La princesa glacial
„Großmutter, erzähl mir eine Geschichte“, bat die kleine Rika und setzte sich mit ihrem Frosdedje auf den weichen Teppichboden.
„Gerne“, die alte Frau lächelte und holte ein schweres, altes Buch aus dem Regal, „ich erzähle dir die Geschichte deines Pokémons.“
„O ja“, jubelte das Mädchen.
„Hör zu“, erklärte die Großmutter, „einst lebte eine wunderschöne Prinzessin in der großen Villa Ewigenaus. Sie war so voller Anmut und Grazie, dass sie sehr viele Verehrer hatte. Täglich besuchten viele Freier das große Anwesen, um ihrer Hand anzuhalten. Doch keinen von ihnen wollte die schöne Dame auch nur sehen, sie war so selbstverliebt und eitel. Ihr Vater war todunglücklich, oft betete er zu Mew und Arceus, sie mögen seiner Tochter doch Vernunft einflößen. Aber die Gotteseltern blieben hart, mochten nicht in irdische Angelegenheiten eingreifen. Stattdessen erbarmte sich der Herr der Tiefe, Lugia, des verzweifelten Herrn und schickte einen seiner beflügelten Diener in Menschengestalt, Arktos, den Gebieter des Eises.
Und so kam es, als die Prinzessin eines Tages im Park Ewigenaus spazieren war und ihr bezauberndes Antlitz in einem fröhlich dahinplätschernden Springbrunnen betrachtete, dass ein wunderschöner junger Mann des Weges kam.
Staunend betrachtete ihn das Mädchen, als sich ihr der verwandelte Arktos näherte. Sofort verliebte sich die sonst so eitle Prinzessin in die eisige Anmut und Kälte, die im Blick ihres Gegenübers lag.
„Dummes Ding“, sprach der Fremde, „was sitzt du hier so arrogant und selbstverliebt, während viele junge Männer um dich werben?“
Und kaum waren die letzten Worte verklungen, hatte er sich auch schon aufgelöst, kleine Eiskristalle fanden sich dort, wo er gestanden hatte. Verzückt nahm das Mädchen diese in ihre Hände und beobachtete, wie sie zu schmelzen begannen, hatte sie in dieser warmen Gegend so etwas doch nie zuvor gesehen. Nicht in ihrem Leben dachte sie daran, einen der Freier zu heiraten, sie wollte in ihrer Torheit nur diesen schönen Herrn wiedersehen. Sie hatte die faszinierende Aura, die jenen umgab, gespürt, und wusste, dass er ein Gott war.
Also ging sie zum Weisen der Stadt und fragte ihn, wo man diese Kristalle finden könne. „Das ist Schnee“, erklärte der Alte, „weit oben im Norden, wo Blizzach liegt, findest du ihn.“
Und so machte sich die einfältige Prinzessin, ohne ihrem Vater oder irgendjemandem Bescheid zu geben, auf nach Blizzach, in der Hoffnung, den edlen Besucher wiederzusehen. Mit Hilfe ihres Dragonir, dem anmutigen Drachen, erklomm sie die höchsten Gipfel des Kraterbergs, kein Hindernis war groß genug, ihre unbändige Liebe dem schönen Fremden gegenüber den Weg zu versperren. Das glaubte zumindest das naive Mädchen, denn sie hatte noch nie zuvor wahre Liebe erlebt und stellte sie sich als unüberwindbar und vollkommen vor.
Bald betrat sie auch schon die eisigen Straßen, welche zur verschneiten Stadt führten. Da der Weise von Ewigenau ihr erklärt hatte, es sei sehr kalt so hoch im Norden, hatte sie einen wärmenden Mantel mitgebracht, den sie nun, im Glauben, klug gehandelt zu haben, um sich klammerte. Mutig und entschlossen wanderte die junge Frau weit mit ihrem treuen Pokémon durch den ewigen Winter. Immer noch war sie der Meinung, niemand könne sie in ihrer heißen Liebe aufhalten.
Doch so entging ihr auch, dass sie schon eine Zeit lang beobachtet wurde. Eine Räuberbande, der Rocket-Clan genannt, hatte es auf ihr vor Kraft strotzendes Dragonir abgesehen. Als sie eine enge Felsenschlucht passieren musste, wurde die Prinzessin von den Banditen überwältigt, und als sie wieder zu sich kam, waren alle, auch ihr geliebtes Pokémon, fort.
