Bastet Ich habe jetzt zwei Stunden lang im Bett gelegen und konnte nicht einschlafen, weil ich die ganze Zeit immer noch an dieses Thema denken musste. Obwohl ich gesagt habe, dass ich hierzu nichts mehr sagen werde, mache ich denke ich jetzt trotzdem nochmal einen Post, auch weil ich in den letzten Stunden meine Gedanken dazu nochmal ein wenig sortieren konnte und es einige Aspekte gibt, die ich in meinen ersten Posts hierzu nicht zentralisiert habe, obwohl ich das rückblickend betrachtet hätte tun sollen.
Und ich will mit folgendem anfangen.
Während meiner Gymnasialzeit hatte ich eine türkische Mitschülerin. Sie konnte nicht gut Deutsch sprechen, da sie nicht in Deutschland aufgewachsen ist. Schon als sie etwa 15/16 Jahre alt war, hatte sie an ihrem gesamten Körper starke und dicke Behaarung. Rücken, Bauch, Beine, im Gesicht, auf den Armen, überall.
Die Schule, auf die ich damals ging, war eine gute Privatschule. Deswegen wurde sie nicht, wie es an anderen Schulen, die ich in meinem Leben besucht habe, der Fall gewesen wäre, offen gemobbt und verspottet. Der Spott fand stattdessen statt, wenn sie nicht dabei war, wenn Leute unter Freunden waren, hinter ihrem Rücken.
Soweit ich weiß hatte sie in ihrer Schulzeit damals keine engen Freunde; sie war im Klassenklima kaum involviert und wurde insgesamt überwiegend ignoriert.
Ich weiß, wenn du & andere hier lauthals erklären, dass ihr Menschen mit Körperbehaarung eklig findet, dann denkt ihr dabei vielleicht nicht primär an 16-jährige Mädchen, die u.a. wegen ihrer Körperbehaarung an Ausgrenzung leiden. Ihr denkt vielleicht nicht an Personen, die von Hirsutismus betroffen sind, und vielleicht nicht an die Millionen von Menschen verschiedenster Ethnien weltweit, die nicht dem westlich-imperialistischen Schönheitsideal entsprechen, in dem Körperbehaarung stigmatisiert wird.
Aber diese Aussagen und Formulierungen treffen diese Menschen genau wie alle anderen, die an starker Körperbehaarung leiden, ganz unabhängig davon, ob gewollt oder nicht.
Mein Verständnis ist, dass die meisten Leute, die hier lesen und schreiben, in Industriestaaten leben, die bis heute von Kolonialisierung und Imperialismus profitieren. Mein Verständnis ist, dass die meisten hier weiß sind, und dass sie gegenüber Menschen aus kolonialisierten Gegenden der Welt dadurch zusätzliche Privilegien genießen. Und ja, Intersektionalität existiert. Nur weil man weiß ist und im Herzen Europas lebt, heißt das nicht, dass man nicht trotzdem aktiv unterdrückt wird.
Aber ich möchte dennoch ganz offen sein. Wenn du hier als Bewohnerin eines imperialistischen Industriestaats Aussagen tätigst, absichtlich oder unabsichtlich, die Personen, die überwältigend oft nicht-weiß und nicht-privilegiert und nicht Bewohner*innen von Industriestaaten sind, entmenschlichen, dann zwingst du andere Leute dazu, sich zu entscheiden, ob sie sich jetzt mit dir oder den Betroffenen solidarisieren.
Kein Symptom zwingt dich, sich ins Bisaboard einzuloggen und großmäulig davon zu reden, wie eklig du andere Menschen aufgrund von bestimmten körperlichen Eigenschaften findest. Gerade dann nicht, wenn du damit kontextuell imperialistische & rassistische Schönheits- und Ästhetik-Ideale vorantreibst, von denen der Westen ganz bewusst seit Jahrhunderten profitiert. Diese Schönheitsideale basieren auf Ableismus, und das haben sie schon immer, genauso wie konventionelle Attraktivität bzw. die Idee von "Hässlichkeit" usw.
Symptome und Neurodiversität sind kein Schutzschild vor Kritik an Ismen. Man kann sich ableistisch verhalten bzw. zu ableistischen Strukturen beitragen, selbst wenn man persönlich von Behinderungen betroffen ist. Und genau das ist hier heute breitflächig, und nicht nur ausgehend von dir, geschehen, und genau daran habe ich Kritik geäußert.
Du kannst natürlich gerne deine Zeit damit verschwenden, zu erklären dass Leute als eklig zu bezeichnen ja gar nicht so schlimm ist (btw finde ich, dass das das eigentliche Gaslighting ist), oder dass du ja nur Aspekte von ihnen meinst und nicht alles an ihnen, oder die "No u"-Karte zu spielen und mich als ableistisch zu bezeichnen, aber letztendlich ist dein Interesse, hier Leute ohne Pushback als eklig bezeichnen zu können, für mich einfach zweitrangig gegenüber dem Interesse von davon Betroffenen, ohne soziale Verachtung, Stigmatisierung, Isolation und emotionaler Last leben zu wollen, und in dem Zusammenhang stimme ich dieser Kritik an mir halt auch nicht zu und werde mein Verhalten & meine Äußerungen dementsprechend auch nicht ändern.