieh richtig erkennen, das dumme rose Miststück dass sich tatsächlich erlaubte, seine Zähne in ihr zu versenken. Ingrid war überzeugt, nein, wild entschlossen, diese impertinente Person hässlich zu finden. Am liebsten hätte sie sie gar nicht erst angeschaut - doch sie konnte nicht. Irgendedwas an diesem Wesen hatte ihre Augen ihrer Kontrolle entzogen und fokussierten ihren Blick auf das runde Katzengesicht. Der ganze Zorn, die Verletztheit und die Wut fielen von Ingrid ab und machten Platz für ein neues Gefühl, dass sie noch viel unerwarteter traf als die vielen Anschläge wenig zuvor. Ingrid hatte noch nie etwas derartiges gefühlt. Immer hatte sie nur von anderen verlangt, es für SIE zu fühlen. Und nie hätte sie gedacht, dass es ein so wunderschönes Gefühl sein konnte: Bewunderung.
Wie hinreißend diese Enecodame war! Ihr fell glänze fast so schön wie ihre Augen, und was Ingrid zuvor noch als zu grell und hässlich empfand, war in Wirklichkeit der schönste Rosaton den sie je gesehen hatte, mit einem leichten Stich von Himbeere. Und diese süßen Öhrchen... Gebieterin? Sagte sie grade, sie wolle Gebieterin genannt werden?
Auf einmal dämmerte es Ingrid. Dass dieses Wesen so schön war hatte einen Grund - sie musste von adeligem Geschlecht sein!