SCHWACH GLIMMTE der Bildschirm im Büro, während er als einzige Lichtquelle im Raum das müde und doch ehrgeizige Gesicht des Beamten beleuchtete. Biskup hatte den ganzen Tag über die Photos seiner Schwester durch die Datenbank gejagt, in der Hoffnung, etwas über seinen ominösen Verdächtigen herausfinden zu können. Er hatte auch einen starken Verdacht, um wen es sich handeln könnte, wollte allerdings erst sicher gehen. Zudem hatte er seine Schwester auf den Himmelturm angesetzt, da die Zeugen am Pokémon Center diesen mehrfach als Zielort der beiden angegeben hatten. Da der Himmelturm jedoch schwer zu erreichen war und die Dinge mit Eile von Statten gehen sollten, hatte ihr Biskup sein Aerodactyl zur Unterstützung überlassen. Die beiden waren schon immer warm miteinander gewesen, und nicht zuletzt vertrug sich das antike Pokémon auch mit Tauboss sehr gut und sie waren zu einigen Kombinationsangriffen fähig.
Während Biskup dabei war, die Akten der Champs durchzusehen, blitzte plötzlich ein Suchtreffer auf dem Bildschirm auf. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seinem Bauch breit – jetzt würde sich zeigen, ob er mit seiner Vermutung richtig lag!
Das Bild der gefundenen Person zeigte einen jungen Mann mit rotem Haar, wie er von einem großen Gebäude, zusammen mit einem stattlichen Vulnona, einen Siegerpokal in die Höhe hielt. Darunter zeigte eine einfache Schriftart in banalen Lettern: »Winfried Epion Twinter, Übereinstimmung 78%«.
Ein Schauer lief über den Rücken des Beamten. Er ist es! Pion, der Champ Sinnohs, der zwei Jahre zuvor von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden war. Das Aussehen des Mannes hatte sich durchaus verändert, doch eine Übereinstimmungsrate von fast 80 Prozent reichte zunächst, in Hinblick auf die weitere Indizienlage aus, um den Verdacht zu bestätigen. Wer außer einem herausragenden Trainer könnte überhaupt in Betracht ziehen, den Himmelturm zu betreten?
Zudem sah die Beweislast noch erdrückender aus, wenn man sich die Geschichte der Scheinfirmen ansah, die Biskup momentan beobachtete. Sie alle sprossen während der letzten zwei Jahre aus dem Nichts, Entführungen häuften sich, zermürbte, psychisch zerstörte Menschen tauchten an unterschiedlichsten Orten wieder auf. Er ist es. Er ist der Rädelsführer!
Biskups Hände glitten über die Tastatur, während er seine neuen Erkenntnisse aufschrieb. Er besaß nun gefährliches Wissen, das so schnell wie möglich an die verschiedensten Stellen geleitet werden musste. Genug Wissen, um die Organisation zu zerschlagen!
Plötzlich hörte er hinter sich ein lautes Knacken. Gleichzeitig hörte er Schritte im Flur. Um diese Uhrzeit?, dachte sich Biskup mit einem Blick auf die Zeitanzeige seines Rechners, die 4:56 anzeigte. Wird wohl Truntman sein … ich wusste gar nicht, dass er so früh ins Büro kommt. Biskup sah dies jedoch gleich als Gelegenheit dafür, dem Abteilungsleiter direkt von seinem Fund zu berichten, sodass er schnell seine Aufzeichnungen zu Ende tippte und den PC herunterfuhr. Daraufhin drehte er sich um und erschrak fürchterlich, als er im Zimmer eine dunkle Gestalt sah, die ihn beobachtete – nun da der Bildschirm ausgeschaltet war, konnte er nur noch durch das schwache Licht der Laternen von draußen schemenhaft erkennen, was vor ihm lag. Vor Schreck fuhr Biskup zurück, stieß gegen dir Tischkante und holte tief Luft, als die Person langsam auf ihn zuschritt. Panisch drücke er hinter sich auf dem Schreibtisch herum, um den Schalter der Stehlampe zu erwischen, bis es ihm endlich gelang und er in das Gesicht einer hübschen, schlanken Frau blickte, die ihn mit strengem Blick ansah.
