Das Zitat ist lustig, Jis Verlinkung ist lustiger. xD
Beiträge von Ayu
Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!
Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“-
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Ein Mew erscheint im BB^^ <--- du bist nicht das erste was hier gelandet ist :p
Das BB cheatet sich Mews. Und das zu tausenden.Willkommen.
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Natürlich, hauptsache, es wird ein Wettbewerb beschrieben. Ob das Pokémon jetzt mies ist oder nicht, ist egal.
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Kuhle Vorstellung. lebjz klingt irgendwie ausländisch ...
Rote Edition ftw.Welcome.
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Nun, ich habe hier in Österreich in der Volksschule mal die Blockschrift gelernt und später dann in der zweiten(?) die Schreibschrift, die für mich total schwer zu erlernen war irgendwie, da ich dieses flüssige Schreiben einfach nicht drauf hab. Ich komm mit dem Hand nachrutschen mal gar nicht zurecht und habe mir im Laufe der Jahre nen Mix angewöhnt, halb Schreibschrift, halb Blockschrift, wobei zweiteres stark überwiegt. Nun, meine Lehrer haben sich relativ rasch an meine Sauklaue gewöhnt und wenn ich will, kann ich richtig schön schreiben, aber oft ähneln meine Wörter nur noch Strichen, Punkten und Linien auf der Zeile - ich kann's lesen und wer anderer muss es ja nicht können. Wenn aber ne Hausaufgabe oder ähnliches für andere nicht zu entziffern ist, dann bemühe ich mich, sie nochmal schön zu schreiben.
Meiner Meinung nach kann man einfach keine einheitliche Schrift einführen. Jeder wird sich immer wieder seine eigene angewöhnen, so sehr man es auch versucht. Besonders in Oberstufen muss der Schüler versuchen, mitzukommen, wenn der Lehrer mal schnell was ansagt - und was nützt einem dann die perfekteste, einheitlichste Schrift, wenn die Hälfte fehlt? Gar nichts. Und deshalb sollte man meiner Meinung nach einfach die sich selbst angeeignete Schrift verwenden, da diese für den einzelnen die bequemste und schnellste Art zu schreiben ist.
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Dann will ich auch mal meinen Senf hier dazu abgeben.
Gruppe 1
sasu - weil er einfach der S-Mod ist und immer mehr oder weniger freundlich auf Fragen antwortet.Außerdem würde mich eine bestimmte Person köpfen, wenn ich ihn nicht wählen würde.
Strict - weil er mich sonst kalt machen würde und er eh einer der besten hier ist. Er hat sogar eine eigene Meinung und sein Musikgeschmack ist hammer. Zudem hat er immer - wirklich immer - ein offenes Ohr für mich und er ist einfach zu süß. Einer der besten hier im Board, sowohl als Mensch als auch als Mod.Gruppe 3
Wolkenhase aka Ichii, wen denn sonst? Sie ist einfach ein toller Mensch und hat immer ein offenes Ohr für jemanden, zumal macht sie dieDrecksArbeit im Fanartsbereich wirklich super.Gruppe 4
Killergruppe ahoi. Hier wähle ich Akatsuki, einfach, weil sie auch immer ein offenes Ohr hat und sie eigentlich eine der besten Fanworker ist überhaupt. Sie hat viel beigetragen und ohne sie wäre das FS-Komitee ein nutzloser Haufen.Zudem würde sie mich sonst feuern, schätze ich.Gruppe 5
Justice - weil er ebenfalls immer sehr nett ist, obwohl wir uns in manchen Sachen nie zusammenraufen werden. Aber er ist ein toller Schreiber und seine Gedichte sind geil. Außerdem macht er seine Modarbeit ganz ordentlich.Gruppe 10
Gott, ich will 3 Stimmen haben. ô.o Gebt mir drei Stimmen, das ist ja echt unfair.
Iver, weil er ein ordentlicher Mod ist und man mit ihm super reden kann. Zudem ist er Kroate :aww
Cyndaquil, weil sie ne super Chefin ist und es ihr nie zu blöd wird, meine dummen Fehler zu korrigieren. Außerdem kann man mit ihr über fast alles reden, besonders über Bücher und Bibliotheken, und die PNs von ihr sind immer witzig.
(Sorry Kitty, aber du kommst eh weiter :P) -
„Kann ich Sie einen Moment sprechen?“, bat Gustavs Vorgesetzter den Computerspezialisten um ein Gespräch.
„Kein Problem“, antwortete Gustav. „Worum geht es?“
„Wie Sie vielleicht wissen, hat unser Firmenchef nächsten Monat einen runden Geburtstag.“
„Ja, das ist mir bekannt. Aber was habe ich damit zu tun?“
„Nun ja, ich habe mir gedacht, dass wir zu diesem Anlass vielleicht ein kleines Konzert aufführen können. Ich weiß, dass er sich über so etwas freuen würde, und da ich in Ihrem Lebenslauf gelesen habe, dass Sie Geige spielen, möchte ich Sie bitten, dass Sie sich daran beteiligen.“
„Ich soll mich an dem Konzert beteiligen? Wie stellen Sie sich das vor?“, fragte Gustav. Er hatte tatsächlich bei seiner Bewerbung um einen Arbeitsplatz angegeben, dass er Geige spielt, aber das war bestenfalls übertrieben. Während seiner Schulzeit hatte er zwar Geigenunterricht gehabt, diesen aber ein Jahr vor dem Abitur aufgegeben und das Instrument danach nicht mehr in der Hand gehabt.
„Falls Sie ein guter Kammermusiker sind“, ging der Vorgesetzte auf Gustavs Frage ein, „dann können Sie vielleicht zusammen mit ein paar Kollegen ein Streichquartett bilden. Aber wenn Sie lieber alleine musizieren, können wir sicher auch ein Stück für Solovioline mit auf das Programm setzen. Teilen Sie mir einfach in den nächsten Tagen mit, wie Sie sich entschieden haben.“Als Gustav nach Feierabend wieder zu Hause war, entschloss er sich, erst einmal zu sehen, wie weit er das Geigenspielen inzwischen verlernt hatte. Vielleicht würde er durch intensives Üben wieder so weit hinein kommen können, dass er sich für sein Geigenspiel nicht zu schämen brauchte. Weil die Geige nach der langen Zeit seit der Schulzeit total verstimmt war, stimmte er zunächst einmal das Instrument. Dabei riss allerdings eine der vier Saiten, so dass er an diesem Abend mit dem Üben nicht viel weiter kam.
Am nächsten Tag fuhr er nach der Arbeit nicht sofort nach Hause, sondern lief erst einmal zu einem Musikgeschäft, um dort eine neue Geigensaite zu kaufen. Auf dem Weg kam ihm die Idee, dass er dort vielleicht auch fragen könnte, ob es vielleicht ein Musikstück gibt, bei dem er mit wenig Üben einen großen Effekt erzielen konnte. Tatsächlich hatte der Verkäufer auch ein paar Notenhefte, die vielleicht passen könnten, aber auch diese verlangten ein Mindestmaß an Können, damit die Zuhörer nicht entdeckten, dass sie einem absoluten Anfänger zuhörten. „Wenn Sie nicht sauber spielen oder einen kratzigen Ton erzeugen, hört das jeder erfahrene Zuhörer heraus“, erklärte der Händler. „Falls Sie ganz sicher gehen wollen, dann spielen Sie einfach nichts.“
„Ich soll mich aber doch an einem Konzert zu Ehren meines Firmenchefs beteiligen. Wie soll das gehen, wenn ich nichts spiele?“
„Haben Sie schon einmal etwas von ‚Vier Minuten Dreiunddreißig‘ von John Cage gehört?“
„Nein. Ist das schwer zu spielen?“
„Nun ja, es kommt darauf an, ob Sie ein guter Schauspieler sind“, erklärte der Verkäufer und begann danach, die Besonderheiten dieses Stückes zu beschreiben. Er endete mit der Feststellung: „Wie lang jeder der drei Sätze dauert, können Sie auswürfeln. Der Titel kann variieren und ist eine Angabe, wie lang das Stück insgesamt dauern soll.“
Der Computerspezialist ließ sich die Beschreibung einen Moment lang durch den Kopf gehen und sagte dann: „Ich denke, das kann ich hin bekommen. Ein paar von den anderen Noten nehme ich aber trotzdem mit.“Als im nächsten Monat der große Tag gekommen war, sah sich Gustav das Konzertprogramm an und stellte fest, dass der Vorgesetzte seinem Stück den Titel „Der Klang der Stille - ein dreisätziges Stück für Solovioline“ gegeben und es im zweiten Teil des Konzertprogramms gleich nach der Pause untergebracht hatte. Im ersten Teil führten drei Kollegen einige Triosonaten für Flöte, Violoncello und Klavier auf. Da es an diesem Tag recht warm war, bat der Cellist nach jedem Satz um eine kurze Pause, um sein Instrument für den nächsten Satz erneut nachzustimmen. Nachdem sie ihr Repertoir durchgespielt hatten, betrat Gustavs Vorgesetzter die Bühne und erklärte dem Publikum, dass es jetzt eine Pause geben würde und dass es nach einer Viertelstunde mit einigen Solostücken weiter gehen würde. Die meisten Zuschauer nutzten diese Gelegenheit, um im Foyer mit etwas Sekt auf den Geburtstag des Firmenchefs anzustoßen.
Nach der Pause betrat Gustav die Bühne, ohne vorher noch abzuwarten, ob vielleicht noch einige Nachzügler leicht verspätet zu ihren Plätzen zurück kehren wollten. Die meisten Kollegen im Publikum waren zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon zurück im Konzertsaal, aber sie hatten trotzdem nicht damit gerechnet, dass es nach der Pause derart pünktlich weiter gehen würde, und so unterhielten sie sich zu diesem Zeitpunkt noch mit einander. Spätestens als der Geigenspieler sich einmal kurz verbeugte, beendeten die meisten Zuschauer ihre Gespräche, und die anderen senkten ihre Stimmen, um im Flüsterton noch einige letzte Anmerkungen mit ihren Nachbarn auszutauschen.
Weil die drei Musiker, die vor der Pause gespielt hatten, auf der Bühne nicht aufgeräumt hatten, griff der Violinist als nächstes zu den Notenständern und zu den Stühlen und stellte diese an den Rand der Bühne - er hatte sowieso vor, die drei Teile seiner Vorführung auswendig zu spielen, und da seine Vorführung vor Allem aus einer einzigen Show bestand, hatte er sich entschlossen, genau wie die großen Soloviolinisten im Stehen zu spielen. Natürlich blieben diese Handlungen dem Publikum nicht verborgen, so dass ein Raunen durch die Reihen ging: Diejenigen, die schon mehrmals in einem Konzert gewesen waren, fragten sich, ob sie vielleicht einen kleinen Meisterviolinisten unter ihren Kollegen hatten, und diejenigen, die das erste Mal in einem Konzertsaal saßen, fragten sich, wozu es gut sein sollte, die Notenständer wegzuräumen. Gustav nutzte die Gelegenheit, um erst einmal seine Geige zu stimmen. Danach schloss er seine Augen und tat so, als ob er sich konzentrieren würde, um sich in die Stimmung für das folgende Musikstück hinein zu denken, und die Zuschauer verstummten, um dem nun folgenden Geigenspiel aufmerksam zu lauschen.
Allerdings begann Gustav jetzt noch nicht mit dem Geigenspiel, sondern er tat so, als ob er noch einige Sekunden brauchen würde, um sich an die ersten Takte des Musikstücks zu erinnern. Schließlich hob er langsam seinen Geigenbogen und ließ ihn kurz über den Geigensaiten schweben. Aber er unterbrach diese Aktion, als auf einmal die Türen des Zuschauerraumes aufgingen und ein paar Nachzügler den Saal betraten. Gustav tat so, als ob diese Störung seine Konzentration gekostet hatte: Er warf den Nachzüglern einen bitterbösen Blick zu und ließ dabei den Bogen neben der Geige sinken.
Sobald die Nachzügler sich auf ihre Plätze gesetzt hatten, begann er die Konzentrationsübungen von Vorne. Dieses Mal ließ er sich dadurch unterbrechen, dass einer der Zuschauer einmal kurz husten musste, und als er das Ganze noch ein drittes Mal wiederholte, wurden einige Kollegen langsam ungeduldig. Sie begannen, sich leise mit einander zu unterhalten, wurden aber von dem Firmenchef ermahnt, dass sie bitte leise sein oder den Saal verlassen sollten.
Danach verlief die Aufführung ohne große weitere Unterbrechungen, aber Gustav spielte weiter mit der Erwartungshaltung der Zuschauer, indem er so tat, als ob er sich auf das Musikstück konzentrieren würde, ohne tatsächlich einen Ton zu spielen. Bei genauem Hinhören konnte er die Geräusche der Klimaanlage wahrnehmen, die der Hausmeister in der Pause eingeschaltet hatte.
Sobald nach dem ersten Stimmen knapp zwei Minuten vergangen waren, beendete er den ersten Satz und stimmte die Geige einmal kurz nach. Einige Zuschauer nutzten diese kurze Unterbrechung der Stille, indem sie sich einige kurze Sätze zu raunten. Weil sie dabei recht leise sprachen und die verschiedenen Aussagen durcheinander auf der Bühne ankamen, konnte Gustav allerdings nicht verstehen, was seine Kollegen miteinander flüsterten. Sobald er allerdings wieder so tat, als ob er sich auf den Notentext des zweiten Satzes konzentrieren würde, verstummte das Publikum wieder. Erneut tat Gustav so, als ob er sich auf den Notentext des zweiten Satzes konzentrieren würde, und so verstrichen auch dieses Mal die Sekunden in der Stille - oder fast in der Stille: Ein Zuhörer musste sich etwa in der Mitte des Satzes räuspern.
Da Gustav beschlossen hatte, dass der mittlere Satz ein schnelles Tempo haben sollte, beendete er diesen bereits nach einer Minute, indem er seine Geige ein zweites Mal nachstimmte. Inzwischen hatten die meisten Zuschauer begriffen, worum es bei dem „Klang der Stille“ gehen sollte, oder sie waren einfach zu überrascht, dass sich jemand die Frechheit erlaubte, sich auf die Bühne zu stellen, ohne auch nur einen einzigen Ton zu spielen. Jedenfalls blieben sie dieses Mal während des Geigestimmens ruhig, so dass Gustav danach Mal ohne weitere Störungen so tun konnte, als würde er sich auf den Notentext des dritten Satzes konzentrieren.
Als der Geigenspieler etwa anderthalb Minuten später auch den dritten Satz beendete, indem er das Instrument weglegte und sich vor dem Publikum verbeugte, herrschte erst einmal betretenes Schweigen. Die Kollegen wussten nicht recht, was sie von dieser Vorführung halten sollten. Aber dann stand der Firmenchef auf, klatschte ein paar Mal kurz mit den Händen und sagte dann: „Das war wirklich eine gelungene Aufführung von Vier Minuten Dreiunddreißig, vielen Dank dafür. Aber jetzt möchte ich als Zugabe gerne tatsächlich noch ein paar Takte Geigenmusik hören.“ -
Zurückhaltend und mit einem Kloß im Hals tippte sie die letzten Sätze in ihre alte Schreibmaschine. Bannte das Werk von über zehn Jahren harten Schreibens auf die noch schneeweißen Papierbögen, die sich langsam, aber stetig mit Druckerschwärze füllten.
Ihre Geschichte.
Zwei Wörter nur, für viele Menschen bedeutungslos.
Doch für die mittlerweile dreißigjährige Frau waren es mehr als bloße Worte oder sinnlos klingende Sätze. Wie lange schon besaßen Bücher für sie den Klang von Freiheit, Freude und Abenteuer? In ihnen fand man ein ganzes Leben, eine eigene Welt voller Geheimnisse.
Und manchmal, da entdeckte man sich selbst wieder; da las man von einer Person, von der man immer geglaubt hatte, es könne man unmöglich man selbst sein. Aber man war es, das Abbild einer Romanfigur, für die Nachwelt festgehalten auf einigen hundert Bögen Papiers.
Sie seufzte und strich sich eine Strähne weizenblonden Haares aus der Stirn, doch der frische Wind blies es ihr abermals ins Gesicht. Das Papier knisterte, so als könne es kaum mehr erwarten, weiter mit Ideen und fantastischen Ereignissen beschrieben zu werden.
Doch sie zögerte es hinaus, blickte stattdessen lieber auf das kristallklare Wasser des Sees.
Seit Beginn des Schreibens, ihrer Karriere, saß sie nun schon hier, Tag für Tag. Immer bepackt mit der klapprigen Schreibmaschine, die ihr einst von ihrer Uroma vermacht worden war und mit der die Frau am liebsten schrieb. Im Zeitalter der kompakten Laptops und hochmoderner Computer rief diese Eigenart stets ein ungläubiges Kopfschütteln bei ihren Mitmenschen hervor. Doch die junge Frau interessierte es nicht.
Ein paar Seemöven flogen mit lautem Kreischen in den blauen Sommerhimmel, während sie nachdenklich zu ihnen aufblickte.
Der Schmerz über den Verlust, der sie vor kurzer Zeit heimgesucht hatte, war unbeschreiblich intensiv. Obwohl sie doch alles versucht hatte, um ihn zu bekämpfen, hatte sie die Erinnerungen nicht auslöschen können. Sie schmeckten bittersüß, lieblich und doch wie ein Dolchstoß mitten ins Herz, das ein so verwundbares Ding war. Nachts wachte sie auf, weinte vor lauter Verzweiflung und dass sie es nicht hatte aufhalten können.
Krebs.
Eine Krankheit, die bis zu jenem Tag nicht in ihr Leben getreten war, ihr Leben war bis dahin so behütet gewesen. Friedlich. Immer noch sah sie das müde, von Erschöpfung und selbstlosen Kämpfen gezeichnete Gesicht ihrer Freundin. Und doch hatte sie verloren, obwohl sie so lange Zeit hatte standhalten können.
Sie konnte es nicht verarbeiten. Wenn sie anrief, aus Gewohnheit, fiel ihr nach einigen Sekunden ein, dass niemand ihr antworten würde. Ihr war nichts geblieben außer Erinnerungen und ein mit weißen Blumen geschmücktes Grab, in dem ein toter Körper lag.
Doch wo war ihre Seele?
Sie zog den Brief unter ihrer Kleidung hervor, wo sie ihn Tag und Nacht bei sich trug. Der Platz bei ihrem Herzen, wie es sich ihre Seelenverwandte immer gewünscht hatte.
Die Zeilen wirkten hastig hingeschrieben, an manchen Stellen waren Tränenspuren zu entdecken, von ihr selbst und von ihrer Verfasserin. Es hatte sie viel Kraft gekostet, doch sie hatte es geschafft.Liebste Felicitas,
dies ist das Ende. Oder vielleicht ein neuer Anfang?
Ich weiß es nicht; das Einzige, was mir deutlich bewusst ist, ist die Erleichterung, dass mein Kampf nun endlich ein Ende hat. Viel länger hätte ich nicht mehr durchgehalten, obwohl du dir sicher warst, ich könnte alles wegstecken.
Aber es ist nun nicht länger. Traurig, dass man mir nicht mehr Zeit auf dieser Welt zusprach, aber das Schicksal muss einen anderen Weg für mich zugeteilt haben.
Gräme dich nicht- es ist nicht deine Schuld. Dank dir habe ich gelernt, mir selbst zu vertrauen, konnte kämpfen und auch manches Mal gewinnen. Aber entscheidend ist doch, dass ich auf eine Art und Weise weiterlebe, die niemals vergehen wird.
In deinem Herzen, in den Seelen der Menschen, die mir so viel bedeutet haben. Und in deinen Geschichten, in den Bänden deiner Trilogie, werde ich nie versinken im Nichts. Dort wird Victoria vielleicht ihr eigenes Ende schreiben, über die Worte hinausleben und unendlich bleiben. Kein Platz wäre ein Besserer.
Ich liebe dich wie eine Schwester. Niemals, ich bitte dich, niemals zweifle an dir selbst. Denn du bist dazu geboren worden, Geschichten wie diese niederzuschreiben für all die Menschen da draußen, für die ihre Fantasie das Einzige ist, was sie vor der niederschmetternden Realität beschützt.
Geschichten sind unendlich, wie Erinnerungen. Doch im Gegensatz zu ihnen enden sie nie mit der letzten Seite eines Buches, genauso wenig, wie sie mit der ersten beginnen. Auch, wenn manche Autoren uns genau das vorgaukeln wollen. Niemand wird deine Welt, deine Charaktere und ihr Ziel vergessen können, wenn sie sich erst einmal in ihren Bann befinden.
Ich wünschte, ich könnte dich ein letztes Mal noch sehen wie früher: Das Gesicht verdeckt von einem Schleier blonder Haare, tief vornüber gebeugt über deine Schreibmaschine und in den Ohren das beständige Klappern der Tasten. Gelegentlich dein Fluchen, wenn du dich vertippst. Es ist ein Bild des Friedens, der Beständigkeit. Ein Bild, welches für immer in mir bleiben wird, selbst, wenn ich nicht länger hier verweile.
Lebe weiter, Felicitas. Schreibe deine Geschichte zu Ende, beginne eine Neue und wenn du willst, dann erschaffe wieder ein Abbild von mir. Wenn dich der Schmerz nicht in Besitz nimmt. Bleibe unendlich.
Meine Hand schmerzt und ich weine, obwohl es doch kein Abschied für ewig sein wird. Wir werden uns wiedersehen, dass verspreche ich dir.
Vergiss mich nicht.
In ewiger Erinnerung an dich, deine Victoria.Tränen liefen über ihr Gesicht, obwohl sie doch geglaubt hatte, dass sie alle aufgebraucht waren. An dem Tag, an dem sich ihre Augen für immer geschlossen und ihr Herz nicht mehr geschlagen hatte.
Sie fehlte ihr, mehr noch als in den ersten Tagen, wo der Schock alles überschattet hatte. Nun jedoch war dieser verschwunden, doch die Traurigkeit und Leere in ihr blieb. Die Geschichte war das Einzige, was ihr noch aus glücklicheren Zeiten geblieben war und so schrieb sie daran weiter, ohne Unterbrechungen. Damit sie noch etwas von ihrer Freundin hatte.
