Kapitel 04:
Auf nach Saffronia City
Nach einigen Minuten kehrte Ash wieder zurück und schien sichtlich enttäuscht. „Ich habe Major Bob scheinbar verpasst!“, seufzte er traurig, als er bei Lucia ankam. „Na nu?“, wunderte er sich dann und sah sich um. „Ist Kenny etwa schon gegangen?“
Lucia nickte schweigend und war nach Kennys Kuss noch immer sprachlos. Seine letzten Worte, die er ihr noch mitgegeben hatte, kreisten ihr die ganze Zeit über im Kopf umher.
„Du wirst nicht glücklich mit ihm, glaub mir das!“, versprach Kenny voller Überzeugung, „Ash liebt seine Pokémon, er liebt das Kämpfen und bald auch den Ruhm und seine Fans. Du stehst bei ihm weiter hinten, Lucia. Und ich hoffe du wirst das noch früh genug erfahren, bevor er dir damit weh tut.“
„Das ist aber schade!“, seufzte der Trainer erneut, „Ich wollte ihm unbedingt von meinen Kämpfen in der Liga erzählen!“
Lucia sah ihn schweigend an und konnte in diesem Moment kaum einen klaren Gedanken fassen. „Er hat dir übers Fernsehen zugesehen“, meinte sie dann knapp, „Er hat keine Sekunde verpasst“, murmelte sie aufmunternd und lächelte leicht.
„Na wenn das so ist!“, freute sich der Schwarzhaarige sofort und streichelte seinem Pikachu stolz über den Kopf. Anschließend holte er eine Landkarte aus seiner Reisetasche heraus, die er planlos aufschlug.
„So“, schnaufte er nun, „Da uns Rocko nun leider nicht mehr begleitet, müssen wir uns selbst um die Planung kümmern. Wenn es um Karten ging war er ein echter Experte…“
Auch Lucia warf nun einen Blick in die altmodische Karte und suchte vergeblich Orania City, wo sie sich aktuell befanden.
„Hier!“, rief der Junge plötzlich auf und deutete auf eine große Stadt mit Hafen, „Hier sind wir!“ Er fuhr langsam mit dem Finger einen Weg entlang, der nach Alabastia führen sollte. „Ich würde vorschlagen wir gehen erst nach Saffronia City. Und von dort aus dann weiter nach Prismania.“
Seine Freundin nickte einverstanden und grinste vorfreudig. Sie konnte es nun kaum noch abwarten, seine Heimatstadt kennenzulernen.
Als die beiden dann Route 6 überquerten, die das Verbindungsstück zwischen Orania und Saffronia darstellte, musste der frisch gebackene Champ einige Kämpfe gegen wilde Pokémon leisten, die den Reisenden den Weg blockierten. Und dabei kam auch Lucia der Gedanke, das Pokémon aus seinem Pokéball zu holen, das sie als einziges mit nach Kanto genommen hatte: Plinfa.
„Los, Plinfa, es wird Zeit, dass du auch mal zeigst, was du drauf hast!“, rief sie eifrig und schmiss den rot-weißen Pokéball in die Höhe. Dieser öffnete sich sogleich und ihr kleines Pinguin-Pokémon erschien in einem weißen Lichtstrahl.
„Plinfa, Plinfa!“, quiekte es fröhlich und tanzte im Kreis umher.
Ash hingegen hatte alle seine Sinnoh-Pokémon im Schlepptau und setzte kampflustig sein Pikachu und Bamelin gegen die Pummeluff, Taubsi oder Rattfratz ein, die hier auftauchten.
„Ash liebt das Kämpfen wirklich…“, dachte sich das blauhaarige Mädchen währenddessen und sah ihn leicht traurig an. Sie erinnerte sich an Kennys Worte, dass sie selbst bei ihm sehr weit hinten stehen würde. Doch als sie sah, mit wie viel Begeisterung Ash die Kämpfe genoss, musste sie plötzlich lächeln: „Aber was denke ich da nur! Ich wusste doch schon immer, dass Pokémon-Kämpfe für ihn alles sind. Und ich schätze das ist es auch, was ich so sehr an ihm liebe.“
Zusammen mit Plinfa näherte sie sich langsam dem Trainer von der Seite und stellte sich dann beobachtend neben ihn hin.