Plötzlich atmete Biskup auf. »Du bist es nur, Thea …«
Jetzt, wo er wusste, wonach er suchen musste, erblickte der junge Mann auch das am offenen Fenster schwebende Nebulak, das immer in ihrer Nähe herumschwirrte. Als Beamtin des Naturschutzes, die für Geheimoperationen im Verdeckten zuständig war, stellte es für Thea kein sehr großes Hindernis dar, durch ein offenes Fenster im Erdgeschoss unbemerkt in ein Zimmer einzudringen. Biskup hatte die Angewohnheit, nachts mit offenem Fenster zu arbeiten, da ihn die kühle Luft erfrischte.
»Wieso jagst du mir so einen Schrecken ein?«, fragte er streng vorwurfsvoll, doch Thea grinste ihn nur leicht mitleidig an.
»Du hast so süß ausgesehen von draußen. Ich muss gleich los zu einem Außeneinsatz, brauchte vorher noch ein paar Unterlagen aus deinem Büro. Als ich sah, dass du noch da bist, wollte ich nicht stören.«
»Du bist auch zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs …«
»Die Sicherheitslücken sind in bestimmten Gebäuden eben nur zu früher Stunde verfügbar. Naja, ich bin langsam wirklich spät dran. Übrigens, gute Arbeit, das mit Pion. Endlich haben wir ihn! Wo ist er zur Zeit?«
»Himmelturm … Ratsu ist auf dem Weg«, gab Biskup trocken zurück. »Aber wir wollen ihn vorerst nur beobachten. Und du? Was hast du vor?«
»Wetterstation infiltrieren … was auch sonst.«
Theas kaltes Gemüt überraschte Biskup stets aufs Neue. Diese junge Frau war nicht immer auf Seiten des Rechts gewesen, sondern begann ihre Karriere als Undercover-Agentin von Team Rocket mit 16 Jahren. Jetzt, zehn Jahre später, hatte sie bereits ein längeres Register an zwielichtigen Aktivitäten vorzubringen, doch nun war sie irgendwie hier gelandet. Biskup seufzte.
»Nun gut, lass dich nicht aufhalten. Ich muss zu Truntman.«
Mit diesen Worten stand er auf und ließ Thea alleine im Zimmer zurück, um sich auf den Weg zu seinem Vorgesetzten zu machen, der wohl wenige Minuten zuvor das Gebäude betreten hatte. Vor seinem Büro angekommen, klopfte er drei Mal und hörte aus dem Inneren einen Schmerzensschrei und das Geräusch von umherfallendem Gerümpel, kurz darauf gefolgt von einem wehklagenden »Herein!«. Also öffnete Biskup die Tür.
Drinnen rieb sich Truntman, ein grobschlächtiger, großer Mann von athletisch-breiter Statur die Hand, mit der er soeben einen kleinen Schrank umgeworfen hatte. Das Büro des um die 40 Jahre alten Mannes war seiner Position entsprechend groß und luxuriös, wenn auch der chaotische Charakter des Mannes stark auf die Natur des Zimmers Einwirkung hatte – überall klebten Zettel, hingen Bilder von verdächtigen Personen und lagen Akten herum.
»Was erschrecken Sie mich so?!«, raunte er Biskup entgegen, der sich davon nicht weiter beeindrucken ließ.
»Pion. Ich habe ihn.«
Daraufhin hielt Truntman beim Reiben seiner Hand inne und hörte Biskup dabei zu, wie er von seinem Fund berichtete. Biskups Art Vorgesetzten und Gleichgestellten gegenüber zu sprechen unterschied sich nicht wesentlich von der Art, wie er mit Untergebenen redete – auf eine kühle, zugleich betont distanzierte und zuweilen freundlich-observierende Art. Ihn umgab ein kühles Naturell.
»Das sind sehr gute Neuigkeiten. Gut gemacht, Biskup.«
Der Leiter der Naturschutzbehörde Hoenns blickte Biskup stolz in die Augen. »Wissen Sie was? Sie leiten die Angelegenheit jetzt. Sie arbeiten nun lang genug hier, als dass sie die Chance bekommen sollten, Führungskräfte unter Beweis zu stellen. Außerdem brauche ich etwas Ruhe. Ich denke ich werde einigen Stoßzahnjägern in Moosbach-City das Handwerk legen.«
Ruhe bedeutete für Truntman Ruhe vor dem Bürodienst. Um sich davon zu erholen, erledigte er ab und zu einige Wochen Außendienst, und zwar den von der härteren Sorte.