„Ich werde dir alles geben, auch meinen treuen Begleiter!“, rief sie, im Glauben, der Gott hätte ihre Liebe zu ihm auf die Probe gestellt.
Die Entschlossenheit der jungen Frau war nun noch größer, sie gedachte, dem geheimnisvollen Eisigen ihre Gefühle mit allen Mitteln zu beweisen. Also stapfte sie in wildem Übermut weiter. Da hörte sie jemanden weinen. Voller Mitleid erblickten die Augen der Prinzessin zwei frierende Kinder.
„Was ist mit euch?“, fragte sie besorgt, „habt ihr euch verirrt?“
„Unsere Eltern“, eines der Kleinen begann, zu schluchzen, „sie sind in einen Schneesturm geraten und nicht zurückgekehrt. Wir wollten sie suchen...“
„Seid nicht traurig“, tröstete die schöne Dame, „ich gebe euch meinen Mantel, dann müsst ihr nicht mehr frieren.
Mit diesen Worten legte das Mädchen den trauernden Kindern ihr Gewand über, so hatte sie nun keinen Schutz mehr vor der Kälte.
„Vielen Dank“, hauchten die Kleinen und verschwanden eilig im kalten Nebel.
„Ich werde dir alles geben!“, rief die Prinzessin abermals zum Himmel, „auch meinen wärmenden Mantel!“
Im Glauben, das Schicksal hätte ihre Begegnung mit dem Gott vorherbestimmt, wanderte sie immer noch weiter. Ihre unbändige Liebe und Bewunderung zu jenem würde sie wärmen, dachte die junge Frau. Und so lief sie. Tage und Nächte. Ohne Nahrung, ohne Wasser. Wenn sie durstig war, aß sie vom Schnee, es war zwar kalt, doch das eisige Pulver bestärkte das Mädchen in dem Irrtum, der fremde Schönling hätte ihr den Weg bereitet. Sie war blind. Sehr blind. Sie spürte nicht, wie die Kälte sie immer mehr auszehrte, auch wenn sie unglaublich lange bis jetzt überlebt hatte. Und sie lief immer noch. Bald spürte sie Erschöpfung, wollte sich hinlegen, wollte schlafen, doch die Prinzessin ging weiter. Nichts würde sie aufhalten, die Macht der Liebe war stärker. Das sagte sie immer wieder zu sich, wenn sie die verlockenden Bettdecken aus weiß glänzendem Schnee betrachtete. Niemand konnte ihr Einhalt gebieten, einzig und allein der eisige Fremde. Und sie lief immer noch. Ihrem Ende entgegen. In der Ferne erblickte die junge Frau schon weiß schimmernde Hausdächer.
„Nur noch ein bisschen“, sagte sie zu sich selbst.
Doch wusste die Prinzessin, dass sie niemals dort ankommen würde. Sie wusste, dies war ihre letzte Prüfung. Und sie würde bestehen.
„Ich werde dir alles, alles geben!“, schrie sie zum Himmel und streckte die Arme aus, „auch mein eigenes Leben!“
Und somit ließ sie sich endlich auf das weiße Bettlaken des Schnees fallen. Es war kalt, wunderbar kalt. Und weich. Das Mädchen stellte sich vor, in die Arme des geliebten Fremden zu fallen.
„So war es bestimmt“, flüsterte sie und schloss die Augen. Für immer.
Da erbarmte sich Arktos ihrer, als er den zarten Geist ihrem leblosen Körper entweichen sah. So schuf der Herr der Kälte einen neuen Körper aus Eis, damit die arme, verlorene Seele dort innen ihren Platz finden könne.
In diesem Moment erlosch die Liebe der Prinzessin zu dem fremden Gott, sie erkannte, dass nicht das Schicksal, sondern ihre eigene Torheit sie hierhin geleitet hatte.
