04. Dezember 2011, 17:23 Uhr. Polizeistation des Erholungsgebietes - Verhörraum.
"Sie haben also die ganze Zeit über die 5 Verdächtigen im Auge behalten, um zu kontrollieren, dass ja keiner in die Nähe Ihres Bruders geraten würde, richtig?" Der Polizist stand langsam von seinem Stuhl auf und lief durch den Raum, "Und dann hat sich plötzlich einer von der Partie entfernt, korrekt?"
Lukas nickte und fuhr mit seinem Bericht fort:
Lukas' Rückblick: 31. Oktober 2011, 17:32 Uhr. Alte Schwimmhalle in Sonnewik.
"Hey, Lukas!", O'Brian kam dem Blonden entgegengelaufen und stellte sich neben ihn an die Bowle. Der Junge lächelte ihn kurz an und griff nach etwas zu Essen. "Coole Party, was?", fragte er kurz.
Mark nickte leicht und begann dann, leise zu flüstern: "Du, ich... Ich hab gerade von Florian eine SMS bekommen", erzählte er mit geheimnisvoller Stimme. "W-Was?", meinte Lukas sofort erstaunt und musterte seinen Kollegen verwundert. "Ja", nickte dieser und flüsterte noch leiser: "Er meinte, ich solle wegen etwas zu seinem Versteck kommen - Aber ich dürfe dir nichts verraten."
Der Blonde verzog das Gesicht: "Mir nichts sagen? W-Wieso das schon wieder?" Lukas fühlte sich mit einem Mal schon wieder von seinem Bruder belogen. "Ich glaub's ja nicht", zischte er beleidigt.
"Ja, also behalte es bitte für dich!", bat der Mann und seufzte einmal, "Halte hier die restlichen 4 Verdächtigen im Auge, dann wird schon nichts passieren", erklärte er - und schien über den Plan mehr als eingeweiht.
Lukas dachte kurz nach, ehe er eifrig nickte und O'Brian losziehen ließ.
04. Dezember 2011, 17:25 Uhr. Polizeistation des Erholungsgebietes - Verhörraum.
"Sie haben O'Brian einfach so losziehen lassen - ohne Zweifel, dass etwas an der Sache faul sein könnte?"
Lukas nickte: "Genau. Er schien zu wissen, wo sich Florian aufhielt und er wusste auch über die Sache mit den Verdächtigen bescheid. Von daher erschien mir das alles ganz normal und ging davon aus, dass mein Bruder ihm wirklich alles gesagt hatte. Und dann entfernte sich ja schließlich ein weiterer Verdächtiger - beziehungsweise mein Hauptverdächtiger."
"Der Direktor der Polizei?"
Lukas nickte.
Lukas' Rückblick: 31. Oktober 2011, 17:38 Uhr. Parkplatz der alten Schwimmhalle im Erholungsgebiet.
"Sir?", Lukas rief dem Polizeidirektor über den ganzen Parkplatz nach. Er hatte seine Waffe bereits gezückt und kam dem dicken Mann immer näher. Dieser blieb abrupt stehen und betrachtete den Blonden in der Dunkelheit erstaunt.
"Na nu? Was gibt es denn?", tat er ahnungslos und warf einen kurzen Blick auf Lukas' gezielte Pistole, "Und w-wieso haben Sie eine Waffe in der Hand? Ich hoffe doch, das ist nur eine Attrappe!"
"Was machen Sie hier draußen?!", antwortete der Junge mit einer Gegenfrage und kam seinem Chef immer näher. "Wie meinen?", der Direktor blieb ahnungslos, "Ich wollte nur einen Anruf tätigen, weil-" "Lügen Sie nicht!", zischte Lukas wütend und stand nun nur noch wenige Meter von ihm entfernt. Immer noch mit der Waffe fest auf ihn gerichtet.
"Lügen? Also hören Sie mal!" "Wieso laufen Sie dann wie wild über den Parkplatz hier?", löcherte der Blonde weiter, "Sie hätten den Anruf auch direkt vor der Tür machen können, wenn es Ihnen innen zu laut gewesen wäre! Also...?"