Doch auch die Geschichte nahm nun ihr Ende und sie hatte Angst vor weiteren Schmerzen. Dem Gefühl, allein zurückgelassen zu werden.
Dennoch starrte sie auf ihre Schreibmaschine, die auf dem nassen Holz des Steges stand und scheinbar auf sie wartete. Behutsam steckte sie den Brief zurück unter ihre Kleidung und legte die Fingerspitzen auf die Tasten. Erst nach einigem Zögern begann sie, mit dem Schreiben fortzufahren.
Ihre Freundin hatte Recht gehabt: Geschichten waren unendlich, ebenso wie die Erinnerungen an andere, zurückliegende Tage.
Sie hörten niemals auf zu existieren.Es nieselte draußen. Die Straßen waren düstern - alle Straßenlampen waren schon ausgegangen. Eine irreale Stille verbreitete ihre Klänge - in den Straßen und den leeren Lagerhäusern. Um diese Zeit regte sich nichts mehr. Nicht die Katzen, die in den Mülltonnen scharrten, um etwas Essbares ausfindig zu machen - keine Wagen auf den abgenutzen Straßen - nicht ein einziger Ton war nun mehr in dieser verfallenen Stadt zu höre, nur die Klänge der Stille.
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Vor etwa zwei Monaten war die junge Elise Landon verschwunden. Man hatte herausgefunden, sie hätte einer Freundin nach der Schule noch einen Besuch abgestattet, doch als sie am Abend noch nicht zu Hause war und die Landons schon bei allen Freunden angerufen hatten, schlich sich eine Spur von Verzweiflung an. Die Polizei war verständigt worden und als sie ängstlichen Mutter versichert hatte, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun würde, um sie zu finden, brach sie aus der Fassung.
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Man konnte Ratten überall herumwuseln hören. Sie strömten durch diese leeren Hallen - überall nur vör Nässe triefende Säulen - rostende Stahlträger - durch die Kanalisation. Da schon vor einigen Monaten der Betrieb in diesem Lagerhaus eingestellt wurde, war hier kaum noch etwas. Ein paar Tonnen, die noch verwarlost irgendwo herum standen, doch sonst nichts. Dieser einst belebte Betrieb, in welchem vor einiger Zeit die Lastwagen nur so ein- und ausgefahren waren, war nun nichts mehr als eine leblose Hülle aus Beton - und die Stille begann wieder mit ihrem Konzert.
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Elise' Vorlieben in der Schule waren schon immer Kunst und Musik gewesen. Im Kunst Unterricht konnte sie wahrlich fabelhaft mit den Farben umgehen. Am liebsten malte sie Landschaften, die sie in Büchern oder im Fernsehen gesehen hatte: Die kalte und doch glitzernde Bretagne, die grünen Wiesen und Hügel Irlands, aber auch Landschaften, die weit, weit weg waren, wie sie immer zu ihren Freunden zu sagen pflegte.
Aber am begabtesten war sie in der Musik. Erst 10 Jahre alt und doch konnte sie schon die Tonleitern in allen Variationen, hörte Töne mit spielerischer Leichtigkeit aus Stücken heraus und zeigte sich auch als talentierte Pianistin. Ihre Musiklehrerin meinte, sie würde sie schon in ein paar Jahren übertreffen und sie hätte keinen Zweifel daran, dass sie einmal zu einer berühmten Komponistin werden würde.~
Es regnete. Der Niesel hatte in den letzten Stunden zu Regen umgeschlagen. Gewiß, in den Novembertagen in Bristol. Der Winter zog heran und die Nächte würden kälter werden, wenn es auch nur beim Regen bleiben würde, welcher nun unaufhörlich auf die metallenen Dächer der Fabriken preschte und dabei ein dumpfes, hohles Geräusch von sich gab: Eine Symphonie des Wassers...
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Sie solle sich mal ein wenig beeilen! rief ihr ihre Freundin von draußen auf dem Schulhof zu. Hastig packte Elise Hefte, Bücher und Stifte in ihre kleine maronfarbene Tasche und begab sich sogleich durch die Türe des Klassenzimmers ins Freie. Der kühle Herbstwind strich ihr durch das helle, blonde Haar und sie spürte, wie sehr sie sich um diese Jahreszeit wohlfühlte. Es war erst November geworden, dachte sie als sie die goldbraunen Blätter beobachtete, welche sich mühelos vom Wind durch die Luft tragen ließen.
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Die Dunkelheit begann sich in den Hallen auszubreiten. Sie schlängelte sich durch jeden Winkel dieser verlassenen Katakomben und drohte auch noch das letzte bisschen Mondlicht in dieser kalten Nacht zu verschlingen. Doch durch die Dunkelheit hindurch drang etwas: Ein Geräusch. Nein - es hörte sich eher wie ein Winseln an - es drang durch die Stille - das Weinen, es unterbrach die bizarre, stille Atmosphäre. Die Tränen platschten ganz sanft auf dem Boden auf. Ein leiser Rhytmus aus Tränen.
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Sie waren gerade die Avens Street hinunter gelaufen und befanden sich nun an der Jason's Main Street. Sie müssten nicht mehr so weit laufen bis sie bei der Kreuzung sein würden, an der sich Elise wie jeden Tag nach der Schule von ihrer Freundin verabschiedete. Es begann ein wenig zu nieseln und schon bald zogen düstere Wolken am Himmel auf. Da es nun schon anfing stärker zu regnen, einigten sie sich darauf, ihren Gang zu beschleunigen.
Die Lagerhallen im Industriegebiet hatten vor kurzer Zeit ihren Betrieb eingestellt, worauf viele der ohnehin schon armen Männer ihre Anstellung verloren hatten. Viele waren sehr orientierungslos und die Kriminalrate schien zu steigen.Sie waren nun schon fast da. Sie könnten von weitem die Kreuzung sehen. Dann müsste Elise nur noch drei Straßen weiter laufen, bis sie zu Hause sein würde. Als sie schließlich an der Kreuzung waren, sah sie einen herabgekommenes Auto, welches anscheinend schon an den Stoßstangen rostete, sehen. Es fing an stärker zu regnen. So trennte sie sich von ihrer Freundin und trat das letzte Stückchen Heimweg an, als der Wagen neben ihr ein Stückchen vorfuhr. Die Scheibe wurde hinuntergekurbelt und ein freundlich aussehendes, gut gepflegtes Gesicht schaute durch das Fenster hinaus. Die sich im Auto befindende Person meinte, sie würde Elise mit nach Haus nehmen. Er sei in guter Bekannter ihrer Eltern - und da Elise dem grauen Unwetter entkommen und aufgrund dessen auch nicht nach Hause laufen wollte, betrat sie das Auto durch die Wagentür.
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Der schwarze Himmel weinte immer weiter und die Erde schreiten die wolen an und der Regen fiel immer weiter - Tropfen für Tropfen - gen Boden. Und in das Trauerlied von Mutter Erde stimmte der Strom der Tränen mit ein. Da lag er nun - die leere Hülle eines Körpers - in einer Ecke, das Herz gestohlen und die Wärme für immer verloren, die Tränen über die blassen Wangen kullernd - un der Kimmel hörte nicht auch zu klagen. Die Wunden der Kälte fingen an zu schmerzen. Die Haare waren schmutzig und von Nässe getränkt. Und der Regen spielte wieder die Hymne des Leidens.
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Doch das Elternhaus entfernte sich und das licht schwand - und der Wagen fuhr weiter - und die Schatten warfen ihre Dunkelheit auf das Gesicht.
Bewußtlosigkeit. Sie spürtte Schmerzen an den Handgelenken; wurden wund - und ihre Augen verloren sich in diesem Alptraum als ob die Realität nicht mehr da sein würde, nur dass der Alptraum echt war und das kleine, pochende Herz seine Wärme verlor. Sie spürte rauen Griffe des Räubers. Er hatte gestohlen - nur konnte dies nicht wiederkommen, wie die Wärme und Geborgenheit vergangen waren, konnte der Diebstahl nicht wieder rückgängig gemacht werrden.
Das Leiden schien endlos zu sein, als der bittere Atem, wie sich der Winter am Verwelken der jungen Blüte labe, doch dass der Frühling nie wieder komme und man sich nur noch wünsche, dass die Jahreszeiten still stehen und ma an einem anderen, besseren Orte sei.~
Sie lag da - vewarlost: Die Haare zerzaust, die Glieder müde, die Kälte schmerzend, die Dunkelheit den Körper verschlingend, die Füße schmutzig, die Gedanken eingefroren, der Himmel weinend, die Erde klagend - die Augenlieder schlossen sich. Und es waren nur noch die Klänge der Stille.
~
Kleine Augen,
die Welt, sie sehen,
doch nur kurze Sicht,
und nichts verstehen,
erstes TageslichtKleine Füße,
schreiten in die Welt,
sie nun erkunden,
sich der Weg erhellt,
zu MittagsstundenKleine Hände,
geht fort, erstasten,
Leid und Menschens Tod,
der Straßen Pflasten,
bis zum AbendrotSeok drehte sich zum Schloss um, aus dem noch immer Rauch aufstieg.
Für den Moment war es ruhig, es herrschte beinahe vollkommene Stille, während die untergehende Sonne in blutrotes Licht tauchte, als wüsste sie, wie viel Blut bereits vergossen worden war an diesem Tag. Selbst die Vögel und andere Tiere des Wäldchens, in das der junge Mann ging, waren schon lang verstummt und vor dem Feuer und Lärm, den die Schlacht am Tag mit sich gebracht hatte, geflohen.
Das Schloss, trotz des Rauches noch immer majestätisch anzusehen, stand an einer Klippe, die zum Fluss Aboji hinab abfiel, so dass es nur von der Landseite aus angegriffen worden konnte. Diese war von mehreren Wällen und Mauern geschützt, doch viele von diesen hatten den Tag nicht überstanden.
Ihre Gegner waren keine Menschen und Seok hätte es wissen müssen. Er hätte sich nicht so lang in Muyang verstecken dürfen, denn er hatte gewusst, dass sie ihm folgten.
Er schüttelte den Kopf und wandte sich von dem Schloss ab. Er wusste genau was diese Stille bedeutete. Manch ein junger Soldat mochte in ihr Hoffnung finden, Erleichterung, andere stürzte sie in Verzweiflung. Er wusste besser als so manch anderer, dass Hoffnung das Letzte war, das man in dieser Ruhe suchen sollte. Viel klüger war es, sein Heil in der Flucht zu suchen.
Wie man seinem vernarbten Gesicht ansah, hatte er mehr als eine Schlacht hinter sich geschlagen. Er hatte das alles schon öfter gesehen, als es ihm lieb war; den Tod, den Krieg, die unausweichliche Verzweiflung, wenn man gegen einen schier unbesiegbaren Gegner kämpfte. Er hatte mit ansehen müssen, wie sich Soldaten, die seinem Kommando unterstellt gewesen waren, selbst das Leben nahmen vor lauter Furcht in die Hände des Gegners zu fallen. Mehr als einen hatte er versucht zu retten und von so vielen dieser Erinnerungen waren Narben geblieben – sichtbar und unsichtbar.
Trotzdem war sein Haar noch streng zu einem Zopf gebunden, auch wenn er einfache, ausgebleichte Bauernkleidung, anstatt eines Offiziersgewandes trug.
Gerade als er sich wieder in Bewegung setzte, hörte er ein Rufen hinter sich. „Seok Seonsaeng!“
Für einen Moment überlegte er weiterzugehen, da er bereits wusste, zu wem diese recht hohe und vor allem aber klare Stimme gehörte. Letzten Endes brachte er es jedoch nicht über sich und drehte sich um. „Hyun Ji Yang“, sprach er sie mit einem unterdrückten Seufzen in der Stimme an.
Das junge Mädchen, mit ihren sechszehn Jahren gerade halb so alt wie er, trug ihr schulterlanges schwarzes Haar offen und hatte ihren Hanbok verbotener Weise mit Bändern auf Kniehöhe Hochgebunden, um frei laufen zu können. „Seok Seonsaeng!“, setzte sie keuchend erneut an und sah ihn mit flehendem Blick an, schaffte es jedoch nicht weitere Worte zu finden, zu erschöpft war sie. Wahrscheinlich war sie ihm durch den geheimen Pfad, der in das Gestein der Klippen gehauen worden war, gefolgt. Das dumme, kleine Ding.
„Was machst du hier?“, fragte er, ganz ohne jede Förmlichkeit.
Noch einmal holte sie tief Luft, sah ihn dann jedoch fest an. „Warum seid ihr gegangen? Wieso flieht ihr? Ihr seid unserer General!“
Er lächelte die Fürstentochter nur müde an. „So wie ich schon der General von vielen anderen war.“
„Und nun lauft Ihr einfach fort? Ihr stellt euch nicht diesen Monstern?“ Jedes Etikett vergessend funkelte sie ihn an.
In den wenigen Wochen, die er am Schloss verbracht hatte, war das Hyun Ji ihm kaum von der Seite gewichen, hatte alles über die Monster und die Magie erfahren wollen, an die sie als eine der wenigen hier geglaubt hatte.
Sie war noch ein Kind, aufgewachsen in einer heilen Welt. In einer friedlichen Welt. In diesem Fürstentum hatte es so lange keinen Krieg mehr gegeben; keine Monster. Wie sollte sie es auch verstehen. Sie wusste nichts von Kyoultong und der Grenze zum verdorbenen Land. Dem Land aus dem die Monster und Dämonen kamen, die letzten Endes Kyoultong überrannten. Vor sieben Jahren...
Von all dem hatte sie nur in Büchern gelesen, ja, vielleicht Erzählungen gehört.
Sie war fasziniert davon gewesen, aber heute hatte sie zum ersten Mal Blut fließen sehen und das sah man ihren Augen an. Wie sollte sie es jemals verstehen?
„Hyun Ji Yang“, meinte er mit ruhiger Stimme und legte ihr eine Hand auf die dünne Schulter. „Sei still und horche. Was hörst du?“
Nun wurde der Blick in ihren Augen verwirrt, ihre zuvor angespannten Schultern sanken ein Stück herab und sie sah sich für einen Moment um. Seok konnte ihre Anstrengung sehen.
Letzten Endes schüttelte sie den Kopf. „Ich höre nichts, Seok Seonsaeng“, sagte sie mit leicht bedrückter Stimme, doch er lächelte nur sanft und traurig.
„Genau“, erwiderte er. „Nichts. Es ist vollkommen ruhig.“
„Aber...“, setzte sie an, fand jedoch keine weiteren Worte und für einen Moment breitete sich auch zwischen ihnen Stille aus, während Seok erneut einen Blick zum Schloss zurückwarf.
„Diese Stille ist die Ruhe vor dem Sturm“, erklärte er ihr schließlich. „Sie haben den Tag über gekämpft und das hat sie geschwächt – und euch noch mehr. Nun warten sie auf die Nacht, auf die Dunkelheit und das Licht des Mondes. Die Nacht wird ihnen wieder Kraft geben und sie wird euer Untergang sein.“
Verzweiflung trat in ihre Augen. „Wieso verlasst Ihr uns dann?“
„Weil es bei euch nichts gibt, was sie wollen.“ Er warf einen Blick zu den Bergen im Westen, deren Gipfel die Sonne bereits erreicht hatte, und holte dann ein seidenes Band aus seiner Gürteltasche hervor, an dem ein Geflecht aus weiteren Bändern und Papier hing.
„Ein Talisman“, erkannte die junge Prinzessin, woraufhin der ehemalige General nickte.
„Ja, ein Talisman.“
Seine Finger fuhren über das Geflecht und die Knoten und verharrten schließlich auf dem perfekt runden Juwel in dessen Mitte. „Dies ist der Daljin. Es ist, was sie suchen und weswegen sie mir gefolgt sind. Erinnere dich, an die Geschichten, die ich dir erzählt habe.“
Hyun Ji schwieg für einige Augenblicke und starrte abwechselnd auf das Schmuckstück und in seine Augen. „Das Mondjuwel, das die Kraft der Magier verstärkt.“
Erneut nickte er. „Das einzige, was sie so lange davon abgehalten hat Kyoultong zu überrennen. Nun wollen sie seine Macht für sich.“
„Aber dann müssen wir es mit allen Mitteln verteidigen!“, rief das Mädchen aus.
„Dann werdet ihr sterben.“
„Aber so...“, flüsterte sie. „So sterbt Ihr. Ihr könnt sie nicht alleine aufhalten.“
„Vielleicht.“ Er schwieg für einen Moment. „Ja, wahrscheinlich sogar. Doch ich will nicht noch mehr unschuldige dafür sterben sehen. Dies ist nicht eure Welt, auch nicht deine, Hyun Ji Yang.“ Damit steckte er den Talisman wieder ein, band seine Tasche wieder zu. „Wenn ich nicht weiter vor ihnen fliehe, ist bald nichts mehr übrig, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Vielleicht gibt es keinen Ausweg, doch wenn es ihn wirklich nicht gibt, lohnt es sich nicht, dass du und dein Volk dafür sterben. Du bist noch zu jung, um das zu verstehen. Doch dein Vater versteht es. Ich habe mit ihm gesprochen. Wenn ich von hier verschwinde, werden sie euch nicht weiter angreifen.“ Zumindest hoffte er das.
Mitleidig sah er, wie Tränen in die Augen des jungen Mädchens stiegen. Sie konnte es wirklich nicht verstehen und er wusste, wie sie es hasste. „Aber Ihr... Wie wollt Ihr das alleine schaffen? Nehmt zumindest ein paar Soldaten mit!“
„Manch einer kann allein mehr ausrichten, als ein ganzes Heer“, antwortete er. „Glaubt mir, dafür ist es jetzt zu spät.“ Damit schüttelte er den Kopf über die Naivität des Mädchens und strich ihr durch das glatte Haar. „Geh jetzt zurück ins Schloss, Hyun Ji. Dort wirst du sicher sein.“
Tränen liefen über ihre Wangen, als sie ihn für einen Augenblick mit einer Mischung aus Wut, Angst und Verzweiflung ansah. Dann, mit einem Mal, schlug sie seine Hand weg und wandte sich ab. „Versprecht mir nur, dass Ihr überlebt, Seok Seonsaeng.“
Er schwieg.
„Versprecht es mir!“, forderte sie lautstark, doch als sie sich nach weiterer Stille umsah, fanden ihre Augen den General nicht mehr. „Seok Seonsaeng?“, rief sie verängstigt und blickte ängstlich umher. „Seok Seonsaeng?“
Er antwortete ihr nicht, versteckt in dem Schatten der Bäume und schließlich schwieg auch sie, zögernd. Dann jedoch wandte sie sich ab und ging unsicheren Schrittes und leise schluchzend zur Klippe zurück, zurück zum Schloss, während er weiter in den Wald hinein ging.
In der Ferne ertönte der Schall eines Jagdhorns.
Die Stille war gebrochen, nun begann der Sturm.Ängstlich fiel ihr Blick auf die Uhr an der Wand gegenüber. Jene zeigte wenige Minuten nach Elf an. "Wow. Ich dachte, es wäre später", murmelte sie mehr zu sich selbst als zu jemand anderen. Wie könnte sie auch mit jemandem sprechen, wenn sie doch allein auf diesem Flur verweilte? Ihre Hände begannen zu zittern, als sie langsam die alte Decke noch etwas enger an ihren Körper presste. Ihre Kleidung war durchnässt und in unregelmäßigen Abständen fielen immer wieder neue Tropfen auf den Boden. Ein gewaltiges Donnergrollen durchschnitt die Stille. Rasch lenkte sie ihren Blick in Richtung Fenster. Ihre langen, kastanienbraunen Haare folgten dieser Bewegung, ehe sie wieder eng an ihrem zierlichen Körper zu kleben schienen.
Draußen war es stockfinster, lediglich die Rückstände des prasselnden Regenschauers waren an der Fensterscheibe deutlich erkennbar. Ebenso ihr Spiegelbild sowie das des lichtdurchfluteten Raumes. Sie betrachtete sich, riss ihre smaragdgrünen Augen auf und fuhr sich geschockt über ihre linke Wange, welche im Spiegelbild von einer Schrammwunde und Dreck 'geziert' wurde. Ein Brennen durchfuhr ihren Körper, als ihre dünnen Finger die Wunde lediglich sanft streichten. Richtig, sie war ja gestürzt.
Endlich schaffte sie es, sich von dem Fenster mitsamt ihres Spiegelbildes abzuwenden. Sie sah grauenvoll aus, der Regen hatte ihr schwer zu schaffen gemacht. Sie konnte immer noch nicht glauben, was sich am heutigen Tage zugetragen hatte. Wie lange hatte sie diesen Tag herbeigesehnt? Doch, dass er so ablaufen würde, daran hatte sie nie gedacht. Selbst ihre schlimmsten Albträume wären dagegen ein Zuckerschlecken gewesen.
Sie drückte ihren Kopf an die Wand, hob die Beine auf die schmale Bank und schlang letztlich ihre Arme um jene, eh die Braunhaarige alles um sich herum vergaß und sich ganz dem für sie beruhigenden Klang der im Sekundentakt tickenden Uhr begleitet von dem Aufprallen der Wassertropfen auf der Fensterscheibe sowie das gelegentliche Donnergrollen hingab. Noch einmal ließ sie alles vor ihrem geistigen Auge passieren, um es endlich auch realisieren zu können.
Alles fing so schön an. Ein wundervoller Morgen, die Sonne strahlte und der zehnte Geburtstag eines jeden Menschen hätte einfach nicht besser anfangen können. Wie es für einen Zehnjährigen üblich war, bekam auch sie ihr erstes Pokemon. Oder, wie sie es zu nennen bevorzugte, ihren Partner für's Leben. Bei ihr wurde als Partner ein verspieltes, tollpatschiges aber vorallem liebenswertes Wesen auserwählt, dessen katzenartige Züge sofort jeden Menschen in seinen Bann zogen. Ein Eneco. Obgleich dies nicht ihrem Wunschpokemon entsprach, so war die Braunhaarige keinesfalls wählerisch und verliebte sich unmittelbar, nachdem sich ihre Blicke das erste Mal getroffen hatten, in das kleine Geschöpf.