„Ich werde dir einen neuen Namen geben“, sprach der Gebieter des Schnees voller Mitleid, „als neues Pokémon, Frosdedje, sollst du für alle Zeit in der Kälte willkommen sein und nach der Weisheit suchen, die du zu deinen Lebzeiten nicht erlangen konntest.“
Und so ward es gesprochen, die Worte sollten wahr werden. Seitdem lebt das Pokémon-Volk der Frosdedje im eisigen Gebiet um Blizzach herum, ein kriegerischer Stamm, alles anmutige, schöne Damen mit Kleidern aus schimmerndem Schnee. Sie alle suchen nach der Weisheit und dem Sinn des Lebens, und doch meiden sie die Liebe so sehr wie den Teufel, denn in jedem dieser Pokémon lebt ein Teil ihrer Urahnin, der törichten Prinzessin, weiter.“
Die Großmutter klappte das alte, verstaubte Buch der Sagen zu.
Klein-Rika schmiegte sich an ihr Frosdedje: „Hast du gehört? Da kommst du her!“
Die alte Dame musste lachen: „Ach Kindchen, das sind doch alles nur Geschichten. Nimm das nicht so ernst.“
„Und doch“, trotzig stemmte das Mädchen die Arme in die Seiten, „mein Frosdedje ist nämlich auch eine Prinzessin!“
Und da musste das große Eis-Pokémon grinsen.
Verloren und Vergessen
Part I: Ein falsches Herz
Dieses Lachen... Ein Lachen, bei dem
man nicht still sitzen konnte, bei dem man sich erheben wollte um
sich über das Leben zu freuen. Ihr Lachen... Für es war es das
schönste Lachen der Welt. Das Mädchen, das so wundervoll lachte,
hatte es zu ihrem Geburtstag bekommen. Es wusste nicht, wie das
Mädchen hieß, es wusste auch nicht wie es selbst hieß, aber das
Mädchen hatte es immer Banette genannt. Banette... was für ein
abscheulicher Name. Das kleine Wesen brauchte keinen Namen. Es hatte
auch keinen Namen verdient, es war ja nicht mal lebendig. Wäre es
aber lebendig gewesen, hätte es solch einen abscheulichen Namen
verdient. Denn es war eine kleine, alte, hässliche Puppe. Doch das
Mädchen liebte ´Banette` über alles und hätte sich nie von ihm
getrennt. Das Mädchen nahm Banette überall mithin. Sie erzählte
ihm Geheimnisse und teilte mit ihm Freud und Leid. Denn Banette war
mehr als nur eine Puppe. Banette war der beste Freund des Mädchens.
Und desto mehr das Mädchen sich ihm anvertraute, -desto mehr es sich
ihm verbunden fühlte- umso mehr wurde die Puppe lebendig. Sie konnte
sich nicht bewegen, sie war auch weiterhin nur eine Puppe – doch
Banette fing an zu denken. Zu Beginn dachte es einfach über das
Lachen des Mädchens nach. Dann wurde es auch mit negativen Emotionen
vertraut. Irgendwann begann es sich über die Welt Gedanken zu
machen. Bis es an sich selbst zu zweifeln begann.... Es wollte sich
auch bewegen, mit anderen reden, einfach leben. Banette wünschte
sich ein Mensch zu sein. Mehr als alles auf der Welt wünschte es
sich das. Doch es wusste genau, dass dies nicht ging. Ihm fehlte
etwas, das für einen Menschen das wichtigste war: Ein Herz.
Es wusste, was Gefühle waren, wie sie
sich zeigten, doch diese selber fühlen konnte es nicht. Banette
stellte sich oft vor, es hätte ein Herz, und lachte in Gedanken mit
dem Mädchen, um menschlich zu wirken. Aber die ganze Zeit war ihm
klar, dass sein ausgedachtes Herz nicht echt war...
Part II: Ein finsteres Herz
Das Mädchen wurde älter, es
veränderte sich, doch Banette verstand nicht warum. Denn es blieb
weiter die hässliche Puppe, wuchs nicht und blieb auf ewig gleich.
Während das Mädchen zur jungen Frau heran wuchs, sah Banette
traurig zu. Es spürte, dass etwas anders war. Das Mädchen nahm es
nicht mehr in den Arm. Sie erzählte ihm keine Geheimnisse mehr.