Obwohl Biskup bei dem Gedanken, eine größere Ermittlung im Alleingang leiten zu dürfen, eine Gänsehaut bekam, gab er sich seinem Vorgesetzten gegenüber betont gelassen. Dennoch fühlte es sich für ihn sehr angenehm an, dass man ihm ein derartiges Vertrauen entgegenbrachte. Und nicht zuletzt war es gänzlich ungewohnt für ihn, über den Einsatz von Kräften wie Thea Rose entscheiden zu dürfen, denn sie herumzukommandieren bedeutete fast immer einen Erfolg der zugeteilten Mission. Sie war sozusagen das Ass im Ärmel der Naturschutzbehörde, obwohl, so gesehen, fast niemand der hier Angestellten nicht exzellent in seinem Arbeitsgebiet war.
Dr. Vanker spazierte während seiner Mittagspause über den Gerätehof der Wetterstation. Drinnen waren die Einräumarbeiten in höchstem Gange, recht bald würden sie von hier verschwinden können. Inna lief, sein Hosenbein festhaltend, neben ihm her. Sie tapste mit unsicherem Blick über den Boden, bis sie sich unvermittelt aufrichtete, als ihr ein Schuh in den Rand des Blickfeldes geriet. Sie sah auf und erblickte Hetman, wie er sich den beiden näherte.
»Wir haben bald alles eingeräumt«, erklärte er. »Es wird nicht mehr lange dauern.«
»Oh, hallo Hetman. Danke, das ist gut. Ich glaube, wir können dieses Kapitel nun bald abschließen und unsere Forschungsarbeiten woanders fortführen. Wurden die anderen Forschungsstationen kontaktiert?«
»Bezüglich des Hauptquartiers? Ja.«
Vanker nickte zufrieden. »Da wir für den Umzug und die Neueinweihe einen Haufen Budget verbraten, ist es besser, gleich unser Hauptquartier ins neue Labor zu verfrachten. Wenn sich der Vorstand damit einverstanden erklärt, sollten wir das so schnell wie möglich in die Planungen einfließen lassen.«
»Apropos Vorstand …«, begann Hetman, »was genau ist jetzt eigentlich mit Twinter? Wir haben den Kontakt zu ihm verloren.«
Vanker nickte zustimmend, was nicht so recht mit Hetmans Aussage zusammenpasste. »Das ist so, wie es sein soll. Pion geht momentan einer anderen Aufgabe nach.«
»Halten Sie es denn für richtig, wenn unser Leiter plötzlich in so einer Zeit den Kontakt zur Organisation abbricht?«
»Glauben Sie mir, Hetman, dieser Mann weiß, was er tut.« Vanker brachte ein gequältes Lächeln hervor. »Er hat diese Einrichtung über die Jahre mit baren Händen aufgebaut und würde sie nicht verlassen, ohne ausreichend Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Außerdem befindet er sich auf einer Mission, die für das Fortbestehen der Organisation von großem Wert ist.« Hetman schüttelte unzufrieden den Kopf, sodass Vanker fortfuhr: »Ich weiß, Sie sind erst seit wenigen Monaten Mitglied, aber sie haben sich hervorragend gemacht. Bitte verstehen Sie, dass die Umstände von Epion Twinter noch nicht in ihrer Geheimhaltungsklassifikation liegen, weswegen mir die Hände gebunden sind. Nur so viel – er dient für uns sozusagen als Backup. Wenn er gefangen wird, kann die Organisation überleben. Wenn wir zerschlagen werden, kann er die Organisation wieder aufbauen. Getrennter Wege zu gehen, nun, da wir autarke Arbeit leisten, ist deswegen eine herausragende Option. Wir werden von Gefahren umgeben, man ist uns auf den Fersen. Jetzt noch mehr als zuvor, da die Naturschutzbehörde gegen uns ermittelt. Das sind mächtige Leute, Hetman, soviel sei Ihnen gesagt.«
Dieser nickte, sein Blick hatte sich etwas gefestigt. »Was wird eigentlich gegen diese Einrichtung unternommen? Haben wir sie bereits unterwandert?«
Vanker lächelte matt. »Sie begehen denselben Fehler wie wir vor ein oder zwei Jahren. Sie unterschätzen diese Leute. Kein staatliches Organ ist so sehr zu fürchten wie sie. Das sind Idealisten, mein Freund. Menschen, die aus Überzeugung handeln und die besten ihres Faches sind.«
Hetman konnte ein Lächeln nicht verbergen.
»Oh, Sie sind ehrgeizig, nicht wahr, mein Freund?«, lachte Vanker daraufhin. »Ja, es sind ebenbürtige Gegner. Aber wir sollten Angst haben.«
Der Mann nickte. Zu zweit spazierten sie nun schon die dritte Runde um den Hof, während die Vögel herumzwitscherten und die Sonne unter den Bäumen dunkle Schattenspiele malte.