Auch der weitere Verlauf bis in die frühen Abendstunden verlief einfach nur großartig. Die Grünäugige ließ ihr Normalpokemon gegen verschiedenste andere Wesen antreten und somit erstmalige Kampferfahrungen sammeln. Dass sie dabei die Zeit und die damit verbundene heranbrechende Dunkelheit vollkommen außer Acht ließ, das kam ihr im Moment nicht in den Sinn. Immerhin, sollte man nicht jeden kostbaren Augenblick im Leben in vollen Zügen genießen, ohne dass er einem früher oder später zum Verhängnis werden würde?
Die Finsternis kam plötzlich. Es war, als wäre von der einen Sekunde zur anderen die Sonne verschwunden. Einfach so, als würde sie nie existieren. Sie hatte die Dunkelheit bisher immer verdrängt, doch jetzt war sie in ihr eingeschlossen. Ohne Ausgang, ohne Rettung. Sie war allein, nur ihr Eneco bei sich. Behutsam nahm sie ihren kleinen Freund auf den Arm und setzte ihren Weg fort. Nun weitaus vorsichtiger, bei dem kleinsten Geräusch fuhr die Braunhaarige herum und ging erst dann weiter, wenn sie sich vollkommen sicher war, dass nirgendwo eine Gefahr auf die Beiden lauerte. Das war der ungefährlichste Weg, so dachte sie zumindest. Dass sie damit hungrigen Gestalten der Nacht der Möglichkeit des Näherkommens bot, das konnte sie ja schlecht wissen.
Abermals blieb sie stehen, als sie ein leises Knacken vernahm. Das zarte Wesen in ihren Armen gab ein verwirrtes Geräusch von sich und blickte sich um, sie tat es ihm gleich. Zu schade, dass es einem bei dieser Dunkelheit nahezu unmöglich war, irgendetwas erkennen zu können. Das war wohl auch der Grund, weshalb sie ein kleines Pokemon wie ein Pachirisu für das Geräusch verantwortlich machte, doch ein tiefes Knurren widerlegte zum Entsetzen der Grünäugigen ihre Vermutung.
Nachdem auch der Nachklang des bedrohlichen Lautes vollends verklungen ist, blinzelte die Grünäugige einige Male und versuchte , den Geräuschverursacher ausfindig zu machen. Vergebens. Schließlich fragte sie mit einem "Wer ist da?" in die Stille und wollte stark und selbstbewusst, furchtlos klingen, doch ihre Stimme war schwach, mehr ein Krächzen. Sie vernahm einige Schritte auf dem sandigen Boden, als letztlich das Knurren abermals einsetzte. Ohne einen weiteren Gedanken an das Wesen, welches sich ihnen immer weiter näherte, zu verschwenden, machte sie kehrt und rannte. Rannte, um ihren Partner zu beschützen.
Wenn sie so darüber nachdachte, war es wohl eine dumme Idee gewesen, ihr Eneco bis zur Erschöpfung kämpfen zu lassen. Auch wenn das katzenartige Wesen das nicht zu zeigen vermochte, so war es von dem Training sichtlich geschwächt. Die Braunhaarige bemerkte, wie ihr jemand folgte. Sie drehte ihren Kopf leicht nach hinten und bemühte sich ein letztes Mal, ihren Verfolger zu erspähen. Wie bereits zuvor, so endete auch dieser Versuch erfolglos.
Dann passierte es. In einem Moment der Unachtsamkeit fiel sie der Länge nach auf den harten Boden, konnte sich zumindest im allerletzten Augenblick noch so drehen, dass ihrem kleinen Schützling dabei nichts passierte. Jener drückte sich besorgt an seine Trainerin, welche ihm behutsam über das samtige Fell strich. Sie bemerkte, wie das Eneco am ganzen Leibe zu zittern begann.
Die sich weiterhin nähernden Schritte verharrten und die grünen Augen der Zehnjährigen trafen auf die blutroten ihres Gegenübers, dem Einzigen, was sie von ihm erkennen konnte. Sie saß in der Klemme, noch immer lag sie hier im Dreck und, als ob der Zufall es so wollte, so spürte sie das Aufkommen kalter Regentropfen auf ihrer Haut. Währenddessen stieß das fremde Geschöpf einen wilden Schrei aus, eh es sich scheinbar auf die junge Trainerin stürzen wollte. Sie kniff ihre Augen zu. So sollte, nein, so konnte es einfach nicht enden!
Und tatsächlich, der erwartete Schmerz blieb aus, stattdessen war ein Keuchen zu hören. Entsetzt stellte die Braunhaarige fest, dass sich das Eneco aus ihrem beschützenden Griff befreit hatte und nun anscheinend mit diesem Wesen kämpfte. Und das, obwohl das Normalpokemon selbst mit seinen Kräften am Ende sein musste. Der Regenfall verstärkte sich. In ihrer Verzweiflung erklang ein Wimmern, von Angst geprägt.
Wie konnte es nur so weit kommen? Und dabei fing alles so schön an. Alles war doch perfekt. Als wenn sie jahrelang in einer rosaroten Welt aus Plüsch gelebt hätte, in welcher ihr jegliche schlechte Erfahrungen verwehrt geblieben wären. Als gäbe es keine Furcht, keine Bosheit und keinen Hass. Nun musste sie am eigenen Leib erfahren, dass es nicht so sei. Dass es neben der rosaroten, harmlosen noch eine dunkle, gefährliche Seite gab.Am Anfang war der Gedanke, die schöpferische Kraft des Geistes, der alles durchströmt. Wie aus dem nichts schlüpfte der Gott Arceus aus einem Ei, weil der Gedanke der sich aus Energie entwickelte, seine Form gestaltet hat. Arceus schöpfte das Potenzial der Gedankenkraft aus und entwickelte die Tafeln der Elemente. Mit der Kraft der Tafeln und dem Gedanken einer Verwirklichung seiner Träume, entstanden neue Welten und Dimensionen, sowie Zeit und Raum, die von unendlicher Dauer bestehen sollten. Ihre Wächter wurden die Drachenwesen Palkia, Dialga und Giratina, indem die Essenz der Drachentafel gesät wurde. Von Generationen über weitergegeben und von unerschöpflicher Macht, wanderte der Geist von Arceus über das Land und seine Gedanken formten neue Hüllen, in denen sein Geist eine Identität bekam. Doch um diese Macht einzuschränken, entwickelte sich die Dualität, damit die Gedanken seiner Geschöpfe, in einem Käfig gehalten werden und niemand anderes als Arceus die Kraft besitzt, mit Gedanken zu Formen. Doch seine Geschöpfe gerieten außer Kontrolle, sie entwickelten ihre eigenen Vorhaben und der Kampf um Macht und Kontrolle, nahm seinen Lauf. Unterdrückt von Meinungsmachern und gefürchtet von den regierenden Mächten, werden Gedanken die vom Herzen kommen verleugnet, denn sie vernichten den Plan ihrer Unterdrücker. So zögern sie nicht ihre Gedanken zu missbrauchen, um die Herzen zu manipulieren und den reinen Gedanken in Ketten zu halten, um den Hass weiter zu schüren. Dies hatte Arceus nicht bedacht, seine Gedanken haben sich verirrt und die Kreaturen der Zerstörung wurden geboren. Nun lag es nicht mehr in seiner Macht dem Chaos ein Ende zu bereiten, die Kinder der Erde haben sich von ihrem Gott losgerissen. Die Jahre mehrten sich, bis man Arceus nur noch in Sagen und Legenden erwähnte, sie haben ihn fast vergessen. Dennoch wollte Arceus nicht ruhen, wenn seine Geschöpfe keinen Gedanken mehr an ihn hegten, dann würde er sich selbst vergessen und seine Traumwelt drohte zu zerbröckeln. Demnach entwickelte er einen Plan, der ihn wieder in Erinnerung rufen sollte, indem er Wesen innerer Stärken erschuf, Selfe für das Wissen, Vesprit für die Emotionen und Tobutz für die Willenskraft. Doch die Welt war für sie noch nicht bereit und so ruhten die Wesen in den Tiefen ihrer heiligen Seen, auf den Tag des Erwachens. Nach langer Qual der Lebensformen, ließ Arceus einen Meteor erschaffen der seine Geschöpfe bedrohen sollte. Die Welt erinnerte sich wieder an ihren Gott und ersehnten um dessen Hilfe. Ihre Gebete und Gedanken haben das Ohr Gottes erreicht und er eilte herbei. Angrenzend musste er sich opfern, da mit der Erschaffung des Meteors, das göttliche Gesetz gebrochen wurde, welches das Eingreifen in das Geschehen der Welt verbietet. Somit verlor er seine Tafeln, doch der Dank der Menschen war groß und ihr Gott erhielt die Tafeln zurück. Das Juwel des Lebens war ein Geschenk an die Menschheit, welches an ihrem Gott erinnern sollte und das Land wieder in Frieden erblühen zu lassen. Seine schöpferische Kraft wurde seit dem ein Denkmal gesetzt. Doch eines Tages kam Arceus zurück um seine Macht wieder zu gebrauchen, denn das Land wurde wieder aufgebaut und somit war der Ausgleich erfüllt. So nahm er das Juwel wieder an sich und formte damit Abbilder seiner selbst, die fortan ihre Geschöpfe unter Kontrolle hielten, denn der Gedanke, die geistige Form ist unendlich. Stirbt ein Lebewesen, so ist es nicht verloren, denn der Geist ist ein Teil von Arceus und mit allem und jedem verbunden. Somit wird eine neue Hülle für den wandernden Geist erschaffen und lebt ein neues unendliches Leben. Lasst euch nicht beirren und schaut hinter die Kulissen, nähret euren Gegenüber nicht mit Negativem, denn gleiches wird euch wiederfahren. So währet ewig den reinen Gedanken, damit er unendlich leben kann.
Zum Abschluss ein Gedicht,
welches Unendlichkeit verspricht.
Der Gedanke formt das Wort,
Das Wort führt eine Handlung fort.
Handlung lässt Gewohnheit walten,
Gewohnheit, mag den Charakter gestalten,
Charakter führt zum Schicksalsleiter,
Gedanken führen zum Schluss, dich weiter.„Die Verhandlung ist beendet“, schallte durch den Raum. Alles war still, sodass jeder das Scharren des Stuhles auf dem Parkett und die darauf folgenden schweren Schritte des Richters hören konnte. Er öffnete die Tür -sie quietschte leise- verließ den Saal und schloss sie wieder hinter sich. Das leise Klicken der schließenden Tür wirkte wie ein Weckruf auf die Anwesenden. Erste Gespräche setzten im Zuschauerraum an, der Staatsanwalt sortierte seine Unterlagen und der Anwalt schüttelte dem Angeklagten entschuldigend die Hand.
Darius Vogt atmete tief durch. Es war vorbei. Die drückende Ungewissheit hatte ein Ende, das Urteil war gesprochen und der Schuldige verurteilt. Eigentlich sollte er sich jetzt besser fühlen. So hatte es doch sollen ausgehen.
Er senkte den Kopf. Nein. Das war nicht das Ende, auf das er gewartet oder dass er erhofft hatte. Das hier ging zu weit. Das fand noch nicht einmal er mehr gerecht. War er der einzige, dem es so ging? Er blickte sich um und sah siegesgewisse oder erleichterte Gesichter. Darius kannte sie nicht, wusste aber dennoch, wer sie waren. Alle mit demselben Beruf, demselben Interesse an dieser Verhandlung: Ein abschreckendes Beispiel publik zu machen, die eigene Macht zu demonstrieren. Dazwischen wirkte das junge Mädchen unheimlich verloren. Ihre Blicke trafen sich. Sie wirkte verzweifelt. Trotzdem rang sie sich zu einem zaghaften Lächeln durch. Der junge Mann schloss daraus, dass er noch tiefer am Boden zerstört wirken musste.
Wie wahr das doch war. Er blickte wieder zu Boden. Das Parkett glänzte wie Gold in der Mittagssonne.
Sonne.
Dass ihr Licht ihn überhaupt noch erreichte, wo es doch in ihm so dunkel war. Am Tag ihres Todes ging für ihn die Sonne unter und seitdem begleitete ihn das Sommerwetter bei jedem wichtigen Augenblick. Am Tag ihrer Beerdigung grinste der Feuerball höhnisch vom Himmel, während in den Herzen stürmisches Regenwetter herrschte. Das nächste Mal war, als der Brand ausbrach und sie mit dem gelegten Feuer wetteiferte, wessen Hitze unerbittlicher war. Und nun, da sie das zum Glänzen brachte, das es nicht verdient hatte.
Michelle war immer seine Sonne gewesen und nun war sie tot. Vollkommen egal, wie die Verhandlung ausgegangen wäre, für ihn hätte es nichts mehr bedeutet. Doch nun war es so gekommen und ändern konnte er nichts mehr daran.
Als er wieder aufblickte, sah er einen Polizeibeamten auf ihn zukommen, er hatte den gleichen Blick aufgesetzt wie das Mädchen. Darius ahnte, was ihn erwartete, daher streckte er dem Polizisten gleich die Arme hin. Nachdem sich die Handschellen mit einem leisen Klicken um seine Handgelenke gelegt hatten, richtete der Beamte höfliche Worte an den Gefesselten: „Herr Vogt, darf ich sie nun bitten, mit mir zu kommen!“ Die Aufforderung war eindeutig, so stand er auf. Schlagartig spürte er, wie sich alle Blicke auf ihn richteten. Ja, jetzt wurde der Angeklagte abgeführt. Gleich würde er sich seinen Weg durch eine undankbare Menge bahnen müssen, um den Ort seiner Strafe zu erreichen. Davor hatte Darius sich von Anfang an am meisten gefürchtet. Wie würden die Menschen draußen auf ihn reagieren? Bestimmt würden sie alles, was Verständnis auslösen konnte, beiseite schieben und ihn als „den Bösen“ darstellen. Eigentlich sollte es ihm egal sein. Er kannte die Konsequenzen seiner Taten von Anfang an.
Schritt für Schritt wurde er weiter gedrängt. Immer näher zu denen, die nur ein höhnisches Grinsen für ihn übrig hatten. Sie hatten gesiegt. Er hatte versucht, ihnen die Stirn zu bieten, doch gegen das Zeichen, dass sie alle um den Hals trugen hatte er keine Chance. Gegen die Kirche war er machtlos. Was sollte das eigentlich: eine Kirche nieder zu brennen?
Sie würden ihn nie verstehen. Sie würden nie verstehen, wie es ist, alles zu verlieren; seine Sonne sterben zu sehen. Sie könnte noch am Leben sein! Ohne die verstaubten Normen der Kirche hätte die Krankheit sie nicht so qualvoll dahingerafft. Man hätte sie retten können. Sie hätte den Märtyrertod nicht sterben müssen. Sie würden seine Wut nicht verstehen. Sie klammerten sich an ihren Gott und rechtfertigten damit den Tod so Vieler. Er hasste sie und sie konnten froh sein, dass es bloß eine leere Kirche war, die er angezündet hatte. Keinen Moment hatte er es bereut, auch wenn die nächsten drei Jahre nun tristes Gefängnisleben vorsahen.
Wut überschattete seine Verzweiflung. Darius Vogt hatte nicht verloren. Er war nicht der Einzige, der wütend war, nur der einzige, der seinen Gefühlen Raum gelassen hatte. Er straffte seinen Körper und verließ aufrechten Hauptes den Verhandlungssaal. Warum sollte er Angst haben? Drei Jahre Dunkelheit bedeuten nichts für einen Menschen, dessen Sonne gestorben war.
Nun war er bereit für seinen Weg, doch zuerst blickte er sich noch einmal um. Da war sie wieder. Das kleine Mädchen, ihre Schwester. Sie hatten die gleichen Augen. Wenn Michelle die Sonne war, dann war ihre Schwester der Mond. Nur ein Abglanz ihrer Schönheit; kein Ersatz, nur ein Hoffnungsschimmer. Er lächelte. Bestimmt fühlte sie ähnlich wie er. Vielleicht gab es ja doch ein Morgen.
Doch dann drängte der Polizist ihn weiter. Die Menge hatte sich vor dem Gebäude versammelt und wartete nun auf den Augenblick, ein Foto von ihm schießen zu können. Am nächsten Tag sollten in diversen Tageblättern jubelnd das Ergebnis des heutigen Tages verkündet werden. Er übersah nicht, wie einige Kirchenmänner sich im Blitzlicht sonnten und mit aufgesetztem Lächeln von ihrem Triumph berichteten. Sollten sie doch. Glauben würden ihnen nicht mehr alle. Die Zeiten waren vorbei. Da half es auch nichts, ihn hinter Gittern zu bringen. Der dunkelgraue Kasten, der ihn dorthin überführen sollte, wartete schon auf ihn. Er wurde hineingeführt und sah sich noch ein letztes Mal um. Die Sonne blendete ihn; dann fiel die Tür ins Schloss. Dunkelheit umfing ihn.Immer tiefer ging ich in die Höhle hinein, ohne mich zu meinen Freunden umzudrehen, die am Eingang stehen geblieben waren - mir war es egal, was sie taten, diese Feiglinge! Wenn ich erst einmal einen geheimnisvollen Schatz gefunden hätte, würden sie es schon noch bereuen, mir nicht gefolgt zu sein.
Wassertropfen fielen gelegentlich auf den harten, unebenen Boden unter meinen nackten Füßen und das dumpfe Geräusch ließ mir die Haare zu Berge stehen lassen.
So cool ich auch vor meinen Freunden getan haben mochte, ich konnte nicht leugnen, dass ich nun, wo ich meine langen Reden in die Tat umgesetzt habe, Angst verspürte. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als zurückzukehren ans Tageslicht, möglichst weit weg von dieser undurchdringlichen Dunkelheit, doch mein Stolz ließ es nicht zu. Ich hatte mir diese Situation selbst eingehandelt, nun musste ich dort auch wieder rauskommen.
Doch ein ganz bestimmter Gedanke machte mir unbeschreibliche Angst. Ich wusste nicht einmal, ob die Behauptung, die dahinter steckte, tatsächlich stimmte, doch vielleicht war es gerade dieses kleine Detail, das mich so in Sorge versetze.
Eines sonnigen Tages - ich zuckte unwillkürlich zusammen als ich daran dachte, wie meine Freunde sich wohl amüsieren mussten dort draußen in der hellen, fröhlichen Welt, und scherzhaft vermuteten, was ich wohl treiben würde - hatte mich meine Mutter nach dem Essen zur Seite genommen, um mir etwas Wichtiges zu erzählen. Es würde mir irgendwann helfen zu überleben, hatte sie damals gesagt.
"Hör mir jetzt bitte ganz genau zu, denn das, was ich dir gleich erzählen möchte, ist von äußerstem Belangen für dich. Doch zuvor vergiss die Welt um dich herum, konzentriere dich nur auf meine Worte, präge sie dir gut ein und lausche nur ihnen.
Es ist schon etliche Jahre her, da lernte ich einen jungen Mann kennen. Seine Haut war zart und sanft wie Seide, sein Haar flauschig wie Daunen und der Körper kräftig und durch trainiert. Kurzum: Er war bezaubernd. Ich verliebte mich allmählich in ihn und lernte ihn nach und nach näher kennen; dann fand ich heraus, dass er auch jenes Gefühl für mich empfand. Kurz darauf heirateten wir und rund ein Jahr später kamst du auf die Welt.
Doch schon damals hatte ich gespürt, dass das Abenteuer nach ihn rief. Er wollte sich seither beweisen und immer wieder neue Orte erkundigen und neue Gefahren überstehen.
Dies war wohl auch der Grund für sein häufiges Verschwinden. Auch wenn ich sauer war, dass ich dich fast alleine erziehen musste, so liebte ich ihn doch und war regelrecht beflügelt von ihm. Ich brachte es einfach nicht übers Herz ihm meinen Ärger zu sagen, denn ich hatte Angst, er könnte für immer verschwinden, wenn er erfuhr, dass ich mit ihm nicht vollends zufrieden war.
Eines warmen Juniabends teilte er mir mit, er würde für einige Zeit fortgehen. Es täte ihm Leid, versicherte er, aber er könnte nicht anders. Er wollte zu einer mysteriösen Höhle gehen, die sich am Waldrand befand.
Und so ging er fort - und kehrte nimmer wieder.
Ich erinnere mich lediglich noch daran, wie er beim Abschied behauptet hatte, dass eine Stimme nachts zu ihm geflüstert hätte."
Sie hatte kurz innegehalten und es war ihr sichtlich schwer gefallen weiterzusprechen. Tränen hatten in ihren Augen geglitzert und ihre Stimme war zittrig geworden, doch sie hatte dazu gezwungen, fortzufahren.
"Es wird vermutet, dass er gestorben ist, doch es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht wünschen würde, er könnte zurückkehren. Wer weiß, vielleicht ist er sogar noch am Leben, weit weg von uns beiden; wissen tut dies jedenfalls keiner.
Dennoch, seit jenem Tag, an dem er wegging, gibt es eine Vielzahl an Gerüchten. Manche Leute vermuten, dass er unterwegs überfallen wurde und anschließend getötet. Es wird auch gemunkelt, dass er mich für immer verlassen wollte, jedoch keinen vernünftigen Grund gefunden hat, mir das mitzuteilen. Also, so wird gesagt, dachte er sich einfach etwas aus - völliger Schwachsinn, wenn du mich fragst, denn seine Liebe zu mir war unbeschreiblich groß. Am häufigsten erzählen sich die Menschen jedoch von einem großen Ungeheuer, das im Inneren der Höhle wohlen sollte. Dein Vater hätte sich ihm gestellt, aber keine Chance gegen die Macht des Ungetüms gehabt und war so in ehrenvoll im Kampf gestorben."
Ich stoppte abrupt. Während ich tief in Gedanken versunken gewesen war, hatte ich gar nicht bemerkt, wohin mich meine Füße trugen. Nun aber wurde ich durch gleißendes Licht zurück in die Realität gerissen. Und mit der Wirklichkeit kam auch meine Angst zurück: Woher kam dieses Licht bloß und wieso war es mitten in einer Höhle?
Sorgfältig suchte ich meine hell erleuchtete Umgebung ab. Irgendwo musste jemand sein, der das Licht angemacht hatte.
Ich zwang mich dazu für einen kurzen Moment die Luft anzuhalten – auf Atemgeräusche wartend, verharrte ich so einen Augenblick, aber ich konnte niemanden hören, nicht einmal einen Atemzug. Langsam fing ich wieder an zu atmen.
