Beiträge von Eagle

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    Kapitel III.: Der Schrei



    Für Raven ging eine weitere traumdurchzogene Nacht viel zu schnell vorbei. Nach einer weiteren erfolglosen Hetzjagd, um die Sonne einzufangen, wurde er am nächsten Morgen nicht weniger sanft geweckt, als es bereits am Vortag der Fall gewesen war.
    „AUFSTEHEN! ES IST MORGEN!“
    Erneut stand Krakeelo an ihrer Türschwelle, ließ es diesmal allerdings bei dem ersten Weckruf bestehen.
    „Uff ... Werden wir jetzt jeden morgen so geweckt ...?“, gähnte Xell, seine schläfrigen Augen reibend.
    Raven warf sich mürrisch und Krakeelos Weckruf zum Trotz wieder auf die Seite und war kurz davor, wieder einzuschlafen, als ihn Xell unsanft aus dem Bett schubste. Griesgrämig stand Raven wenige Minuten später und halbwegs pünktlich zum morgendlichen Gildenappell bereit.
    „Drittens: Mit einem Lachen werden wir es machen!“
    „...werden wir es machen ...“, gähnte Raven, als schon die Hälfte aller Anwesenden verschwunden waren.
    „Team Kugelblitz! Team Kugelblitz! Bitte zu mir!“
    Wie es bereits am gestrigen Tag der Fall war, beorderte Plaudagei sie mit seiner gewohnten autoritäre Stimme zu ihm.
    „Heute möchte ich euch mit einem weiteren Info-Brett bekannt machen. Wenn ihr mir bitte folgen würdet.“
    Abermals ging es für Raven und Xell wieder die Leiter zur ersten Gildenebene nach oben, doch führte Plaudagei sie diemal zum anderen Ende des Raumes, wo sie eine andere Pinnwand vorfanden. Schon aus der Ferne schien Xell schlussfolgern zu können, um was es hier ging.
    „Steckbriefe?“, mutmaßte Xell.



    „Richtig erkannt. Wie ihr sicher bereits wisst, tauchen in letzter Zeit immer mehr bösartige Pokémon auf“, erklärte Plaudagei. „Neben den 'normalen' Bösewichten gibt es aber auch richtig gemeine Schurken und Ganoven, auf die sogar ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Es ist ebenfalls die Aufgabe von Erkundungsteams, diese Pokémon zu stellen, um den Frieden der Region wiederherzustellen. Und da kommt ihr ins Spiel. Auch wenn ihr noch Jungspunde seid, könnt ihr es sicherlich mit dem ein oder anderen Ganoven hier aufnehmen.“
    „Wie ihr hier seht ...“, fuhr Plaudagei fort und zeigte dabei auf das Ganoveninfobrett, „ ... sind alle Ganoven den Kategorien E bis S zugeordnet, wobei E für die harmlosesten und S für die knallhärtesten Fälle. Da ihr noch neu bei uns seid, solltet ihr euch also insbesondere mit Fällen zwischen D und E befassen.“
    „Ein Problem Plaudagei“, sagte Xell besorgt, während seine Augen von Steckbrief zu Steckbrief huschten. „Im Moment stehen leider nur Schurken der Kategorie A und B auf der Liste. Ich fürchte, dieser Aufgabe sind wir dann noch nicht gewachsen ...“
    „Oh, dann wurde die Aktualisierung der Infobretter heute wohl noch nicht vorgenommen. Was machen wir denn dann mit euch beiden ...?“, sagte Plaudagei in nachdenklichen Ton.
    „Aktualisierung?“, fragte Xell.
    „Ja, Digdri aktualisiert am frühen Morgen immer unsere beiden Infobretter - ihr habt ihn sicherlich schon bei der morgendlichen Einweisung getroffen. Er scheint sich allerdings heute wohl etwas zu verspäten.“ Nachdenklich hüpfte Plaudagei einige Male umher. Man sah es ihm förmlich an, dass er sich den Kopf darüber zerbrach, was er den beiden Neulingen anfangen sollte.
    „Ah, ich hab’s! Ich könntet in der Zwischenzeit Schatzstadt einen kleinen Besuch abstatten und euch eventuell mit einigen Vorräten für die Reise eindecken“, schlug Plaudagei vor.
    „Ja, eine gute Idee“, antwortete Xell erleichtert, der seine eigene Anwesenheit durch Plaudageis Verhalten inzwischen bereits als unerwünscht eingestuft hatte.
    „Bidiza soll euch am besten rumführen. Hey, Bidiza! Komm doch mal bitte her.”
    Bidiza, der die ganze Zeit über am Job-Infobrett am anderen Ende des Raumes gestanden hatte, kam zu ihnen langsam herübergetrottet.
    „Äh, - was gibt’s, Plaudagei?“
    Raven, dem es immer schwieriger fiel, seine Augen offen zu halten, erinnerte der Klang Bidizas Stimme merkwürdig vertraut an die seines Freundes Xell.
    „Nichts Ernstes, keine Sorge“, antwortete Plaudagei fröhlich, als er Bidizas besorgte Miene bemerkte. „Ich hätte gerne, dass du unsere neuen Gildenrekruten etwas in Schatzstadt umherführst, während Digdri sich um die Aktualisierung der Infobretter kümmert. Ihr habt schon Bekanntschaft miteinander geschlossen, wie ich sehe?“
    Xell und Bidizia nickten einander zu.
    „Dann wünsche ich euch bei eurem heutigen Unterfangen viel Erfolg, Team Kugelblitz. Macht uns stolz! Bidiza, ich überlasse sie deiner Obhut“, sagte Plaudagei, kehrte ihnen den Rücken zu und verschwand ein Stockwerk tiefer.


    „Mannomann! Das Ganovenbrett ...“, seufzte Bidiza. Sein Blick ruhte einige Sekunden auf den mit Steckbriefen versehenen Infobrett, bevor er sich wieder zu Xell hinzu wandt. „Es dauerte Wochen, bis ich meinen ersten Auftrag von diesem Brett erfüllen durfte. Ihr müsst einen schweren Eindruck bei Plaudagei hinterlassen haben, wenn ihr gleich am zweiten Tag eine solch bedeutende Mission ausführen dürft.“
    „Um ehrlich zu sein ...“, sagte Xell und schaute besorgt in die Gesichter der Ganoven, „ ... bin ich gar nicht so scharf auf diese Art von Mission ...“
    „Ja, die Missionen vom Ganoven-Infobrett sind die schwersten, aber ich hörte davon, dass sich die Gilde eben durch diese Einnahmen zum größten Teil finanziert“, sagte Bidiza.
    Xell schluckte heftig. Die Kunde, dass der von Plaudagei gestellte Auftrag zu den wohl schwierigsten Unterfangen gehörte, die die Gilde zu bieten hat, hatte ihn schwer getroffen. Bidiza, dem dies offenbar nicht entging, sprach seinen jungen Gildenrekruten Mut zu.
    „Wird schon werden. Du darfst auch nicht vergessen, dass die meisten dieser Schurken feige sind - gerade weil eine saftige Belohnung auf ihren Kopf aufgesetzt ist. Und wenn du dich dann noch als ein waschechter Erkunder präsentierst und die ganze Sache als ein eingespieltes Team angehst, dann kann eigentlich gar nichts schiefgehen.“
    „Stimmt, da hast du wohl recht“, meinte Xell, nun durch die Worte Bidizas mit wesentlich bestärkter Stimme. „Die werden sicherlich schon klein bei geben, wenn wir überhaupt erwähnen, dass wir zu der berühmten Knuddeluff-Gilde angehören. Wir packen das, nicht wahr Raven? Öh, Raven?“ Xell suchte den Blick seines Freundes. Niemand schien bemerkt zu haben, dass Raven irgendwann mitten in den Ausführungen von Plaudagei im Stehen eingeschlafen sein musste. Xell, von dem Verhalten seines Freundes beschämt, schürzte peinlich berührt seine Lippen. Bidiza dagegen nahm es eher gelassen. Er grinste.


    Nachdem es ihnen endlich gelungen war, Raven nach verbissenem Kampf aus seinem Tiefschlaf zu reißen, ging es für das Trio Richtung Schatzstadt. Abermals wurde Xell die Aufgabe zuteil, seinem schläfrigen Partner ihren heutig zugeteilten Auftrag näher zu bringen. Wesentlich gelassener und zuversichtlicher als es sein Freund am Anfang war, nahm Raven diese Art von Mission an. Obgleich er nach wie vor keinerlei Erinnerung an seine frühere Existenz besaß, konnte er durch die Begeisterung, einen ruchlosen Verbrecher zu stellen, die schon bei dem gedanke sein Herz zum Rasen brachte, erahnen, dass er in seiner früheren Existenz Anstand und Moral sehr hoch geschätzt haben musste. Er konnte es gar nicht erst abwarten, endlich loslegen zu dürfen. Während sich Raven bereits ausmalte, was sie auf ihrem bevorstehenden Abenteuer erwarten würde, lieferten sich Xell und Bidiza auf ihren Weg gen Stadt eine emsige Diskussion darum, wie eine ordentliche Mahlzeit auszusehen hat.
    „Wie oft soll ich es dir eigentlich noch sagen? Es gibt nicht köstlicheres auf der Welt als Pirsifbeeren!“, sagte Xell hitzig.
    „Dann hast du wohl noch nie zuvor einen perfekten Apfel gekostet“, entgegnete Bidiza.
    Xell runzelte die Stirn.
    „Perfekte Äpfel? Noch nie davon gehört, geschweige denn, welche gegessen ...“
    „Ein Gedicht! Die sind unglaublich saftig und lecker. So etwas köstliches hast du wahrscheinlich noch nie gegessen“, schwärmte Bidiza. „Leider sind sie sehr äußerst gefragt und noch dazu äußerst selten. In der Gilde besitzt einzig und allein Knuddeluff das Privileg, unsere Vorratskammer um Perfekte Äpfel zu erleichtern. Ganz aus Versehen hatte ich mal den letzten verputzt. Mannomann! Das gab vielleicht Ärger. Zwei Wochen Wachdienst mit Krakeelo schieben - die reinste Folter ...“


    Ravens Magen hatte von dem ganzen Obstsalat-Gerede langsam zu rebellieren begonnen und so war er sichtlich erleichert, als sie endlich die Schwelle von Schatzstadt überquerten und somit auch das Thema wechselten.
    „So, da wären wir - Schatzstadt. Ist das euer erster Besuch hier?“, wollte Bidiza wissen.
    „Meiner schon“, antwortete Raven sichtlich von dem Ausmaß der ersten Pokémon-Siedlung, die seine Augen jemals erspäht hatten, beeindruckt. Sein Blick schweifte über die dutzende Hütten und Zelte in allen Größenordnungen, verschiedene Läden, Ständchen und Geschäfte, um die sich bereits zahlreiche Kunden, und natürlich Pokémon so weit das Auge reichte. Er ahnte bereits, dass es selbst für die erfahrendsten Erkunder der Region sicherlich tagtäglich hier noch Unbekanntes zu entdecken gab.
    „Sorry, Bidiza, aber ich lebe hier schon seit einiger Zeit. Eine Führung ist für mich daher recht überflüssig“, sagte Xell.
    Bidiza wirkte durch diese Aussage herbe enttäuscht.
    „Donnerwetter, dann braucht ihr mich ja eigentlich gar nicht ...“, seufzte Bidiza niedergeschlagen.
    „Sorry ...“, wiederholte Xell.
    „Ich würde mich über eine Führung freuen“, sagte Raven wahrheitsgemäß.
    Schlagartig hatte sich Bidizas Laune wieder gebessert; fast so, als würde man ein trauriges Kind mit Süßigkeiten aufheitern. Hibbelig und scheinbar völlig aus dem Häuschen begann er, Raven und Xell durch die geschäftigen Straßen zu führen, was ihm trotz seinem normalerweise vorhanden sein sollen Ortskenntnissen und seines bescheidenen Orientierungssinns jedoch nicht allzu gut gelang. Raven, der sich sicher war, dass Xell ihn wesentlich besser mit den Sehenswürdigkeiten Schatzstadts hätte vertraut machen können, nahm es jedoch so hin. Auch Bidiza schien seiner Auffassung nacht nicht unbedingt vor Selbstvertrauen zu sprühen.