Der Mann schüttelte empört den Kopf: "Was bilden Sie sich eigentlich ein? In der Schwimmhalle hatte ich keinen Empfang, also bin ich nach außen gegangen... Aber hier scheint auch ein Funkloch zu sein, da habe ich hier auf dem Parkplatz nach einer passenden Stelle gesucht!"
Nun kam Lukas ihm noch zwei Schritte näher und glaubte ihm erst kein Wort. Verspottend warf er ihm an den Kopf: "Dass ich nicht lache, das ist doch nur eine billige...-" Aber was, wenn es stimmte?
Hastig steckte der Übereifrige seine Waffe wieder weg, um eine freie Hand zu haben, und holte dann schnell sein Handy aus der Tasche. Entsetzt blickte er auf den Display. "K-Kein Empfang", hauchte er.
Mark nickte leicht und begann dann, leise zu flüstern: "Du, ich... Ich hab gerade von Florian eine SMS bekommen.""
"M-Moment mal", Lukas sah erschrocken auf. "O-Oh nein...!"
Rückblick ohne Zeugen: 31. Oktober 2011, 17:52 Uhr. Versteck von Florian.
Feste hämmerte es an die Türe von Florians Versteck. Erschrocken zuckte der Insasse zusammen und begab sich zu dieser hin. "Lukas?", rief er erstaunt und betätigte den Türgriff. Doch er wurde anders überrascht.
"M-Mark?", meinte er verwundert und griff heimlich nach seiner Waffe in der hinteren Hosentasche, "W-Was machst du hier? Wie hast du mich gefunden?"
"Ruhig, Brauner!", entgegnete dieser lachend und betrat lässig den Raum, "Lukas hat mir gesagt, dass du dich hier aufhältst. Er kann nun hundertprozentig bestätigen, dass ich unschuldig bin - und er hat mich auch in eure ganze Sache eingeweiht."
Überrascht glitt Flo mit seiner Hand wieder von der Waffe ab und beruhigte sich etwas. "Das hat er? Und w-wieso hat er mir nicht bescheid gesagt?" "Kein Netz", antwortete Mark nur, "In der Schwimmhalle kann man keine Anrufe tätigen, da hat er gesagt, ich solle einfach zu dir fahren, um dich zu beschützen."
"Oh", murmelte der gesuchte Mann schweigsam und setzte sich wieder auf sein Bett...
Lukas' Rückblick: 31. Oktober 2011, 17:53 Uhr. Im Auto des Direktors - Auf einer Landstraße von Sonnewik.
"Da, fahren Sie da rechts rein!", forderte Lukas hastig auf, während er die ganze Zeit auf sein Handy starrte, bis er Empfang bekommen würde.
"Meine Güte!", schnaufte der dicke Mann erschöpfte und gab immer mehr Gas, "Wenn das hier nur ein 'Witz' oder so ist, ich schwöre Ihnen, dann werden Sie gleich morgen entlassen!", drohte er zornig und verstand bei der ganzen Sache überhaupt nichts.
"Schweigen Sie!", forderte Lukas unverschämt auf, als er bemerkte, dass er endlich einen kleinen Teil an Netz bekam. Zitternd tippte er in die Tasten die Handynummer von Flo ein, um ihn schnellsten zu alarmieren.
"Geh schon ran!", forderte er nervös auf, während es erst zum ersten Mal klingelte.
Rückblick ohne Zeugen: 31. Oktober 2011, 17:54 Uhr. Versteck von Florian.
Florians Handy vibrierte in dessen Hosentasche heftig, was dieser erst nach kurzer Zeit bemerkte. "Huch?", wunderte er sich und holte es heraus. Er sah zu O'Brian, der am Fenster stand und nur hinausblickte. "Sagt er nicht, es gäbe kein Netz?", wunderte er sich stumm und ging dann ans Handy ran.
"Hey Lukas!", grüßte er grinsend, "Sag mal, wieso hast du O'Brian zu mir geschickt? Ich sagte doch, wir machen nichts, ohne dem anderen bescheid zu geben!" Flo lachte scherzend.
"Florian!", antwortete sein Bruder am Telefon laut, "Hör mir jetzt gut zu!", er schrie schon fast, "Ich hab ihn nicht zu... Es ist... Du... Schnell."