Dies war höchst merkwürdig, doch nun, da ich mich versichert hatte, dass keine Menschenseele außer mir in der Nähe des Lichts war, verspürte ich zum ersten Mal, seit ich die Höhle betreten hatte, Mut.
Ganz langsam näherte ich mich dem geheimnisvollen Schein, behutsam einen Fuß vor den anderen setzend. Ich konnte jedoch nichts sehen; meine Augen brannten fürchterlich, denn sie hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt.
Plötzlich hörte ich eine Stimme und ich zuckte erschrocken zusammen. Aus anfänglichem Gemurmel bildeten sich allmählich laute, klare Worte. "Komm zu mir. Ich führe dich zu deinem Vater, den du nur selten sehen durftest. Du musst ihn doch vermissen, oder? Komm her. Ich kann ihn dir zeigen, dich zu ihm bringen. Vertrau mir."
Das hätte ich nur zugern getan und für einen Moment war ich versucht, jenen Ort ausfindig zu machen, von dem die Stimme zu mir drang. Doch zwei Dinge hielten mich zurück: Erstens – wieso weiß die Stimme so viel über mich? Und zweitens – wer spricht zu mir?
"Wer bist du?", versuchte ich mir meine letzte Frage beantworten zu lassen.
"Ich bin die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Du bist ich, ich bin du. Jeder ist ich, ich bin jeder."
Angestrengt versuchte ich, mir einen Reim aus dieser unergründlichen Antwort zu machen. Doch vergeblich: Mir viel einfach nicht ein, wer oder was damit gemeint sein sollte. Dennoch hatte ich soeben beschlossen, der Stimme nicht zu trauen und mich nicht umzudrehen. Hier konnte ich niemandem trauen und ich musste gegen mein Verlangen, meinen Vater wiederzusehen zu wollen, ankämpfen. Ich konnte es einfach nicht riskieren, leichtsinnig zu werden und Fremden zu vertrauen, die sich zu wichtig sind, um mir eine vernünftige Antwort zu geben.
"Komm zu mir!", zischte die Stimme eindringlich. "Du willst ihn sehen, ich weiß es. Ich kann deine Gedanken lesen, in kann in dein Herz schauen. Er wird dich vermissen, genauso wie du ihn. Hier ist die Möglichkeit, ihn wiederzubekommen. Für immer."
"Nichts ist für immer!", schrie ich. "Irgendwann sterben wir alle, dann ist es vorbei. Mein Vater ist gestorben, er verweilt nun bei den Toden. Er kann nicht zurückgeholt werden. Und du .. wenn du sagst, kannst mich zu ihm führen, dann bist du der Tod?"
Und mit diesen Worten drehte ich mich um, jegliche Vorsicht hatte ich vergessen.
Dort stand er, in einen langen, schwarzen Mantel gehüllt und eine spitze Sense in der Hand. Getrocknetes Blut klebte an ihrer Spitze und der Gestank stich mir so heftig in die Nase, dass mir unwillkürlich übel wurde. Der unheimliche Schädel war langgezogen, es gab aber weder Haut noch Haare. Die Zähne waren gebleckt und ich vermutete, dass er versuchte aufmunternd zu lächeln. Eine alte, knorrige Hand war zu mir ausgestreckt und erschien fast wie eine freundliche Einladung. Doch ich wusste, der Tod war listig und wollte mein Vertrauen. Und meine Aufgabe war es, ihn zu hintergehen.
"Wie ist mein Vater gestorben?", fragte ich mit zittriger Stimme.
Der Tod zögerte; er wusste, dass seine Identität aufgeklärt war und ich mir im Klaren war, mit wem ich es zu tun hatte. Und er war sich ebenso im Klaren darüber, dass er mich ohne eine glaubhafte Antwort nicht zufrieden stellen konnte. "Er ging wie du in diese Höhle, um neue Abenteuer zu suchen. Doch bald verlief er sich in der Finsternis und war ganz auf sich allein gestellt. Er verirrte sich, fand den Ausweg nicht mehr und hatte seine Wasser- und Lebensmittelvorräte bald aufgebraucht. Er hat gegen den Hunger und Durst angekämpft wie nur wenige Menschen zuvor – ich muss zugeben, solch einen tapferen Menschen hatte ich noch nie gesehen -, doch irgendwann musste auch er sich geschlagen geben und starb."
"Wie geht es ihm?", keuchte ich. Dies hatte ich nicht sagen wollen, denn nun wusste der Tod, er hatte mich in seinem Netz aus Erzählungen gefangen.
"Er vermisst dich."
"Ich will ihn sehen. Jetzt." Ich wusste, dass das, worauf ich mich soeben eingelassen hatte, mein Untergang sein würde, aber ich konnte dem Schmerz nicht mehr standhalten.
"Folge mir", befahl er und lachte hohl.
Und so gab auch ich mein Leben, um meinen Vater wiederzusehen und ihn zum ersten Mal in meinem Leben an meiner Seite spüren zu können. -
Morgen würden wir endlich ankommen. Wir würden in ein Drei-Sterne-Hotel einchecken und uns dann überlegen was wir machten. Das Hotel lag in der Nähe von der Ostseeküste und bot einen wunderbaren Ausblick auf das Meer. Ich freute mich total denn ich liebte das Meer. Aber bis jetzt träumte ich nur davon denn noch saß ich im Auto und wartete auf den morgigen Tag. Wir hatten eine sehr weite Anreise und fuhren deswegen schon in der Nacht los damit wir am Vormittag ankamen. Ich hatte zwei ältere Brüder und wir waren alle ein Herz und eine Seele. Aber keiner von beiden würde mitkommen. Der eine war in Polen mit seiner Freundin. Sie waren ihre Großeltern besuchen, genau wie sie meine Großeltern besucht hatten. Und der andere musste sich um seine Tochter kümmern und auf sie aufpassen. Seine Frau war Tagsüber arbeiten und konnte das deswegen nicht übernehmen. So würden also nur ich meine Eltern und meine beste Freundin fahren. Ich hatte sie gefragt da ich nicht alleine mit meinen Eltern fahren wollte und sie sowieso bei mir übernachtet hatte. So kam sie mit und ich war froh. Mein Vater machte den Wagen an und der Motor ließ ein dumpfes Brummen vernehmen. Während meine Mutter auf dem Beifahrersitz saß und eine Karte in der Hand hielt saßen ich und meine Freundin hinten im Auto. Die Karte hatte meine Mutter dabei um den Weg zu weisen. Eigentlich war ich müde und wollte wie meine Freundin schlafen aber ich war zu aufgeregt. Mein Blick wanderte zu ihr. Ihr hellblondes Haar fiel in Strähnen über ihr Gesicht und ihre Augen waren geschlossen. Die rot-schwarze Brille die sie trug saß leicht schief auf der Nase. Ihr Kopf war an die Glasscheibe gelehnt und sie redete leise im Schlaf. Sie sah total niedlich aus wenn sie schlief. Das war mal wieder ich mit meinen Gedanken. Die Müdigkeit fiel dann doch noch über mich her, als ob sie nur auf eine Gelegenheit gewartet hätte.
Als ich erwachte sah ich eine ganz andere Landschaft als zuvor. Anstatt der ewigen grauen Häuser und Kreuzungen in unserem „Großstadtdschungel“ sah ich hier ein paar bunte Häuser und Gärten, sowie Grasflächen und Spielplätze. Ohne, dass ich es bemerkt hatte ließ sich ein Lächeln auf meinem Gesicht finden. Denn ich war froh mal dem Stadtleben zu entkommen und am Strand entlang zu gehen. Als sich die Straße mit einer leichten Schicht weißem, puderigem Sand überzog wusste ich, dass wir endlich da waren. Ein Blick nach links und ich sah das freudige Gesicht meiner Freundin. Ihre himmelblauen Augen strahlten vor Fröhlichkeit und das ließ mich selbst ebenfalls fröhlicher werden. Das Auto blieb stehen und ich sprang regelrecht mit einem Satz aus dem Wagen. Meine Tür knallte zu und ich rannte wie in einem Wahn auf das riesige, weiße Gebäude zu. Es sah sehr Edel aus und die goldenen, kunstvoll verschlungenen Lettern über dem Eingang verstärkten diesen Eindruck noch.
„Deine Eltern brauchen ja total lange. Egal, wie wär’s wenn wir nachher an den Strand gehen?“, quasselte Nicole los. Ja so war sie. Es war nur eine Frage der Zeit wann die ganzen Fragen, Antworten und Geschichten aus ihr herausbrachen. Mit einem heiterem Unterton in der Stimme antwortete ich: „Wenn meine Eltern eingecheckt haben kann mich keiner davon abhalten an den Strand zu gehen. Und das am besten so schnell wie möglich.“Schnell sprintete ich auf die Steintreppe zu. Nachdem wir nun eingecheckt hatten, hatte ich mich wie von einer Tarantel gestochen umgezogen. Und nun lieferten Nicole und ich uns ein Wettrennen. Ich kam unten an und spürte den feinen, warmen Sand unter meinen Füßen und blickte auf. Der Strand erstreckte sich von einem Ende meines Blickes bis zum anderen. Der helle leicht besche Sand ging über in blaues, glitzerndes Wasser. Hinter mir erschien nun auch die Blondhaarige und betrachtete ebenfalls den Strand. Mit einem Blick rannten wir zum Wasser und schmissen unsere Handtücher achtlos in den trockenen Sand. Wir bespritzen uns mit Wasser und lachten. Nachdem wir getaucht, wettgeschwommen und uns gesonnt hatten lagen wir nun teilnahmslos auf unseren Handtüchern. Die weiße Gischt der Wellen, die leicht Türkis erschienen, verlor sich und die Welle brach.
„Findest du nicht auch das Meer ist unendlich? Unendlich groß? Hier komme ich mir total klein vor.“, brach Nicole das Schweigen. Ja sie hatte recht. Aber nicht nur was die Größe betraf. Unendlich: dieses Wort beschrieb das Meer perfekt. Die Wellen die unendlich auf uns zu kamen und unsere Füße kühlten. Die Unendlichkeit des Meeres das sich im Horizont verlor. Das alles machte das Meer für mich Unendlich.Es
war ein heißer Tag, schon fast unerträglich, doch es waren viele
Leute draußen, sie genossen sie, jeder wusste: Es war das letzte mal
mit Sonne, mit Wärme!, mit den Kriegen zwischen den schwarzen,
braunen und weißen Leuten, der Tag ist da: Der letzte Tag der Sonne.Doch
wie kam er? Wodurch kam er? Und wieso erst jetzt?Ich
erzähle es euch:Wie
immer war schon wieder Krieg, nur diesmal furchtbarer, als jeder
Weltkrieg: Die Sonne brannt am Tag, der Mond kühlte alles ab in der
Nacht, die Menschen kämpften, überall lag Blut, ja, sogar auf den
Toiletten. Alle Leute hassten sich gegenseitig, ohne Grund, die
Weißen hassten die Schwarzen und die Braunen, die Braunen hassten
die Weißen und Schwarzen, und die Schwarzen hassten die Braunen und
Weißen.Alles
war schrecklich, für jedes Kind. Die meisten fünf Jahre alte
Kinder, und sehr klug für ihr Alter. Seit kurzem sind die meisten
Waisenkinder, aber das tut nicht so viel zur Sache. Doch jetzt
erfahrt ihr, wie dieser schreckliche Tag überhaupt erst kam.Die
verstorbenen Seelen der Zeit, seit dem es diese Welt gab sahen auf
unsere Welt hinunter, sehr traurig, dass ihre eigenen Nachfahren so
schrecklich mit der Welt umgehen. Sie gingen zu Gott, dem Herrscher
über alles und jeden und erzählten ihm: „Gott, die Menschen, Ihre
Kinder streiten sich wieder, aber dieses mal ist es schrecklich!“
Eine Französische Seele sprach: „Genau! Einfasch schrecklisch!“
Genau dieser Satz war das Stichwort: Alle redeten kreuz und quer,
Gott versuchte sie zu beruhigen, als er es geschafft hatte, sprach
er: „Ich werde sehen was ich tun kann, ich habe schon eine Idee!“
Die Seelen sahen ihn dankend an. Danach verließen sie den
Wolkenpalast. Sie setzten sich wieder hin und sahen auch ihre
Nachkommen hinunter. Wie schrecklich das ist!, dachte eine Seele.Während
die Seelen bei Gott waren, hatte unten weiterhin der Krieg getobt. Es
gab großen Aufstand, weil die Weißen immer mehr in das Gebiet der
Braunen gehen, was die Braunen natürlich nicht einfach so hinnahmen.
Doch plötzlich hörte für eine Sekunde der Krieg auf, alles blieb
versteinert. Man hörte eine Stimme, die noch nie jemand gehört
hatte, da Gott noch nie zu den Menschen sprechen musste: „Ihr habt
mein Vertrauen missbraucht, lebende Menschen, meine Kinder! Ich habe
euch vertraut! Doch wenn ihr euch nicht bald gewaltig ändert, wird
eine schlimme Strafe auf euch zukommen!“ Doch als die Leute aus der
Starre kamen, war es so, als hätten alle vergessen, was da gerade
gesagt worden wurde!Gott
hatte sich dabei selber gesagt: In drei Wochen, ja, in drei Wochen
werde ich mir sagen lassen, was sich in meiner Welt getan hat!In
der ersten Woche hatten alle noch gekämpft, und zwar nich nur mit
Blähungen und Bauchweh, sondern sie hatten wirklich gekämpft! Alle
wurden aufgebrachter, es wurden immer mehr Leute verletzt, man glaubt
es gar nicht!Dafür
aber wurde es in der zweiten Woche ein wenig friedlicher, da die
Leute müde wurden, doch als eine Gruppe einen Hinterhalt machte,
entflammte wieder der Zorn und Eifer.Am
Anfang der dritten Woche, sprach Gott noch einmal zu ihnen: „Es ist
eure letzte Woche, eure letzte Chance, euch zu bessern!“ Doch
wieder hörte niemand hin. Die Gruppen wurden nur noch böser auf die
anderen.Schließlich
war das Ende der dritten Woche da, Gott sah nach, was sich getan
hatte, und er traute seinen Augen kaum: Alle Leute, Menschen, seine
Kinder kämpften noch! Er wurde weiß wie Kalk vor Zorn, mit wütender
Stimme schrie er: „ So! Dass habt ihr davon! Hättet ihr auf mich
gehört und euch gebessert! Nun sollt ihr eure Strafe erhalten: Eure
geliebte Sonne werde ich euch nehmen, damit ihr nicht wegen eurer
Hautfarbe streitet!“ Er betonte Hautfarbe besonders, weil ihm nicht
klar war, weshalb man darüber stritt. „Übermorgen wird sie weg
sein, ihr werdet nichts dagegen tun können! Ihr werdet nicht sehen
können!“ Diese Nachricht schlug bei der gesamten Menschheit ein,
wie eine Bombe. Der Krieg war schlagartig vorbei, alle teilten sich
Häuser und essen, und sie genossen den Tag, der Heute war: den
letzten Tag der Sonne.Doch
ein Mädchen genoss ihn nicht, es wollte sich umbringen, also
erhängte es sich. Als es kurze Zeit später eine Seele war, lief das
Mädchen schnell zu Gott, es hatte keine Ahnung, weshalb es den Weg
kannte. Bei Gott angekommen blieb es stehen, ging danach würdevoll
in den Saal hinein, und mit würdevoll meinte man voller Panik und
Angst. Als das Mädchen vor ihm stand, begann es damit: „Bitte
lieber Gott, nimm den lebenden Menschen die Sonne nicht weg, die
Menschheit braucht die Sonne, sonst ist es kalt, es gibt keine
Jahreszeiten mehr, und es wird langweilig, ohne Spaß!“ Jedoch
erwiderte Gott: „Weshalb sollte ich? Ihr streitet seit drei Wochen,
ich habe genug davon!“ Doch das Mädchen war gut im reden, also
begann es ohne große Umschweife: „Aber Gott, denke mal daran, wie
traurig deine Kinder wären, wenn die Sonne weg wäre, ich habe mich
umgebracht, weil ich der Menschheit helfen wollte! Sonst habe ich
unnötig mein Leben geopfert, für jemanden, für den die Menschen
Kinder sind, aber ganz gemein zu ihnen ist!“ Nach dieser langen
Rede, wurde Gott nachdenklich. Er schickte das Mädchen fort, er
dachte nach, bis zum nächsten Morgen. Plötzlich wusste er es! So
konnte er den Menschen einen Schrecken einjagen, aber mehr nicht! Er
verschob den Mond so, dass er direkt vor der Sonne stand, so sah man
sie nicht. Die Menschen waren sehr traurig, doch dann bemerkten sie,
dass die Sonne wieder erschien!Sie
waren so fröhlich, sie wollten nie wieder kämpfen!Das
war nicht ganz richtig, aber sie wollten es versuchen!Und
so wurde die Sonnenfinsternis erfunden.Steine können nicht sterben. So
heißt es zumindest. Und eigentlich ist das auch logisch, aber
der heutige Tag beweist das Gegenteil. Ich komme mir so vor, als wäre
ich der einzige hier, der noch einen klaren Gedanken fassen kann.
Alle suchen nach Hilfe. Das Sonnfell, das vor vielen Tausend Jahren
hier erschienen ist und alles für dieses Volk war, sowohl
Orakel, als auch Ratgeber und ein sehr geliebter Großvater, wird
schwächer, immer schwächer. Man könnte sagen, das Herz
dieser Gemeinschaft hört langsam auf, zu schlagen. Verschiedenste
Heilmethoden wurden schon angewendet, aber was auf diesem Planeten
hilft einem Lebewesen, das nicht von hier ist? Nichts, würde ich
sagen. Es gibt keine Lösung. Und was danach wird kann ich nicht
wissen. Vielleicht finden sie eine Lösung, aber ich werde hier
weggehen. Auf die Suche nach einem anderen Ort, wo ich ein ganz neues
Leben beginnen werde. Ich hatte nie die Wahl, ob ich hier bleiben
wollte oder nicht. Ich bin nur ein Stein, man hat mich hier
festgehalten. Aber bald wird mich die Welt mit einem anderen Gesicht
sehen.Der imperiale Pilot machte gerade alles bereit für den Sprung aus dem Hypperraum. Sein Co-Pilot Glumanda war inzwischen wach und überprüfte die Scanner. Offenbar waren keine feindlichen Schiffe in der Nähe des Todessterns. Sie würden ihren sehr engen Zeitplan einhalten können und Lord Vader würde seine Lieferung rechtzeitig erhalten. Plötzlich blinkten einige LEDs über dem Piloten und er schaute auf die Anzeige in der Mitte des Cockpits. Das Ziel war nahe und auch die Scanner blieben ruhig. Der Pilot sah ein letztes Mal in die bizarren Muster des Hyperraumes und zog dann den Hebel zurück, der den Hyperantrieb aktiviert hielt.
Das Schiff der Lambda T4-a Klasse kehrte in den Realraum zurück und sofort gaben einige Scanner Warnsignale von sich. Offenbar hielten sich Pokemon in den Weiten des Weltraums auf. Wie waren die nur hierher gekommen? Glumanda fuhr die Schilde hoch und das nicht zu spät, denn sofort griffen ungefähr fünfzig Rayquaza die Fähre an. Wenn sie es bis zum Todesstern schaffen würden, dann könnten die Turbolaser sie womöglich ausschalten, doch dann fielen die Blicke der Crew auf die riesige blau-gelbe Sonne. Ein beeindruckendes Meer aus Flammen und Feuer, aus Wogen und Wiegen und aus- TIE-Fightern? Sie schossen nicht auf die Rayquaza, denn sie drehten ab und flogen auf Steuer- und Backbordseite am Schiff vorbei. Plötzlich zeigten die Scanner an, dass der Todesstern hinter der Fähre aus dem Hyperraum sprang. Aber er hatte immer noch eine enorme Geschwindigkeit und würde in ein paar Minuten in die Sonne fliegen. Die Turbolaser eröffneten das Feuer auf die Rayquaza, die sich so schnell sie konnten aus dem Staub machten und der Pilot drehte bei um in einem der Hangars zu landen. Egal ob tod oder nicht, er musste seinen Auftrag erfüllen. Kurz nachdem er gelandet war erklang eine der mächtigen Alarmsirenen der Kampfstation und er loggte sich in das Kamerasystem ein, um zu sehen was los war. Glumanda sah es früher. Der Todesstern feuerte auf die wunderschöne Sonne. Grün traf Blau und Gelb. Die beiden wussten sich zu wehren, doch schließlich gaben sie auf und Grün gewann. Das flammende Meer explodierte. So starb die Sonne. Und mit ihr würde ein System sterben.Ich
hab mir letztens mal wieder überlegt, wie es ist, auf der anderen
Seite zu sein. Damit meine ich die andere Seite des Himmels. Die
Leute sagten, dass es dort wunderschön sein soll. Angeblich gibt es
dort ein Wunschpokemon, das einem einen Wunsch erfüllen soll. Doch
leider wusste niemand, wie man dort hingelangt. Mein sehnlichster
Wunsch war es, meinen Bruder wiederzusehen.Ich
bin in einem kleinen Dorf in Kanto aufgewachsen. Dort war ich mit
meinem großen Bruder und meiner Mutter. Als mein Bruder zehn Jahre
alt war, ging er nach Alabastia, damit er sich sein Pokemon von
Professor Eich abholen konnte und seine Reise beginnen konnte. Damals
war ich total neidisch und wollte unbedingt auch ein Pokemon haben.
Fünf Jahre musste ich warten, bis ich auch mein Abenteuer beginnen
durfte. Das ist jetzt schon ein Jahr her und mein Bruder war schon
längst nach Johto abgehauen. Ich vermisste ihn sehr. So gerne wollte
ich auch nach Johto fahren, aber alle Schiffe fuhren in den nächsten
Wochen nicht, weil gerade Sturmwetter war.Ich
hatte schon alle acht Orden und hatte den Champion in der Pokemon
Liga besiegt. Meinen Pokedex hatte ich auch schon voll. Es gab nichts
mehr, was ich in Kanto tun könnte. Meine Pokemon waren alle sehr
stark, aber die Pokemon in Johto würden schon eine Herausforderung
sein.So
ging ich träumend mit meinem Blitza durch die Straßen von Orania
City und blieb am Hafen stehen. So lange konnte doch kein Sturm sein.