    Schatzstadt stellte sich für Raven als ein hübscher Ort zum Leben mit vielen Annehmlichkeiten heraus. Es schien so, als hätten sich die Gesellschaft völlig auf die Bedienung von Erkundungsteams eingestellt. Die verschiedenen Läden boten allem Anschein nach alles, was das Erkunderherz schneller schlagen ließ. Von einfachen Lebensmittel („Amrenabeeren im Sonderangebot! Kaufe fünf, bezahle vier!“), über praktische Reiseutensilien (Ich garantiere euch: mit dieser Karte findet sogar der kurzsichtigste Grottenolm den Weg zum Ziel.“) bis hin zu den kostbarsten und wertvollsten Ausrüstungsgegenständen (Dieser Schal ist aus garantiert hochwertigem Material gefertigt. Schützt nicht nur vor schlechter Witterung sondern hemmt gleichzeitig jegliche Art von Vergiftung. Absolut neuwertig und zum Spottpreis von nur 2500 Poké. Zögern Sie nicht, meine Damen und Herren, sondern schlagen Sie sofort zu, bevor es jemand anderes tut!“): hier blieb kein Wunsch unerfüllt, kein Verlangen, das nicht gestillt werden konnte, und kein Konto lange gedeckt. Diese Erfahrung musste auch Raven bereits nach kurzer Dauer auf dem überfüllten Marktplatz machen, wo er Xell im letzten Moment noch davon abhalten konnte, ihre wenige Barschaft komplett in Pirsifbeeren zu investieren.
    „Aber die sind doch heute im Angebot ...“, maulte Xell während Raven ihn mit aller Gewalt vom Stand wegzerren musste. Schlussendlich gab Raven allerdings doch klein bei und ließ Xell zumindest zwei Pirsifbeeren, einen Apfel und eine Sinelbeere kaufen.


    „Fressack!“, schnaubte Raven mürrisch, als Xell mit strahlendem Gesicht seine Einkäufe im Schatzbeutel verstaute.
    „Eines Tages wirst du mir noch dankbar sein“, entgegnete Xell vergnügt.
    Mit sichtlich abgenommenen Portmonee setzte das Dreiergespann ihren Streifzug fort. Nach den recht beträchlichen Ausgaben Xells reichten ihre verbliebenen Finanzen kaum noch für ein Apfel und ein Ei; nichtsdesotrotz ließen sie sich durch diesen Umstand ihre gute Laune verderben. Gut gelaunt schlenderten sie über den Marktplatz und klapperten eine Bude nach der anderen ab und schwärmten von den für ihre Verhältnisse viel zu kostspieligen Waren. Bidiza bestätigte schließlich Ravens Gedanken, was die wirtschaftliche Rolle von Schatzstadt anging.
    „Die meisten Pokémon, die ihr hier seht, sind auch Erkunder, wie wir. Allerdings gehören sie nicht unserer Gilde an. Es gibt noch jede Menge anderer Gilden und natürlich noch viel mehr freie Erkundungsteams. Gelegentlich werdet ihr solche unabhängigen Gruppen aber auch bei uns in der Gilde antreffen, um sich mit Infos und Aufträgen einzudecken. Wir genießen einen guten Ruf auf der Welt und das lockt natürlich Erkundungsteams aus der ganzen Welt an. Ich bin richtig stolz, ein Teil dieser Gilde sein zu dürfen“, erklärte Bidiza mit stolzgeschwellter Brust.


    Nachdem der letzter und wirklich allerletzte Stand besichtigt wurde, ließ das Trio den lärmenden Marktplatz hinter sich. Mit der frühen Morgensonne im Rücken ging es immer weiter nach Westen, wo sie Bidiza mit den ihm noch verbliebenen bekannten Sehenswertigkeiten der beschaulichen Stadt bekannt machte.
    „Hier geht es zur Pandir-Saftbar“, sagte Bidiza und machte eine demonstrative Geste Richtung Süden, wo sich ein Weg von der Hauptverkehrsstraße abzweigte. „Solltet ihr mal Abends nicht immer gleich vor Erschöpfung ins Bett fallen, könnt ihr hier einige Drinks geniesen und mit anderen Erkundern plauschen. Ich selbst war ehrlich gesagt noch nicht dort, aber es soll ganz nett sein - meinte zumindest Krakeelo, der hier desöfteren einen hebt.“
    Nicht dass er keine Interesse hatte, sich mal das ein oder andere Glas zu genehmigen, jedoch war sich Raven insgeheim recht sicher, dass er um diesen Ort in Zukunft eher einen großen Bogen machen würde, wenn Krakeelo tatsächlich dort Stammgast sein sollte. Die Anwesenheit seines Kameradens am frühen Morgen und während des gemeinsamen Abendessens war für ihn mehr als genug des Guten.
    „Zu guter Letzt hätten wir noch im Nordwesten der Stadt das Kangama-Lager und die Zwirrlicht-Bank. Ihr werdet auf euren zukünftigen Erkundungen sicherlich noch einige Funde machen, die ihr dann im Kangama-Lager deponieren könnt.“
    „Da schlummert meine Eiserne Reserve an Pirsifbeeren“, flüsterte Xell Raven grinsend zu.
    „Die Zwirrlicht-Bank ist, wie der Name schon sagt, ein Depot für eure Barschaft - Öffnungszeiten rund um die Uhr. An Service nicht zu überbieten.“ Etwas wehmütig folgte Bidizas Blick der Straße, die in einem weiten Bogen nördlich um den Marktplatz und somit zurück zur Knuddeluff-Gilde führte. „Und hier geht es dann wieder zurück zum trauten Heim. Das wäre somit also das Ende unserer Führung. Ich hoffe, ich konnte mich als nützlich erweisen?“
    „Ja, super. Danke dir.“, sagten Xell und Raven wie aus einem Mund.
    Bidiza strahle vor Freude, als er abwechselnd in die Gesichter seiner beiden neuen Freunde schaute.
    „In Ordnung, ich lasse euch jetzt mal alleine. Wir sehen uns spätestens beim Abendessen. Viel Glück auf eurer Mission“, verabschiedete sich Bidiza und trottete mit einem munteren Lied auf den Lefzen davon.


    „Wollen wir dann zurück zur Gilde?“, fragte Raven während er Bidiza nachsah. „Vielleicht sind die Infobretter inzwischen auf dem neusten Stand.“
    Xell begann etwas zu grübeln, willigte dann aber schließlich ein. Sie entschieden sich jedoch dazu, den langen Weg über den Marktplatz zu nehmen. Schließlich könnte die Arbeit auch noch fünf Minuten warten, so Xell. Bald erreichten sie wieder den inzwischen noch belebteren und lärmenderen Marktplatz, wo er und Raven sich durch die Massen an Kunden zwängten. Als sie beinahe schon die Peripherie des Handelsgebiets erreicht hatten, wurden Xells Schritte plötzlich immer langsamer. Sein Kopf schwenkte interessiert zu einem kleinen, abgelegenen Ständchen abseits jeglichen Trubels.
    „Hey, warte mal! Bei dem Laden waren wir noch nicht. Lass uns mal einen kurzen Blick auf ihr Angebot werfen. So viel Zeit muss sein“, rief Xell und war binnen einer Sekunde auch schon auf und davon.
    „Wir haben nach deiner Einkaufswut von vorhin eh kein Geld mehr ...“, murrte Raven, während er verärgert hinter seinem Freund hertrottete. Allerdings waren er und sein kauffreudiger Kumpane nicht die ersten beim Laden und mussten sich artig hinter zwei anderen Kunden einreihen.



    „Zwei Äpfel, bitte“, sagte der Größere von beiden.
    „Aber gerne doch“, antwortete der Verkäufer freundlich und reichte ihren Kunden die Äpfel. „Wie geht es eigentlich eurer Mutter, Marill?. Ich hörte, sie sei noch immer krank.“
    Das Pokémon namens Marill wirkte auf diese Frage hin recht betroffen und ließ traurig seine untertassengroßen Ohren hängen.
    „Ja, das stimmt leider. Deswegen kümmere ich mich derweil um den Haushalt und auch noch auf mein kleines Brüderchen Azurill auf.“
    Azurill lugte vorsichtig hinter Marills Rücken hervor.
    „Du übernimmst schon soviel Verantwortung. Das ist beachtlich. Ich hoffe eurer Mutter wird es bald wieder besser gehen“, lobte ihn der Ladeninhaber.
    „Das hoffen wir auch“, sagte Marill. „Ich glaube, es wird auch langsam Zeit, dass wir heimgehen.“ Er verabschiedete sich und überließ Xell die Ladentheke.
    „Ob es hier noch bessere Pirsifbeeren gibt, als bei dem anderen Stand?“, fragte sich Xell während er sorgfältig die Waren begutachtete.
    Von Xells Kaufeskapaden mehr als genug, schaute sich Raven derweil sichtlich desinteressiert in der Gegend um. Er schaute dem Geschwisterpaar nach, die gerade vor ihnen eingekauft hatten. Es blieb ihm dabei nicht verborgen, dass Azurill ofenbar rege Schwierigkeiten hatte, den Einkauf zu tragen. Er schwankte bedrohlich, verlor sein Gleichgewicht und war bereits kurz davor, auf dem Boden aufzuschlagen, als Raven nach einem olympiareifen Spurt Azurill noch im letzten Moment vor dem Sturz bewahren konnte.


    Just in den Moment, als Raven sein gesamtes Gewicht nach vorne legte und sich gegen den wie in Zeitlupe fallenden Körper Azurills stemmte, um dessen Sturz zu bremsen, geschah es. Kaum hatte sein Körper den von Azurill berührt, umkam Raven urplötzlich und ohne Vorwarnung ein heftiges Schwindligkeitsgefühl, das Stimmengewirr um ihm herum erstarb und alles um ihn herum versank binnen Sekunden in aboluter Dunkelheit. Es war ihm so, als hätte er den Boden unter den Pfoten verloren und er würde plötzlich mit hoher Geschwindigkeit und ungebremst in ein tiefes Loch fallen. Doch kein Wind peitschte ihm ins Gesicht und weder war es warm noch kalt. Doch war er nicht mehr auf dem Marktplatz von Schatzstadt - soviel war sicher. Während er tiefer und tiefer in die bodenlose Leere stürzte, vernahm sein Hörsinn Irgendwo in der Ferne auf einmal einen schwachen aber deutlichen Hilfeschrei. Sein Herz hämmerte beim Vernehmen des Hilferufs wie verrückt. Er kannte diese Stimme, da war er sich sicher; aber woher? Doch so schnell diese Erscheinung eintrat war sie auch bereits wieder abgeklungen. Raven fand wieder sichereren Boden unter den Pfoten, Sonnenstrahlen kitzelten ihn sanft im Gesicht und die Luft war wieder von den fernen Klängen der Kaufleute erfüllt. Er war wieder zurück - zurück in der realen Welt. Noch stark benommen, geblendet von dem grellen Licht der Morgensonne und mit leichter Übelkeit in der Magengegend, die ihm unaufhaltsam den Hals hochkroch, stand er wieder Azurill gegenüber. Der kleine Bruder Marills wirkte auf Ravens scheinbar gelungenen Rettungsversuch hin recht verlegen.
    „D-Danke“, stammelte Azurill, sammelte den Apfel, den er vor Schreck verloren hatte wieder ein, und eilte seinem bereits wartenden Bruder hinterher.


    Beinahe apathisch starrte Raven Azurill hinterher. Hatte er sich das etwa nur eingebildet? Offenbar schien niemand etwas merkwürdiges bemerkt zu haben. Xell verbrachte seine Zeit beim Mustern der Waren an dem kleinen Stand, und keiner auf der Straße schien ihm und der Tatsache, dass ein Pokémon mitten auf der Straße für einige Skunden in einer Welt des absoluten Nichts verschwunden war, großartige Beachtung zu schenken. Raven ließ sein vernommener Schrei nicht los. Verzweifelt versuchte er sich zu erinnern, wo er die Stimme schon einmal gehört hatte, doch vergebens. Tief in Gedanken versunken schlurfte er zu seinem Freund zurück.
    „Hey, Xell. Hast du nicht auch eben jemanden um Hilfe rufen gehört?“, fragte Raven.