Langsam aber sicher verlor Banette an Bedeutung. Es wusste ganz
genau, dass in seinem ausgedachtem Herzen ein großer Riss war. Doch
es konnte diesen Riss nicht verschließen, dieser weitete sich nur
aus, er wurde größer und Banette fühlte sich schrecklicher, mit
jeder Sekunde die das Mädchen älter wurde. Banette liebte dieses
Kind über alles, doch genau dieses Kind würde ihm sein Leben
zerstören.
An diesem Tag wusste Banette, dass
alles anders war, aber es sagte nichts, wie auch, es konnte ja nicht
sprechen. Das Mädchen hatte es flüchtig gegriffen und weggetragen.
Schweigend ging es durch die Stadt, während die kleine Puppe in
ihrer Hand nichts tat, aber wusste, dass dies ihre letzten Minuten
waren. Das Mädchen kam an einer Gasse vorbei, schaute sich kurz um,
blickte Banette ein letztes mal an und schmiss die einsame Puppe dann
halbherzig weg. Hätte Banette weinen können, wäre es jetzt in
Tränen ausgebrochen und hätte sich seine Seele ausgeweint. Hätte.
Stattdessen lag es verloren und vergessen in einer dunklen Gasse. Der
Himmel verdunkelte sich und ein Gewitter zog auf. Plötzlich fielen
die Tropfen vom Himmel und schlugen auf die kleine Puppe ein. Doch
diese lag nur schutzlos da. Schutzlos... verloren...und vergessen...
Das war der Moment in dem Banettes
ausgedachtes Herz zersplitterte...
Die Puppe spürte zum ersten Mal etwas:
unglaublichen Schmerz, Verzweiflung und Hass. In dem Moment, in dem das falsches Herz zersplittert war, hatte sich dort ein echtes Herz
gebildet. Ein finsteres Herz, aus Schatten und Finsternis, das auf
Rache aus war. Banette erhob sich, nahm seine neuen Gefühle war und
schwebte davon, stets mit dem Schmerz in der Brust, wo das finstere
Herz saß.
Part III: Ein einsames Herz
So wurde ein Wesen geboren, dass sich
Banette nannte. Ein Geist, der nachts durch die Straßen zog und sich
an den Schmerzen anderer ergötzte. Es wollte die Menschen leiden
sehen, für das, was sie ihm angetan hatten. Es lauerte in Gassen und
verfluchte die vorbei gehenden Menschen. Aber es wusste, dass dies
nur ein Spiel war. Sein wahres Ziel war das Mädchen. Das Mädchen
hatte ihm das angetan, das Mädchen hatte es zu dem gemacht, was es
jetzt war, das Mädchen war alles Schuld... Sein ganzer Hass galt
dieser Person und sein ganzes finsteres Herz wünschte sich ihren
Schmerz. Doch bis es diese verhasste Person fand, ließ es die
anderen Menschen leiden.
Von Zeit zu Zeit jedoch zweifelte
Banette an seinen Taten. Eigentlich waren die Menschen ja unschuldig.
Doch immer wenn es Mitleid zu empfinden begann, spürte es in seiner
Brust ein höllisches Stechen und war kurz darauf wieder der grausame
Geist. Das gehasste Gespenst, das Niemanden mehr hatte. Manchmal
beobachtete es die anderen Menschen und Pokémon, wie sie zusammen
spielten und lachten. So wie damals das Mädchen und es selber...
Dann wuchs die Sehnsucht nach Frieden und Ruhe in Banettes Herzen,
dann ignorierte es den Schmerz seines finsteren Herzens und bewegte
sich auf die anderes Wesen zu. Doch diese vertrieben es dann fluchend
und ausschimpfend. Es war ja nur ein finsteres einsames Gespenst...
Nach solchen Tagen der Trauer setzte
Banette sich oft auf die Dächer der Häuser und beobachtete das
fröhliche Treiben, bei dem es nicht Teil sein konnte. Und der Hass
auf diese Wesen, die es nicht akzeptierten, nährte sein schwarzes
Herz. In solchen Momenten fragte es sich, warum gerade es zum allein
sein verdammt war.
Doch eines Abends saß auf seinem
gewohntem Platz bereits ein anderes Pokémon. Aber dieses Pokémon
kam ihm bekannt vor. Es hatte dieses Wesen schon einmal gesehen.