Ich sprach den Kapitän darauf an, doch das half mir auch nicht
weiter.Traurig
gingen Blitza und ich weiter. Wir waren beste Freunde geworden, seit
ich es an meinem zehnten Geburtstag als kleines Evoli von Professor
Eich abgeholt habe. Ich wusste, dass wir zusammen gehörten, als ich
ihm zum ersten Mal in die Augen sah.Zu
gern hätte ich gewusst, wie ich auf die andere Seite des Himmels
kam.Plötzlich
hörte ich jemanden rufen: „Hey, pass doch auf!“Ich
war im Träumen mit jemandem zusammengestoßen. Es war ein Junge in
ungefähr meinem Alter.Ich
murmelte ein leises: „Tschuldige.“, und ging weiter. Doch nach
ein paar Minuten, merkte ich, dass er mir gefolgt war. Ich drehte
mich um und er stieß wieder mit mir zusammen.„Warum
verfolgst du mich?“, fragte ich ihn.„Du
wirkst so traurig. Kann ich dir irgendwie helfen?“„Nein.
Alles gut.“Ich
wollte weitergehen, doch er hielt mich fest.„Das
sieht aber nicht so aus.“, bohrte er weiter nach.„Ach,
ich will nur gern nach Johto, aber dabei kannst du mir ja auch nicht
helfen.“, sagte ich fast ein bisschen wütend.„Ich
will auch nach Johto. Aber zufällig weis ich, wie wir dahin kommen
können.“Zum
ersten Mal in diesem Gespräch, interessierte mich das, was der Junge
sagte. Ich wurde neugierig.„Wie
denn?“, fragte ich aufgeregt.„Mein
Vater besitzt eine kleine Werft am Rande der Stadt. Wir könnten uns
ein Boot nehmen und nach Johto fahren.“Jetzt
hatte ich die Hoffnung fast wieder aufgegeben.„Es
ist Sturmwetter. Was meinst du, warum die ganzen Schiffe nicht
fahren.“, erwiderte ich.„Na
gut. Wollte dir ja nur helfen. Ich fahre jetzt auf jeden Fall nach
Johto.“, antwortete er trotzig.Dann
ging er zum Rand der Stadt. Ich würde auch ohne ihn zu meinem Bruder
kommen.Enttäuscht
gingen Blitza und ich weiter. Plötzlich blieb Blitza stehen und
schaute mich an. Ich wusste was er sagen wollte. Warum hatte ich die
Chance nicht ergriffen und fuhr mit dem Jungen nach Johto? Es
stimmte, es war Sturmwetter, aber ich wollte doch unbedingt meinen
Bruder wiedersehen und ich hatte schon soviel erlebt, dass mir ein
kleiner Sturm auch nichts ausmachen würde. Ich blieb stehen und
nickte Blitza zu.So
schnell wie möglich rannten wir los, zum Rande der Stadt. Völlig
erschöpft kamen wir dort an. Den Jungen sah ich nicht, dafür einen
Mann.„Hallo.
Haben Sie hier einen Jungen gesehen?“, fragte ich.„Meinst
du vielleicht Kevin, meinen Sohn? Er ist gerade zu den Schiffen
gegangen, um sich eins auszusuchen.“, antwortete er.„Vielen
Dank!“, rief ich ihm noch zu, während ich in Richtung Schiffe
lief.Ich
hatte Glück, der Junge war noch da. Er stand auf einem großen,
schönen Schiff und wollte grade losfahren.„Warte!
Ich will doch mitkommen!“, rief ich laut.Er
bemerkte mich und half mir an Bord.„Warum
willst du auf einmal doch mitkommen?“, fragte er mich mit einem
verschmitzten Lächeln.„Ich
hab es mir halt anders überlegt.“, antwortete ich schnell, um
nicht noch mehr auf seine Frage eingehen zu müssen.„Na
dann. Willkommen an Bord! Ich bin Kevin!“„Danke.
Ich bin Tabea!“Und
dann setzten wir die Segel und begannen unsere Reise nach Johto.
Wir
fuhren lange, ohne ein Wort zu sagen, durch die unruhige See. Bis
Kevin mich fragte:„Warum
willst du denn unbedingt nach Johto? Ich will mein Abenteuer
fortsetzen. Guck mal“Er
warf einen Pokeball und heraus kam ein Kingler.„Ich
hab es einmal, als kleines Krabby, halb verhungert, am Strand
gefunden. Seitdem sind wir beste Freunde.“Blitza
fing an, Kingler zu beschnüffeln.„Anscheinend
mögen sie sich“, sagte Kevin, „und, warum willst du nun nach
Johto?“„Ich
will auch mein Abenteuer fortsetzten, aber es gibt noch einen viel
wichtigeren Grund für mich.“, sagte ich.„Und
welchen?“Mann.
Der konnte einen aber echt ausquetschen.„Ich
will meinen Bruder wiedersehen.“, flüsterte ich, „Nur leider hab
ich keine Ahnung, wo er sich in Johto befindet. Hast du schonmal was
von der anderen Seite gehört? Angeblich gibt es dort ein
Wunschpokemon, das einem einen Wunsch erfüllen soll.“„Ja,
davon hab ich auch schonmal gehört. Mann, wäre das toll, dort
hinzukommen. Vorsicht!“Auf
einmal wurden wir hin und her geschüttelt. Wir versuchten uns
irgendwo festzuhalten.„Ein
Sturm!“, rief Kevin panisch, „Was sollen wir denn jetzt tun?“„Keine
Ahnung“, gab ich zu und überlegte.Vor
uns tobte ein riesiger Wirbelsturm. Wir drohten in ihm zu
verschwinden.„Mist!
Halt dich fest!“, rief Kevin und es war das letzte das ich hörte,
bevor wir im Wirbelsturm verschwanden.Mir
war ganz warm. Ich spürte etwas weiches unter mir. Langsam öffnete
ich die Augen. Ich war am Leben! Vorsichtig versuchte ich
aufzustehen, doch mein Kopf dröhnte wie verrückt. Mühevoll
schaffte ich es dann doch, meinen Oberkörper aufzurichten. Ich
guckte mich um. Ich saß auf weißen, weichen Wolken und sah viele
verschiedene Pflanzen. Doch Kevin, Blitza und Kingler sah ich leider
nicht.„Oh,
wir haben Besuch.“, sagte eine sanfte, leise Stimme.Ich
drehte mich zu allen Seiten um, doch ich entdeckte niemanden.„Ich
bin über dir.“, sagte diese Stimme wieder und ich sah über mir
ein kleines weißes Pokemon mit einem Schwanz.„Willkommen
auf der anderen Seite!“, begrüßte mich das Pokemon.„Wo
sind meine Freunde?“, fragte ich angestrengt.„Meinst
du etwa einen Jungen, ein Blitza und ein Kingler?“, erkundigte sich
das Pokemon.„Ja!
Wo sind sie?“, fragte ich weiter.„Ich
habe sie eben gefunden. Sie sind in Sicherheit und ruhen sich gerade
aus.“„Wer
bist du?“„Hast
du noch nichts von der anderen Seite gehört? Wer könnte ich denn
sein?“Da
ich sofort nach meinen Freunden gefragt habe, bin ich gar nicht
darauf eingegangen, dass ich auf der anderen Seite bin.„Kann
es denn wirklich sein? Bist du das Wunschpokemon?“, fragte ich
unsicher.„Du
bist ein schlaues Kerlchen“, sagte es und kicherte, „Ich bin Mew,
das Wunschpokemon. Du bist durch diesen Tornado hierher gelangt. Wie
du sicher weist hast du jetzt einen Wunsch frei. Also, was wünschst
du dir?“„Kann
ich erstmal meine Freunde sehen?“Ich
konnte noch nicht richtig über meinen Wunsch nachdenken.„Du
hängst wohl sehr an ihnen, oder? Na gut, dann komm mal mit.“Ich
stand mit großer Anstrengung auf und folgte Mew.Wir
gingen bis zu einem bunten Haus. Dort gingen wir hinein und innen
drin fand ich meine Freunde auf einem weichen Wolkenbett liegen.„Hier
sind sie.“, sagte Mew, „also, was wünscht du dir?“Stimmt
ja, mein Wunsch. Ich dachte nach, obwohl mein Wunsch eigentlich schon
klar war.„Ich
will zu meinem Bruder“, sagte ich leise, „Aber nur, wenn meine
Freunde mitkommen. Bitte.“„So
soll es sein.“, sagte Mew.Auf
einmal wurden meine Freunde und ich in ein gleißendes Licht gehüllt.
Und im nächsten Moment waren wir von der anderen Seite verschwunden.Ich
spürte eine Hand, die meine hielt. Langsam öffnete ich meine Augen.
Ich konnte ihnen nicht trauen. Vor mir stand mein 5 Jahre älterer
Bruder und wollte mir helfen aufzustehen.„Tabea?
Was ist passiert?“, fragte er mich.Ich
sprang nur auf und umarmte ihn. So lange wollte ich ihn endlich
wiedersehen und nun war es soweit.„Hallo
Tabea!“, sagte jemand und als ich mich umdrehte, sah ich Kevin,
Blitza und Kingler. Wie meinen Bruder umarmte ich sie.„Schön
dich wiederzusehen!“, sagte ich zu meinem Bruder und meine Augen
füllten sich mit Tränen.„Gleichfalls.
Aber was ist denn überhaupt passiert?“, fragte er lächelnd.„Das
erzähle ich dir später. Jetzt möchte ich erstmal etwas Zeit mit
dir verbringen.“So
hat sich also mein sehnlichster Wunsch erfüllt und ich verbrachte
noch eine tolle Zeit mit meinem Bruder, Kevin, Blitza und allen
Pokemon in Johto!Am Fenster lehnend starrte sie einfach nur hinab in die Tiefe. In die kahle Tiefe mit den trostlosen Ereignissen des Alltages. Nie machte jemand während ihrer Beobachtungen ihr den Gefallen, am unteren Straßenrand einen heftigen Streit mit jemand anderem zu beginnen oder einen Überfall zu starten. Die kalte Brise zog in lesen Windschnitten vom Tal herauf und brachte wieder nichts Neues.
Es war schon spät geworden und die Nacht war bereits fortgeschritten; die Sonne ganz dunkel. Nur die Straßenlaternen und die Leuchten der Autos des Feierabend-Verkehrs erhellten das Geschehen etwas. Doch die alte Dame war so hoch oben, dass sie die Lichtspiele nur leicht erahnen konnte.
Während sie sich vom Fenster abwenden wollte, bemerkte sie aber, dass Licht am Fenster gegenüber anging. Dieses Licht brachte die Scheme eines älteren Herren zum Vorschein, welcher sich gemütlich zum Fenster begab und der Dame scheinbar zuwinkte.
Die ältere Frau wunderte sich, ob er nun sie meinte. Wer sonst, steht noch so spät am Fenster?, dachte sie bei sich. Das junge Glück über ihr sicher nicht und die Familie unter ihr war zu der Zeit im Urlaub, das wusste sie sicher. Tunesien. Gerne hätte sie getauscht...
Doch während sie in ihren Gedanken an Tunesien förmlich vom Strand schwärmte, winkte der alte Herr ihr erneut zu und dieses Mal konnte sie sogar ein Lächeln erahnen. Schüchtern und zurückhaltend hob die Dame langsam die Hand und bewegte diese nur leicht von links nach rechts. Das Lächeln des Mannes wurde stärker.
'Wieder nichts Neues, hm?', rief eine raue und sehr alte Stimme nun vom Fenster gegenüber zu der alten Dame hinüber. Was meinte er damit?, wunderte sich die alte Frau, doch wusste nichts zu antworten. Hatte er sie etwa schon öfter beobachtet? 'Einfach nichts los hier.', meinte der Mann nun und lächelte wieder kurz, 'Nichts los hier', betonte er erneut.
Noch immer wusste die Frau nichts zu sagen. Sie schwieg und verzog verwirrt die Stirn. Sogar das ganze Gesicht ließ einen fragenden Blick aufweisen. 'Ja.', murmelte sie nur leise, um überhaupt etwas zu antworten. Doch ob es der Mann wohl gehört hatte? Sicher war sie sich nun nicht, doch der Mann schien nun zu nicken.
Nun wandte sich der Alte endlich vom Fenster ab und ließ die Dame eine Dame sein. 'Komischer Kauz', meinte diese nun und schüttelte fragwürdig den Kopf. Doch der Schatten des Mannes verschwand nicht ganz, denn er schien nur etwas im Zimmer herumzulaufen und etwas zu suchen. Längere Zeit herrschte wieder Stille in der Höhe und die Dame beobachtete weiterhin den Mann herumirren.
'So.', atmete der ältere Herr nun schwer und wuchtete ein etwas größeres Gerät auf das Fensterbrett und konnte sich ein breites Grinsen nicht unterdrücken. Er stellte den Phonograph vorsichtig ab und drehte etwas an dem Funkrädchen, um die Frequenz einzustellen. 'Macht er nun Musik?'. Die Frau blickte komisch drein.
„Sag mal, Magdalena, kennst du den Herren, der direkt gegenüber von uns wohnt? Dieser alte Glatzkopf.“, fragte Ilse nebenbei, während sie am nächsten Tag einen Kuchen in einer alten Blechform in die Röhre schob. „Direkt gegenüber von uns?“, fragte Magdalena zur Bestätigung und vernahm ein kurzes Nicken ihrer Mutter. Doch die Tochter musste nur nachdenken und fasste den knappen Gedanken: „Nein, soweit ich weiß, steht die Wohnung aber auch frei, schon seit längerem. Einen älteren Herren mit Glatze habe ich hier noch nie gesehen...“
Ilse stemmte ihre Arme in ihre Hüften und wirkte völlig überrascht. „Hm“, schmunzelte sie, lief zu ihrem Phonographen und wechselte die Frequenz. „Dann muss ich es mir wohl eingebildet haben“, summte sie.
Letztlich hatte niemand mehr Bea geglaubt. Ihre Warnungen klangen aber auch einfach nur unglaublich. Sie war besessen von der Idee, dass eine böse Zauberin das Heiligtum angreifen und damit letztlich die Sonne dauerhaft auslöschen würde.
Niemand konnte erklären, woher Bea diese Idee hatte. Im Unterricht war kein ähnliches Thema aufgetaucht. Niemand hatte sie ein Buch lesen sehen, welches auch nur ansatzweise eine solche Phantasie hätte fördern können. Bea konnte selbst nicht erklären, woher sie es „wusste“, sie meinte stets, sie würde die Gefahr spüren und das wäre weitaus stärker als nur ein bloßes Gefühl.
Ihre in den letzten Wochen aufkeimende Panik hatte sogar dafür gesorgt, dass ihre Blutlinie zurückverfolgt wurde, um eine Verwandschaft zu den alten Orakeln auszuschließen. Um zu verhindern, dass sie mit einer falschen Vision auch Andere ansteckte, wurden auch einige alte Prophezeiungen erneut begutachtet und doch ließ sich keine auf die direkte Zukunft interpretieren. Auch die Sternenforscher wurden befragt, ob eine Verfinsterung der Sonne abzusehen sei und auch sie sahen keinen Grund zur Sorge.
Man nahm derartige Warnungen durchaus ernst – auch wenn sie von den Maiden stammten. Es war niemals auszuschließen, dass eine wichtige Nachricht auf diesem Wege übermittelt wurde. Doch man nahm sie nur bis zu einem gewissen Maße ernst. Wenn es absolut keine Anzeichen für die Wahrheit einer solchen Idee gab und auch über längere Zeit keine der Sorgen eintraf, so sollte sich die Maid letztlich doch eingestehen, dass sie irrte. Niemand würde ihr einen Strick daraus drehen, wenn es letztlich doch nur eine fixe Idee war, in die sie sich verrannt hatte. Die Geschichte würde so oder so in das große Buch aufgenommen werden, so dass man darauf zurückgreifen könnte, sollte es die Zeit erfordern.
Das große Buch war gut gefüllt mit Geschichten, welche sich als Fehlvorhersagen erwiesen hatten. Niemand musste sich dafür schämen, dort geführt zu sein – einige Namen wurden sogar aufgrund äußerst phantasievollen Ausführungen bewundert – und auch Bea hätte keine Angst haben müssen, dass ihre Panik als unnötiger Schrei nach Aufmerksamkeit verurteilt werden würde.
Doch Bea ließ sich damit nicht beruhigen. Weiterhin erklärte sie, dass die ganze Welt in Gefahr sei, wenn man nichts unternehmen würde. Je stärker sie ihr Umfeld zu überzeugen versuchte, umsoweniger wurde sie ernst genommen. Ihre Freunde distanzierten sich mehr und mehr von ihr und zuletzt wusste selbst ihre beste Freundin nicht mehr, ob sie Bea wirklich glaubte oder ihr nur aus Solidarität den Rücken stärkte. Als Bea schließlich behauptete, man würde den Aufstieg der dunklen Zauberin absichtlich forcieren, indem man ihre Warnungen ignorierte, fand sie sich ohne Verbündete wieder.
Immer häufiger schlich sie sich nachts davon, um nach eigenen Worten die Verteidigung selbst in die Hand zu nehmen. Diese Ausflüge wurden nicht gerne gesehen – auch ohne eine große, eingebildete, Gefahr war es draußen nicht sicher genug, um eine Maid alleine herumlaufen zu lassen. Nicht selten kehrte sie mit Schrammen zurück; letztlich wurde entschieden, dass sie nicht mehr ohne Aufsicht sein sollte.
Bea stellte ihre Ausflüge ein, nicht aber ihre Rebellion. Sie schrie weiterhin, dass die Gefahr real sei und es töricht wäre, sie zu ignorieren.
Eines Tages wurde sie erneut verwundet aufgegriffen – obschon sie nicht draußen hätte gewesen sein können. Sie wurde als Gefahr für sich selbst eingestuft und – zu ihrer eigenen Sicherheit – eingesperrt.
Doch dies ist nicht Beas Geschichte...
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Ich erreiche das Grundstück am späten Nachmittag. Wie in den Beschreibungen wirkt es wie eine Festung: Es gibt nur einen echten Zugang, die anderen scheinen unpassierbar zu sein. Wenn dies Beas Werk ist, hat sie wahrlich ganze Arbeit geleistet. Andererseits frage ich mich erneut: Was mache ich eigentlich hier? Hatte ich nicht schon vor Wochen beschlossen, dass ich ihre Geschichte nicht mehr glaube? Wollte ich ihre letzte Gegenwehr nicht als Zeichen dafür sehen, dass sie zu besessen von der Idee ist, um noch klar zu denken? Sie hat mich angefleht, nach der Verteidigung zu sehen – heute wäre der Tag! Aber der Wahn war dabei in ihren Augen zu sehen – also warum bin ich trotzdem hier?
Ich passiere das Tor, gehe vorsichtig und langsam den Weg entlang. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie hier Fallen aufgestellt hat und wenn dem so ist, möchte ich das nicht überrascht feststellen. Sie hatte sich zuletzt ohne Freunde gesehen und warum sollten ihre Fallen dann zwischen Verbündeten und Feinden unterscheiden? Gehöre ich überhaupt zu den Verbündeten? Wenn die Fallen grundsätzlich zuschnappen, wäre das eine Erklärung für die Verletzungen, mit denen sie damals häufiger zum Unterricht kam.
Irgendetwas muss ich ausgelöst haben – es wird plötzlich hell. Ich werde geblendet, von vielen Seiten auf einmal. Für einen Moment besteht die Welt nur noch aus Licht, vor Schreck bin ich wie erstarrt.
Doch ich kann mich noch bewegen, hebe die Hände vor die Augen und versuche, die Sterne wegzublinzeln.„Wer seid Ihr?“ - mein Ruf verhallt ohne Antwort. „Ist da wer?“ - doch da ist nur dieses Licht. Kein Zauber erfasst mich, ich werde nicht zu Boden geworfen, die Welt bleibt still.
Die Hände schützend vor den Augen versuche ich, Personen an den Lichtern zu erkennen, doch da ist niemand. Von allen Seiten scheint dieses Licht mich anzugreifen, doch es tut mir nichts. Ich trete weiter nach vorne und die Welt wird wieder normal.
Von hier aus kann ich die Ursache erkennen: Spiegel! Unzählige Spiegel sind hier aufgebaut. Solange man nicht in den Lichtstrahl tritt, nimmt man sie gar nicht wahr. Bevor man sie sieht, wirken sie wie Blumen in einem eher verwilderten Garten. Doch es ist kein Garten, es ist eine Verteidigungsstellung. Sie alle fangen Sonnenlicht ein und richten es auf den Bereich des Eingangs – des einzigen verbleibenen Eingangs. Jeder Eindringling muss durch diesen Eingang und solange Restlicht vorhanden ist, muss er auch durch diese Barriere des Lichts. Ich erinnere mich an das Klimpern aus Beas Tasche – wahrscheinlich hat sie in mühevoller Kleinarbeit diese Falle aufgebaut und darüber hinaus immer Spiegel zur Verteidigung bei sich getragen. Vermutlich hat sie selbst nachts diese Stellung aktiv gehalten. Ich weiß nicht, ob ich ihre Geschichte damit mehr glaube, aber ich bin auf jeden Fall beeindruckt.
Das Gebäude – das Heiligtum selbst – ragt in den Himmel. Ich will es nicht betreten. Ich darf es nicht betreten. Es ist von einer Schutzaura umgeben und diesen Schutz zu verletzen würde die Verteidigung schwächen. Ich will es dennoch einmal von allen Seiten gesehen haben. Meine Tour macht mir nur deutlich, wie gefährlich - wie uneinnehmbar es aussieht. Wenn jemand da drinnen ist, müsste es ihm leicht fallen, Angreifer sehen zu kommen und zu vertreiben.
Ist jemand dadrin? Beobachtet mich da noch jemand? Jemand, der für die Abwehr zuständig ist und der sich mir nicht zeigen darf? Oder will? Wie konnte Bea nur annehmen, dass jemand dieses Heiligtum erfolgreich angreifen könnte?Oder bin ich wirklich alleine – auf mich gestellt gegen alles, was da kommen möge?
Eine Nacht, Bea! Nur diese eine Nacht! Um der alten Freundschaft willen! Wenn bis morgen früh absolut gar nichts passiert ist, weiß ich sicher, dass du dich irrst. Dann tut es mir Leid, dann werde ich nichts mehr für dich tun. Dann kann ich nichts mehr für dich tun.