    Xell warf einen fragenden Blick über die Schulter.
    „Ein Hilferuf? Nö, du etwa?“
    Es wunderte Raven nicht, dass weder Xell noch irgendjemand anderes von den Geschehnissen, die ihm gerade wiederfahren waren, Kenntniss genommen hatte. Doch sollte er sich diese Ereignisse etwa eingebildet haben?
    „Ja, gerade eben. Ich hörte es ganz deutlich. Aber ...“
    „Musst du dir wohl eingebildet haben“, meinte Xell. „Wenn mitten in der Stadt jemand um Hilfe schreit, wäre die ganze Gegend in Aufruhr. Und wie du siehst ...“ Xell warf einen kurzen Blick zu den anderen Verkaufsständchen herüber. „Ich würde sagen, wir gehen mal langsam zur Gilde zurück, sonst sind auf einmal alle leichten Aufträge bereits vergeben und wir dürfen uns mit irgendwelchen harten Brocken rumärgern“, schauderte Xell.


    Auch während ihres Nachhausewegs grübelte Raven ununterbrochen, wo er die Stimme schon einmal gehört hatte. Sein Zustand hielt so lange an, wie ihn plötzlich ein lauter Jubelschrei auf der Straße ihn sprungartig wieder zurück in die Realität brachte. Der Ursprung dieses Freudenrufs war schnell gefunden - es war Azurill. Er, sein Bruder Marill und ein anderes Pokémon, welches er nicht kannte, standen nicht unweit von ihnen und führten eine emsige Diskussion miteinander. Etwas an Azurills Stimme kam Raven schlagartig merkwürdig vertraut vor und es dauerte auch nicht sonderlich lange bis es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Es war Azurills Stimme, die er in während seines unfreiwilligen Erlebnisses vor wenigen Minuten vernommen hatte. Aber wie war das möglich? Das alles ergab keinen Sinn. Er musste sich vergewissern.


    „Hey, Azurill. Alles in Ordnung?“, fragte er. Azurill wandte sich beim Vernehmen seiner Stimme in Ravens Richtung und auch sein Bruder und das Raven unbekannte Pokémon blickten ihn interessiert an.
    „Oh, du bist es. Danke noch einmal wegen vorhin. Ja, alles in bester Ordnung“, lachte Azurill sichtlich gut gelaunt.


    „Und dank Traumato hier, wird bald alles noch besser werden“, sagte Azurills Bruder Marill fröhlich. „Traumato meinte, er habe unser verlorenes Gut gesehen, welches uns vor einiger Zeit bei einem Ausflug abhanden kam.“
    „Ja, das ist wahr“, sagte ein Pokémon, bei dem es sich offensichtlich um Traumato handeln musste. Traumato verkörperte ein etwas korpulenteres Pokémon, dessen Unterkörper bis zur Hüfte in einem zartbitterbraun und der restliche Teil seiner Figur in einem goldgelben Ton gefärbt war. Besonders auffällig war seine kurze rüsselähnliche Nase, die ihm schlaff vor dem Gesicht hing und es unmöglich machte, seinen Gesichtsausdruck frontal zu erhaschen. „Wir werden auch gleich losziehen und das Item gemeinsam suchen. Sollte ein Klacks sein.“
    Irgendwie kam Raven die Sache merkwürdig vor. Er konnte es sich nicht erklären, doch irgendwie konnte und wollte er sich nicht mit diesem seiner Meinung nach viel zu gutmütigen Pokémon anfreunden. Er hatte ein unerklärliches unangenehmes Gefühl in Bezug auf Traumatos Hingabe.
    „Bist du ein Erkunder?“, wollte Raven wissen.
    „Nein“, antwortete Traumato. „Aber seht euch die beiden doch mal an. Kann man ihnen denn überhaupt irgendeinen Wunsch abschlagen?“
    „Hmm, da hast du Recht“, antwortete Raven mit argwöhnischen Unterton. „Viel Glück bei eurer Suche, tschüss.“
    „Ciao“, riefen Marill und Azurill und begannen wieder, mit Traumato fieberhaft zu reden.
    Etwas in seinem Inneren sagte Raven, dass mit Traumato irgendetwas nicht stimmte. Doch konnte er sich genauso wenig dabei zusammenreimen, wie bei dem Hilfeschrei, den niemand außer ihm gehört hatte.
    Völlig in Gedanken versunken, achtete er dabei nicht, wo er hinlief und wie es der Zufall wollte stieß er ausgerechnet mit Traumato zusammen.
    „Upps, entschuldige bitte“, sagte Raven erschrocken.
    Erneut geschah es - ein Schwindelgefühl - der unerbittliche Sog in das Unbekannte. Doch dieses Mal war etwas anders. Zwar nicht so deutlich wie in seinem Normalzustand, vermochte Raven jedoch bei diesem Tagtraum zu erkennen, wo er sich befand. Fast so, als herrschte hier späte Abenddämmerung, konnte er deutlich einen mit schroffen Felsen bedeckten Berg erkennen, über den er, oder viel eher sein Geist, - wie als ob ihm unsichtbare Flügel gewachsen waren - schwebte.
    „Du bringst dich in Schwierigkeiten, wenn du nicht tust, was ich sage!“
    Ravens Blick schwenkte schlagartig von dr Spitze des kahlen Berges in die Tiefe. Unter normalen Umständen hätte er wohl panisch darauf reagiert, dass er gut und gern zwanzig Meter schwerelos in der Luft hing, doch viel zu sehr war er über das, was er plötzlich unter sich sah, fassungslos.


    Es war Traumato. Langsam und mit einem gierigen Verlangen in seinem Blick, welches Raven selbst aus dieser Entfernung mehr als deutlich erkennen konnte, schritt er auf ein kleines, offenbar sehr verängstigtes Pokémon zu, welches Raven nach genauerem Hinsehen als Azurill identifizieren konnte. Azurill, ängstlich auf dem Boden kauernd, stieß einen panischen Hilfeschrei aus.
    Zum nunmehr zweiten Mal wurde Raven aus seinem Traum hinausgeschleudert. Abermals fand er sich auf den Straßen Schatzstadts mit Xell an seiner Seite wieder und abermals schien niemand etwas von Ravens unfreiwilligen Ausflug gemerkt zu haben. Marill, Azurill und Traumato waren inzwischen wieder in ihr tiefes Gespräch vertieft.
    „Augen nach vorne!“, sagte Xell vergnügt und lächelte ihn an. Sein Lächeln erstarb jedoch rasch, als ihm plötzlich der besorgte Gesichtsausdruck seines Freundes auffiel.
    „Was ist denn los? Du wirkst so besorgt. Stimmt etwas nicht?“
    „Das kann man wohl sagen ...“ Raven warf einen raschen Blick über die Schulter in Traumatos Richtung. „Aber nicht hier. Komm mit!“, flüsterte er.


    „Was soll die Geheimniskrämerei?“, fragte Xell schließlich, als sie eine abgeschiedene Ecke erreicht hatten.
    Endlich offenbarte Raven seinem Begleiter die beiden Träume, alles was er gesehen und gehört hatte und natürlich noch sein ungutes Gefühl im Bezug auf Traumato. Zu seiner Verwunderung blieb Xell völlig gelassen.
    „Waren sicherlich nur Träume“, meinte er schulterzuckend. „Ich schätze du bist total übermüdet. Heute morgen bist du ja sogar im Stehen eingeschlafen. Du brauchst einfach noch ne Mütze voll Schlaf - das ist alles ...“
    „Ich glaube nicht, dass das nur Träume waren!“, sagte Raven mit absoluter Entschlossenheit in seiner Stimme. „Und frag mich nicht warum, aber ich gehe jede Wette mit dir ein, dass mit Traumato etwas nicht stimmt!“
    „Und was hast du jetzt vor?“, fragte Xell stirnrunzelnd. „Willst du hier jetzt etwa Traumato in aller Öffentlichkeit für etwas anprangern, was du dir in einem Traum eingebildet hast?“
    „Das war keine Einbildung!“, entgegnete Raven aufgebracht. Warum wollte er ihm nicht glauben?
    „Aber was war es dann?“
    Raven musste sich leider eingestehen, dass, so sehr er sich auch bemühte, auf diese Frage einfach keine Antwort wusste.
    „Also, ich würde sagen, wir machen uns jetzt erst mal an die Arbeit und fragen heute Abend einfach mal in der Gilde herum, was die anderen dazu meinen. Es hilft nichts, uns hier verrückt zu machen ...“
    Missmutig aber halbwegs einsichtig stimmte Raven dem Vorschlag seines Freundes zu; insgeheim hoffte er allerding darauf, während dem Rückweg in einen weiteren Traum zu fallen, um Xell doch vom Gegenteil seiner Behauptung zu überzeugen. Doch war ihr Nachhauseweg frei von jeglichen übersinnlichen Phänomenen und so erreichte er völlig traumfrei wieder die Gilde.


    Mittlerweile stand die Sonne hoch am Himmel. Bereits früher Nachmittag war eingekehrt, als die beiden in die Gilde zurückkehrten und das Ganoven-Infobrett wieder aufsuchten.
    „Also, welches niedrige Subjekt wollen wir uns vornehmen?“, murmelte Xell und konsultierte einen Steckbrief nach dem anderen.
    „Oh, der hier klingt vielversprechend. Ganove der Klasse E und noch eine saftige Belohnung. Wollen wir dann?“
    Raven schwieg.
    „Was ist denn los? Ist wieder etwas passiert?“ Er suchte den Blick seines Begleiters.
    Raven war wie zur Salzsäule erstarrt. Mit weit geöffneten Augen starrte er auf einen Steckbrief am oberen linken Rand des Infobretts. Auch Xell wollte seinen Augen nicht glauben, als er die Ursache des merkwürdigen Verhaltens seines Freundes erkannte. Niemand anderes als Traumato, dem Pokémon, welchem sie erst an diesem Morgen in Schatzstadt begegnet waren, grinste die beiden Neulinge im Erkundergewerbe hämisch von einem gewaltigen Steckbrief aus an.



    Nach rund einer geschlagenen Minuten konnte sich Raven endlich wieder fassen. Ein kurzer Augenkontakt zwischen ihm und seinem Freund genügte völlig, um dem Anderen klar zu machen, was zu tun war. Mit einem Affenzahn rannten das Duo Richtung Ausgang und stießdabei haarscharf mit Plaudagei zusammen.
    „Könnt ihr nicht aufpassen?!“, konnten sie ihn hinter sich fuchsteufelswild fluchen hören, was ihnen jedoch reichlich egal war. In Rekordzeit hatten sie ihr Ziel erreicht und fanden sich mit erhöhter Herzfrequenz vor den Toren Schatzstadts wieder. Von Traumato, Azurill und Marill fehlte jedoch bereits auf dem ersten Blick jegliche Spur. Gleichauf gestaltete die Tatsache, dass der Marktplatz noch voller als vor einer halben Stunde war, die Suche nicht unbedingt einfacher.
    „Wir trennen uns“, schlug Raven vor.
    Fieberhaft durchkämmten die beiden jeden Winkel von Schatzstadt, befragten jeden Passanten, der ein offenes Ohr hatte, doch vergebens. Kein Marill, kein Azurill und auch kein Traumato. Nach wie vor fehlte von den vermissten jede Spur, als seien sie vom Erdboden verschluckt.
    „Was gefunden?“, fragte Raven atemlos, als sich seine und die Wege seines Freundes nach einer fast einer halben Stunde am östlichen Stadttor kreuzten, er sich jedoch die Frage aufgrund dem resignierenden Gesichtsausdrucks seines Freundes auch ebensogut hätte sparen können. Xell schüttelte wie zu erwarten war den Kopf.