"W-Was?", Der Mann sah auf sein Handy, "Ich glaube der Empfang ist ziemlich schlecht, ich verstehe dich kaum - Was hast du gesagt?"
Lukas wiederholte sich laut: "Es ist O'Brian! Der Ritter der Flammen ist O'Brian!"
Florian sah erschrocken auf und legte das Handy beiseite. Schnell griff er nach seiner Waffe. "Was sagt Lukas da?", schrie er durch den ganzen Raum. Noch immer war Mark O'Brian zum Fenster gewandt.
Dieser schmunzelte leicht: "Ach, Lukas... Er ist ein guter Junge", erzählte er, "Wirklich. Du kannst wirklich stolz sein, einen solchen Bruder zu haben. Aber...", nun drehte sich O'Brian um, "Weißt du, was ich glaube? Er ist nur durch dich ein solch guter Mensch geworden - nur durch dein Gebäude aus Lügen."
Er kam seinem ehemaligen Verbündeten einen Schritt näher und grinste breit.
"I-Ich versteh nicht, wieso du das tust!", entgegnete Florian völlig entsetzt, "Wir waren doch die ganze Zeit über Freunde? W-Woher kanntest du die Familie, die damals wegen meines Versagens gestorben ist?"
Mark kam einen weiteren Schritt näher und sah den Mann wehmütig an. "Ihr hattet bei eurer Recherche damals keine Verbindung zwischen der Familie und mir gefunden, weil wir auch nie verwandt waren. Aber der Vater der Familie war immer so etwas wie ein Vater auch für mich gewesen. Ich habe dir das nie erzählt, aber... Ich kannte die drei schon seit langer Zeit. Meine eigenen Eltern waren damals, an Weihnachten, gemeinsam auf Geschäftsreise und ließen mich - als Jugendlicher - ganz allein zu Hause. Aber die Familie war so nett...", er näherte sich einen weiteren Schritt, "Dass sie mich an dem Tag aufgenommen haben und mit mir das Fest genossen. Seither war ich ziemlich oft bei ihnen und sah sie als meine eigenen Eltern an."
Florian schluckte einmal und wurde bei der Geschichte etwas schwach. "D-Das tut mir so leid, Mark", entschuldigte er sich - zu spät.
04. Dezember 2011, 17:51 Uhr. Polizeistation des Erholungsgebietes - Verhörraum.
"Sie kamen also dann bei dem besagten Versteck an, stiegen aus dem Wagen des Direktors und hörten Stimmen im Haus, richtig?"
Lukas nickte wieder. "Genau, ich hörte O'Brian laut brüllen. Und meinen Bruder leise flehen."
Er holte tief Luft und kam zum Ende seiner Geschichte.
Lukas' Rückblick: 31. Oktober 2011, 17:57 Uhr. Versteck von Florian.
Leise schlich sich der Junge an das Haus an, mit der Waffe fest in der Hand. Nun bekam er es wirklich mit der Angst zu tun: Er war kurz davor, einem langjährigen Serienmörder gegenüberzustehen. Man sah es ihm an, wie er überall zitterte und sich, wie paralysiert, keinen Meter weiter traute. Ein letztes Mal atmete er durch. Hörte sein Herz pochen. Merkte wie sein Blutdruck stieg.
"Hände auf den Rücken!", schrie er aus voller Seele und stieß die Tür nach innen mit ganzer Wucht ein. Diese sprang sofort aus ihren Ankern und schlug mit lautem Krach auf dem Boden auf.
Sein Blick fiel erst auf Florian, der überwältigt in der Ecke saß, von oben bis unten mit einer Flüssigkeit übergossen. Dann bemerkte er O'Brian, der neben ihm stand und ein brennendes Streichholz in der Hand hielt.
"Sofort das Feuer aus!!", schrie Lukas schnell und sprang Mark entgegen. Er wollte nicht, doch er zögerte, zu schießen. "Florian!", stieß er hervor und bemerkte die Angst und die Ehrfurcht in den Augen seines geliebten Bruders.