„Was ist mit dir los?“, fragte
Banette.
„Ich bin einsam...“, antwortete die
Gestalt. Lange überlegte Banette. Es war also nicht das einzige
einsame Wesen der Welt.
Eine Zeit lang saßen die beiden
einfach nur nebeneinander und freuten sich einfach nicht allein zu
sein.
Plötzlich flüsterte das andere
Pokémon: „Weißt du.. manchmal zerfrisst mich dieser Hass...ich
hasse nichts bestimmtes, ich hasse einfach alles. Dann fühle ich
mich allein. Irgendwann hat man mich zurückgelassen und niemand
braucht mich nun mehr. Dann wünsche ich mir, dass ich einfach normal
wäre. Doch dann spüre ich diesen unglaublichen Schmerz... in meiner
Brust...“
Banette fiel es wie Schuppen von den
Augen. Das Wesen neben ihm war genau wie es selbst. Das hieß dann ja
.. ! Banette blickte der anderen Pupe tief in die Augen. Die Augen
waren das Fenster zur Seele, und die Seele dieses Pokemon war genauso
schwarz wie seine Augen.
„Hör zu ...“, sagte es langsam. „
das Gefühl kenne ich... auch ich habe Ähnliches wie du durch
gemacht. Ich wurde verloren und vergessen. Doch, auch wenn du dich so
fühlst: Du bist nicht allein... Ich bin … bei dir...Wir sind uns …
ähnlich... und wir sind nicht allein.“
Banette nahm die Hand des anderen
´Banettes`. Es ignorierte den Schmerz in seinem Herzen, es wollte
nur für einen Moment wieder etwas Licht in sein Herz lassen. Sein
Herz schmerzte mehr als jemals zuvor, aber es war auch ein gutes
Gefühl. Dieses Licht erhellte Banettes Herz. Das Herz war zwar noch
immer finster und dunkel, aber nun war es nicht mehr so unglaublich
schwarz. Und nun fühlte es sich zum ersten Mal wie ein echtes
Lebewesen. So wurde das erste Banette geboren. Und diesem folgten
noch weitere...
„Egal wie schlimm du
dich fühlst, es gibt immer jemanden, der mit dir fühlen kann“
Mondfeuer
Der Lauf der Zeit nagt an allem, was existiert. Leben erblühen, verweilen auf dieser Welt, bis die Energie, die tief in ihnen wohnt und sie formt, wie es ihr beliebt, die Wahl trifft, diesen Körper zu verlassen und ein bislang ungeborenes Wesen erstehen zu lassen. Es kann Sekunden dauern bis ein Geschöpf sich wieder mit der Erde vereinen muss, aber auch Jahrhunderte können Einzug in ihm halten, bevor er mit dem Ende seines Lebens einem jungen Wesen das Sein schenkt.
Aber nicht jede dieser schimmernden Kugeln, die da sind und doch unsichtbar für jedes Auge und die jeder Seele ihr Licht leihen, um ihre Blindheit zu beenden, muss wieder fortgehen: In der weitläufigen Geschichte geschah es immer wieder, dass die Lebensbringer entschieden, die Kreatur, in der sie sich befanden, sollte niemals verblühen müssen und sie verschmolzen mit ihren Auserwählten.
Und auch Energie ist intelligent – nur diejenigen wurden mit Unsterblichkeit gesegnet, die später Großes bewirken sollten, die die Macht hatten, nicht nur sich selbst, sondern auch andere durch ihre unbändige Kraft zu verändern, ohne daraus für sich einen Vorteil zu ziehen. So wurden die Götter erschaffen, ein jeder einer anderen Aufgabe gewidmet, die zusammen all das ergaben, was heute wie selbstverständlich erscheinen mag. Und auch lebende Wesen entstanden aus ihnen, vom Aussehen her den Vätern der Welt ähnelnd, doch nicht mit den Gaben des Lichtes beschenkt.
Bezeichnet wurden diese Wesen als Pokémon – als ‚Schnuppen der Sonne‘. Sie fühlten sich verhältnismäßig unabhängig von den Göttern, entwickelten ihre eigene Kultur, vermehrten sich und brachten neue Arten zustande, wie auch alle anderen Geschöpfe.