    Sie wollten sich bereits wieder trennen und auf die Suche machen, als - wie es der Zufall wollte - eine recht vertraute Stimme urplötzlich sie in letzter Sekunde von ihrem verzweifelten Unterfangen hinderte. Beide, Raven und Xell, wirbelten erschrocken herum. Es war Marill, Azurills Bruder. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und er hielt sich schwer atmend die Brust.
    „Ihr - ihr müsst mir helfen ... Traumato - Azurill -verschwunden ...“ Er brach vor Erschöpfung zusammen.
    Bereits nach wenigen Sekunden hatte sich eine Traube aus lauter Schaulustigen gebildet, die aufgeregt tuschelten. Raven gelang es Marill bereits nach kurzer Dauer wieder aufzuwecken. Kraft- und saftlos öffnete er einen Spalt weit seine schwarzen Knopfaugen.
    „Marill? Kannst du mich hören?“, rief Raven.
    Marill nickte schwach
    „Weißt du, wo Traumato und Azurill hingegangen sind?“
    Marill nickte erneut.
    „Sta-Stachelberg ...“, sagte Marill und verlor ein weiteres Mal das Bewusstsein.
    „Wir müssen sofort zum Stachelberg!“, sagte Raven entschlossen.
    Xell nickte, nicht weniger entschlossen. Ravens Blick schweifte derweil eilendst durch die Menge. Schnell hatte er auch gefunden, was er suchte. In den Massen von Schaulustigen, deren Anzahl von Sekunde zu Sekunde wuchs, erkannte er schlagartig die Gestalt Sonnfloras, seiner Gildenkameradin.
    „Sonflora, Du kommst wie gerufen! Kannst du dich bitte um Marill kümmern? Wir erklären dir alles später“, sagte Xell.
    Sonnflora schaute recht verdutzt über den Wunsch ihres neusten Gildenkameradens drein, erkannte jedoch offenbar sofort den Ernst der Lage und willigte ohne weiteres Zögern ein.
    Binnen weniger Sekunden hatten sie den Schauplatz verlassen und Schatzstadt hinter sich gelassen. Xell kramte indessen fieberhaft nach ihrer Wunderkarte.
    „Wo hab ich sie denn ... wo hab ich sie denn? Ach, da!“ Sein Finger streifte über die Karte. „Stachelberg - Stachelberg - Ah, da! Gar nicht so weit. Traumato kann keinen allzu großen Vorsprung haben. Wir müssen nach Westen.“
    „Dann lass und keine weitere Zeit verlieren“ sagte Raven.


    Keine halbe Stunde später kamen bereits die gewaltigen Umrisse des Stachelbergs näher und näher. Je mehr sich Raven dem steinernen Gebilde - errichtet vor Urgedenken und wie ein Beschützer über die Gefilden in seinem Schatten wachend - näherte, wurde seine geheime Vermutung mehr und mehr bestärkt. Er hatte dieses schroffklippigen Zeitgenossen bereits einmal gesehen. Es war tatsächlich der Stachelberg gewesen, den er mit seinen eigenen Augen erblickt hatte.
    „Ich glaube Azurill steckt in ernsten Schwierigkeiten.“
    „Wieso glaubst du das?“, fragte Xell.
    „Erklär ich dir später. Wir müssen zum Gipfel“, antwortete Raven und rannte voraus.
    Xell konnte seinem Freund nicht das Wasser reichen und büßte immer mehr Reichweite zu ihm und seinem Freund an. Währenddessen hatte Raven bereits einen Spalt entdeckt, der ins Innere und wohlmöglich auch auf den Gipfel des Stachelberges führte.
    „Du - bist schnell ...“, schnaufte Xell völlig atemlos, als auch er endlich am Fuße des Berges angekommen war und hielt sich die Hand an seine Brust. „Kaum zu glauben, dass du dich vor zwei Tagen kaum auf den Beinen halten konntest.
    „Können wir weiter?“
    Xell verzog vor lauter Seitenstechen krampfhaft das Gesicht, nickte nach tiefem Luftholen allerdings.


    Raven hatte keine Augen für die Wunderwerke von in allen Größenordnungen vorhandenen Steinformationen, meterlangen Stalagmiten, die pfeilspitz von der Decke hingen und selbst nicht einmal für die von Menschen vor langer Zeit aufgegebene und offenbar erschöpfte Kalksteinmine, die er und Xell als einige von vielen Sehenswürdigkeiten hinter sich ließen. Ravens Fell sträubte sich vehement bei den Gedanken an die schrecklichen Dinge, die passieren könnten, sollte er und Xell nicht rechtzeitig die Spitze erreichen. Traumato wirkte in der erfahrenen Vision keinesfalls zu Scherzen auferlegt und auch im Klang seiner Stimme lag keinerlei Spur von guten Absichten. Seine Schritte beschleunigten sich instinktiv, als der bitterliche Klagelaut Azurills in seinen Gedanken hämmerte. Lästige Höhlenbewohner, bedroht sich gegen die beiden Eindringlinge der Außenwelt wehrend, gaben sich vor Ravens ungestümen Vordringen schnell geschlagen, traten Hals über Kopf die Flucht an, oder wurden von ihm gnadenlos niedergestreckt. Längst ähnelte der Klang seiner Pfoten wie ein wahres Trommelfeuer; zum Leidwesens Xells, der mittlerweile gar nicht mehr mit seinem Freund Schritt halten konnte, geschweige denn zum Kämpfen kam. Vielmehr musste er sich damit begnügen, über die bewusstlosen Feinde die Raven in seinem unermüdlichen Vordringen zurückgelassen hatte, hinüberzusteigen, oder den panisch reißaus nehmenden Bewohnern des Stachelberges auszuweichen, und dabei seinen Freund bloß nicht aus den Augen zu verlieren.


    „Mach - doch - mal - lang - sam ...“
    Wie zu erwarten war, hatte Raven als erstes das ferne Licht, das den Ausgang ankündigte, als erstes erreicht. Erstmalig warf er einen Blick über die Schulter. Sein Freund, auf allen Vieren kriechend, schleppte sich mühselig den äußerst steil ansteigenden Pfad, den Raven nahezu problemlos erklommen hatte, hinauf. Unlängst hatte er erkannt, - was ihn jedoch nicht mehr sonderlich wunderte, dass er sich tatsächlich an dem Ort seiner Vision befand. Die flache, kahle Hochebene mit seinen schroffen, spitzen Felsen. Kein Zweifel. Nur Augenblicke später wurde seine ganze Aufmerksamkeit jedoch von einem fremden Geräusch aus der Ferne wieder völlig in Beschlag genommen. Er spitzte sogleich seine Ohren. Es waren Stimmen. Aber wo kamen sie her?
    „Siehst du das Loch hinter dir? Meinen Quellen zufolge, soll sich hinter diesem Spalt unermessliche Reichtümer befinden. Aber wie du siehst, bin ich zu groß und passe da unmöglich durch. Und da kommst du in's Spiel.“
    „W-Was wollen sie damit sagen?“
    „Liegt das nicht auf der Hand? Du sollst in das Loch kriechen und die Schätze für mich bergen. Los mach schon!“
    „A-Aber...“
    „Nichts aber! Du bringst dich in Schwierigkeiten, wenn du nicht tust, was ich sage!“
    „H-Hilfe!“
    Nach mehr verlangte es Raven nicht. Sogar der kleinste und hartnäckigste Zweifel war nun gebrochen. Es war haargenau so, wie er es aus seinem Traum her kannte. Dicht von Xell gefolgt, eilte er dem Klang des Hilfeschreis nach.


    Raven wunderte rein gar nichts mehr. Kaum den Ort des Geschehens erreicht, konnte er nichts anderes als die Rückseite Traumatos erkennen, der sich langsam einem kleinen, blauen und offenbar sehr ängstlichen Etwas näherte.
    „Stopp, oder du kannst was erleben!“
    Von dem Klang der Stimme Ravens überrascht, drehte er sich um. Traumatos Gesichtsausdruck war unergründlich, doch ahnte Raven, dass er wohl sehr überrascht sein müsste, hier noch jemand anderes vorzutreffen und dann ausgerechnet ein Erkundungsteam.
    „Oh, die zwei von heute morgen. Was wollt ihr? Der Spielplatz liegt aber in einer anderen Richtung“, sagte er genüsslich und lachte hohl.
    Xell schaltete sich mit ein.
    „Von wegen Spielplatz! Team Kugelblitz zur Stelle. Wir sind ein Erkundungsteam und dir als gesuchter Krimineller auf den Fersen. Entweder du kommst freiwillig mit uns oder wir zwingen dich einfach dazu.“
    Traumatos Gelächter erstarb.
    „So, so - ein Erkundungsteam.“ Traumato wandte sich nun völlig von seiner Geisel ab und machte einige wenige Schritte in die Richtung seiner beiden Verfolger. „Ihr wollt mich also zwingen, mit euch zu kommen? Soll ich nun etwa Angst haben? Damit ihr es wisst: Schon viele Kopfgeldjäger haben sich bei mir die Zähne ausgebissen. Was macht also ausgerechnet euch so siegessicher?“
    Raven gefiel Traumatos Siegessicherheit ganz und gar nicht. Einschüchtern ließ er sich jedoch nicht; ganz im Gegensatz zu Xell, der an seiner Seite heftig zu zitterten begann. Mehr und mehr rückte er in den Schatten seines Freundes.
    „Oh, sehe ich da etwa Angstschweiß auf deiner Stirn? Und zittern tust du wie Espenlaub. Na, das wird ja dann ein Spaß“, höhnte Traumato und knackste mit seinen Fingern, während er sich mit siegessicherer Miene mehr und mehr seinen Gegnern näherte.
    „Wir werden dir schon zeigen, wie der Hase läuft. Verlass dich drauf“, sagte Raven von dem Auftreten seines Gegners völlig unbeeindruckt. „Bist du bereit, Xell?“
    „J-Ja, legen wir los!“, antwortete Xell, stolperte unsicher aus dem Windschatten seines Freundes hervor und ging in Angriffsposition über.


