Satoshi streckte sich, als erste Strahlen der morgendlichen Sonne, ihn aus seinem Schlaf weckten. Für einen Moment blieb er noch liegen, doch dann richtete er sich auf. „Es ist wunderbar mal wieder zuhause zu sein! Findest du nicht auch, Pikachu?“
Das Pokémon, das bis vor einem Moment noch zusammengerollt neben seinem Kopfkissen gelegen hatte, öffnete die Augen und sah ihn an. Dann hüpfte es auf seine Schulter und rieb seine Wange am Hals des Jungen. „Pika-Pikachu!“
Der junge Champ lachte, dann schwang er sich aus dem Bett und streckte die Arme in die Luft. „Ich fühle mich großartig!“ Damit riss er erst Vorhänge, dann das Fenster auf und zog die frische Morgenluft ein. „Lass uns schauen, was es zum Frühstück gibt!“
„Pika!“, stimmte auch sein Partner zu und schon stürmte der Junge aus seinem Zimmer und die Treppe in die Küche hinunter.
„Mama! Was gibt es zum Frühstück?“, rief er und klang dabei nicht anders, als noch vor sieben Jahren, als er das erste Mal zu seiner Pokémonreise aufgebrochen war.
Seine Mutter stand in der Küche des kleinen Hauses, das zur Hälfte eine Pension war und sah ihn an. „Du bist schon wach, Satoshi?“, fragte sie und musterte ihn. „Aber was machst du denn? Du weißt doch, dass es nichts zu essen gibt, bevor du dich gewaschen hast! Und zieh dir doch was vernünftiges an!“ Dabei tadelten ihn zwar ihre Worte, doch ihre Miene war freundlich und warm. „Jetzt geh. Bis du dich angezogen hast, habe ich auch das Frühstück fertig.“
Satoshi seufzte. „Ja, Mama.“
„Pika, Pika“, murmelte auch Pikachu und ahmte sehr gut das enttäuschte Gesicht seines Trainers nach.
So lief der Junge weitaus weniger begeistert die Treppe wieder hinauf, um sich im Badezimmer zu waschen und sich vernünftige Kleidung anzuziehen. Dabei war ihm natürlich klar, dass die alten Regeln weiterhin galten. Immerhin kamen ab und zu auch Gäste in das Esszimmer und es wäre wohl kaum angemessen, wenn er dort im Schlafanzug sitzen würde.
Wie immer jedoch erholte sich Satoshi sehr schnell von der vermeintlichen Enttäuschung, da ihn noch während er auf der Treppe war, der Gedanke einholte, dass er so direkt nach dem Frühstück zu Okido-hakase gehen und seine alten Pokémon besuchen konnte.
Erneut lachte er auf und sprang die letzten paar Stufen beinahe hinauf.
Nicht viel später kam er komplett bekleidet die Treppe wieder herunter. Wie auch früher auf seinen Reisen trug er eine bequeme Outdoorhose, dazu jedoch nur ein einfaches schwarzes T-Short, da er zuhause kaum mehr brauchte.
Natürlich saß Pikachu weiterhin auf seinem angestammten Platz auf der Schulter des Jungen, während dieser sich nun an den Essenstisch setzte, der von seiner Mutter bereits für zwei gedeckt worden war.
Nun brachte seine Mutter eine bunte Mischung an Frühstücksspeisen auf einem Tablett hinüber.
Darauf waren Toasts und Pfannkuchen, aber auch Tamagoyaki, Onigiri und eine Schale mit Reis.
„Wow, das sieht superlecker aus, Mama!“, rief Satoshi begeistert aus.
„Lass es dir Schmecken“, meinte seine Mutter. „Das ist ein Willkommensfrühstück.“ Sie zwinkerte ihm zu, während sie noch einmal in die Küche ging, um auch Pikachu ein Frühstück zuzubereiten.
Das ließ sich Satoshi nicht zwei Mal sagen. Kaum, dass seine Mutter das Tablett abgestellt hatte, schaufelte er das Essen zuerst auf seinen Teller, dann in seinen Mund, so als hätte er seit mindestens einer Woche nichts mehr gegessen.
Auch Pikachu ließ es sich nicht nehmen eins der großen Onigiri zu nehmen und daran zu knabbern.
Hanako lächelte, als sie mit einer Schale Pokémonfutter für Pikachu zurückkam. „Aber, aber, du scheinst ja hungrig zu sein.“
„Na“, nuschelte ihr Sohn mit halb vollem Mund, „ich habe ja schon lang nichts mehr von dir gegessen!“
Damit stopfte er weiter und auch Pikachu begann freudig an dem Pokémonfutter zu knabbern.
Hanako aß selbst nichts, obwohl sie einen Teller vor sich stehen hatte. Stattdessen stützte sie den Kopf auf ihren Händen und sah ihrem Sohn beim Essen zu. Sie wusste, dass sie eine gute Köchin war, doch es bereitete ihr immer wieder Genugtuung ihrem Sohn ihr Essen verschlingen zu sehen, was vielleicht an der kindlichen Begeisterung liegen mochte, die er dabei aufbrachte.