Nur zwei Sachen verrieten ihre wahre Abstammung: Einmal geringe, magisch anmutende Kraftfelder, welche sie einsetzen und formen konnten, wobei der Unsterbliche, der ihre äußerlichen Eigenschaften prägte, auch die Art dieser Attacken bestimmte. Und zweitens einige seltene Ereignisse, die den Körper eines Pokémons dazu brachte, in Sekundenschnelle eine nahezu vollständige Metamorphose zu durchlaufen. Was die Energie im Inneren dazu bewog, sich so schlagartig auszudehnen, wusste niemand, man nahm es mehr oder weniger gelassen hin.
Doch waren es nicht die Götter, die die Welt allein durch ihre reine Seele verändern sollten. Es war ein Fukano.
Doch wurde auch es nicht allein zu dieser Tat angeregt, am Anfang der potentiellen Tragödie stand erneut niemand anderes als eine Göttin. Cresselia, die Wächterin des Mondes, war dazu bestimmt, zwölf Stunden am Tag die Nacht ihr schwarzes Antlitz ausbreiten zu lassen. Aber bald schon genügte es ihr nicht mehr, sich mit zwölf Stunden Dunkelheit zufrieden zu geben, wo doch das Licht des Tages viel erhabener erschien!
Ohne vorher auch nur etwas anzudeuten, ließ sie eines Tages die Dunkelheit hereinbrechen, lange bevor es angebracht gewesen wäre. Die Pokémon nahmen diese Schwankung verwirrt als eine Laune der Natur hin. Als sie bald dem Morgengrauen wich, schien wieder alles so zu sein, wie es war. Doch der Frieden war Trug: Wenngleich sie nicht die Macht hatte, sich den Tag untertan zu machen, wollte Cresselia doch wenigstens seiner Helligkeit und Wärme in nichts nachstehen: Sie ließ körperloses Feuer in den Mond fließen und er wurde heller, immer heller, bis er des Nachts wie eine gleißende Sonne am Himmel stand.
Niemand billigte Cresselias Eingreifen in den Lauf der Dinge, doch ebenso hatte niemand die Kraft sie rückgängig zu machen außer der Mondgöttin selbst. Zum ersten Mal seit ihrer Geburt waren die Unsterblichen machtlos. Denn eine der Ihren war dem eigenen Vollmond verfallen.
Auf der Erde unterdessen verschlechterten sich die Bedingungen zunehmend. Die Nächte, die sonst dunkel und kühl gewesen waren, blieben taghell und warm. Das Sternenlicht, welches zu weit entfernt war, um unter den unnatürlichen orangenen Strahlen noch wahrgenommen werden zu können, verblasste. Allmählich verschwanden die Unterschiede zwischen dem Tag und der Nacht, sie wurden eins.
Der Schnee wurde durch die plötzliche Hitze geschmolzen, viele Pokémon erwachten frühzeitig aus ihrem Winterschlaf. Keiner wusste mehr, wann es Zeit war, sich zur Ruhe zu legen und zu erwachen. Die Nacht bot keine Tarnung mehr vor Räubern, die Pflanzen verblühten. Wie ein Pendel, das bei jedem Schlag an Gewicht zunimmt, sanken auch die Lebewesen immer weiter hinab in eine Art verzweifelte Trance. Niemand wusste, wie das Feuer vom Mond zu nehmen sei, ein jeder war überzeugt davon, dass die Welt nun untergehen müsse.
Doch nach vielen Wochen ununterbrochenen Bangens, Fürchtens und Schreiens gab es etwas wie einen Hoffnungsschimmer am Horizont: Eine weiße Narzisse wand sich vorsichtig aus der harten Erde, die einzige Blume, die es geschafft hatte, der knochentrockenen Bodenschicht und dem fehlenden Wasser um sich herum zu trotzen. Jeden, der sie sah, erfüllte sie mit Freude, doch mit Trauer in den Augen meinten alle, dass auch diese Schönheit nicht von Dauer sein konnte; die Hitze würde sie dahinraffen.