"L-Lukas", schluchzte dieser und betrachtete zitternd das Streichholz. Er musste durch den Gestank des Spiritus, das auf seiner ganzen Kleidung war, einmal heftig husten. "E-Es tut mir leid!"
O'Brian grinste breit, blickte auf das Feuer, warf, grinste und -
So viel Wut, wie er noch nie in seinem Leben empfand; so viel Hass, wie er nie jemanden hasste; so viel Panik, wie er sich nie wieder fühlen würde. Durch Lukas ging in diesem Moment alles durch - doch schon im nächsten Moment sah er seinen Bruder in einer großen Stichflamme in Feuer aufgehen. Das letzte, was er wirklich noch realisierte, war Marks aus Rache erfülltes Grinsen...
04. Dezember 2011, 18:00 Uhr. Polizeistation des Erholungsgebietes - Verhörraum.
"Und dann haben Sie Ihre ganze Munition, also 7 Schuss, auf Mark O'Brian abgefeuert und ihn damit tödlich verletzt, richtig?" Ein letztes Mal bat der Polizist um eine Bestätigung.
Lukas zitterte bei der Erinnerung und schluchzte einmal. Es war hart, sich daran zu erinnern, doch er fühlte, als hätte er das Richtige getan. Er hatte Rache für einen Bruder genommen.
Er nickte.
"Vielen Dank", bedankte sich der Polizist und knipste nun den Audio-Recorder wieder aus. Er stand von seinem Stuhl auf, ehe zwei weitere Polizisten den Raum betraten. Sie waren groß und sahen bedrohlich aus, einer von ihnen hielt Handschellen bereit.
"Es tut mir leid für Sie, dass es so kommen musste, allerdings können sie nur noch auf die Gutmütigkeit der Jury und des Richters hoffen.", bedauerte der befragende Polizist.
Lukas nickte schweigend, während im schon die Handschelle an seinen einzigen Arm angelegt wurde. "Lukas, Sie... Sie wissen, dass Sie sich damit ihr Leben zerstört haben, richtig? Unter 3 Jahren Freiheitsstrafe werden sie wohl nicht verurteilt werden."
Der Blonde schnaufte erschöpft und ließ sich von den anderen beiden Polizisten abführen. "Ich habe es nicht zerstört", erklärte er noch murmelnd, "Ich habe es erfüllt."
Zwei Monate später...
"Ich hab letztens Antony und Stella gemeinsam im Park sitzen sehen. Die beiden würden echt ein süßes Päärchen abgeben..." Sophie kicherte süß und errötete leicht. "Die beiden sind noch nicht zusammen?", fragte Lukas, der, von einer dicken Glasscheibe getrennt, gegenüber von seiner Freundin im Besucherbereich des Gefängnisses saß. "Nein leider nicht", verneinte die Blondine nachdenklich, "Stella scheint noch immer verletzt, weil Hutton sie nur wegen eines Falles benutzt hast..." Ihr Freund betrachtete sie mitfühlend.
"Ach ja", Sophie griff nun in ihre Handtasche, um dem Gefangenen etwas zu zeigen. "Gestern habe ich so einen komischen Mann auf der Straße getroffen, der mir etwas geschenkt hat. Er war zwar ein bisschen gruselig, aber auch gleichzeitig freundlich."
Der Junge sah das Mädchen erstaunt an: "Hm? Was hat er dir denn geschenkt? Du weißt doch, dass du von Fremden nichts annehmen darfst", erklärte er lachend.
"Na ja, aber das Geschenk war so toll, da konnte ich nicht 'Nein' sagen", meinte sie und zog nun etwas ziemlich Schweres aus ihrer Tasche, "Das scheint irgendwie alt zu sein... Ein Relikt aus dem Mittelalter oder so", grübelte sie, "Und außerdem meinte der Mann noch etwas von 'Es ist noch nicht vorbei - Es wird niemals vorbei sein'... Schau mal!"
Sie stellte eine kleine Figur aus Blech auf den Tresen vor sich und zeigte sie Lukas durch die Glasscheibe hindurch. Erschrocken zuckte der Junge zurück und bekam mit einem mal einen Schweißausbruch.
"Da steht sogar etwas drauf", fiel der Blondine nun auf und sie las laut vor: "Carpe Diem."