Ich warte, verstecke mich im Garten, gehe in Gedanken ein wenig Unterricht durch und ertappe mich bei bei der Suche nach Inkantationen, die uns mitgegeben wurden. Es wird dunkler, die Sonne senkt sich und das Licht wird schwächer. Doch der Eingang bleibt weiterhin im Licht. Die Spiegel scheinen mehr Licht abzugeben, als sie von der Sonne aufnehmen können – hat Bea sie verzaubert?
Im Tor taucht eine Gestalt auf, noch bevor das Licht ganz verschwunden ist. Mein Herz beginnt zu rasen. Ist es also doch wahr? Müssen sich morgen alle bei Bea entschuldigen?
Die Gestalt hat mich nicht gesehen. Sie bleibt kurz stehen, als sie in den Lichtregen tritt, scheint getroffen und sinkt kurz zusammen. Doch sie steht wieder auf, murmelt etwas und der Lichtregen erlischt. Der Eingang ist auf einmal deutlich dunkler, als er sein sollte und die Gestalt wankt – offenbar deutlich geschwächt – weiter.
Ich nehme mir einen der aufgestellten Spiegel – einen kleinen rechteckigen, den ich gut halten kann. Er ist seltsam warm und gibt sein Bild heller wieder, als es sein sollte.
Es gibt durch die anderen Spiegel noch vereinzelte Lichtstrahlen, die aber bei der tiefen Sonne nicht mehr den Eingang attackieren. Einen dieser Strahlen fange ich ein, leite ihn zu der Gestalt. Sie ist geschwächt und vielleicht reicht es aus!Als der Lichtpunkt ihr Gesicht trifft, bricht sie erneut zusammen – und bemerkt mich. Ich halte den Spiegel fester, hoffe imständig, dass ich damit seine Macht verstärke - dass es ausreicht.
Die Gestalt hebt ihren Arm, richtet ihn auf mich und scheint wieder etwas zu sagen.
Der Spiegel zerbricht.
In einem Moment änderte sich alles.
“Warum?”
Das Wort hallte in der unangenehmen Stille nach und brachte mit zwei Silben all die Verzweiflung und Fassungslosigkeit zum Ausdruck, die sich in Katsumi angestaut hatte. Er ballte die Hände zu Fäusten und fragte wieder, diesmal lauter: “Warum?”
Niemand sah ihn an. Die wie gesichtslos erscheinenden anderen Kinder eilten an ihm vorbei und warfen ihm keinen einzigen Blick zu, als ob er ihnen peinlich wäre.
“Wa-” Katsumis Stimme brach, und er wankte zu einem der hölzernen Tische, um sich an dessen Kante festzuhalten. Eine gähnende Leere schien sich in ihm aufzutun und sein Dasein zu verschlucken,. Es schien, als wäre sein Leben nur auf diesen einen Moment zugesteuert worden und würde mit ihm auch enden. Der Junge starrte an den Reihen der Bücherregale entlang und sah, dass zwei Ordensschwestern mit aufgesetzter Mitleidsmiene zu ihm herabschauten, doch seine Augen nahmen nichts davon wahr. Durch die hohen, schmalen Fenster des altehrwürdigen Gebäudes fielen Sonnenstrahlen in den holzgetäfelten Raum und zeichneten Streifen auf den Laminatboden. Der Geruch von Bohnerwachs, Staub und alten Büchern stieg Katsumi in die Nase, doch er fühlte nur das schwarze Loch in seinem Magen, das sich in seine Eingeweide zu fressen drohte. Nie hatte er gedacht, dass dieser Augenblick käme. Hatte gehofft, dass dieser Kelch an ihm vorbeigehe, darauf gezählt, dass ihm in diesem Leben wenigstens eins der schlimmsten Dinge entgehen würde, die er sich ausmalen konnte: Seinen engsten Freund zu verlieren. Für immer. Katsumi wiederholte die Worte stumm in seinen Gedanken, doch immer wieder tauchte nur eine Frage in ihnen auf: Warum?
Er hatte all die Widernisse, die ihm auf seinem Weg aufgelauert hatten, mit Sturheit und Trotz ertragen, hatte den Preis gezahlt, der für seinen nie erstickten Widerstand gefordert wurde, und hatte mit angesehen, wie alle, die ihm etwas wert gewesen waren, sich von ihm abgewandt hatten. Bis auf Takeru. Und nun…
“Nein…”, hauchte Katsumi und glitt neben dem Tisch zu Boden. Die rechte der nahebei stehenden Schwestern reichte ihm die Hand, wie um ihm wieder hochzuhelfen, aber er beachtete sie nicht.
“Steh auf, Tsumi”, sagte die junge Frau mit monotoner Stimme. Es machte ihn wütend, dass sie wie selbstverständlich seinen Spitznamen benutzte, und er würdigte sie keines Blickes.
“Du kannst nichts daran ändern. Takeru ist gegangen.”
“Sagt das nicht”, flüsterte Katsumi und merkte plötzlich, dass Tränen seine blicklosen Augen füllten. “Ich werde Euch nicht verzeihen.”Der Raum leerte sich. Wahrscheinlich hatte die nächste Unterrichtsstunde bereits angefangen, doch Katsumi verschwendete keinen Gedanken daran, während er mit dem Rücken an dem Tischbein lehnte. Er kratzte mit seinen dreckgeschwärzten Fingernägeln am Holz des Laminatbodens, und riss sich die Nagelbetten auf. Unbeteiligt beobachtete er, wie ein kleiner Blutstrom an seinem Daumen herunterlief.
Etwas in ihm hatte sich aufgelöst, war zerbrochen. Er lauschte in der Stille auf seine Herzschläge und war überrascht, sie noch zu vernehmen.
Takeru…
“Wenn ich nur wüsste, was mit dir geschehen ist”, flüsterte Katsumi in die Leere und war überzeugt, dass ihn sein Freund, wo auch immer er war, hören konnte. “Warum? Es ist so sinnlos…” Er brach ab. Er war nicht einmal dagewesen.
Vor fünf Tagen hatte er einen letzten Fluchtversuch aus dem Kloster unternommen. Vielleicht würde er es nie wieder tun, denn er war kurz vor dem Ziel geschnappt worden. Dunkle Erinnerungen fluteten über ihn herein, und Katsumi schauderte. Die Mauern dieses Gefängnisses waren zu hoch für ihn.
Fünf Tage hatte er in einer der winzigen, vor Dreck und Unrat starrenden Zellen ausgeharrt, die man für Seinesgleichen eingerichtet hatte. Und als er wieder freikam, hatte man ihm diese Nachricht überbracht. Schwindsucht. Wie, verdammt noch mal, konnte Takeru an Schwindsucht sterben? Katsumi hätte es eher für glaubhaft gehalten, dass sein Freund bei einem Aufstand von den Hunden des Abtes zerfleischt wurde. “Warum…”, flüsterte er wieder, doch diesmal schien ihm sein Herz eine Antwort zu geben.
Katsumi holte tief Luft und spürte erneut die Verzweiflung, die ihm den Hals zuzuschnüren drohte. Hatten die Schwestern nicht mit Vergnügen beobachtet, wie ihn die grausame Wahrheit erreichte? War die von ihnen gereichte Hand nicht ein hinterhältiger Versuch gewesen, ihn in seinem schwächsten Augenblick auf ihre Seite zu ziehen?
Es war Zeit, hier herauszukommen. Der zusammengekauerte Junge wiegte hin und her und betrachtete seine rechte Hand, die mit Narben übersäht war. Jede davon stand für einen Versuch, sich der Fesseln dieses Ortes zu entledigen, und verpflichtete ihn auf diese Weise, seiner Gesinnung treu zu bleiben. ‘Takeru ist hinter den Schleier getreten’, dachte er grimmig, ‘doch ich würde ihn verraten, wenn ich meinen Widerstand aufgeben würde. Ich will die andere Seite dieser Mauern sehen, und nicht nur aus fernen Geschichten und einer mehr und mehr verblassenden Erinnerung davon träumen.’
Katsumi stand auf. Wieder betrachtete er die hässlichen weißen Streifen auf seinem Handrücken, und ihm wurde bewusst, dass Narben ein Anzeichen dafür waren, dass die Wunden verheilten. Nun wollte er die Risse in seiner Seele endgültig verschließen. Mit einem bitteren Geschmack im Mund dachte er an Takeru, der ein Jahr älter gewesen war als er und keine Gelegenheit ausgelassen hatte, den Schwestern zu zeigen, dass er nicht eine ihrer Marionetten war. ‘Ich folge ihm, doch nicht in den Tod’, schoss es Katsumi durch den Kopf, den eine eiserne Entschlossenheit gepackt hatte. ‘Alles, was er für mich getan hat - doch ich will nicht daran denken. Takeru hat sie nie gesehen, die Welt hinter diesen Mauern, und jetzt gibt es für mich kein Zurück mehr.’
Der letzte, endgültige Schritt wartete auf ihn.Eine Stunde später hatte er all seine Habseligkeiten aus dem Schlafsaal mitgenommen und in seiner abgenutzten Tasche verstaut. Niemand war auf den Fluren zu sehen, es war Zeit für die Mittagsgebete. Man würde ihn sicher nicht vermissen, so selten, wie er sich dort freiwillig blicken ließ. Dennoch, das wichtigste war, dass sich der Abt nun ebenfalls dort befinden musste, weshalb sein Raum unbewacht sein würde.
Katsumi schlich durch die wohlbekannten Gänge, und spürte, dass es heute vielleicht das letzte Mal sein würde. Er war bereit, alles dafür zu geben. Vielleicht war er im Begriff, etwas unglaublich Dummes zu tun, doch nun, da Takeru tot war, hielt ihn nichts mehr hier. Der Gedanke versetzte seinem Herzen einen heftigen Stich.
Es war Zeit für ihn, die andere Seite zu sehen. Etwas zu hören und zu fühlen, das nicht durch die Ordensschwestern und ihr Credo vorgegeben war.Der schön eingerichtete Raum war tatsächlich offen. Katsumi überlief eine Welle freudiger Erregung, die er nicht erwartet hatte, und er wich auf seinem Weg zum Nachttisch, in dem der Abt seinen eigenen Torschlüssel aufbewahrte, den anderen, ausladenden Möbelstücken aus. Wie ein Mensch, der so viel auf Enthaltsamkeit und Buße gab, in solchem Luxus leben konnte, war Katsumi schleierhaft. ‘Heuchler’, dachte er, ‘lässt die ihm Anvertrauten auf Strohbetten schlafen…’
Der Junge riss mit klopfendem Herzen die Schublade auf - und da waren sie, säuberlich aneinandergereiht. Er griff sich den Größten und verschwand, ohne eine Spur zu hinterlassen.Wissend, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, schlich Katsumi umsichtig durch die Gänge, die wie die Eingeweide eines Riesen völlig ausgestorben dalagen. Er blendete alle störenden Gedanken aus und konzentrierte sich auf das Geräusch der leise schlurfenden Füße der Mönche oder das Staksen der Nonnen, doch nichts war zu hören.
Allein, aus dem Gebäude zu kommen, war schwierig. Wie er schließlich noch das riesige Gelände unbemerkt überqueren sollte, war ihm ein Rätsel, doch er spürte, dass Takeru seinen Weg begleitete. Heute, wenn auch sonst niemals hatte er einen Schutzengel.Und dann war der Moment gekommen. Katsumi stand in der winterlichen Kälte draußen vor dem hohen Eisentor, das hinaus auf die Welt führte. Der Schlüssel in seiner Hand zitterte, und der Junge wusste kaum, wie er atmen sollte. Die Mauer, die ihn sein ganzes Leben begleitet hatte, würde fallen. Entschlossen steckte er den kleinen Schatz in seiner Hand in das schwarze Schloss und drehte ihn um. Mit einem verräterischen Knirschen, das Katsumis Herz beinahe zum Stillstand brachte, schwang die Pforte auf. Was dahinter wartete? Er wusste es nicht.
Der eine Schritt hinaus auf den kiesgestreuten Weg, der von den altehrwürdigen Klostergebäuden wegführte, kostete ihn mehr Kraft als alles andere. Er spürte, dass er Takeru und seine gesamte Vergangenheit verließ.
Katsumi schob den Riemen seiner Umhängetasche höher und dachte: ‘Auch wenn ich dir nicht auf die andere Seite des Todesschleiers folgen kann, mein Freund, so werde ich die Erinnerung an dich hinaus in die Welt tragen.’
Es war dieser Moment, den er als einzigen in seinem bisherigen Leben nicht bereute. -
Herzlich willkommen im Votetopic zum 1. Wettbewerb in der Saison '11.
([Information] Wettbewerb Nr. 2: Überschriften)
Mit dem neuen Jahr kamen auch einige Veränderungen. Besonders das Votesystem hat sich gewandelt. So ist es nun nicht mehr möglich nur einen Punkt an einen Text zu vergeben, sondern beliebig viele. Nähere Informationen findet ihr in folgendem Topic:
Regeln, Information und Punkteliste der Saison '11
Wir bitten euch besonders den Punkt "Die Votes" durchzulesen.Bitte verteilt den Großteil eurer Punkte nicht nur auf einen Text, sondern teilt sie mindestens zwischen drei Texten auf!
Außerdem schreibt zu jedem Vote eine Begründung! 1-2 Sätze genügen!Votes, die nicht alle verfügbaren Punkte ausnutzen werden als ungültig erklärt
Die Deadline des Votes ist am 12.02.11 um 23:59 Uhr.
Da wir 23 Abgaben erhalten haben, habt ihr die Möglichkeit 14 Punkte zu verteilen!
_________________„Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen. Im Jahre 2496, zwei Jahrhunderte nach dem apokalyptischen Ende der Fabriken, der Kriege, dem Großteil der Menschheit, ist es nun geschehen. Der ’letzte Tag der Sonne’ ist eingetroffen. Im wissenschaftlichen Sinne ist es nicht der letzte Tag der Sonne, es ist nur der letzte Tag, an dem der klägliche Rest, der von uns noch übrig geblieben ist, den Stern ‚Sonne’ sehen kann. Die zahlreichen Abgase haben unsere Ozonschicht schon vor Jahrhunderten so zerstört, dass wir kurzerhand eine neue, künstliche erschaffen mussten. Dies geschah im Jahre 2258. Etwas später erschufen wir uns eine eigene Sonne, die so eingestellt wurden, dass sie perfekt die Jahreszeiten nachahmt...nachahmt… nachahmt…“
Metallisches Klirren erfüllte die Luft, Zischen und Fauchen schallte in dem heruntergekommenen Labor wieder. Auf dem Tisch stand ein kleines Gerät, flach wie ein Teller, mit einem kleinen, blauen Sensor, der nur einen Meter weiter entfernt in einer Person endete. Ein junger Mann in einem weißen Kittel und mit drei Tage Bart, angespannt bis auf den letzten Muskel, las von einer weiteren Tafel ab, von der er scheinbar seine Informationen erhielt. Er wiederholte immer dasselbe Wort, verschwamm nach einer Weile jedoch. Ein Klicklaut ertönte, dann hatte der Akku des Hologrammprojektors seinen Geist aufgegeben. Eine Faust prallte auf den Tisch, dutzende elektronische Geräte fanden durch die Erdanziehung zum Boden, wo sie klirrend liegen blieben. Der Mann hatte seiner Wut freien Lauf gelassen. Er war es gewesen, der die Aufzeichnung für die Nachwelt hatte machen wollen. Vielleicht würden die restlichen Lebewesen sich ja evolutionieren und sich den aktuellen Lebensbedingungen anpassen. Vielleicht gäbe es ja eine zweite Menschheit, wenn die erste erst einmal ausgestorben war. Der junge Mann war ein hoch anerkannter Professor und einer der letzten fünf Tausend Menschen. Der Rest war qualvoll an den Auswirkungen der letzten Atomrakete gestorben, die das ehemalige Amerika auf Japan hatte losgelassen. Nur war die Intensität der Raketen um ein Vielfaches erhöht worden, als man es sich vorgestellt hatte. Lediglich ein kleiner Fleck auf der Erde hatte den Angriff unbeschadet überlebt, doch auch diese Zone würde schon bald menschenleer sein, da sie ihn ja nicht verlassen konnten. Der Ort war nur eine kleine Stadt, da gab es diese speziellen Anzüge nicht, die einen vor radioaktiver Strahlung schützte. Also waren sie verdammt, auf ihr Ende zu warten.
„ Was machst du hier, Frederic?“ Der Angesprochene drehte sich mit wütender Miene um und entdeckte seine Frau.
„ Arbeiten, Louise. Arbeiten.“ -„ Für wen?“ -„ Für die zweite Menschheit!“
Eine Weile lang herrschte Schweigen, dann setzte sich Louise in Bewegung. Sie umarmte ihren Mann fest, bittere Tränen rollten ihre Wange herunter. „ Wir haben keine Vorräte mehr. Die Strahlung ist immer noch nicht verschwunden, Frederic. Wir sind verloren und du träumst immer noch von einer zweiten Menschheit.“ Frederic seufzte. Sie hatte ja Recht. Die wenigen Tiere, die ihren Weg hierher gefunden hatten und verschont geblieben waren sollten eine neue Rasse erschaffen? Das war biologisch unmöglich, und doch war es etwas, was sich der junge Mann von Herzen wünschte. Und falls es passieren würde, würde er sie vorwarnen, ihnen den aktuellen Stand des menschlichen Wissens vermitteln und sie davor warnen, was passieren könnte. Ja, und dann würde wenigstens diese Rasse überleben. Überleben und erfolgreicher werden als es für die Menschheit je möglich war.
„ Komm mit, der letzte Sonnenuntergang ist gleich. Das wollen wir doch nicht verpassen, oder?“ Louises versöhnliche Stimme rief ihn aus seinen Gedanken zurück, er nickte leicht und ließ sich von seiner Frau zu dem Hügel führen, an dem sich ein Jeder von ihnen versammelt hatte. Sie entdeckten Freunde der Familie, machten sich auf den Weg zu ihnen. Die Frau sah bekümmert aus, das junge Mädchen hatte rot verquollene Augen. Sie stellten sich nebeneinander, es brauchte keine Blicke, keine Begrüßung.
„ Jerry ist tot. Die Strahlung.“
Die Worte waren langsam und schleppend, erschöpft und tief traurig.
„ Das tut mir Leid, Mary.“
Frederic hatte geantwortet, Louise fand nie Worte für Todesfälle. Die Braunhaarige war zu sentimental, um einen vernünftigen Satz zu formulieren, der ihre tatsächlichen Gefühle vermitteln konnte. Stattdessen nickte sie immer nur. Mary hatte ihre Tochter von hinten in die Arme geschlossen, das heutige Ereignis war zu wichtig, um es zu verpassen.
Bürgermeister Foahn trat aus der Menge heraus. Er stellte sich mit dem Rücken zum Licht, auf einen Hügel in der Nähe des Abgrundes, räusperte sich und verlangte somit alle Aufmerksamkeit.
„ Wir beklagen heute den Tod der folgenden Personen: Jerry Southern, geliebter Vater und Chemiker, Zaid, Biologe und Witwer, das Neugeborene des Ehepaares Brucewick und zuletzt auch Christina Herriette. Sie alle hatten diesen frühen Tod nicht verdient. Lasst uns für sie beten, dass sie den Weg ins Paradies finden mögen und nicht für die Taten ihrer Vorfahren bestraft werden.“ Zustimmendes Gemurmel fuhr durch die Menge, Victoria, die Tochter Jerrys, war auf die Knie gesunken und hatte die Arme um ihren dünnen Körper geschlungen. Sie wurde von heftigen Krämpfen durchgeschüttelt, das leise Wimmern schien niemanden zu stören. Ihre Mutter versuchte, sie mit leisen Lauten und Gesang zu beruhigen.
Foahn war wieder in die Menge zurück getreten und unterhielt sich gedämpft mit einigen weiteren Personen. Also waren es nur noch 4956 Personen, die verblieben.
Frederic und Louise waren ein kinderloses Paar, sie wollten erst in den dreißiger Jahren Kinder bekommen. Doch nun war es zu spät. Ohne die Wirkung der Sonne würde die Welt von einer zweiten Eiszeit heimgesucht werden. Die künstlich erschaffene Sonne war bei dem Atomaustausch zerstört worden, das Ende war also heute gekommen. Wer nicht vorher Suizid begang, würde in der Nacht erfrieren.
Das war jedem hier klar. Lediglich die Kinder unter ihnen liefen immer noch dem Glauben hinterher, es würde ein „Morgen“ für sie geben. Das tat es nicht. Man wollte ihnen nicht den kläglichen Rest ihres Lebens verderben. Sie sollten unschuldig spielen, tollen, so, wie man es vor fünf Jahrhunderten gemacht hatte. So sollte ihr Leben aussehen.
In Frederic wuchs eine ungemeine Wut auf seine Vorfahren, auf die Führer der Nationen, die für diese Misere verantwortlich waren. Sie hatten alles zerstört, ihre Schuld war es, dass ihr Leben heute endete.
Louise stellte sich vor ihn. Sie war einen Kopf kleiner, schlang die Arme ihres Ehemanns um sich und suchte Schutz bei ihm. Ein Jeder tat dies jetzt. Die Sonne hatte begonnen, im Weltall zu verschwinden, sie war nicht mehr als ein kleiner Punkt. Gerade genug um die Durchschnittstemperatur von minus fünfzig Grad aufrecht zu erhalten. Um sie herum war alles abgestorben. Keine Pflanzen, die Tiere hatten sich in unterirdischen Kanälen ihren Weg zum warmen Erdkern gesucht, die heruntergekommenen Buden machten den Eindruck, als würde nur das Eis sie zusammen halten.
Der kleine, gelbe Punkt wanderte weiter zum Horizont. Langsam näherte er sich der Linie ein letztes Mal. Louise rollten Tränen über die Wange, viele Menschen in der Menge begannen zu schluchzen. Andere zählten von einhundert herunter, einige blieben stumm und starrten ihn einfach nur an. Alle hatten jedoch etwas gemeinsam. Sie nahmen sich ihre Jacken und zogen sie enger um ihre Körper, um zumindest eine kurze Zeit der tödlichen Kälte zu entgehen. Das Schnaufen und Schluchzen wurde lauter, je näher die Sonne dem Abgrund kam, und erreichte seinen Höhepunkt, als er von der Klippe zwei geteilt wurde. Der obere Teil war noch sichtbar, der untere bereits zum letzten Mal verschwunden.