    Von dem steilen Aufstieg keinesfalls erschöpft und stattdessen das Blut noch voll in Wallung, drehte Raven gleich voll auf. Mit wahnwitziger Geschwindigkeit rannte er auf Traumato los und stieß seinen eigenen Körper pfeilähnlich mit voller Wucht in die ungedeckte Magengegend seines Widersachers. Traumato taumelte angeschlagen einige Schritte zurück, konnte sich aber noch auf den Beinen halten. Die Hand gegen seinen von Raven getroffenen Leib gepresst, warf er selbigem einen vernichtenden Blick à La „Das wirst du bereuten, du kleiner, mieser Bastard!" zu. Im selben Moment fegten eine Salve glühend heißer Geschosse so knapp über Ravens Kopf hinweg, dass es ihm fast sein Pony versengte. Xell hatte endlich seine Furcht überwunden und war auch zum Angriff über gegangen. Seine Attacke schien jedoch zu offensichtlich, denn kurz bevor seine abgefeuerten Geschosse ihr Ziel erreichten setzte Traumato eine merkwürdige Aura um seinen Körper frei, die die Angriffswelle seines Kontrahenten in der Luft verpuffen lies. Xell war vor Schreck wie gelähmt, was Traumato schamlos ausnutzte. Hilflos musste Raven mitansehen, wie der gesamte Körper seines Freundes plötzlich wie aus Stein gemeiselt war. Xells weit geöffnete Augen, seine Arme und seine Beine, einfach alles wurde durch den bloßen Augenkontakt mit Traumato stocksteif. Schlussendlich gaben seine Beine nach, woraufhin er mit einem hässlichen Geräusch rücklings auf den Boden klatschte.
    „Nein, Xell!“, rief Raven schockiert.
    „Na, wie gefällt dir mein Aussetzer?“, höhnte Traumato grinsend. „So, und jetzt zu dir!“ Er suchte Raven, der jedoch längst aus Traumatos Blickfeld verschwunden war..
    „Wo steckst du? Komm raus und kämpfe!“, rief Traumato aufgebracht.
    Raven hatte sich hinter einem der vielen Felsen verkrochen und plante fieberhaft seinen nächsten Schritt. Ein weiterer direkter Angriff wäre töricht, das war ihm klar. Ihn würde höchst wahrscheinlich das selbe Schicksal ereilen, wie es seinem Freund wiederfahren war. Er glaubte, sein immer lauter werdendes Herz müsste ihn jeden Moment verraten. Ganz deutlich konnte er die Schritte seines Feindes wahrnehmen, der fieberhaft die Umgebung nach Raven absuchte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihn Traumato finden würde.
    „Wo hast du dich verkrochen, du Feigling?! Liegt dir etwa nichts an dem Schicksal deines Freundes? Soll ich ihn vielleicht fertig machen und deine Feigheit der Welt verkünden? Wie würde dir das gefallen, hm?“
    Ravens Muskeln spannten sich an und seine Krallen schlugen Furchen in den Boden. Traumato provozierte ihn und stieß mit seinen Worten bei Raven auch auf Öl. Doch er musste sich zurückhalten. Er durfte sich unter keinen Umständen von ihm und seinen Worten ködern lassen. Das wäre ihr beider Ende, soviel war klar.
    „Na, wie sieht es aus, Hasenfuß? Oder soll stattdessen Azurill den Preis deiner Feigheit bezahlen?“
    Raven schwieg; innerlich wollte es ihn aber zerreisen. Wie lange konnte er sich noch beherrschen, bevor er Traumato ins Netz ginge? Doch etwas war anders. Die höhnische Stimme hatte sich von ihm entfernt. Vorsichtig lugte Raven hinter seinem Versteck hervor. Traumato hatte auf der Suche nach dem Versteck seines Gegners selbigem seinen entblößten Rücken zugekehrt. Ravens Herz hämmerte wie verrückt. Eine solche Gelegenheit würde sich ihm vielleicht kein zweites Mal bieten. Alles auf eine Karte gesetzt, pirschte er sich leise an seinen ahnungslosen Gegner heran. Sein ganzer Körper knisterte vor der Energie, die seine unbändige Wut zu einem knisternden Funkenstrom materialisiert hatte, der sich in den Spitzen seines Fells sammelte und seinen Körper wie das Blut durch seine Venen durchströmte.
    „Dann koste mal das hier!“, schrie er und entfesselte seinen blanken Zorn auf Traumato. Das Fell stand ihm zu steil zu Berge und er konnte die unbändige Gewalt deutlich spüren, die sich aus seinem Körper löste und in Form eines gleißenden Lichtblitzes zielsicher und pfeilschnell durch die Luft in Traumatos Richtung bewegte. Traumato konnte nicht mehr reagieren. Sein gesamter Körper wurde von der grellblendenen elektrischen Aura erfasst. Er schrie und zappelte vor Schmerzen, während Raven seinen Hass noch weiter intensivierte und mehr und mehr Hochspannung durch den Körper seines Widersachers strömen ließ, bis es ihm selbst vor Erschöpfung schwarz vor Augen wurde und die Verbindung zwischen ihm und Traumato kappte. Keine Sekunde später klappte Traumato zusammen und blieb - abgesehen von einem anhaltenen heftigen Zittern - regungslos am Boden haften. Raven schnaufte und ging in die Knie. Die Anstrengung hatte ihn viel seiner Kraft beraubt. Für eine weitere Heldentat hätte es wohl nicht mehr gereicht, was jedoch auch nicht mehr nötig war. Mit dem Sieg über Traumato kehrte das Leben wieder in Xells Körper. Von den Spuren seiner Paralyse noch etwas mitgenommen, rappelte er sich auf. Sein Blick fiel zuerst auf die bewusstlose Gestalt Traumatos und schweifte dann zu seinem schwer atmenden Freund.
    „Du - du hast es geschafft?“, sagte Xell und starrte Raven ungläubig und mit großen Augen an.
    Wir haben es geschafft“, korrigierte er seinen Gefährten. Ein leichtes Grinsen bildete sich auf seinem von Erschöpfung gezeichneten Gesicht.


    „I-Ist es vorbei?“ Azurill kam schlotternd hinter einem kleinen Felsen hervorgekrochen.
    „Ja, es ist vorbei. Bist du in Ordnung?“, fragte Xell.
    „M-Mir geht’s gut. Danke euch beiden“, antwortete Azurill.


    „Was machen wir jetzt mit dem?“ Raven machte eine Geste auf die besinnungslose Gestalt seines Gegners.
    „Abführen, würde ich sagen“, antwortete Xell und ging auf Traumato zu.
    „Hey, Kannst du mich hören?!“
    Traumato regte sich schwach.
    „Mach keine Mätzchen, sonst kannst du was erleben!
    Traumato schwieg. Er machte keine Anstalten sich zu wehren. Mit ihrem besiegten Schurken im Schlepptau und Azurill an sicherer Seite, erreichten sie nach mühseligem Abstieg den Fuß des Berges, wo sie bereits erwartet wurden. Drei fliegende Pokémon, nahmen die Helden in Empfang. Der größte unter ihnen, offenbar eine Art von Anführer, stellte sich vor.
    „Ich bin Magnezone, der Oberwachtmeister der Gegend!“


    „Wir haben von den Geschehnissen in Schatzstadt gehört. Eure Gildenkollegin hatte uns mitgeteilt, dass ihr zum Stachelberg aufgebrochen wart. Eigentlich wollte wir euch helfen, den Schurken zu stellen, aber scheinbar seid ihr auch ganz gut ohne uns zurecht gekommen.“ Sein Blick fiel auf Traumato der scheinbar immer noch total unter Strom stand und gelegentlich zuckte.
    „Nicht der Rede wert“, sagten Xell und Raven im Chor.
    „Ihr habt formidable Arbeit geleistet. Traumato ist einer der meistgesuchten Verbrecher im Land und wurde erst kürzlich der Kategorie A zugeteilt“, sagte einer von Magnezones Helfern.
    „Was? Stufe A?” Xell wirkte entsetzt.
    „Ja, übrigens: Eure Belohnung lassen wir eurer Gilde zukommen. Wir danken euch noch einmal recht herzlich für eure Mitarbeit. So, Jungs: führt ihn ab!“
    Magnezones Helfer nahmen den griesgrämig dreinblickenden Traumato in die Mangel und flogen mit ihm davon.


    Nach einem kurzem, unbeschwerten Marsch erreichten sie wieder Schatzstadt, wo sie freudig von Azurills großem Bruder in Empfang genommen wurden.
    „Vielen Dank! Oh, vielen Dank! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll ...“, schluchzte Marill und schloss seinen Bruder verloren geglaubten Bruder fest in seine Arme.
    „Nicht der Rede wert“, antworteten Raven und Xell fröhlich.
    Nach einer kurzen Erklärung, über die Vorfälle der vergangenen Stunden, verabschiedeten sich die Geschwister noch einmal recht herzlichst von Raven und Xell und eilten nach Hause.


    Kaum hatten Raven und Xell dir Gilde betreten, wurden sie auch schon von einem äußerst mürrischen Plaudagei in Beschlag genommen.
    Als ob sie kein Wässerchen trüben könnten, sahen sie ihren Vorgesetzten mit unschuldbewusster Miene an.
    „Eigentlich müsste ich euch ja schelten, nachdem ihr mich heute morgen beinahe überrannt habt, aber uns wurde mitgeteilt, dass ihr einen harten Brocken gefangen habt. Ich würde sagen, damit dürfte wieder alles Paletti sein“, sagte Plaudagei höchst zufrieden.
    „Ist das etwa alles?“, brummte Xell.
    „Was? Oh, nein - stimmt, eure Belohnung, ja, ja, die sollt ihr auch erhalten. Das Kopfgeld für diesen Ganoven beträgt 3000 Poké. Hier ist euer Anteil.“
    Plaudagei überreichte Xell eine Hand voll Münzen.
    „Äh?!? Wie kriegen so wenig?!? Soll das etwa ein Witz sein?!?“
    Auch Raven kochte innerlich auch vor Wut, stieß jedoch Xell in die Rippen.
    „Lass es einfach. Hat ja doch keinen Zweck ...“, flüsterte er ihm zu.
    „Ihr geniest ein formidables Training bei uns, oder wollt ihr das etwa leugnen?“, sagte Plaudagei verärgert.
    Raven und Xell schwiegen.
    „Dann ist ja alles klar. Wir erwarten weitere Glanzleistungen von euch. Weiter so!“


    Nach dem gemeinsamen Abendessen verbrachten Raven und Xell den restlichen Tag in ihrem Gildenquartier. Während draußen ein Unwetter tobte, ließen sie den Tag noch einmal Revue passieren. Über ihren Besuch in Schatzstadt, die blitzschnelle Bezwingung des Stachelberges den Kampf mit Traumato und natürlich über die Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Belohnung. Doch bei einem Thema fielen sie beide plötzlich in tiefe Nachdenklichkeit: Ravens Traum.
    „Ich kann mir immer noch nicht erklären, was das war ...“, sagte Raven nachdenklich.
    „Was auch immer das war: dein Traum hat Azurill vielleicht das Leben gerettet. Wir können dafür dankbar sein“, sagte Xell und starrte dabei aus dem Fenster.
    „Es war wie ein Blick in die Zukunft“, sagte Raven schließlich. „Ich wusste ganz genau, was da oben geschehen wird.“
    Xell begann plötzlich zu kichern.
    „Was ist daran so witzig?“
    „Nun, ja: Kannst du nicht vielleicht vorhersagen, wie morgen das Wetter wird oder warte noch besser, was es morgen zum Essen gibt? Noch besser: Du könntest in Schatzstadt deinen eigenen Laden aufmachen und Vorhersagungen machen. Damit könnten wir unser lausiges Taschengeld aus der Gilde aufstocken. Xell hielt sich den Bauch vor lachen.
    „Ha, ha!“, sagte Raven tonlos.


    „Alles in allem bist du echt erstaunlich: Ein Mensch, der zum Pokémon wurde, ein Freund, ein starker Kämpfer, ein Lebensretter und ein Hellseher. So jemanden wie dich findet man wirklich nicht alle Tage“, sagte Xell. „Kannst du dich inzwischen eigentlich an irgendetwas aus deiner Vergangenheit erinnern?“
    „Nein, immer noch nichts ... Mir will und will nichts einfallen.“
    „Das wird schon wieder, da bin ich mir sicher“, tröstete ihn Xell.
    Raven schwieg.
    „Ich werd mich dann mal hinhauen - bin total kaputt. Nacht“, sagte Xell und warf sich kopfüber in sein Bett. Raven beobachtete noch eine Zeit lang wie die schweren Regentropfen, an ihrer Fensterscheibe langsam herunterliefen, bis auch er schließlich einschlief.



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    Das wird dann wahrscheinlich ein Router sein. Allerdings habe ich da wenig Erfahrung mit. Möglicherweise müssen da noch Ports geöffnet werden. Aber genau weiß ich es nicht. Ich würde eh nicht daran rumfingern, wenn ich keine Ahnung davon habe.


    Den Arcor-Router erreicht du wahrscheinlich unter den IP's 192.168.1.0 oder die 192.168.1.1 (In der URL-Leiste deines Browsers einfügen)
    Ich wiederhole es aber nochmal: Wenn du keine Ahnung von sowas hast, dann lass es besser bleiben!

    Schick dem Support einfach eine Mail. Das wird wohl das Beste sein...
    Mit einer Antwort am Wochenende würde ich allerdings nicht mehr rechnen.

    Wenn dir hier leider keiner weiterhelfen kann, dann solltest du vielleicht mal eine kleine Mail an den Support schicken.
    info@nintendo.de


    Schick ihnen am besten noch dein dxdiag als anhängende Datei mit


    Start -> Ausführen -> dxdiag -> Alle Informationen speichern


    Nicht zimperlich mit den Infos sein, dann wird dir bestimmt schnell geholfen. Aber nurmal um sicher zu gehen: Du hast Windows XP oder Vista? Ältere Versionen bzw. Windows 7. werden soviel ich weiß nicht unterstützt. Und du benutzt auch einen Breitband-Anschluss und kein einfaches Modem?

    Nicht wirklich...
    Oh das ganze Geld umsonst!


    Also ich habe jetzt einen Nintendo Wi-Fi USB Connector bekommen.
    Ich habe folgendes Problem:
    Immer wenn ich versuche den Verbindungstest zu beenden steht da Fehler-Code 52003:
    IP-Adresse kann nicht bezogen werden.
    Was soll ich tun?
    lg.Janny

    Schonmal den Support kontaktiert? Google sagt, dass es wirklich einige mit diesem Problem gibt. Allerdings hab ich auch nichts gefunden, was zur Lösung beitragen könnte. Ich würde mal versuchen, die Einstellungen manuell zuzuweisen.
    Also im Wi-Fi Menü unter Verbindung 1 und dann auf Manuelles Setup.
    Dann mal die Daten deines Rechners in der Eingabeaufforderung abrufen:


    Start -> Alle Programme -> Zubehör -> Eingabeaufforderung.
    Dort gibste mal den Befehl ipconfig /all ein und fügst anschließend die notwendigen Daten in deinen DS ein. Vielleicht hilft es ja.