„Bamelin macht das wirklich toll!“, lobte sie schmeichelhaft, „Man merkt richtig, wie viel Arbeit und Training ihr beide in die Wasserdüse gelegt habt.“
Der Schwarzhaarige sah sie leicht abgelenkt an und lächelte zufrieden. „Ja!“, bestätigte er knapp und sah dann wieder zu seinem Wasser-Partner, das kraftvoll kämpfte und siegte, „Bamelin und ich haben wirklich viele Kämpfe hinter uns. Als ich es zum ersten Mal gesehen hatte, bemerkte ich sofort wie stark es war.“ Lucia nickte daraufhin bestätigend und erinnerte sich ebenfalls zurück: „…Zuerst hat es sich mir angeschlossen, aber es war wohl nicht für Wettbewerbe geschaffen. Im Kämpfen ist es echt ein Ass!“
Ash grinste bei dem Gedanken und streckte nun seinen Arm weit aus. „Und jetzt, Bamelin: Setz dem Tauboga mit Sternschauer ein Ende!“
Sein Pokémon sprang sofort vom Boden ab und holte zu einer starken Sternschauer-Attacke aus. Die ersten sternenförmigen Blitze flogen sofort um es herum – doch mit einem Mal erleuchteten nicht nur diese. Auch Bamelin selbst begann in einem weißen Schleier hell zu glitzern.
„Wa-Was…?“, stotterte Ash verwirrt und sah dem Geschehen beeindruckt zu. „Na nu!“, stöhnte auch Lucia.
Die Form des Wasser-Otters veränderte sich plötzlich schrittweise und es wurde dabei immer größer. In einem hellen Licht verwandelte sich das kleine Bamelin langsam zu einem robusten Bojelin.
„Es entwickelt sich weiter!“, bemerkte Lucia erstaunt und öffnete den Mund weit. Ihr Freund lächelte stolz und rannte sofort auf seinen Partner zu, das soeben seine Entwicklung beendet hatte.
„Bojelin!“, stieß das weiterentwickelte Bamelin nun mit einem tiefen und durchdringenden Ruf aus.
„Bojelin!“, rief auch sein Trainer freudig und gab seinem Pokémon einen freundschaftlichen High-Five. „Du hast dich weiterentwickelt, das ist ja cool!“, lobte er jubelnd.
Am späten Abend dann hatten die beiden Jugendlichen ihr Zelt auf Route 6 aufgeschlagen, in dem sie die Nacht verbringen wollten. Die Sterne schienen bereits über dem Firmament und nur der Mond erhellte die weite Graslandschaft ein wenig, auf der vereinzelt ein paar Bäume standen. Und während Ash schon im Tiefschlaf in seinem Schlafsack schlummerte, konnte seine Freundin einfach nicht einschlafen. Sie lief in ihrem Schlafanzug leise aus dem Zelt und schloss es hinter sich. Zu ihrer Überraschung saß auch noch ihr Partner, Plinfa, hellwach außen und sah hinauf in die Sterne.
„Plinfa!“, grüßte die Koordinatorin erstaunt und setzte sich neben es in das dichte Gras, „Kannst du auch nicht schlafen?“
Das Wasser-Pokémon nickte und seufzte.
„Ich muss dir etwas erzählen“, begann die Blauhaarige dann nach Kurzem, „Du weißt ja bereits, dass wir Kenny vorhin im Pokémon-Center getroffen haben.“ Der Pinguin nickte bestätigend und lauschte ihr interessiert.
„Kenny hat mir erneut deutlich gemacht, dass er etwas für mich empfindet… Er hat Ash weggeschickt, um mir ungestört seine Meinung über ihn sagen zu können.“
Das Pokémon legte den Kopf krumm und sah sie merkwürdig an. „Plin...?“, fragte es verwirrt.
„Kenny meinte Ash sei nicht der Richtige für mich – Er ist überzeugt dass ich unglücklich an der Seite des Champs würde.“ Plinfa sah plötzlich wütend und schüttelte überzeugt den Kopf. „Plinfa, Plinfa!!“, quiekte es eifrig und wollte sofort gegen diese Meinung ankämpfen.
Lucia lächelte freundlich und atmete tief ein. „Ich weiß“, antwortete sie sofort, „Er hat Unrecht – Ash ist der Richtige für mich! … Aber das ist noch nicht alles. Kenny hat mich sogar geküsst und geschworen, er würde um mich kämpfen.“
Plinfa machte mit einem Mal große Augen und plusterte sich noch zorniger auf. Das Mädchen schnaufte schwer und sah betrübt in das Gras, mit dem sie nebenbei spielte. „Ist es falsch, dass ich mir darüber so viele Gedanken mache?“, fragte sie anschließend um Rat, „Ich meine: Seine Lippen haben theoretisch einfach nur meine berührt. Mehr ist da nicht, das war nur eine ganz kurze Berührung. Manche Mädchen küssen auch ihre Freundinnen. Und Kenny und ich sind sehr gute Freunde.“
Plinfa seufzte nachdenklich und ließ langsam den Kopf hängen.
Doch die 15-Jährige bekam plötzlich wieder gute Laune und begann mit einem Mal zu lächeln. „Ich sollte mir nicht so viele Gedanken darüber machen! Es zu vergessen wäre das Beste“, redete sie sich ein und machte dann indirekt ein weiteres Geständnis: „Und das Bauchkribbeln dabei kam sicher auch nur von der großen Aufregung – schließlich hat er mich damit ziemlich überrumpelt.“