Anscheinend war er ein bisschen sehr spät gekommen, denn nun stand keine Dreiergruppe mehr zur Verfügung. Resigniert seufzte Bert und schlurfte hinüber zum Empfangsschalter. "Können Sie nicht eine Ausnahme machen? Ich find jetzt keinen mehr und brauche dringend ein Zimmer..."
Die Dame am Schalter wies ihn höflich, aber bestimmt zurück. "Keine Ausnahmen, tut mir Leid. Es könnte immer sein, dass noch jemand dringend ein freies Zimmer braucht, und für den Fall müssen wir vorsorgen. Vielleicht findest du ja noch jemanden."
Ich hab's versucht. Mit diesem Gedanken machte er kehrt und steuerte ein Sofa in der Eingangshalle an, wo er zuerst Billy ablegte und sich dann neben ihm auf den Leinenbezug warf - wenn er schon kein Zimmer fand, konnte er ihnen wenigstens das Mobiliar volltropfen. Verzweifelt reckte er den Hals in die Höhe und warf Blicke durch die gesamte Eingangshalle - war denn wirklich niemand hier, der das gleiche Problem hatte wie er?
Plötzlich kam ein Mädchen auf ihn zu, dass er noch nie zuvor gesehen hatte.
"Nirgendwo mehr eine Gruppe, zu denen ich mit auf's Zimmer kann.", schimpfte sie vor sich hin.
Da fiel ihr Blick auf Bert. "Hast wenigstens du ein Zimmer gefunden?"
Bert hob den Kopf. "Nein, noch nicht. Leider..." Er blinzelte. "Warte. Suchst du noch jemanden?" Sofort sprang er vom Sofa auf und lief zu ihr herüber. "Großartig! Ich hatte schon befürchtet, die Nacht auf der Couch schlafen zu müssen." Er wandte sich um und klaubte sein von der plötzlichen Reaktion geschocktes Voltobal vom Sofa auf. "Hast du gehört, Billy? Wir kriegen doch noch ein Zimmer!"
Das Pokémon erwiderte seinen Ausbruch mit einem Blick freundlichen Unverständnisses, doch anstatt auf diese Reaktion einzugehen, kehrte Bert wieder zu dem Mädchen, das ihn angesprochen hatte, zurück. "Ich hole gleich die Schlüssel, und... warte. Wir kennen uns noch nicht, oder?" Er streckte seine freie Hand aus. "Ich bin Bert."
Und ich heiße Anna." Sie nahm seine ausgestreckte Hand entgegen. Dabei musterte sie ihn. Er machte einen sehr sympathischen Eindruck auf sie.
Sie war richtig erleichtert, nun doch noch jemanden gefunden zu haben.
"Freut mich, dich kennen zu lernen. Und ganz besonders in dieser Situation. Meine Mutter wäre ausgerastet, hätte ich draußen schlafen müssen. Dann hätte sie mich wahrscheinlich persönlich abgeholt und nie wieder auf eine Pokémonreise gehen lassen."
Bert nickte und machte sich auf dem Weg zum Empfangsschalter, um die Schlüssel abzuholen.
Anna wartete in der Zwischenzeit auf dem Flur, wo sich die Zimmer befanden.
"Welche Zimmernummer haben wir?", fragte sie.
Mit Billy unter dem Arm kehrte Bert zum Empfangsschalter zurück. "Sieht so aus, als hätte ich jetzt eine Zimmerpartnerin. Kriege ich die Schlüssel?"
Die Dame am Tresen überlegte kurz und zog dann einen Schlüssel mit einem glänzenden Schlüsselanhänger unter eben diesem hervor. "Wenn ihr zu zweit seid, will ich es durchgehen lassen. Sollte allerdings noch jemand ein Zimmer benötigen, müsst ihr ihn oder sie reinlassen. Verstanden?"
Hastig nickte Bert und nahm den Schlüssel an, bedankte sich und verschwand auf den Flur. Ein Blick auf den Anhänger zeigte, dass ihm damit offenbar Zimmer 5 offen stand.