    Wirklich professionelle Hilfe kann ich dir aber nicht geben. Geh mit deinem Problem bestenfalls zum Support...

    Mal eher etwas allgemeines: Ich kann jetzt dank meines UBS-Connectors mit dem DS online spielen. Jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich mit meinem Team überhaupt gegen andere Spieler ankomme. Da ich noch nie online Pokémon gespielt habe, fehlt mir diesbezüglich die Erfahrung. Jetzt zu meiner eigentlichen Frage: Gibt es in der Regel nur High-End-Kämpfe, also Spieler mit einem Team aus nur Level 100er oder existieren auch "normale" Teams mit Level 60-80?

    Ich hätte auch ein kleines Problem: Habe mir einen Nintendo Wi-Fi USB Connector zugelegt. Installation lief reibungslos, allerdings hatte ich dann einen kleinen Fehler Code, beim Testen der Verbindung.
    Nachdem ich mich etwas umgehört hatte, fand ich den Ursprung des Problems: Die Windows-Firewall. Kurzerhand habe ich sie mal testweise deaktiviert und Volá: Problem gelöst.


    Natürlich stellt sich mir nun ein neues Problem, denn ich möchte nur ungern die Firewall abschalten. Unter den Ausnahmen meiner Firewall ist seltsamerweise der USB-Connector gelistet, also sollte theoretisch die Verbindung von außen zugelassen werden, was sie allerdings nicht tut.


    Gibt es eine Möglichkeit, die Verbindung herzustellen, ohne gleich die gesamte Firewall runter zu fahren? Möglicherweise mit öffnen eines Ports?

    Gute Beobachter haben vielleicht festgestellt, dass besonders zu Beginn der Saga noch sehr auf "heile Welt" gespielt wird, was die Ernährung betrifft. Besonders ins Auge gefallen ist mir das unteranderem bei der Episode Relaxo im Tiefschlaf. Es wird sich in den ersten Staffeln insbesondere von Reis, Brot, Tofu, Früchten und Rockos undefinierbaren Suppen ernährt.


    Der erste Schlag in die Magengegend hab es dann bei der Folge Der Trickbetrüger. In dieser Episode wurde, wenn ich mich nicht irre, das erste Mal erwähnt, dass Pokémon auch gegessen werden.


    Weiteren Aufschluss gab es dann natürlich auch mit dem Release von Diamant/Pearl. Wer sich etwas in der Bibliothek von Fleetburg umgeschaut hat, wird sicherlich auch über diese Textzeile gestolpert sein:


    Zitat

    Auf den Volkssagen von Sinnoh:
    Säubere die Knochen der Pokémon, die du in einem Meer oder Fluss gefangen hast. Danke ihnen für die Nahrung, die sie dir spenden, indem du ihre Knochen säuberst. Hast du das getan, wirf die Knochen wieder zurück ins Wasser, aus dem sie kamen. Die Pokémon werden aus den Knochen neu entstehen und der Kreislauf beginnt von neuem

    Im Endeffekt sollte es klar sein, dass sich die Menschen der Pokémon-Welt auch von Pokémon selbst ernähren. Es ist dennoch nicht so relevant, dass man es gleich allen Anhängern auf die Nase binden muss. Vielleicht ist das aber auch gut so...

    Ich gehöre zu den wenigen, die mit Endivie losziehen werden. Warum das so ist, weiß ich selbst nicht. Ich habe einfach bei den Startern eine Vorliebe für den Typ Pflanze. Das war schon bei den anderen Editionen so und das wird hier auch so sein.


    Leider hat Endivie es in dieser Kampagne doch recht schwer: Die Arenaleiter sind doch recht offensiv oder neutral gegen den Typ Pflanze eingestellt und die Rockets haben gern das ein oder andere Gift-Pokémon in Petto.
    Aber mal ehrlich: Wer wird denn bei Endivie nicht weich? :)


    [Blockierte Grafik: http://www.ceder.net/pc/character/chikorita.png]

    Nachdem ich mir heute eine halbe Stunde ein Konzept ausgedacht habe, bin ich auch mit von der Partie.
    Das fiktive Grundgerüst steht bereits. Der einzige Knackpunkt wird wohl die 1500-Wort-Begrenzung sein. Mal schauen was dabei raus kommt. 8|

    Hallo Bisafans-Team,


    erstmal ein dickes Lob, für euer Forum: Gut durchstrukturiert, recht übersichtlich und saubere Moderation der Topics.
    Allerdings hab ich ein kleines Problem den Überblick über Kontakte mit anderen Benutzern im Auge zu behalten (Beispiele: Ein neuer Eintrag in meinem Gästebuch oder eine Freundschaftsanfrage. Solche Meldungen springen mir bisher nur recht schwer ins Auge).
    Ich weiß leider nicht, ob eure Forensoftware so etwas hergibt oder ob so etwas überhaupt gebraucht wird. Dennoch möchte ich hier kurz eine kleine Funktion ansprechen, mit der man leichter den Überblick über seine Aktivitäten im Forum behält. Dabei handelt es sich um ein extra Feld (Benachrichtigungen), welches einen direkt auf Besonderheiten, die mit mir in Verbindung stehen, hinweist.
    Ein kleiner Screenshot aus einem Forum, in dem ich auch tätig bin:


    [Blockierte Grafik: http://img517.imageshack.us/img517/4963/feedbackb.png]


    Natürlich ist so etwas immer mit zusätzlicher Arbeit verbunden. Dennoch wäre es in mancher Hinsicht recht praktisch.


    PS: Sollte es eine ähnliche Anfrage zu diesem Thema geben, dann bitte ich das natürlich zu entschuldigen. :blush:

    <- Ab heute auch ein Teil der Gemeinschaft. Wer etwas den Fanstory-Bereich hat sicherlich schon bemerkt, dass ich ein großer Fan des Titels bin.


    2 Themen, auf die ich hier kurz eingehen möchte:


    • Welche Bonusepisode ist deiner Meinung am Schlechtesten:

    Wirklich schlecht ist keine. Allerdings muss ich zugeben, dass mich die Geschichte um Team Charme nur wenig anspricht. Ich kann es einfach nicht genauer beschreiben, aber von den 5 Geschichten reizt mich diese am wenigsten. Vielleicht da ich als Spieler nur wenig mit Schlapor und Co. zu tun bekomme. Im Gegensatz zu Team Charme stehen natürlich die Hauptpersonen der anderen Storys, mit denen man im Laufe des Spiels eher eine Beziehung aufbaut.



    • Wie findet ihr die Bonusepisode "In der dunkeln Zukunft"?

    Ich frage mich hier wirklich, ob ich nur einer von wenigen war, die bei dieser Story manchmal den Tränen nahe war. Bei solch rührseligen Geschichten merke ich immer gleich, dass ich (leider) recht nahe am Wasser gebaut bin. Die Story hat wirklich alles: Spannung, Herzschmerz und Action. Bei keiner Bonusepisode fiebert man so mit dem Protagonisten mit und hofft auf ein gutes Ende, wie bei dieser.
    Gerne würde ich zu diesem Thema noch mehr sehen, aber leider hat alles einmal ein Ende.
    Meiner Meinung nach die beste Bonusepisode.



    Die ersten Animes gab es sogar vor über 30 Jahren im deutschen Fernsehen schon.


    Die ersten Anime-Serien, die ich noch von damals kenne, dürfte, wohl Heidi, Wiki und die starken Männer, Die Biene Maja und Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen gewesen sein. Ein paar Jahre später kamen dann wohl Die Kickers. Tja Fußball war natürlich bei Jungs immer gern gesehen, besonders wenn es halt etwas über die normale Fantasie hinausschießt.


    Einen großen Boom gab es dann natürlich einige Jahre später auf RTL2 (anfangs ZDF) mit Sailor Moon. Das düfte wohl der größte Erfolg und der Schritt zu den anderen großen Animes wie Pokémon, Dragonball und Co gewesen sein. Ich gehöre halt zu der Generation, die mit Animes groß geworden sind. An meinen Bruder (4 Jahre älter) ging die Anime-Hysterie eher spurlos vorbei.

    Obwohl ich mittlerweile 22 bin, besuche ich noch eine Schule (2 Berufsausbildung)
    Es ist jetzt inzwischen ein halben Jahr vergangen und wir hatten (noch) keine Hausaufgaben bekommen, was ich allerdings gutheißen kann: Hausaufgaben sollten nur für Lernzwecke und Selbstkontrolle dienen, aber keinesfalls um Schüler zuhause mit Schularbeiten zu belasten. Deswegen sollte, meiner bescheidenen Meinung nach, keine Benotung der Hausaufgaben stattfinden. Macht man Hausaufgaben nicht, geht das letztendlich bei der nächsten Klassenarbeit mit einem selbst heim. Da braucht es keine zusätzliche Note 6 für die mangelnde Mitarbeit, wegen vergessenen Hausarbeiten.
    Gut finde ich widerum freiwillige Arbeitsaufträge, welche man für die Verbesserung seiner Schulnote zuhause erarbeiten muss, für die man sich aber nicht verschlechtern kann.


    Es gibt nicht umsonst Elternabende. Sollte ein Lehrer bemerken, dass einer seiner Schüler Probleme hat den Stoff in der Schule zu verarbeiten, dann müssen eben die Eltern ihren Kindern etwas mehr unter die Arme greifen.

    Ich sehe das so:


    Du kaufst dir ein Spiel und benutzt gleich Cheats, Codes, Hacks oder Komplettlösungen: Dafür brauch ich mir das Spiel dann nicht zu kaufen.


    Spielt man das Spiel zum ersten Mal, hat man dieses tolle Noob-Feeling. Fehler zu machen bedeuten bei den ersten Gehversuchen kein Beinbruch, die Story und das Gameplay faszinieren dich immer wieder aufs neue und es macht einfach wahnsinnig Spaß.
    Greife ich beim ersten Durchlauf gleich zu solchen Hilfsmitteln, gehen diese Punkte einfach verloren, (persönliche Meinung) deswegen bemühe ich mich wirklich, komplett ohne Lösungsvorschläge und Hilfsmittel durch das Spiel zu kommen. Habe ich dann irgendwann das erreicht, was mir persönlich wichtig ist, lege ich das Spiel beiseite.


    Irgendwann, wenn ich dann mal wieder Lust haben sollte, fange ich das Spiel dann mal wieder neu an und verwende dann auch mal den ein oder anderen Cheat. Übertreiben tue ich in der Regel aber nicht, sondern gehe nur soweit, damit das Spiel nicht den Reiz verliert.


    Beispiel: Ich hatte vor kurzem mal die Platin-Edition gespielt und mein Team im Verlauf des Spiels etwas exotischer aufgebaut, als es im eigentlich möglich ist. Startpokémon war bei mir zB. Kindwurm Level 5. Training verlief ganz normal.