Und doch… Vielleicht hatten die Schimmerkugeln in das Geschehen eingegriffen, vielleicht erhob sich ja die Welt selbst, um dem Unheil ein Ende zu setzen, bevor es die Seelen auf ihr schleichend ausgelöscht haben würde, irgendwem schien das Schicksal wohlgesinnt.
Entei, ein uraltes, mächtiges und dennoch sterbliches Pokémon, berührte mit seinen feurigen Pfoten die junge Blume, während es auf der Suche nach Futter über das Land hinwegjagte. Man hätte Entei einen Gott nennen können, denn seine Macht war enorm, doch es gehörte nicht zu den Erwählten des Lichtes. Und so bemerkte es auch nicht, wie seine flammenden Pfotenabdrücke die Blume ergriffen und sie verkohlten.
Als die anderen das erblickten, schrien sie wehleidig auf und verfluchten den Mond, denn sie glaubten, es sei sein Werk gewesen. Viele wollten es als Zeichen ansehen, dass nun die Zeit zum Sterben gekommen war und verkrochen sich, um auf den Tod zu warten.
Doch statt der ewigen Leere sollte nichts Anderes als die reine Erlösung in der noch warmen Asche warten.
Als jeder sich tränenreich von der Blume verabschiedet hatte und niedergeschlagen wieder fortgeschlichen war, rührte sich in der Glut etwas: Die zu Staub gebrannten Blüten der Narzisse blähten sich auf, bildeten eine undeutliche Form, verdichteten sich. Nach nur einigen Momenten stand auf dem schwarzen Pulver ein vierbeiniges Pokémon, an dessen Seiten die letzten Reste der Glut mit seinem Fell verschmolzen. Es stieß ein herzzerreißendes Jaulen aus, das durch die Umgebung schallte und sogar diejenigen, die es mit den Ohren nicht wahrnehmen konnten, erwartungsvoll erstarren ließ.
Mit der Zielstrebigkeit eines Geschöpfes, das nur für diese eine Sache zu existieren scheint, schritt das Fukano fort von dem Ort, an dem einst die Blume erblüht war, die nun zu ihm geworden war. Seine Schritte, tapsig und doch würdevoll, lenkten es bis zum Rande eines nun ausgetrockneten Teiches, von wo es einen durch das Wasser glatt geschliffenen Stein mit dem Maul auflas. In dem Moment, als seine Zähne das harte Material umschlossen, loderten seine Augen kurz auf.
Während es wieder umkehrte, immer weiter lief und seine Pfoten zu immer schnelleren Schritten trieb, träumten die Pokémon von ihm, sahen es nur durch ihre Fantasie, die ihren Herzen entsprang.
Fukano blieb nicht stehen, auch als die Nacht zum Tag wurde und der Tag wieder der Nacht wich. Nur durch die vielen hoffenden Geister, die in seinen Gedanken mit ihm liefen, gelang es ihm, immer noch schneller zu werden und nicht zu verharren. Es erklomm einen steilen Berg, an dessen Fuße sich ein nur noch spärlich mit Wasser gefüllter See befand. Dort stellte es sich hin und hob den Kopf.
Der glatte Stein schimmerte im Mondlicht. Doch nach einer Weile waren es nicht nur mehr die Lichtreflektionen, die ihn zum Scheinen brachten; Mondstrahlen hatten sich gebündelt und waren auf ihn gerichtet, immer breiter und kräftiger wurde der gleißende Strahl, den der Stein zu absorbieren schien. Das Fukano zitterte vor Anstrengung und während der Trabant selbst in zunehmendem Tempo an Leuchtkraft verlor, erfüllte immer mehr Mondfeuer den Stein und griff allmählich auch auf das Pokémon über. Die grelle Aura um es herum wuchs, bis sie so dicht war, dass kein Blick sie mehr hätte durchdringen können.
Dann riss der Energiestrahl abrupt ab. Samtene Schwärze war über die Landschaft gezogen, die Sterne funkelten wieder. Nur das Fukano war noch immer von beißendem Licht umgeben, das nur schleichend verblasste. Doch schließlich wich auch dieses Leuchten der Nacht, doch was es enthüllte, war kein Fukano mehr – Ein gewaltiges, glühend rotes Wesen stand an seiner Stelle, den Kopf stolz erhoben. Gerade klappte es das mit funkelnd weißen Zähnen besetzte Maul zu, in dem kein Stein mehr war. Sein mächtiger, buschiger Schweif wehte im lauen Wind, als das Wesen das Maul öffnete und brüllte. Der majestätische Ton schallte nicht nur durch das Land, auch durch den Rest der Welt und in das Reich der Götter trug ihn der Schall. Da wussten alle, dass sie gerettet waren.