Auf dem Flur wartete allerdings auch Anna bereits auf ihn. "Wir nehmen Zimmer 5." flötete er ihr zu und steckte den Schlüssel gleichzeitig im Schlüsselloch. Mit einem Ruck war die Tür offen.
Anna ließ sich auf eines der Betten fallen.
"Gott sei Dank hat alles gut geklappt. Hast du was dagegen, wenn ich meine beiden Pokemon rauslasse?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ Anna Pichu und Dratini aus ihren Pokebällen.
"So, meine beiden Süßen... Wir haben nun doch noch eine Unterkunft für die Nacht gefunden. Übrigens: das ist Bert, ihm haben wir es zu verdanken, dass wir nicht draußen schlafen müssen. Und Bert... Das sind Pichu und Dratini, meine besten Freunde. Bei Spitznamen bin ich immer total unkreativ, deshalb benenne ich meine Pokemon auch nicht um. Hat dein Voltobal denn einen Spitznamen?"
Bert blieb erst einmal in der offenen Tür stehen. Trügten ihn seine Augen? Ein einzelnes Doppelbett. Das konnte doch... das hieß... Nein, tief durchatmen. Wenn er sich recht entsann, hatte sie ihm eine Frage gestellt, und nun, wo er auf das Pokémon in seinen Armen blickte, fiel ihm wieder ein, welche das war.
"Oh, ja, das hier ist Billy. Ich habe übrigens noch einen anderen Partner - " er zupfte den Netzball vom Gürtel - "Jon hier." Er setzte Billy und Jons Ball vorsichtig auf dem Fußboden ab und richtete sich wieder auf. "Übrigens, können wir mit den weiteren Gesprächen noch warten? Es war ziemlich nass auf dem Weg hierher, und ich würde gern vorher duschen." Zur Betonung strich er sich mit einer Hand durch die nassen Haare.
"Kann ich die beiden hier lassen? Billy hat noch keinen eigenen Ball, andernfalls würde ich ihn jetzt zurücknehmen, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Er bleibt eh lieber für sich." Bert beugte sich zu dem lebendigen Pokéball hinunter und stich ihm sanft über den... Kopf, in Mangel eines besseren Begriffes. "Ich bin gleich wieder da. Mach dir keine Sorgen, ja?"
"Jo, lass sie ruhig hier.", sagte Anna. "Wir werden uns schon nicht gegenseitig grillen."
Sie spielte locker, doch erst jetzt wurde ihr bewusst, warum Bert so auf das Bett gestarrt hatte.
Notfalls nehme ich das Schlafsofa. Ich kann ja nicht einfach zwei Betten besetzen, ohne ihn gefragt zu haben.
Sie schämte sich ein bisschen, und wurde vermutlich knallrot.
Gut, dass er meine Tomate jetzt nicht sieht., dachte sie. Irgendwie habe ich immer das beneidenswerte Talent, mich vor Fremden zu blamieren. Na ja... Einmal am Tag muss man sich peinlich benehmen- das steigert das Selbstvertrauen. Aber ich glaube nicht so recht an diese Theorie. Sonst würde ich vor Selbstbewusstsein wahrscheinlich platzen.
Sie versorgte Pichu und Dratini, gab ihnen etwas Pokemonfutter und holte zwei Extradecken für die beiden. "Ruht euch aus, wenn das Wetter morgen besser ist, ziehen wir weiter.", sagte Anna.
Anschließend stand sie im Zimmer. Sie wusste nicht, wo sie schlafen würde, das wollte sie mit Bert absprechen, deshalb traute sie sich nicht, das Doppelbett noch einmal zu besetzen oder sogar das Schlafsofa noch zusätzlich unordentlich zu machen.
Anna ging zum Fenster und sah nach draußen.
Das Unwetter wollte und wollte nicht aufhören.
Off Topic: Well, here I go again. Die entsetzliche Verzögerung tut mir Leid, aber nun haben auch Bert und Anna ihr Zimmer bezogen. Ein Fortsetzungspost sollte bald folgen.