Und da die vorherrschende Wirtschaftsform eben der Kapitalismus ist, fällt es leicht, ihn (berechtigterweise) zu kritisieren, weil man ihn nicht nur mit seinen Vor- sondern auch Nachteilen erlebt.
Nehme ich doch mal an dieser Stelle aus: Was sind in deinen Augen die Vorteile des Kapitalismus? Und bitte mit Quellen, denn anders als du es behauptest, habe ich eine Reihe von Quellen genannt - wenn ihr diese nicht lesen wollt, weil zu lang oder zu teuer, dann kann ich euch auch nicht helfen.
Ist halt ein wenig ironisch, dass von mir die ganze Zeit Quellen verlangt werden, aber von der Gegenseite keine einzige Quelle genannt wurden.
Es sei dazu übrigens noch einmal betont: Nein, der Kapitalismus hat sich nicht "natürlich entwickelt", sondern wurde explizit eingeführt von seinen Erfindern, um bestehende Machtverhältnisse aus dem Feudalismus und Merkantilismus zu erhalten. Es sei dazu gesagt, dass das nicht der Kapitalismus war, wie Adam Smith ihn erfunden hat - aber den Kapitalismus nach Adam Smith haben wir auch nicht. Vieles von dem, was wir im aktuellen Kapitalismus erleben, ist deutlich eher auf den Markttheorien von Edmund Burke aufgebaut - der seine Markttheorien explizit darum aufgebaut hat, so viel Macht wie möglich für Alt-Reiche Familien zu erhalten. Und natürlich kommt dazu, dass ganz viel vom modernen Kapitalismus den wir haben Milton Friedman zu verdanken ist, der mit der Chicago School zentral verantwortlich für den Laissez Faire Kapitalismus ist.
Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal The Shock Doctrine von Naomi Klein allen ans Herz legen, sowie Neoreaction a Basilisk von Elizabeth Sandier. Naomi Kleins Bücher sind definitiv auf Deutsch erhältlich, beim zweiten Buch weiß ich es gerade nicht. Und ja, fairer weise sollte gesagt werden, dass Sandiers Schreibstil auf Englisch durchaus ein wenig anstrengend, da sehr, sehr wissenschaftlich ist.
Hätten wir Kapitalismus, so wie Smith ihn sich ausgedacht hat, oder noch besser Kapitalismus nach Keynes, dann wäre das noch immer nicht perfekt - aber schon einmal deutlich besser als es aktuell läuft.
Was mich gedanklich auch sehr wurmt bei dem Thema, sind die Größen der Gruppen. Was ist überhaupt sinnvoll und realistisch? Hilft oder stört die aktuelle Technologie (etwas, was wir ja früher nicht so hatten)? Es hat immer Nachteile, wenn über Individuen eine Instanz entscheidet, die nicht nah genug an diesen Individuen ist. Ist ja auch ein riesiges Problem in unserer Politik und warum es eigentlich schlauer wäre, wenn man wirklich Experten UND Betroffene entscheiden lässt (und nicht nur befragt und dann ignoriert …). Aber wie genau passt das in eine globale Gesellschaft, wo ein Netzwerk nicht mehr wegzudenken ist? Wie entscheidet man, wie weitläufig der Personenkreis ist, der entscheidet? Oder umgekehrt: Wie klein der ist? Ich habe hier wahrscheinlich nicht ausreichend Wissen, um die aktuellen Prozesse zu verstehen, geschweige denn, dass ich mir das ganze anders vorstellen kann. Existieren hier konkrete Ansätze oder historische Beispiele (wobei letzteres schwierig ist, da die Globalisierung und Technologie eine andere ist)?
Das sind alles Themen, die auch in Anarchistischen Gemeinschaften und auf Konferenzen sehr ausführlich diskutiert werden, wobei das Problem halt wirklich ist, dass realistisch gesehen es idealerweise ein Experiment geben müsste, um heraus zu finden, wie es am besten funktioniert - und dieses Experiment halt auch wirklich auf eine Art unterstützt werden müsste, dass es gelingen kann. Was natürlich nicht so leicht passieren wird, denn das würde halt etwaigen Leuten nicht ins Konzept passen.
Was wir dahingehend wissen ist, dass es natürlich immer mal wieder Anarchische Kommunen gab, die auch teilweise sehr weit verbreitet waren. Wobei allerdings das Problem an der Stelle ist, dass viele der historischen Datenpunkte spezifisch in Europa in der Zeit während und nach den Revolutionen (also vor allem während des 19. Jahrhunderts) entstanden sind, und häufig früher oder später zerschlagen wurden. Gerade in Frankreich gab es einige größere Gruppen, teilweise mit mehreren tausend Leuten, die allerdings das Problem hatten, das sowohl die pro-monarchischen Gruppen, als auch die pro-demokratischen Gruppen nicht so angetan von ihnen waren.
Der gängige Gedanke ist jedoch, dass Technologie spezifisch helfen sollte dabei. Aus dem Grund, dass sie es eben einfacher machen sollte, große Umfragen zu machen, sowie die Informationen an die betreffenden Leute zu verteilen.
Innerhalb der anarchistischen Bewegung sollte gesagt sein, dass sich die Geister ein wenig Scheiden, was die Sache mit den Ausgewählten Experten angeht. Weil die radikalen Anarchisten halt absolut dagegen sind, weil selbst zeitweise dadurch eine Hierarchie entsteht, während gemäßigtere Anarchisten durchaus die Idee mögen, dass eventuell bestimmte Dinge von Experten bearbeitet werden, die aber der Gesellschaft Rede und Antwort stehen müssen und jederzeit ihre Position verlieren können, wenn die Leute allgemein nicht mit ihnen zufrieden sind.
Letztes bringt mich eben auch wieder zu dem Punkt, warum die Repräsentative Demokratie, wie wir sie haben, uns Anarchisten so ein Dorn im Auge ist: Die Politiker*innen vertreten eben nicht wirklich das Volk, und wenn das Volk unzufrieden mit den Politiker*innen ist, kann es wenig machen, um sie ihrer Position zu entheben. Zum einen nicht vor der nächsten Wahl und selbst bei der Wahl haben wir eben nicht die Chance zu sagen: "Ja, also schon die Partei aber nicht X." Wir sehen es hier in Deutschland massiv mit einigen Politiker*innen. Sarah Wangenknecht war ja so lange ein Beispiel. Viele linksorientierte Personen, wie ich, haben jetzt halt länger nicht mehr die Linke gewählt, weil es (speziell hier in NRW) bedeutet hätte, Sarah Wangenknecht zu wählen. In den USA sieht man es gerade noch deutlicher. Die allermeisten Leute in Amerika, wollen weder einen Präsident Biden, noch einen Präsident Trump haben. Aber es wird eben entweder der eine oder der andere werden.