„ Dies ist der letzte Tag der Sonne. Lasst ihr uns danken, dafür, dass sie ganze 2496 Jahre auf uns aufgepasst hat. Lasst uns das Lied der Sonne singen!“, rief Foahn laut. Er zählte bis drei, dann stimmten alle, ob Kinder, Eltern, Greise, in ein Lied der Trauer und Fröhlichkeit zugleich ein. Mit dem letzten Takt, den Worten, „ And now the sun is gone.“, endete es. Das Lied und das Leben der 4956 restlichen Personen, denn die Sonne war zum letzten Mal verschwunden....Nichts, aber auch gar nichts rührte sich. Die sanfte Brise wehte zwischen mein Fell und auch in dieses meiner Kompanen Pikachu und Flemmli, die neben mir, auf dem dreckigen Boden lagen. Ich wagte zu blinzeln und sah sechs Zobiris, die mich mit ihren hell funkelnden Augen anstarrten und hinter ihnen der Zeitstrudel - in das ich das von Dunkelheit umhüllte Zwirrfinst nur reinzerren musste, um die Welt zu verbessern. Aber ich muss mich selbst dafür opfern, um meinen Freunden Pikachu und Flemmli ein besseres Leben zu schenken. Wir dachten, wir hätten Zwirrfinst schon längst niederschlagen, aber darin hatten wir uns wohl getäuscht. Das dunkle Geschöpf erhob sich langsam vom Boden und schrie in einem lauten Ton: „Ich.. Ich akzeptiere es nicht von euch besiegt zu werden!“ Und dann ging alles ganz schnell. Zwirrfinst, das von der dunklen Macht, dessen Ursprungsquelle noch nicht bekannt war, kontrolliert wird, schlug uns alle drei nieder. Als wir wieder langsam regten, sagte das machtgierige Zwirrfinst: „Ihr wagt es, mich herauszufordern? Ihr seid erbarmlich!“ Reptain unterbrach Zwirffinst und widersprach ihm: „Hör mir zu, es ist für eine bessere Welt, wir müssen uns verbünden und die dunkle Macht beseitigen. Es ist sinnlos, wir müssen verschwinden! Sonst wird die ganze Welt zerstört, die dunkle Macht nimmt immer mehr zu. Wir müssen sie stoppen!“ Zwirffinst lachte hämisch. Es sagte nicht, man sah ihm seine Schmerzen an. Die dunkle Hülle, von der Zwirrfinst umgeben war, wurde immer größer. Damit wuchs auch Zwirffinsts Macht, entweder jetzt oder nie dachte sich Reptain: „Zwirffinst.. Du willst und kannst es nicht anderst. Ich nehme dich jetzt mit in die Vergangenheit, das ist der letzte Tag der Sonne für uns beide. Genieße ihn, denn unsere Zeit ist abgelaufen. Pikachu und Flemmli. Nun liegt alles in eurer Hand, stoppt die dunkle Macht die auf euch im Zeitturm wartet. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich von euch verabschieden muss. Ihr seid ein perfektes Team, ich werde euch nie vergessen.“ Pikachu und Flemmli rührten sich nicht. Aber sie konnten sehen, wie Reptain der Abschied schwerfiel. Es wisch sich die Tränen, die auf Grund der Sonnenstrahlen hell funkelten, vom Gesicht ab. Mit einem Ruck packte er sich Zwirrfinst, Reptain erlitt große Schmerzen wegen der dunklen Hülle, von der es umgeben war. Verzweifelt und weinend rief Flemmli Reptain hinterher: „Reptain, geh bitte nicht! Wir können zusammen gegen Zwirrfinst kämpfen!“ Doch Reptain lehnte eiskalt aber zugleich schmerzlich ab: „Die dunkle Macht hat Zwirrfinst voll unter Kontrolle, es hat keinen Zweck. Zwirrfinst ist zu stark, wir müssen aus dieser Welt verschwinden. Lebt wohl, Pikachu und Flemmli...“ Auch die sechs Zobiris folgten ihrem zeitweiligen Diener Zwirrfinst und verschwanden somit mit dem tapferen Reptain aus der Welt. Genau in diesem Augenblick wechselte es von Tag zu Nacht, Pikachu vergaß die letzten Worte von Reptain nicht, diese lauteten: „Ich nehme dich jetzt mit in die Vergangenheit, das ist der letzte Tag der Sonne für uns beide.“ Diesen weisen Satz konnten sie einfach nicht vergessen. Nun fehlten Pikachu und Flemmli die Motivation, sie waren am Boden zerstört und konnten sich nicht fortbewegen. Nicht, weil Reptain gerade verschwunden war, nein. Ihr Körper fühlte sich aufeinmal so schwer an. Dann kam ein erschütterndes Erdbeben, das alles um die beiden Helden herum zum Einsturz brachte. Nach einem kurzen Augenblick, das sich für die Beiden wie eine ganze Ewigkeit anfühlte, hörte man den Schrei eines wütenden und angsteinflößenden Pokémon. Und schon kam ein großes Pokémon zum Vorschein, das so aussah, als sei es die Ursache der Zerstörungen - nicht nur dafür, es war auchnoch verantwortlich für das Verschwinden von Reptain und Zwirrfinst. Pikachu brüllte es wütend an: „D-Du Miststück! Wie kannst du dir soetwas erlauben, und einfach unsere beiden Freunde aus der Welt zerren? Warum tust du uns und insbesondere Reptain soetwas an? Warum müssen sie solche Schmerzen ertragen? Du bist ein erbärmliches Pokémon!“ An dieser Stelle hätte sich Pikachu lieber zügeln sollen, denn durch diese Worte wurde die dunkle Macht des Pokémon nur vergrößert. Auch Flemmli sah das so: „Pikachu.. Es bringt nichts, du machst das Dialga nur noch wütender!“ Pikachu erlitt einen kleinen Schock. Ein Weilchen rührte sich nicht, bis das Dialga zu sprechen begann: „Ich wurde betrogen! Die Menschen haben mir ein Reich voller Macht versprochen, wenn ich ihren Wunsch erfülle - nämlich den Wunsch, das lang gesuchte und gejagte Reptain aus dieser Welt verschwinden zu lassen. Und was bekam ich als Dank? Nichts! Ein leeres Versprechen und ihr seid alleine Schuld daran!“
„W-Warum sind wir denn Schuld daran, Dialga?!“, fragte Flemmli wütend. Dialga antwortete darauf eiskalt und ohne jede Rücksicht: „Warum habt ihr nicht verhindert, dass Zwirrfinst und Reptain nicht aus der Welt ausgelöscht werden, und ihre Existenz vernichtet wird? Spürt meinen Zorn, Pokémon!“ Nun war mein Zeitpunkt gekommen, das geht alles deutlich zu weit. Ein weißes, augenbetäubendes Licht kam zum Vorschein und die drei wurden geblendet. Und dann war mein Zeitpunkt gekommen, die Sache in meine Hände zu legen. „W-Wer bist du? Zwei große Monster gegen zwei kleine Pokémon ist unfair!“, beklagte sich Flemmli und versteckte sich hinter einem Felsen. Aber ich klärte es schlussendlich dann auf: „Keine Angst, ich bin Arceus und stehe auf keiner Seite. Ich bin erschienen, um die Sache aufzuklären, denn ihr wisst die wahre Geschichte von Reptain nicht...“ Nun begann Arceus die wahre Geschichte zu enthüllen: „Reptain klaute einst in der Welt der Pokémon Zahnräder, diese Zahnräder hielten den Fluss der Zeit und des Raumes aufrecht. Doch durch das Stehlen der Zahnräder geriet dieser Fluss durcheinander, und Reptain wurde gesucht. Dialga, das Pokémon das die Zeit beherrscht, das zudem von Palkia, das Pokémon das den Raum beherrscht, unterstützt wurde, bekam den Auftrag von den Menschen, Reptain in eine Falle zu locken, um es aus der Welt verschwinden zu lassen. Jedoch hielten die Menschen ihr Versprechen nicht, deshalb ist Dialga außer sich vor Wut. Palkia kann es nicht mehr sein, denn es wurde von den Menschen in einen Zeitstrudel geworfen, jetzt ist es auch verschwunden, genauso wie eure beiden Freunde. Nun zu dir, Dialga. Ich kann es verstehen, dass du wütend auf die Menschen bist, aber dass du hier alles und jeden vernichtest ist auch keine Lösung.. Ich habe mich im Übrigen noch garnicht vorgestellt. Ich bin Arceus, der Gott unter den vielen Pokémon. Die Menschen werden ihre gerechte Strafe noch bekommen, meine Freunde. Ich danke euch, für euren Mut und eure Unterstützung. Ich verabschiede mich nun von euch. Nehmt das hier als Dankeschön!“ Wieder erschien dieses helle Licht, und dann war Arceus weg. Doch anstelle von Arceus lagen nun Reptain und Zwirrfinst, dessen schwarze Hülle verschwunden war, auf dem Boden. Und nicht zu vergessen: Palkia und die sechs Zobiris. „R-Reptain.. Und auch Zwirrfinst.. Und all die anderen.. Das war das Geschenk von Arceus, wir danken dir vom ganzen Herzen!“, rief Pikachu hoch hinaus in den Himmel. Palkia kehrte in sein Territorium zurück, genauso wie Dialga. Und die sechs Zobiris und ihr Anführer Zwirrfinst schlossen sich zu einem Team zusammen, das die ganzen betroffenen Pokémon auf ihren weiteren Wegen begleitet und sie unterstützt. Reptain, Pikachu und natürlich Flemmli gingen wieder ihrer alltäglichen Jobs nach, nämlich Pokémon in Not helfen.Traurig blickte Ra über die smaragdgrüne Oase, die am glitzernden Flusslauf entstanden war. Die Sonne stand hoch am Himmel und strahlte in ihrer sengenden Hitze auf seinen gefiederten Kopf hinab. Wie können sie mir das nur antun, nach allem, was ich für sie getan habe?, dachte er.
Plötzlich landete ein Falke neben ihm, geschmückt mit Gold und Edelsteinen.
„Was ist los, Ra?“
Er schreckte aus seinen Gedanken auf und schaute zum kleinen Falken hinab. „Sie vergessen mich, Horus“, flüsterte er.
„Ja“, antwortete Horus, „Ja, sie vergessen dich. Aber an uns andere Götter denkt auch niemand mehr.“
„Hmm...“ Ra blickte zu der Sonne auf, ihre Strahlen funkelten golden in seinen Adleraugen. Dann sah er an sich hinab, auf die Brust, wo die Greifvogelfedern in den muskulösen Männerkörper übergingen. „Aber sie brauchen uns... Ich bin ihr Sonnengott, ohne mich würde ewige Finsternis im Nilland herrschen!“
Der Falke blickte ihn mit dunklen Augen an, dann wechselte er die Gestalt und wurde zu einem Falkenköpfigen Mann. Stumm stellte er sich auf die Klippe neben den Sonnengott und blickte über die Ebene, wo die Ägypter vor der Mittagshitze in ihre Häuser geflohen waren, ohne auch nur einen Gedanken an ihre alten Götter zu verschwenden. Niemand wusste mehr, wen die Statuen in den halb zerstörten Tempeln darstellten. Viele beteten schon längst einen einzigen Gott an. Lächerlich, denn wo war er, dieser Gott?
„Glaubst du, ich werde sterben, wenn sie mich vollständig vergessen haben?“, murmelte Ra.
„Nein“, meinte Horus. „Dann wärest du schon längst tot...“
Von einer plötzlichen, verzweifelten Wut gepackt, stieß der Sonnengott einen gellenden Adlerschrei aus. „Dann sollen sie sich jetzt wieder erinnern!“ Zornig streckte er einen Arm aus, brüllte in den Himmel: „Heute wird der letzte Tag der Sonne sein!“ Mit kräftigen Handbewegungen zog er den Mond, der wie ein schwacher weißer Teller am Himmel hing, vor die Sonne. Langsam, ganz langsam wurde es dunkler. Doch mit jedem Zentimeter, den die Sonne verdeckt wurde, schwand seine Macht. Die helle Kugel war die Quelle seiner Stärke, aber das war ihm jetzt egal. Die Menschen sollten büßen, dass sie ihn vergessen hatten! Aber der Mond schien sich regelrecht zu wehren, bäumte sich in seinem Griff auf. Ra, auf dem Tiefpunkt seiner Macht, konnte ihn nicht länger halten. Seufzend zog der helle Teller an der Sonne vorbei, und das Licht kehrte zögernd zurück, gemeinsam mit der Macht des Sonnengottes. Ein Augenblick zorniger Stille.
Dann senkte Ra den Arm, erschöpft, aber dennoch mit neuer Kraft erfüllt. Als er schweigend fortging, blitzte eine solch aggressive Wut in seinen Augen, dass jedem, der ihn gesehen hätte, ein eisiger Schauer über den Rücken gelaufen wäre.
Horus blickte ihm nach.
Die Menschheit hatte den Zorn der Götter auf sich gezogen, könnte man jetzt denken, bald würde die Welt untergehen, mag man nun fürchten. Aber dem war nicht so. Es war ein ganz normaler Tag für die Götter, Ra hatte oft solche Wutanfälle.
Horus lächelte in sich hinein. Wie merkwürdig das wohl auf seinem Falkengesicht anmutete?
Ra hatte immer noch nicht gemerkt, dass der Falkenköpfige es war, der am Mond zerrte, der ihn so widerspenstig gegenüber dem Sonnengott machte. Aber es war besser so, irgendwann würden sich die Leute schon wieder an die Götter erinnern... Irgendwann...
Aber noch machte sich niemand Gedanken um sie. Die Menschen begannen, wissenschaftliche Begründungen für solch eine Sonnenfinsternis zu finden.
Horus wandte sich wieder dem Fluss Nil zu und erwartete gelangweilt die nächste Handlung des Sonnengottes...„Leben und Tod. Schwarz und Weiss. Liebe und Hass. Es gibt immer zwei Seiten, mein Sohn… Merke dir das gut! Es ist immer lohnend, beide Seiten einer Sache zu kennen. Kennst du nur eine, dann ziehe los, und suche die andere Seite“ Diese Worte kamen Fàramir wieder in den Sinn, als er nach einer gewonnenen Schlacht über dem letzten Überlebenden stand und auf ihn hinunter blickte. Sein Vater hatte sie ihm gesagt, kurz bevor er von den Schergen des Herrschers entführt wurde und zum Krieger ausgebildet wurde. Seinen Vater hatte er seither nie mehr gesehen.
Vom Zeitpunkt seiner Entführung an bestand sein Leben aus Schlafen, Essen und Kämpfen. Zusammen mit anderen Knaben wurde er zum Mitglied der Elite-Einheit „Ràk Ra Stèr“ ausgebildet, was so viel wie „Die Rache des Unsterblichen“ bedeutete. Der Unsterbliche war der Herrscher seines Königreiches. Er war ein guter, gerechter Herrscher, doch Verrat, Mord und Diebstahl standen unter Todesstrafe. Er war sehr machthungrig und stand deshalb ständig im Krieg mit anderen Königreichen, um sein Königreich zu vergrössern. Er herrschte seit Anbeginn der Zeit in diesem Land, niemand kannte es anders. Ebenfalls unbekannt war, warum er unsterblich war. Manche munkelten, er habe das Rezept des ewigen Lebens entdeckt, wiederum andere behaupteten, er hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen.
Die Aufgabe der „Ràk Ra Stér“ war es, Verräter, Diebe, Mörder und gegnerische Krieger kaltblütig umzubringen. Sie hatten kein Gewissen, führten den Befehl ihres Herrschers ohne mit der Wimper zu zucken aus. Sie wussten, wie man schnell und effektiv tötete, denn ihre Ausbildung dauerte zehn Jahre, und nicht wenige kamen während dieser Zeit um. Diejenigen, die es schafften, die Ausbildung zu beenden, gehörten zu den besten Kriegern des Landes. Sie unterstanden nur dem Herrscher selbst. Fàramir selbst hatte die Ausbildung ohne Mühe bestanden, war einer der besten, die es je gegeben hatte. Er war kaltblütig, gerissen und führte jeden Befehl ohne nachzufragen aus, auch wenn er fragwürdiger Natur war.Bis jetzt. Etwas war anders. Etwas hatte sich geändert. Doch was? Fàramir war sich nicht ganz sicher. Doch jetzt stand er da, nach einer gewonnen Schlacht, vor dem letzten Überlebenden, und zögerte. Er hatte ganz klar den Befehl, alle Überlebenden umzubringen. Doch dieser Krieger war anders. Er hatte eine Aura, wie Fàramir sie bei keinem anderen je gespürt hatte. Er strahlte Stolz und Kraft aus. Was wäre, wenn er ihn nicht töten würde? Er könnte ihn einfach gehen lassen, die anderen würden es nie erfahren, denn alle waren bereits wieder zurück ins Lager gegangen. Sie vertrauten Fàramir, dass er alle Überlebenden umbringen würde, sie wenn nötig verfolgen und dann langsam und qualvoll töten würde.
Sie waren allein auf dem riesigen Schlachtfeld, nur einige Geier kreisten über ihren Köpfen und warteten darauf, dass sie den unzähligen Toten, welche überall um die zwei Krieger herum lagen, die Augen auspicken konnten. Meilenweit war keine andere Menschenseele. Die Sonne war gerade untergegangen und die Dunkelheit legte sich langsam über das Schlachtfeld. Bisher war es ihm immer gleichgültig gewesen, was seine Opfer fühlten, er tötete sie und fertig. Er hatte nie ein schlechtes Gewissen, es war ihm egal.Eigentlich war schon allein die Tatsache, dass er überhaupt darüber nachdachte, dass es eine andere Möglichkeit gab, als ihn zu töten, ein Verrat an seinem Herrscher. Und trotzdem liess ihn dieser Gedanke nicht los. Was wäre, wenn er ihn verschonen würde? Er sah auf den Mann hinunter, welcher ihm herausfordernd in die Augen blickte. Sie waren so blau wie das Meer. Er hatte das Meer noch nie gesehen, trotzdem stellte er sich vor, es hätte genau diese Farbe. „Eines Tages“, dachte er, „werde ich es sehen“. Fàramir erkannte keine Angst in seinen Augen.
Das verwirrte ihn. Jeder andere Mann hätte sich vor Angst in die Hosen gemacht und starr auf den Boden geblickt. Immerhin war er Fàramir, der beste Krieger auf Seiten seines Herrschers. Und der Mann, welcher da vor ihm auf dem Boden kauerte, war nichts weiter als ein gewöhnlicher gegnerischer Krieger, der letzte Überlebende des feindlichen Heeres. Warum also, dachte er allen Ernstes darüber nach, ob es eine andere Möglichkeit gab, als ihn zu töten? Er wurde seit seiner Kindheit aufs Töten ausgerichtet. Bisher stellte er nie Fragen, tötete auf Befehl.Fàramir und der Krieger starrten sich noch immer an. Die braunen, fast schwarzen Augen Fàramirs bohrten sich in die meerblauen des Kriegers. Die Lippen des Kriegers verzogen sich zu einem Lächeln. „Na los! Du weisst, dass es einen anderen Weg gibt. Eine andere Seite! Trau dich!“ flüsterte er leise. Fàramirs Augen weiteten sich überrascht. Der Krieger sprach seine Sprache! Er sprach von einer anderen Seite. Doch wo? Wie sah sie aus? „Verschone mich und beginne ein neues Leben als freier Mann!“ flüsterte der Krieger immer noch lächelnd. „Ich könnte dir helfen“ fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. Ihn verschonen und mit ihm fortgehen. Fàramir begriff, was die andere Möglichkeit, die andere Seite, war. Und trotzdem, wenn er es täte, würde er sein Königreich verraten, und mit ihm den Herrscher. Er würde verfolgt und gejagt werden, bis sie ihn zur Strecke gebracht hätten. Er hätte keine Chance. Früher oder später würden sie ihn finden und hinrichten. „Ich kann nicht“ Fàramir blickte in das Gesicht des Kriegers. Verständnisvoll nickte der Krieger. „Dann will ich dich nicht länger aufhalten. Töte mich, ich bin bereit“ antwortete der Krieger sanft.
Fàramir ballte die linke Hand zur Faust und ergriff mit der rechten sein mit Blut besudeltes Schwert. Er hielt es dem Krieger seitlich an den Hals. Den Augenkontakt hatten sie keine einzige Sekunde lang unterbrochen. Dann holte er aus und wollte ihm schon den Kopf abschlagen, als er plötzlich innehielt und zögerte. Er zögerte sonst nie. Einfach ausholen und zuschlagen, wie er es bestimmt schon tausende Male getan hatte. Doch wieder befielen ihn diese Zweifel. Er merkte auch, dass er nicht wie sonst diese Aufregung, die Vorfreude auf das, was gleich geschehen würde, verspürte. Er fühlte nichts. Und das machte ihm Angst. Als ihm dies bewusst wurde, liess er das Schwert endgültig sinken. Er wollte nicht mehr töten. Sein Leben lang hatte er nichts anderes getan, als zu gehorchen und zu morden. Jetzt hatte er genug. Er würde diesen Krieger nicht töten, er sah keinen Grund mehr. Er wollte kein Krieger mehr sein, er wollte ein normales Leben führen, heiraten, Kinder kriegen, durch die Welt reisen und neue Orte entdecken. Auch wenn seine Entscheidung bedeutete, dass er nun ein Verräter war, war es ihm egal. Er wollte ein neues Leben beginnen, egal wie kurz es auch sein würde. Nie mehr töten.
Fàramir begann zu lächeln und fragte „Kannst du sie mir zeigen? Die andere Seite?“„Und eben genau deshalb beträgt x in diesem Falle ganz genau
23. Wer kann die Aufgabe noch mal an der Tafel vorrechnen? Wie wärs mit dir,
Daniel?“Beim Klang seines Namens blickte Daniel auf. Es war ein verregneter Dienstagnachmittag,
und er saß wie immer noch in der Schule.
Meist jedoch verfolgte er nicht sehr aufmerksam das Unterrichtsgeschehen, sondern
träumte vor sich hin. Deshalb erschrak er ein Wenig, als Frau Richter seinen
Namen nun schon zum zweiten Mal, und deutlich lauter als vorher, aufrief.„Ja, was ist?“ murmelte Daniel mit monotoner Stimme.