Bei der Geschwindigkeit, mit der der junge Champ das Essen in sich hineinschaufelte, war es kaum verwunderlich, dass es nicht lange dauerte, ehe er sich zurücklehnte und den Bauch rieb. „Man bin ich satt!“, murmelte er.
„Pikachu Pi“, stimmte auch das gelbe Pokémon, das auf dem Tisch saß, ihm zu.
„Nun, es freut mich, dass du keinen Hunger mehr leiden musst“, meinte seine Mutter mit einem Lächeln.
Der Junge lachte, sah dann jedoch mit nervösem Blick zum Fenster hinüber, was seiner Mutter nicht entging.
„Ich weiß, dass du zu Okido-hakase willst“, meinte sie sanft.
„Kann ich?“, fragte der Junge sofort. „Macht es dir nichts aus?“
„Natürlich kannst du gehen.“ Hanako lächelte ihren Sohn an. „Deine Pokémon haben dich sicher mindestens genau so vermisst, wie ich.“
Satoshi sprang auf. „Danke, Mama!“, rief er aus und lief los, wobei ihm Pikachu, fast, als wäre es ein Teil seines Körpers, in einer fließenden Bewegung auf seine Schulter sprang.
So dauerte lief Satoshi kaum eine Minute später die Straße, die durch die kleine Stadt führte, hinauf und schien dabei nicht einmal außer Puste zu kommen. Schon sah er das Labor des Professors vor sich und sprang, ohne zu zögern (und ohne auf den Professor zu warten) über den Zaun.
„Fushigidane! Kingler! Heracross! Bayleaf! Alle zusammen! Ich bin wieder da!“, rief er und viele, der umher weidenden Pokémon sahen auf.
Noch bevor er etwas anderes rufen konnte, begann der Boden unter seinen Füßen zu beben, als die ersten Pokémon angelaufen kamen. Und zwar war es eine ganze Herde – die Herde Kentaros, die er einst gefangen hatte. Noch bevor er ihnen ausweichen konnte, warfen sie ihn zu Boden und umringten ihn.
„Ich freue mich auch, euch zu sehen“, lachte der Junge, während die Pokémon ihm eins nach dem anderen über das Gesicht leckten.
Kaum, dass die Kentaros von ihm ließen, lebte ein großes Käferpokémon auf seinem Kopf und saugte an seinen Haaren, während ein Pflanzenpokémon seinen Kopf an seinem Rücken rieb. „Bayleaf! Heracross!“
„Pi-Pika!“, begrüßte auch Pikachu seine alten Teamkollegen.
Da kam ein weiteres Pokémon über einen Stein gesprungen und beobachtete sie mit erhabenem Blick. „Dane“, murmelte es in einem Tonfall, dass man meinen konnte, es würde die anderen Pokémon für ihr übereifriges Verhalten schelten.
„Fushigidane!“, rief Satoshi begeistert aus und breitete die Arme aus.
Das Pokémon machte einige Schritte auf ihn zu, hielt aber seine Distanz und schien dabei den anderen beweisen zu wollen, dass es erwachsener war als sie.
„Jetzt komm schon“, meinte der Junge. „Hast du mich nicht vermisst?“
Schließlich kam das Pflanzenpokémon, das eins seiner ersten gewesen war, zu ihm, sprang ihm jedoch nicht in die Arme, sondern rieb nur freudig seine Schnauze an Satoshis Handflächen.
Ein Lachen erklang aus der Richtung des Hauses. „Ich habe mich schon gefragt, wann ich dich hier sehe.“
Der Junge, der noch immer von den Pokémon umringt am Boden saß, wandte den Kopf um. „Ah, Okido-hakase!“, begrüßte er den Pokémon-Professor, der mit einem ganzen Sack Pokémonfutter in der Tür stand.
„Satoshi?“, erklang eine weitere Stimme hinter dem Professor und ein anderes bekanntes Gesicht lugte hinter dem Mann hervor.
„Kenji!“, rief Satoshi und wollte aufstehen, doch das gestaltete sich mit einem über ein Meter großem Käfer, der sich an den Kopf klammerte, als praktisch unmöglich. „Heracross“, murmelte der Trainer so und versuchte den Käfer von seinem Kopf zu lösen.
„Pika!“ Pikachu ließ ein paar Funken in Richtung Heracross fliegen, das so schließlich aufhörte am Haar seines Trainers zu saugen.
„Willst du helfen, die Pokémon zu füttern?“, fragte der Professor. „Wir wollten gerade anfangen.“
Satoshi strahlte. „Klar!“ Dann griff er nach seinen Pokébällen. „Ich lasse die anderen auch heraus.“ Damit warf er die Bälle in die Luft, wo sie sich öffneten und sein Momentanes Pokémonteam freiließen, so dass einen Moment später Goukazaru, Jukain, Donfan, Gabite und Shizariger vor ihm auf der Wiese standen.