»Trotzdem – was spricht gegen den Versuch einer Infiltrierung?«, insistierte Hetman, der die Problematik noch nicht ganz durchblickt hatte. »Immerhin kann man es mal ausprobieren. Der mögliche Nutzen wäre immerhin unfassbar groß, oder nicht?«
Vanker nickte. »Wir haben es versucht. Mit guten Leuten.« Vanker seufzte und blickte zu Boden. Dabei schüttelte er leicht den Kopf und ballte eine Faust. »Doch bei derartigen Versuchen haben wir nun schon sechs unserer besten Agenten verloren.«
»Verloren?«, fragte Hetman überrascht und blieb stehen. »Sie sind jetzt tot?«
»Nein. Sie sind jetzt Naturschützer.«
Aus dem Tagebuch von Rooke Noir, Fortsetzung
Endlich strandeten wir an der kleinen Sandinsel, die den Himmelturm beherbergte. Verglichen mit ihrer Größe war die Höhe des Turms ungeheuerlich, sodass man sich fragte, wieso der Fleck Land nicht einfach durch das Hohe Gewicht unterging. Der Rand der Insel war zerklüftet und felsig, viele Höhlen und große Gesteinsbrocken umrahmten den Strand und erschwerten den Zugang zum Eingang des alten, zerbröckelten Turms, der aus Sandstein gefertigt war. Hier, von außen, sah man lediglich ein paar Wingull den Turm umfliegen, ansonsten konnte man noch nichts von den finsteren Wesen erahnen, die das Innere des altertümlichen Bauwerks bewohnten und beherrschten.
Insgesamt hatten wir zwei Nächte auf See verbracht, da die von Pion frisch gefangenen Pokémon nicht gerade die schnellsten Schwimmer oder Flieger waren. Dennoch hatten sich bis auf zwei alle Gehweiher zu Maskeregen weiterentwickelt, sodass wir nun einen kleinen Schwarm hatten, der uns begleitete. Auf dem Weg hat sich Pion aber noch einen Spaß daraus gemacht, ein Karpador und ein Tentacha zu fangen.
Nachdem wir uns auf einen Felsvorsprung gesetzt hatten, von dem aus wir weiter nach oben klettern konnten, ruhten wir uns für eine Weile aus. So viele Stunden auf dem Boot zu verbringen, verlangte uns doch ein deutliches Maß an Ausdauer ab, auch wenn ich die unglaublich befreienden Pausen, in denen wir im Meer herumgeschwommen waren, unglaublich genossen habe. Zudem stellte sich Pion als exzellenter Reisepartner heraus – ruhig dann, wenn man selbst Ruhe wollte, aber redselig in jedem Moment der Langeweile. Wir beide waren das Reisen gewohnt und konnten uns somit gut mit uns selber beschäftigen, aber es stellte eine erfrischende Abwechslung dar, jemanden zu haben, mit dem man sich unterhalten konnte.
Ich ließ (natürlich bis auf Pawn) alle Pokémon aus dem Ball, die ich bei mir trug, um ihnen den seltenen Blick auf den Himmelturm zu ermöglichen. Sowohl Dontuit als auch Fridge zeigten sich beeindruckt, während Daam lediglich zufrieden dreinblickte. Es schien fast, als wäre sie bereits hier gewesen.
Pion streichelte sie und redete dem Dragoran etwas zu, dann wandte er sich an mich. »Daam ist ein ganz besonderes Pokémon. Ich habe erst sehr selten ein wildes Pokémon gesehen, das derart ausgeglichen ist. Es kommt selten vor, dass man in den Besitz eines Wanderpokémons kommt, aber dass es dann auch noch ein so starkes ist …«
Ich stand auf und ging zu ihm und meinem Pokémon.
»Sieh nur«, sagte er und deutete auf die muskulösen Arme des Drachens. »So etwas bekommt man nur durch intensives Training hin, und es ist selten, dass freilebende Pokémon aus eigener Hand sich in dieser Weise trainieren.«
Ich ahnte, was er meinte, auch wenn seine Worte doch eher Neuland für mich darstellten. »Was kann sie so für Angriffe?«
Pion nickte mir zu. »Ich habe sie nicht in Aktion gesehen, aber ihrem Level nach zu urteilen Wutanfall, Drachenklaue und Drachentanz als Mindestes. Ich glaube aber, darum musst du dir keine großen Sorgen machen.«
Während seiner Erläuterungen brauste das Meer heftig gegen die Felswände. »Wieso nicht?«, fragte ich, nach einem kurzen Moment.