Das Wesen wurde Arkani getauft, was ‚Mondfeuer‘ bedeutete. Die Unsterblichkeit, die die Schimmerkugeln ihm anboten, lehnte es allerdings ab. Stattdessen lebte es auf der Erde und brachte viele Nachkommen in die Welt. Seitdem entsteht immer, wenn Enteis Pfoten eine Narzisse berühren, aus ihrer Asche ein Feuerstein, der, wenn einer von Arkanis Nachfahren ihn berührt, diesen in ein ebenso prächtiges Geschöpf verwandelt.
Und da Narzissen im Frühling blühen, galt Arkanis Brüllen fortan als Symbol des neu beginnenden Lebenskreislaufs.
Wehklänge einer eiskalten Sirene
Verlassen, wie ein weggeworfenes Bannete, zog das Schneppcke durch die Eiswüste. Dieses Pokemon hatte sein Lächeln verloren, als die Menschen nicht mehr an den Hausfrieden, den es brachte, glaubten.
Sein klägliches Wimmern wurde von dem Nordwind komplett verschluckt. Nur der Schnee reagierte –doch anders als erhofft – und eine Lawine hatte das Pokemon unter sich begraben. Sehr lange musste das Schneppcke bewegungslos unter der Schneedecke verweilen, bis es beinahe einsam gestorben wäre. Das Eis, welches so unendlich lange auf ihm lastete, hatte sich an ihm festgesetzt und so war es nur noch der eigene Körper, den das Tier erheben musste.
Es ist kein Schneppcke mehr, es ist ein Geist, der sich aus dem Frost erhoben hatte und das hoffnungslose Heulen des Windes seine Sprache nennt. Wenn es lächelt, dann aus Hass und die Menschen fürchten den ,,personifizierten Eishauch‘‘, den sie selbst geschaffen haben, so sehr, dass dieser als ,,Frosdedje‘‘ in den Köpfen der Menschen weiterspukte. Diejenigen, die sie sahen, sprechen von einer traumhaft schönen femininen Gestalt im Kimono und verspürten eine lebenslange Sehnsucht nach ihr. Jene, die kein größeres Glück fanden und erneut lossegelten, um noch ein einziges Mal ihrem geheimnisvollen Gesang lauschen zu können, sind nie mehr gesehen worden. Sie haben ihr Lied falsch interpretiert, denn sie ist eine trauernde Witwe, die das Leben ihrer einzigen Liebe seit Generationen überlebt hat und nur von ihrem Liebesduett noch glücklich gestimmt wird.
Die meisten Seeleute reißt sie in die Tiefen des Eismeeres, doch manch einer muss ihre Rache an den Menschen stillen und wird als lebendige bewegungsunfähige Eisskulptur noch lange ihren Wehklängen ausgesetzt.
Doch dieses gefürchtete Ungeheuer hat noch eine andere Seite, eine, die so fürsorglich ist, dass es niemand wahrhaben kann, der ihre Geschichte einmal gehört hat.
Wer reinen Herzens ist, egal ob Pokemon oder doch Mensch, dem schenkt sie Fürsorge, die man im ewigen Eis sonst niemals finden würde. Demjenigen weist sie den Weg zurück nach Hause und mit ihrem Singen will sie diesem die Kraft geben, weiter zu machen. Mit ihrer Kontrolle über das endlose Eis beendet sie für diese Person ganze Schneestürme und jene, die ihr etwas anhaben wollen, lässt sie im Hagelsturm irren.
Oft wird man einfach nur nicht verstanden und schon als raue Person eingestuft, doch hat man Gründe, warum man so handelt, dann darf man nicht wegschauen.
Genauso dürfen dann auch die anderen nicht wegschauen, sonst wird das Leben noch unglücklich weitergehen, immer mit dem Gefühl, nicht ganz dazu zu gehören.