    Kapitel II.: Die neuen Gildenrekruten

    Mittlerweile war bereits früher Abend angebrochen. Xell und sein neuer Freund Raven wanderten auf den nur spärlich beleuchten Pfaden in Richtung der Knuddeluff-Gilde; der Ort, vor dem Xell vor knapp zwei Stunden panisch reißaus genommen hatte. Raven trottete langsam und mit verschlossenen Augen hinter Xell her und murmelte offensichtlich tief in Gedanken versunken vor sich hin.
    „Also ...“, begann er, „Gilden bilden Erkunder aus. Erkunder erforschen unbekannte Orte, suchen nach Schätzen und helfen Pokémon in Not. Voraussetzung, um ein waschechter Erkunder zu werden, ist die Teilnahme am Gildentraining, verschiedene Prüfungen, die es zu absolvieren gilt, Fleiß, Ehrgeiz und natürlich Disziplin. Habe ich das alles richtig verstanden?“
    Xell strahlte vor Freude, als sein Begleiter endete.
    „Genau! Unbekannte Orte zu erforschen und Schätze zu finden ...“ Er seufzte tief bei seinen eigenen Worten. „Das ist ja so aufregend ... Oh, wir sind ja schon da!“
    Jegliche Farbe war Xell plötzlich aus seinem Gesicht entfleucht. Stocksteif stand er nur noch so da und beäugte das Gebäude, bei dem es sich offensichtlich um die Knuddeluff-Gilde handeln musste. Das Bauwerk, wenn man es überhaupt so nennen durfte, bestand aus nur zwei Ebenen. Das Dach formte den Kopf eines Pokemons, während das Erdgeschoss wie ein kunterbuntes Zirkuszelt wirkte. Die Stelle, an der man den Eingang vermutet hätte, zierte ein schweres Eisentor mit ellenbogendicken Gitterstäben, was für Besucher nicht gerade den einladensten Eindruck machte. Links und rechts zum Eingang brannte je eine Fackel, deren Schein die Düsternis durchdrang und den kompletten Platz mit wärmendem Licht erhellte. Raven begutachtete argwöhnisch das Gebäude.
    „Das ist sie also, die Knuddeluff-Gilde? Sieht ja irgendwie nicht wirklich gastfreundlich aus ... Oder was meinst du?“
    Nichts regte sich hinter Raven.
    „Xell ...? Hallo ...?“
    Raven drehte sich um und suchte den Blick seines Freundes, der wie angewurzelt einige Schritte hinter ihm stand. Xells Blick war starr auf das Antlitz des Pokémons auf der Konstruktion vor ihnen gerichtet.
    „Ist alles mit dir in Ordnung?“, fragte Raven stirnrunzelnd.
    „J-ja, alles in Ordnung ...“
    Sein Blick blieb unentwegt an dem Gesicht des Pokémons haften. Er bewegte sich nach wie vor kein Stück von der Stelle.
    „Na, wenn alles in Ordnung ist, dann komm endlich“ , sagte Raven, langsam etwas genervt.
    Xell machte jedoch immer noch keine Anstalten, sich zu bewegen. Seine Augen nahmen inzwischen bereits einen glasigen Ton an.
    Raven platzte der Geduldsfaden. Ohne weitere Anstalten zu machen stahl er sich hinter die regungslose Gestalt seines Freundes und schob diesen mit der gesamten Kraft seines Körpers langsam in Richtung des Eingangs: stieß dabei aber bereits nach wenigen Schritten auf heftigen Widerstand seines neuen Freundes.
    „Was tust du da? Hör auf damit!“, rief Xell erschrocken und stemmte sein ganzes Gewicht gegen die unbändige Gewalt seines Freundes, die ihn in Richtung der Gilde drückte.
    „Ich will hier keine Wurzeln schlagen. Los, rein da!“
    Xell wehrte sich verzweifelt, doch vergebens. Sie waren nur noch wenige Meter entfernt und erreichten gerade eine Balkenkonstruktion aus geflochtenem Holz, als eine laute Stimme ihren Zweikampf unterbrach.
    „Pokémon entdeckt! Pokémon entdeckt!“
    Auch Raven fuhr nun vor Schreck in sich zusammen, machte jedoch - im Gegensatz zu seinem Kameraden - keine Anstalten wegzulaufen. Xell hatte mittlerweile seine zum Scheitern verurteilten Fluchtsversuche aufgegeben und klammerte sich fest um den Hals seines Freundes. Er zitterte am ganzen Leib.
    Eine weitere Stimme, um einiges kraftvoller und lauter als die erste, schaltete sich ein.
    „Wessen Fußabdruck? Wessen Fußabdruck?“
    „Zwei Pokémon!“, quickte die erste Stimme. „Die Fußabdrücke gehören Panflam und Sheinux! Die Fußabdrücke gehören Panflam und Sheinux!“
    Einige Sekunden absoluter Stille zogen dahin. Nur das Klappern von Xells Zähnen und das Lodern der Fackeln war zu hören, bis sich die andere Stimme wieder erschallte.
    „In Ordnung, eintreten!“
    Mit einem lauten Scheppern wurde das schwere Eisentor aufgezogen und öffnete den Eingang zur Gilde. Xell seufzte erleichtert.
    „Ich dachte sie würden uns irgendeine Aufgabe oder so stellen.“
    „Würdest du mich bitte endlich loslassen? Du erwürgst mich ...“, keuchte Raven, der mittlerweile die Farbe einer frühreifen Tomate angenommen hatte.
    „Oh, entschuldige!“, rief Xell erschrocken und lies endlich von Raven ab.
    „So, dann wollen wir mal“, sagte Raven, immer noch schwer atmend.
    Beide stiegen über die Stufen, betraten den Eingang der Gilde und fanden sich wenige Augenblicke später in einem kleinen kreisrunden Raum, scheinbar einer Sackgasse, wieder. Ihr Blick fiel auf eine Tafel zu ihrer Linken:


    Knuddeluff-Gilde

    Die Erkunderschwüre:

    Erstens: Nicht dem Plagen entsagen!

    Zweitens: Willst du kneifen, müssen wir dich schleifen!

    Drittens: Mit einem Lachen werden wir es machen!


    „Ähhhm, ja ... und wie geht’s jetzt weiter?“, fragte Raven, während seine Augen im Glauben, irgendetwas wichtiges übersehen zu haben, ein zweites Mal über die Tafel huschten - er hatte kein einziges Wort der für ihn verworrenen Schriftzeichen entschlüsseln können
    Xells Blick wanderte im Raum umher bis er eine Leiter unmittelbar in ihrer Nähe erspähte.
    „Nach unten, nehme ich mal an.“ Er deutete auf die Leiter.



    Bereits während ihrers Abstiegs, der sich insbesondere für Raven als ein besonders kniffliges Unterfangen herausstellte, drangen eine Vielzahl verschiedener Stimmen an ihre Ohren. Niemand der beiden konnte wohl die Frage beantworten, wer von ihnen gerade mit den größeren Sorgen zu ringen hatte. Raven, der bedacht eine Pfote nach der anderen auf die schmalen Leitersprossen setzte und darum betete, bloß nicht abzurutschen; oder Xell, der durch das Stimmenwirrwarr sämtliches Selbstvertrauen beraubt wurde und am liebsten wieder kehrt machen würde, wenn da nicht Raven gewesen wäre, der ihm langsam hinab folgte und so seinen einzigen Fluchtweg blockierte. Nach ihrer kurzen Kletterpartie erreichten sie (in Ravens Fall) erleichtert einen großen Raum, in dem sich eine Vielzahl der unterschiedlichsten Pokémon tummelten; so viele, dass Raven bereits nach kurzer Dauer seinen Versuch aufgab, sie zu zählen. Doch niemand schien bislang Kenntnis von den beiden Besuchern genommen zu haben; niemand, bis auf ein vogelähnliches Pokémon, das auf sie zugeflattert kam.
    „Ihr seid die beiden, die wir gerade herein gelassen haben, richtig? Was wollt ihr hier? Uns etwas verkaufen? Für Bettler und Hausierer haben wir wenig übrig. Außerdem ist es schon späte Stunde und wir schließen bald. Was ist nun? Hat es euch etwa die Sprache verschlagen?“
    Alles sprudelte in einer unglaublichen Geschwindigkeit aus dem Pokémon heraus. Er brauchte offenbar nicht einmal Luft zu holen und machte bereits Anstalten, weiter zu plappern, als Xell ihn kurzerhand unterbrach.
    „Ähm, Verzeihung, aber wir - wir wollen eigentlich Erkunder werden und hier als Lehrlinge anfangen.“
    Die Miene des vor ihnen stehenden Pokémons nahm binnen weniger Sekunden einen ganz und gar entzückten Eindruck ein.
    „Achso. Das ist natürlich etwas anderes! Ich bringe euch sofort zum Gildenmeister Knuddeluff. Na, dann kommt mal mit“, flötete er und hüpfte voraus.


    Sie kehrten dem Stockwerk und seinen laut miteinander plaudernden, fiependen und schwatzenden Pokémon den Rücken zu, stiegen eine weitere Leiter hinab und kamen in ein weiteres, noch viel größeres, dafür aber zumindest etwas weniger gefülltes Stockwerk.
    „Macht Platz für die neuen Gildenrekruten! Macht Platz für die neuen Gildenrekruten!“, rief das Pokémon, dem Raven und Xell auf dem Weg zum Gildenmeister folgten, wichtigtuerisch in den Raum. Er schien, im Gegensatz zu seinen beiden Begleitern, die Aufmerksamkeit in vollen Zügen zu genießen. Xell und auch Raven stand ihre Scham wie im Gesicht geschrieben. Ihre Augen fest auf den Boden gerichtet trotteten sie unter den zahlreichen auf ihnen ruhenden Blicken hinter dem Mitglied der Knuddeluff-Gilde her. Selbst für Raven, der, im Gegensatz zu Xell, weniger Komplexe neue Bekanntschaften zu machen hatte, war das doch etwas zu viel des Guten und so hoffte er, diesen Marsch so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ihre Wanderung kam schließlich und endlich an einer großen hölzernen Tür etwas abseits vom Hauptplatz und den neugierigen Blicken der Anwesenden zum Ende. Das schwatzige Pokémon räupserte sich großspurig und klopfte drei mal mit dem Schnabel gegen die Tür.
    „Ich bringe zwei neue Gildenrekruten, Gildenmeister Knuddeluff.“
    „Komm herein und bring die beiden mit, Plaudagei“, trällerte es nach wenigen Augenblicken des Wartens fröhlich hinter der Tür hervor.
    Sie betraten einen kleinen Raum, in dem sich ein großes rosa Pokémon befand. Raven erkannte in ihm sofort das Pokémon wieder, dessen Abbild sich auch auf dem Dach der Gilde befand. Sie nahmen vor dem Pokémon, um das es sich offensichtlich um den Gildenmeister handeln musste, Haltung an. Plaudagei, dem sie die ganze Zeit über gefolgt waren, schloss unterdessen die Tür, blieb jedoch mit im Raum.


    „So, ihr wollt also Erkunder werden und bei uns in die Gilde eintreten, richtig?“, fragte Knuddeluff freundlich.
    Xell trat entschlossen vor. Die Abgeschiedenheit von den neugierigen Blicken vor der Tür ließen ihn neuen Mut und Selbstvertrauen schöpfen, was auch Ravens wachsamen Augen und Ohren nicht entging.
    „Ja, das wollen wir - von ganzem Herzen“, antwortete Xell begeistert.
    „In Ordnung. Wie lauten eure Namen?“, wollte Knuddeluff wissen.
    „Mein Name ist Xell ..." Er trat einen weiteren Schritt vor. „Und dies ist ...“
    „...und ich heiße Raven“, unterbrach Raven seinen Freund und trat demonstrativ vor.
    „Alles paletti“, sagte Knuddeluff und klatschte in die Hände. „Dann brauchen wir nur noch den Namen eures Erkundungsteams.“
    Xell wurde plötzlich stocksteif.
    „Der N-Name des Teams?“, flüsterte er leise. Jegliches Selbstvertrauen war ihm plötzlich wie aus dem Gesicht gefegt. Aufgelöst stahl er sich ganz langsam seitlich zu seinem Freund hinüber und suchte verzweifelt dessen Blick.
    „Raven - ksch ...“



    „Wie war das?“ Knuddeluff runzelte die Stirn und musterte seine beiden neuen Rekruten neugierig.
    „Der Gildenmeister hat dich nicht richtig verstanden“, fügte Plaudagei unnötigerweise dem Satz seines Gildenmeisters hinzu.
    Endlich bemerkte Raven den stummen Versuch seines Freundes, seine Aufmerksamkeit zu erregen. In sich eingekehrt kniff er seine Augen zu, und begann angestrengt zu grübeln. Xells Stimme wurde inzwischen immer heiserer; gleichzeitig begann er kräftig zu stottern an. Knuddeluffs Blick mied er bereits seit einer ganzen Minute. Stattdessen starrte er regelrecht Löcher in den Boden.
    „Also - äh, wegen dem Namen - das ist so, wir - wir heißen - äh ...“
    „Kugelblitz!“, rief Raven, wie aus heiterem Himmel. Xell und alle Anwesenden eingeschlossen zuckten vor Schreck zusammen.
    „Ja, Team Kugelblitz!“, wiederholte Raven. „Wir schlagen zu, wie der Blitz. So heißen wir.“
    „Team Kugelblitz also? Guter Name, guter Name!“, sagte Knuddeluff fröhlich und klatschte ein weiteres Mal in die Hände.
    „Dann bin ich der Erste, der euch recht herzlich bei uns willkommen heißt. Er schüttelte seinen neuen Auszubildenden die Hand (in Ravens Fall die Pfote). „Ich überreiche euch hier nun feierlich euer offizielles Erkundungsteamset. Wo war es noch gleich ...?“
    Knuddeluff begann in einem Berg, den ein Jeder der Anwesenden wohl als „einen Haufen Müll“ definiert hätte, emsig zu kramen an und bombadierte dabei alle sich im Raum befindenden Personen regelrecht mit den verschiedensten Dingen. Plaudagei, dem dieses Ritual wohl allzu vertraut sein musste, konnte sich gerade noch im letzten Moment in Sicherheit bringen. Über Raven und Xell ergoss sich jedoch augenblicklich eine Flut aus merkwürdigen blauen Kugeln, Beeren in allen Regenbogenfarben, Steinen, Bändern, weichen Gummis; teilweise wohlriechend, teilweise bereits leicht ranzig riechend; und zu allem Überfluss, abgenagten Äpfeln.
    „Ah, da ist es ja“, sagte Knuddeluff erschöpft, aber zufrieden und hielt ein großes Paket in beiden Händen. „Bitte sehr.“
    Xell konnte sich als erster aus der Lawine von Gegenständen befreien und öffnete behutsam die Kiste, die ihm Knuddeluff reichte.