»Du bist keine Trainerin. Ich denke, es wäre besser, wenn du Daam das Kämpfen alleine überlässt, sie ist ungeheuer erfahren. Außerdem ist sie auf Level 66. Sie würde dir vermutlich nicht einmal gehorchen, sondern selbst eine bessere Angriffsstrategie kennen.«
Ich antwortete nicht, freute mich aber insgeheim darüber. Es machte mir Mut, eine Begleiterin zu haben, auf die ich mich verlassen konnte und die wusste, was sie tat – zumal ich mich als etwas hilflos ansah, wenn es um das Kämpfen ging.
»Kannst du mir trotzdem noch etwas mehr erzählen?«
Pion lächelte mich an und nickte. »Sie ist ein Sweeper mit Gewicht auf Angriff und Initiative. Vermutlich eine Tänzerin, so wie ich sie mir ansehe, mit gewaltigem Klaueneinsatz. So gesehen also ein Nahkämpfer, auch wenn ich bezweifle, dass sie im speziellen Bereich gänzlich unfähig ist. Ich nehme sogar an, dass sie beides häufig praktiziert, je nach dem, was die Situation verlangt, ihr Training fußt allerdings ganz enorm auf Ersterem. Ihre Fähigkeit verringert die Ausdauer der Gegner, da sie schneller durch ihre eigenen Attacken erschöpft werden. Ich glaube, alles weitere wirst du dann herausfinden, wenn du sie selber beobachtest.«
»Danke.«
»Ah, eins noch – sie scheint die menschliche Sprache ganz gut zu verstehen. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie einst einen menschlichen Freund hatte, wenn auch wohl keinen Trainer. Aber das wird schon einige Jahrzehnte zurückliegen.«
Ich musste lachen, es kam plötzlich über mich. Gleichzeitig schüttelte ich den Kopf und fragte mich, woher um Himmels Willen Pion all das wusste. Wer um alles in der Welt war das?
»Na gut!«, sprach er dann und machte einen Schritt zurück. »Ich muss mich dann mal um etwas kümmern und will mich auch etwas umsehen. Ich schlage also vor, dass wir uns jetzt trennen und du dich etwas mit Daam unterhältst. Immerhin musst du ihr erklären, wer genau du eigentlich bist – ihr sagen, dass du darauf aus bist, seltene Freunde zu finden und nicht der beste Trainer zu werden. Da herrschen unter Pokémon gerne so manche Stereotypen. Wenn sie weiß, auf was du aus bist, dann wird es ihr wesentlich leichter fallen, dich zu unterstützen!«
Mit diesen Worten drehte er sich um und kletterte eifrig die Steine hinauf. Ich rief ihm einen Abschied zu und wandte mich sogleich an Daam.
Es dauerte eine ganze Weile, ihr alles zu erklären. Sie verstand zwar vieles, aber nicht alles, machte manchmal ein fragendes Gesicht und versuchte mich zu unterbrechen und mit Zeichensprache eigene Gedanken zu verdeutlichen. Das gefiel mir ungemein, da ich merkte, dass ihr wirklich etwas an Zusammenarbeit gelegen war.
»So«, sagte ich dann, als ich ihr das meiste mitgeteilt hatte. »Wollen wir uns dann auf den Weg nach oben machen? Ich habe gehört, dort soll es einen mächtigen Drachen geben!«
Daam schüttelte den Kopf. Das überraschte mich zunächst, doch dann hampelte sie etwas herum und versuchte mir irgendwas zu sagen.
»Du bist also dagegen, ein Pokémon zu fangen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber dagegen, Rayquaza zu fangen?«
Sie nickte.
»Also gibt es dort oben etwas anderes, das ich fangen kann?«
Wieder nickte sie, nun etwas heftiger. Dann machte sie ausladende Bewegungen mit ihren Armen und deutete daraufhin in den Himmel.
»Hm … meinst du die Wolken?«
Wieder ein Nicken. Langsam bekam ich ein Kribbeln im Bauch. »Und du meinst, dort gibt es Drachen?«
Wieder nickte sie. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.
»Willst du mir etwa sagen, auf dem Himmelturm …«, ich machte eine theatralische Pause, »gibt es Altaria?!«
Wieder ein Nicken. Ich konnte mich nicht zusammenreißen und fiel Daam um den Hals.