„Gabite hat sich noch immer nicht entwickelt?“, fragte Kenji, der das Drachenpokémon betrachtete, das Satoshi vor vier Jahren als Fukamaru gefangen hatte.
„Nein“, meinte Satoshi und lachte. „Ich glaub es mag diese Form.“
Dann biss ihm das Pokémon freundschaftlich in den Kopf.
„Und damit hört es auch nicht auf“, erklärte der Trainer, lachte weiter und seufzte dann.
Es lebten so viele Pokémon bei Okido-hakase, der nicht nur Satoshis Pokémon und die seines Enkels bei sich leben ließ, sondern auch die einiger anderer Trainer und Pokémon, die er selbst aus Forschungszwecken gefangen hatte, so dass es lange dauerte das Futter auf den Ländereien zu verteilen – selbst mit der Hilfe von zwei weiteren Assistenten.
Satoshi genoss es jedoch Zeit mit den Pokémon zu verbringen und dabei auch eigenen Pokémon, die er aus verschiedenen Gründen selten zu sich nach Sinnoh holen konnte, um sich zu haben.
Auch Pikachu schien seinen Spaß zu haben, während es über die weiten Ländereien, die sich hinter dem Labor erstreckten, lief, und sich mit dem ein oder anderen Freund in der Sprache der Pokémon unterhielt.
Satoshi wiederum verbrachte einige Zeit, sich Geschichten Kenjis anzuhören, der ihm von den Pokémon hier und (natürlich) auch von Okido-hakases neusten Entdeckungen und Haikus erzählte.
So war es bereits früher Nachmittag, als sie schließlich auf dem Rückweg zum eigentlichen Labor waren, wobei sie nun von einigen Pokémon Satoshis begleitet wurden, die auf ihre eigene Art munter vor sich hin plapperten.
Da blieb Satoshi auf einmal stehen.
Der Grund dafür wurde sowohl Kenji, als auch den meisten der Pokémon schnell klar: Jemand unbekanntes war hier.
Ein Mädchen mit langem, welligen braunem Haar saß auf dem hölzernen Zaun am Rand der Wiese und sah zu ihnen hinüber. Es schien nicht viel jünger zu sein, als Satoshi selbst, vielleicht sogar genau so alt wie er. Als das Mädchen seinen Blick bemerkte, lächelte es.
„Wer ist das?“, fragte Satoshi leise an Kenji gewandt.
„Hö?“ Überrascht sah der ältere Junge sie an. „Du hast sie noch nicht getroffen? Sie übernachtet bei deiner Mutter?“
„Was?“ Überrascht sah Satoshi sie an, während das gelbe Pokémon auf seiner Schulter seine Frage mit „Pika?“, echote.
„Ihr Name ist Serena. Sie arbeitet für Platan-hakase“, erklärte Kenji leise.
„Platan-wer?“
Kenji seufzte. „Ein Pokémon-Professor aus der Kalos Region.“
„Ich habe keine Ahnung, wo die liegt“, meinte Satoshi und schien darüber – anders, als Kenji oder die Pokémon – überrascht. Als niemand erklärte, wo denn nun die Kalos Region lag, fuhr Satoshi fort: „Aber was macht sie hier?“
„Na ja...“, bekann Kenji, doch bevor er die Frage erwidern konnte, sprang Serena auf die Wiese und kam zu ihnen hinüber.
„Ihr wisst schon, dass es nicht höflich ist, über jemanden zu reden, während derjenige in der Nähe ist, oder?“, meinte sie.
Verlegen sah Satoshi sie an. „Ähm, tut mir leid, tut mir leid.“ Er kratzte sich am Hinterkopf, während Pikachu von seiner Schulter sprang und zu dem Mädchen hinüberlief, um an ihr zu schnüffeln.
„Na, was habt ihr denn über mich geredet?“, fragte Serena dann.
„Ich habe eigentlich nur gefragt, was du hier machst“, meinte Satoshi. „Kenji meinte, du arbeitest für irgendeinen Professor in irgendeiner Region und da habe ich mich gefragt, was du in Kanto, beziehungsweise in Masara Town machst.“
Das Mädchen ging nun in die Hocke, um Pikachu über den Kopf zu streicheln, was dem Pokémon zu gefallen schien. „Platan-hakase wollte, dass ich ein paar Dinge von Okido-hakase hole. Na ja, eigentlich wollte er die Sachen nur nach Kalos bekommen. Aber ich habe gefragt, ob ich sie holen darf.“ Sie richtete sich auf, wobei nun Pikachu auf ihre Schulter sprang, um so an ihrem Haar schnüffeln zu können. „Ich war früher hier öfter im Urlaub.“
Überrascht sah Satoshi sie an. „Ähm“, begann er unschlüssig. „Aha.“
Serena kicherte leise. „Du bist ganz schön gewachsen, Satoshi.“
„Was?“, fragte der Junge überrascht. „Woher...“
Nun wurde das Kichern des Mädchens zu einem richtigen Lachen. „Du erinnerst dich nicht mehr an mich, oder?“