„Du wirktest wie immer total abwesend. Wie oft habe ich dir
schon gesagt, dass du dich bei deinen Noten lieber auf Mathematik konzentrieren
sollst, als dich andauernd in deine Fantasiewelten zu verkriechen?
Du sollst diese Aufgabe, die wir übrigens eben ausführlich
besprochen haben, noch mal an die Tafel schreiben!“Natürlich konnte Daniel die Aufgabe nicht vorrechnen, so wie
es Frau Richter von ihm Verlangte. Natürlich bekam er wegen Unaufmerksamkeit
für diese Stunde eine sechs eingetragen, und natürlich war er einmal mehr das
Gespött seiner Klassenkameraden.Als es zum Unterrichtsende klingelte, packte er hastig seine
Bücher und Hefte in seinen Rucksack, zog seine Jacke an und verließ so schnell
wie möglich das Klassenzimmer.„Hihi, habt ihr mitbekommen, wie unglaublich gut unser
Daniel heute wieder in Mathe war?“ „Ja, klar, aus dem wird noch mal ein
richtiger kleiner Einstein.“ „Ja genau, und jetzt geht er sicher zu seinen
Freunden, er hat ja sooo viele“Die hämischen Sprüche seiner Mitschüler nahm Daniel nur am
Rande wahr. Zu oft hatte er ähnliche Sätze gehört, um ihnen noch Beachtung zu
schenken. Es war immer das Gleiche, was sie über ihn redeten. So laut, dass er
sie deutlich verstehen konnte. So leise, dass er sich unsicher war, ob sie dies
beabsichtigten.Zuhause angekommen, schlang der Junge so schnell er konnte
sein Mittagessen hinunter, beantwortete einige Fragen seiner Mutter mit einem
zustimmenden Brummen oder einem stummen Kopfschütteln. Er wollte sich nicht mit
diesen Nebensächlichkeiten aufhalten, sondern so schnell es ging in seinem
Zimmer verschwinden.Daniel wusste genau, dass er anders war als die anderen
Menschen. Was genau es war, konnte er nicht genau sagen. Seit seiner
Grundschulzeit fühlte er sich unwohl, wenn er unter Menschen war, seien es
Fremde, Mitschüler oder Familienmitglieder. Er fühlte einen tiefen Abgrund,
zwischen sich und dem Rest der Menschheit. Er wirft sich auf sein Bett und
schließt die Augen, um die hervorschießenden Tränen zu unterdrücken.Daniel steht in einer
trostlosen Umgebung vor einem reißenden Fluss. Dieser ist mindestens 15 Meter
breit, der Grund ist nicht zu erkennen. Er blickt sich um. Sein Blick wandert
über riesige Felsbrocken, die wie Gefährliche Monster aus der Erde ragen. Er
sieht kahle Bäume, die einen unheimlichen Schatten auf den kargen Erdboden
werfen. Ein paar Meter weiter erkennt er eine alte, aus vergilbten Holzbrettern
mit rostigen Nägeln zusammengehämmerte Hütte. Es ist mehr ein Unterstand, denn
es gibt keine Wände oder ähnliches. Sonst gibt es nichts, auf der Seite des
Ufers, wo Daniel steht.Sein Blick fällt auf das andere Ufer. Alles, was dort ist, kann er nur verschwommen betrachten,
so weit entfernt scheinen die Menschen und Gegenstände dort zu sein. Es scheint, als ob die
Menschen dort sehr fröhlich sind. Sie halten sich an den Händen, singen laut
und tanzen zu Musik, die eine Band spielt. Auch die Umgebung sieht ganz anders
aus. Saftiges, grünes Gras bedeckt den ganzen Boden, die Bäume schmücken
dunkelrote Äpfel, pralle Pflaumen und saftige Kirschen, es gibt ein richtiges
Holzhaus mit edlen Verzierungen, und sogar ein großes Trampolin befindet sich
dort, auf dem einige Kinder jauchzend herumspringen.„Da wär ich auch
gerne“, denkt Daniel. Er geht einige Schritte dem Fluss entgegen. Seine
Schritte werden schwerer, je näher er dem Fluss kommt. Als er unter großer
Anstrengung dennoch nach einiger Zeit am Wasser angekommen ist, schaut er sich
in alle Richtungen um. Doch es scheint keine Brücke zu geben, auf der er hätte
den Fluss überqueren können, um mit den anderen Menschen mitzufeiern. Es gibt
noch nicht einmal eine Liane, die er ergreifen, und sich hinüberschwingen
könnte. So steht er einfach nur dort, um schaut zu den fröhlichen Menschen
hinüber. Nach einiger Zeit, beginnt er zu rufen, doch keiner hört ihn. Keiner
will ihn hören. Doch da, ein anderer Junge schaut in seine Richtung, tritt dann
auf seiner Uferseite ans Wasser, und streckt seine Hand nach Daniel aus. Auch,
wenn der Fluss zwischen ihnen liegt, hebt er ebenfalls seine Hand. Doch kurz
bevor sie mit der Hand des anderen Jungen auf einer Höhe ist, zieht dieser
seine Hand zurück, und fängt an zu lachen. Dann dreht er sich um, und geht
wieder zurück zu seinen Freunden. Sie haben anscheinend viel Spaß dabei, sich
nach Daniel umzudrehen, mit dem Finger auf ihn zu zeigen und ihn auszulachen.„Schatz, ich mache mir langsam Sorgen um unseren Jungen“
„Ja Marie, ich weiß, was du meinst. Er wird immer stiller
und zieht sich zurück, stimmts?“
„Ich meine nicht nur das. Er war ja schon immer ein
zurückhaltender Junge. Kannst du dich noch an seinen ersten Schultag erinnern?
Wie sehr er weinte, weil er sich zu den anderen Kindern in die erste Reihe
setzen sollte?“
„Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, ja.“
„Nunja, aber in der letzten Zeit ist mir noch etwas anderes
aufgefallen. Mir kommt es manchmal so vor, als ob er wenn er die Augen
aufmacht, nicht dieselbe Welt sehen, wie wir. Ich weiß nicht, ob er merkt, dass
wir uns um ihn sorgen, dass wir ihm helfen wollen.“
Seine Eltern sind wirklich besorgt um ihn. Sie möchten ihm
gerne eine tolle Zukunft bieten, es mangelt ihnen nicht an Geld und es geht der
Familie insgesamt nicht schlecht.Daniel versucht derweil immer noch verzweifelt, irgendwie über den Fluss zu kommen.
Immer stärker wünscht er sich, so zu sein, wie die anderen. So verdammt gerne würde er einfach mit
ihnen reden, lachen, feiern. Als er keine andere Möglichkeit mehr sieht, nimmt
er in seiner Verzweiflung Anlauf, und versucht blödsinnigerweise über einen 15
Meter breiten Fluss zu springen. Natürlich misslingt sein Vorhaben.Man findet ihn etwa zwei Stunden später leblos unter einer
Eisenbahnbrücke.„Unsere Herrscherin ist schwach…“ Besorgt blickt Gevatter Mond in die unendlich weite Ferne des Universums, wo die Sonne ihre Strahlen nur noch schwächlich versprüht. Ihr weises, altes Gesicht ist angestrengt und schmerzverzerrt. Des Mondes tausend Gefährten, die Sterne, können sich mit der Wahrheit kaum abfinden. Dass so etwas geschehen sollte, hätten sie niemals erwartet.
„Wie nur konnte so etwas geschehen, Bruder?“, fragt einer davon den Mond, welcher seine Stirn in Falten gelegt hat.
„Seit Anbeginn der Zeiten wacht sie über uns. Schien sie auch unverwundbar, von ewigem Leben zu sein, so läuft auch ihr die Zeit langsam davon… Ist sie auch stark, so wird sie es nicht mehr lange durchhalten. Unsere Welt, wie wir sie kennen, wird es bald nicht mehr geben. Denn Mutter Sonne hält uns alle zusammen, und wenn sie jemals aufgeben müsste, so müssten auch wir es ihr gleich tun.“ Traurig schliesst der Gevatter seine Augen. „Sie ist älter als die Erde, älter als wir alle zusammen. Treu hat sie uns alle geschützt und uns vor Unheil bewahrt. Indem sie ihre Herzenswärme in Flammen umwandelte und damit die Galaxie in Licht tauchte, konnte sie Geschöpfe erschaffen, welche glücklich den Planeten eroberten und sich dort einen Ort schufen, an dem sie ihr Leben verbringen konnten. Das ist der Sinn ihres Daseins, dass sie uns alle am Leben hält. Sowohl wir Himmelskörper als auch die Wesen auf der Erde verdanken ihr unsere Seele. Und jetzt soll alles vorbei sein…“
„Doch was ist mit der Sonne los, mein Bruder? Sie ist alt, gewiss, doch einige Jahre mehr oder weniger sollten ihr doch…“
„Ach, du naiver Tor, hast du denn wirklich keine Ahnung, was ihr zugestossen sein mag? Ihre Seele ist erkrankt, törichte Laune der Natur! All die Jahre, Millionen um Millionen… Täglich dasselbe, immer am Himmel stehen, der Welt das Licht einflüstern und pausenlos die Strahlen verschicken, damit die anderen sich daran erfreuen… Sicher, ihr ist gewiss, dass ohne das Licht ihres Herzens kein Wesen überleben kann. Und das ist auch das einzige, was ihr noch übrig bleibt. Dazu ist sie geboren, dies ist ihr Schicksal – und das ist ein enormer Druck. Ihr altes Herz hält es einfach nicht mehr aus. Irgendwann muss schliesslich das Ende eintreffen, und sie spürt, dass sie im Geiste schon lange verloren hat.“ Verängstigt blickt der kleine Stern zu dem wutverzerrten Gesicht des alten Mondes hinauf. So hat er den sonst so friedliebenden Gevatter seit Anbeginn seiner Existenz noch niemals erlebt. Vorsichtig fragt ein anderer Stern:
„Können wir denn gar nichts dagegen tun?“ Die Gesichtszüge des Mondes besänftigen ein bisschen, die Wut in seinen funkelnden Augen verwandelt sich in Trauer.
„Nein, gar nichts. Eine höhere Macht hat es so vorgesehen, dass das Leben schon bald für immer ausgelöscht werden soll. Die Sonne wird sterben, und das Universum wird gemeinsam mit ihr untergehen. Und auch sie wird froh darüber sein, ihren Lebenssinn bis an diese Stelle erfüllt zu haben. Es ist das Schicksal der Sonne, der Welt, jeglicher Existenz. Der letzte Tag der Sonne wird schon bald anbrechen, und keiner kann es verhindern.“Der Teil der Erdbevölkerung, welcher zu dieser Zeit der Tag anbricht, blickt verwundert zum Himmel. Keine einzige Wolke zeigt sich, klarer könnte das Wetter nicht sein. Trotzdem ist es für diese Tageszeit erstaunlich dunkel. Im Winter wäre dies normal, doch es ist mitten im Sommer. Es scheint beinahe so, als habe die Sonne ihre Kräfte verloren, könne sie nur noch schwach ihre Strahlen an die Lebewesen der Erde weiterreichen. Man kann direkt in ihr Antlitz blicken, ohne geblendet zu werden. Ihre sonst so kraftvollen Flammen zucken nur schwach, schaffen es kaum, die Erde überhaupt zu erreichen. Die Menschen fragen sich, was das wohl sein könnte. Die meisten von ihnen winken ab. Man solle sich keine Sorgen machen, teilen sie den anderen mit, dies sei nur eine Laune der Natur. Bald schon wäre alles wieder normal… Ach, wüssten sie nur, was in wenigen Tagen schon auf sie zukommt... Doch was würde das nützen? Vor dem drohenden Unheil, was ihnen bevorsteht, können sie sich nicht schützen – keiner kann das. Niemand. Diese Macht liegt über dem Verstand der Menschen, sie haben keinen Einfluss darauf. Hilflos sind sie der Zukunft ausgeliefert, dem Ende der Welt. Und keiner von ihnen hat überhaupt eine Ahnung. In genau zwei Tagen wird der letzte Tag der Sonne anbrechen, und mit ihm der letzte Tag der Menschheit.
„Endlich wird mein Leiden ein Ende haben. Schon so lange, so lange warte ich auf diesen Tag, diesen einen Tag, der mich erlöst. Ich sollte mich freuen, doch ich kann es nicht. Die Menschen, ich sehe sie, sie blicken mich an… Ich blicke zurück und weiss, dass sie es nicht bemerken. Sie, für die ich meine Strahlen auf die Erde sandte, meine Boten des Lebens… Ich werde sie vermissen. Und dort drüben, der Mond und seine Gefährten… Mein lieber Mond, welcher mir als Berater immer so gut zur Seite gestanden ist… Besonders er wird mir fehlen, so sehr… Hach, wäre dies doch nur nicht mein Schicksal. Könnte ich doch auch dort auf der Erde leben und ein normales Dasein führen, ein Mensch ohne wichtige Aufgabe… Könnte ich doch ein Wesen sein, gleich wie jedes andere, unauffällig und von kaum jemandem beachtet… Das hört sich schön an. Und wer weiss, vielleicht werde auch ich einmal als Mensch wiedergeboren in einer neuen Welt, nach all diesen Strapazen, nach unserem Untergang. Ach, könnte ich mir nur gewiss sein, könnte mir nur jemand garantieren, dass ich jemals normal sein könnte, eine von vielen, von niemandem beachtet. Ich will doch nur meine Ruhe haben und nicht diese schreckliche Verantwortung, welche ein Fluch meiner Seele ist… Wieso nur, wieso ich? Weshalb wurde ich auserwählt, ich kann doch nichts dafür, schon seit Jahrmillionen auf die Erde mit all seinen Geschöpfen aufpassen zu müssen… Doch jetzt bringt alles nichts mehr. Ich spüre, ich habe keine Kraft mehr. Meine Gedanken sind das einzige, was mir noch bleibt, meine Strahlen hören auf zu leuchten, mein Gesicht wird ruhiger werden. Ich spüre, alles wird besser werden, wenn das alles vorbei ist. Lange werde ich nicht mehr durchhalten. Mich plagen keine Schmerzen, ich bin nur schwach. In all den Jahren habe ich nicht geschlafen, kein einziges Mal habe ich meine Augen geschlossen, um mich auszuruhen. Tags und nachts wachte ich über die Erde, Ruhe war für mich ein Fremdwort. Ich fasse meinen Entschluss: Morgen werde ich aufgeben. Morgen werde ich mein Schicksal besiegeln. Ich werde Gevatter Mond meine Entscheidung nicht mitteilen, das fiele mir zu schwer. Ich werde still und leise einschlafen. Einschlafen für immer. Morgen wird mein letzter Tag sein. Mein letzter Tag als Sonne. Und wer weiss, vielleicht werde ich ja jemals wiedergeboren in einer neuen Welt, in der meine Wünsche in Erfüllung gehen. Nach meinem Tode wird noch etwas kommen – Das spüre ich."
Eine schwache, aber kalte Brise erhob sich und zog über das Eis. Vereinzelte Schneeflocken wirbelten auf und stachen winzigen Nadeln gleich in meine unbedeckte Gesichtshaut. Leise plätscherten die Wellen gegen das gefrorene Land, strahlend schimmerte das rötliche Licht der untergehenden Sonne in ihnen. Ich hob die Hand vor die Augen, einerseits um mich vor den Eiskristallen zu schützen, andererseits um mich vor dem gleißenden Sonnenlicht abzuschirmen. Dem letzten Sonnenlicht für die nächsten Monate.
Wehmütig senkte ich den Blick. Ich hasste diese Zeit der nicht endenden Finsternis, wenn das einzige Licht in der Welt das der Straßenlaternen war. Jetzt schon vermisste ich die Sonne. Wie ihre sanften Strahlen zärtlich mein Gesicht liebkosten, wie ihr wärmendes Licht all meine Sorgen und Zweifel einfach hinwegspülte. Wie gern ich jeden Abend in der Zeit der Tagundnachtgleiche zur Küste ging, um zu bewundern, wie sie unterging. Dieses majestätische Schauspiel bewegte mich jedes Mal aufs Neue…
Aber das würde ich heute zum letzten Mal für lange Zeit sehen. Heute verschwand die Sonne zum letzten Mal hinter dem Horizont und tauchte die nächsten sechs Monate nicht mehr auf. Der arktische Winter begann. Jene Zeit des Trübsals und der Verbitterung, der Trauer und Dunkelheit…
Der Wind frischte auf und zerrte an der Kapuze meines Anoraks. Mit einer Hand hielt ich sie fest, den Blick noch immer gesenkt. Ich meinte bereits zu spüren, wie es immer kälter und kälter wurde…und das hatte nichts mit dem Wetter zu tun. Diese Kälte kroch aus dem Schatten der Nacht über die Welt und verdunkelte die Herzen aller Menschen in dieser gottverlassenen Eiswüste. Gnadenlos vernichtete sie Träume, Hoffnungen, Wünsche, ließ nichts als Verzweiflung und Angst zurück, raubte allen ihre –
„Sayan?“
Bei der Erwähnung meines Namens drehte ich mich überrascht um und blickte in Kayras wunderschönes Gesicht. Sie war mir tatsächlich den ganzen Weg hierher gefolgt, und das, obwohl unser Heimatort eine gute Stunde Fußmarsch entfernt lag. Meine Geliebte trat die letzten Schritte zu mir heran und sah mir direkt in die Augen. Sie lächelte.
„Ich wusste, ich würde dich hier finden…“, flüsterte sie und küsste mich liebevoll. Ich erwiderte den Kuss zärtlich und legte die Arme um sie. Ihre Nähe vertrieb mit einem Schlag all meine finsteren Gedanken und erfüllte mich mit Glück und Freude. Ich liebte sie für diese besondere Gabe.
„Du weißt, ich verpasse ihn nie…den letzten Tag der Sonne.“
„Ich weiß, ja. Seit zwanzig Jahren kommst du immer zur Tagundnachtgleiche hierher, um dir den Sonnenuntergang anzusehen. Ich weiß, was es dir bedeutet.“ Sie legte eine Hand auf meine Brust, direkt über meinem Herzen. „Und ich weiß, wie weh dir der Anblick des letzten Sonnenuntergangs vor dem Winter tut. Ich kenne deinen Schmerz…aber du musst ihn nicht alleine durchstehen. Ich werde immer bei dir sein, Sayan.“ Sie küsste mich erneut.
Mein Herz wollte schier überfließen vor Liebe. Seit vier Jahren waren Kayra und ich nun zusammen, und vom ersten Augenblick an war mir klar gewesen, dass sie die Richtige für mich war. Ihre sanfte, liebevolle Art hatte mich regelrecht verzaubert, und ihr Lächeln konnte selbst dem Trübsinnigsten wieder Freude schenken. Doch was sie so besonders machte, war ihre Gabe, mich allen Schmerz und alle Verzweiflung einfach vergessen zu lassen. Die schrecklichste Erinnerung und der grausamste Zorn verblassten einfach in ihrer Nähe. Sie strahlte eine solch starke Zuversicht und Lebensfreude aus, dass es ganz unmöglich war, von schlechten Gefühlen geplagt zu werden. Sie machte mich ein weiteres Mal den bohrenden Schmerz der nahenden Finsternis vergessen.
Nach einer wunderbaren Ewigkeit lösten sich ihre Lippen von meinen. Kayra fasste meine Hände und lächelte mir voller Wärme entgegen.
„Kehren wir nach Hause zurück, Sayan. Lyna wartet schon auf uns.“
Der Gedanke an meine Tochter beflügelte mich und verbannte endgültig jegliche Unsicherheit aus meinem Herzen. Auch wenn es die nächsten Monate dunkel sein würde, das Licht, das meine Familie mir schenkte, strahlte heller als tausend Sonnen. Nichts und niemand vermochte mir mehr Zuversicht zu schenken.
Gemeinsam schritten wir in Richtung unserer Heimatstadt. Unsere Bindung hätte nicht stärker sein können als in diesem Moment, als wir der verlöschenden Sonne den Rücken zuwandten und unserem Glück entgegengingen. Und in genau diesem Augenblick wurde mir eines klar…Das Licht der Liebe bezwingt selbst den dunkelsten Schatten.
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tabtost: ich hab deine zwei PNs erhalten, wobei es sich alles ausgegangen wäre, wenn du die Schrift nicht so groß gemacht hättest, weil sie sowieso nicht übernommen wird.
Ich wollte nur noch darauf aufmerksam machen, dass heute die letzte Chance zum Abgeben ist! Die Deadline läuft um Punkt 23:59 Uhr ab, danach werden keine Texte mehr angenommen.
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Gratz an die Neuen. Besonders an Chari.
und tschau, an die, die gehen. -
Kärnten, nice, nice. Ganz im Süden Österreichs. O:
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Österreich, nice, nice. (:
Darf man fragen aus welchem Bundesland?Welcome.
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Nein, das darf man nicht, da es eher um die eigene Schreibstärke geht. Und wenn du wirklich was einbringen willst, dann
1. nicht zu lang und
2. selbst geschrieben! -
Das Thema dieses Wettbewerbes lautet Überschriften
Auch dieser Wettbewerb kam im letzten Jahr bereits vor - ihr wählt eine von vier Überschriften aus und schreibt zu dieser eine Kurzgeschichte. Die maximale Wortanzahl beträgt 1.500 Wörter, ob Pokémon vorkommen oder nicht, bleibt auch dieses Mal euch überlassen.
Lesen bildet. ;) -
OpenOffice zählt auch - und "..." als eigenes Wort, wie es darauf kommt, weiß ich nicht, ist leicht unnötig, aber keine Bange - ich zähl selbst nochmal nach mit WORD, das korrekt zählt.
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Hm, interessant. Zwar werde ich die neuen Folgen nicht gucken, da keine Zeit & keine Lust, aber trotzdem nett zu erfahren. Viel Spaß an jene, die das gucken werden. (:
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Ich LIEBE meine Jogginghose, ganz ehrlich. Aber so einen Jogginghosentag finde ich total unnötig, srsly. Es hatte bei uns 20 Zentimeter Schnee, natürlich zieh ich da die Jogginghose an, weil ich ja eh nie friere. /sarcasm.