    „Das hier“, sagte Knuddeluff und deutete auf ein mit einer Schlaufe versehenes Stück Pergament, „ ist eine Wunderkarte. Sie weist euch Tag und Nacht den richtigen Weg für eure Aufträge, die ihr von uns gestellt bekommt. Dann hätten wir noch euren Erkunderorden, mit dem ihr euch immer und überall als offizielles Erkundungsteam ausweisen und Rettungsmissionen durchführen könnt. Zu guter Letzt euren Schatzbeutel, ein praktisches Utensil zur Aufbewahrung eures Proviantes und eurer Ausrüstung.“ Er blickte voller Stolz auf seine neuen Schützlinge hinab. „Ihr beide seid jetzt offizielle Lehrlinge der Gilde. Macht uns stolz und trainiert, trainiert, trainiert.“
    „Danke, Gildenmeister Knuddeluff“, keuchte Raven, der sich nun auch endlich aus dem Berg von Knuddeluffs Krempel befreien konnte.
    „Plaudagei? Sei doch so nett und zeige unseren neuen Freunden ihr Quartier.“
    „Natürlich, Gildenmeister“, antwortete Plaudagei prompt. „Folgt mir bitte.“
    Plaudagei hatte seinen Flügen bereits an der Türklinke, als Knuddeluff seinen Gildenlehrling noch einmal zurückbeorderte.
    „Achja, und Plaudagei: wenn du zurück kommst, musst du mir hier mal beim Aufräumen helfen. Ich weiß wirklich nicht, warum hier so ein Durcheinander herrscht.“ Knuddeluff winkte zum Abschluss noch einmal. „Gute Nacht, ihr zwei.“
    Auch Plaudagei wandte sich um und warf wehmütig einen kurzen Blick auf die kreuz und quer herumliegenden Gegenstände, die Knuddeluffs Suchaktion im Weg gestanden hatten.
    „Natürlich, - Gildenmeister ...“


    Sie ließen das Quartier Knuddeluffs nun endgültig hinter sich. Mittlerweile gingen offenbar auch in der Gilde die Lichter aus. Von dem fröhlichen Stimmengewirr, das Raven und Xell bei ihrer Ankunft in die Gilde begrüßt hatte, war nunmehr nichts mehr zu hören. Ruhe war eingekehrt. Plaudagei führte die Gildenneuankömmlinge abseits von der großen Haupthalle, in der sich auch die Leiter zu den oberen Geschossen befand, einen langen Korridor entlang. Hier und da zweigte sich dieser nach rechts und links zur Seite ab. Ihr Gang kam schließlich und endlich in einem kleinen abgelegenen Raum, mit kreisrundem Fenster und zwei einladenden Heubetten zum Ende. Obwohl es nach nicht viel aussah, strahlte der Raum, bei dem es sich wohl um ihr Quartier handeln musste, eine solche Form der Behaglichkeit aus, die Raven schlagartig in seinen Bann zog. Müdigkeit kroch in seine Glieder. In jenem Moment wünschte er sich nichts lieber, als sich einfach nur in eines der Betten zu werfen, sich dort für den Rest seiner Tage zu verkrümeln, und am liebsten nie wieder aufzustehen.


    „So, diese Räumlichkeit steht euch von nun an als persönliches Gildenquartier zur Verfügung. So wie ihr ausseht solltet ihr am besten früh zu Bett gehen. Ab morgen startet euer Gildentraining und da wollt ihr ja hoffentlich fit sein, oder?“
    Plaudagei ersparte sich, auf eine Antwort zu warten. Die sichtlich erschöpften Gesichter seiner beiden neuen Kameraden ließen ihn seinen Teil vermuten und so ließ er Raven und Xell nach einem kurzen Wort des Abschieds in ihrem Gildenquartier zurück. Kaum hatte Plaudagei die Tür hinter sich zugeschlagen, ließen sich sowohl Raven als auch Xell todmüde aber glücklich in ihre Betten fallen. Einige Minuten vergingen in denen beide halbwach nur so dalagen und jeder für sich selbst den Tag Revue passieren ließ. Xell fand als erstes seine Sprache wieder.
    „Team Kugelblitz? Klasse Einfall. Da wäre ich nie darauf gekommen. Du bist ein echtes Multitalent.“
    Raven schwieg.
    „Ich bin echt totmüde. Mich kannste heute nicht einmal mehr zum Blumen pflücken gebrauchen ... Gute Nacht ...“
    „Nacht“, gähnte Raven kurz angebunden.


    Xells ruhiges, gleichmäßiges Atmen verriet Raven, dass sein Freund eingeschlafen sein musste. Er selbst lag dagegen noch einige Zeit, auf dem Rücken liegend und sanft auf Stroh und Heu gebettet, und starrte regungslosan die Zimmerdecke. Viel zu viel war passiert, als dass er einfach hätte Ruhe finden können. In Gedanken ging er jeden einzelnden Aspekt der vergangenen Stunden noch einmal durch.
    „Wer bin ich, wer war ich und warum bin ich hier? Wieso besitze ich keinerlei Erinnerungen an mein früheres Leben? War ich wirklich ein Mensch?“ Im Dunkeln hielt er sich seine rechte Vorderpfote vors Gesicht, deren Umrisse er im spärlichen Licht des blassen Mondscheins nur vage erkennen konnte. Er schüttelte den Kopf. Das war nicht richtig. Er sollte eigentlich nicht hier sein. Nicht hier und nicht in diesem Körper. Doch wo dann? Nichts wollte für ihn Sinn ergeben. Langsam aber sicher fielen auch ihm seine Augen zu. Er befand sich plötzlich wieder am Strand, wo ihn Xell gefunden hatte. Er rannte. Wohin wusste er nicht. Eine Stimme in seinem Kopf rief ihm immer wieder ins Gewissen, dass er unbedingt die Sonne einholen müsste. Stundenlang, so kam es ihm jedenfalls vor, verfolgte er die helle Scheibe am Firmament, ohne sie jedoch auch nur ansatzweise einholen zu können. Urplötzlich verfinsterte sich das Gebilde der Sonne am Himmel. Wie ein großer Felsbrocken fiel sie plötzlich vom Himmel herab und zerprang auf dem Boden angelangt in abertausende Einzelteile. Alles um Raven herum wurde dunkel. Die Bäume, die Pflanzen, das Wasser - alles gefror. Eisige Kälte kroch in seine Glieder und saugte an seinen Gedanken. Er musste fliehen. Doch wohin sollte er laufen? Ein ohrenbetäubender Schrei und heftige Kopfschmerzen rissen ihn plötzlich aus seinem Traum und somit auch aus seiner viel zu kurzen Nachtruhe.


    „HEY, IHR! AUFWACHEN!“
    Raven gelang es im ersten Moment gar nicht zu realisieren, was eben geschehen sein musste. Nicht nur, dass er so ruckartig aus seinem Schlaf gerissen wurde, auch viel zu heftig hämmerte ein Schmerz, der ihm die Tränen in die Augen trieb, in seinem Kopf, als dass es ihm gelang, eben diese zu öffnen. Vor sich konnte er vage die Umrisse Xells erkennen, der sich, allem Anschein nach, gerade seinen Kopf rieb. Durch die brachiale Stimme des Eindringlings so ruckartig geweckt, waren Raven und Xell so heftig aus dem Schlaf gefahren, dass sie vor Schreck ihre Köpfe gegeneinander gerammt hatten; was die hämmernden Schmerzen in Ravens Schädeln mehr als deutlich erklärte.
    „NA LOS, RAUS AUS DER FALLE! IHR KOMMT NOCH ZU SPÄT ZUR MORGENTLICHEN EINWEISUNG! SAGT NICHT, ICH HÄTTE EUCH NICHT GEWARNT!“ Das Pokémon an ihrer Tür, welches sie soeben aus ihrem Schlaf gerissen hatte, verschwand.
    Xell rieb sich schläfrig die Augen.
    „Morgentliche ...?“
    „... Einweisung?“, beendete Raven den Satz.
    Einige Sekunden zogen dahin, bis sie endlich alle beide wieder bei vollem Bewusstsein waren. Xell schreckte als Erster auf.
    „Du lieber Himmel! Ich komme zu spät! Und das am ersten Tag!“
    Endlich kam auch Ravens Kreislauf in Schwung. Schlagartig war er auf seinen Beinen. Beide, Raven und Xell, rannten wie zwei aufgescheuchte Hühner zu Tür ihres Quartiers. Es kam, wie es kommen musste: Sie blieben gemeinsam in der für sie beide viel zu engen Tür stecken. Keinen Millimeter ging es weiter und niemand wollte in ihrer morgendlichen Desorientierung kleinbei geben. Noch nicht einmal hatten sie erkannt, mit wem sie gerade dabei waren, um die Wette zu rangen.
    „Jetzt mach doch mal Platz!“, rief Xell erregt.
    „Lass mich durch!“, keuchte Raven heiser.
    Sekundenlang kämpften sie noch verbissen mit aller Gewalt miteinander, bis sie schließlich und endlich beide lautstark aus dem Türrahmen herauskullerten und einige Meter vor ihrem Quartier aufeinander liegen blieben. Erst jetzt erkannten sie, mit wem sie die ganze Zeit über gerungen hatten
    „Oh, Morgen Raven. Gut geschlafen?“
    „Geht so ... Schlecht geträumt ...“
    Weitere Sekunden zogen ins Land, bis sie sich endlich wieder ins Gedächtnis riefen, wo sie waren und welches bedeutende Ereignis sie just in dieser Sekunde dabei waren, zu versäumen. Beide starrten sich plötzlich mit großen Augen an.
    "DIE MORGENTLICHE EINWEISUNG!"
    Sie rappelten sich beide auf und rannten was ihre Füße hergaben den ausgestorbenen Korridor entlang.


    Atemlos und arg zerzaust erreichten sie die Tür zum Quartier des Gildenmeisters. Vor dem Eingang standen bereits ein ganzes Rudel Pokémon, bei denen es sich allesamt um Mitglieder der Gilde handeln musste. Sämtliche Augenpaare waren nun auf die Neuankömmlinge gerichtet, die sich schwer atmend ans Herz griffen.
    „Ah, da seid ihr ja endlich“, herrschte sie Plaudagei an. „Der Gildenmeister ist zu eurem Glück noch nicht da. Nutzen wir also am besten die Zeit und machen euch mit dem Rest der Gilde bekannt.“



    Plaudagei räusperte sich.
    „Das hier sind unsere neuen Gildenlehrlinge. Raven und Xell von Team Kugelblitz. Heißt sie herzlichst in unserer Gemeinschaft willkommen.“
    Pfiffe und reger Beifall von allen Anwesenden folgten Plaudageis Worte. Ein biberähnliches Pokémon mit auffallend großen Vorderzähnen löste sich aus der Reihe der Gildenmitglieder und trottete auf sie zu.
    „Willkommen bei uns. Toll, dass wir wieder neue Lehrlinge haben. Ich war lange Zeit der neuste Lehrling in der Gilde, bis ihr aufgetaucht seid. Mein Name ist übrigens Bidiza. Freut mich wahnsinnig, euch kennen zu lernen.“
    „Uns auch, danke“, sagte Xell frohgestimmt.
    In diesem Moment ging die Tür zum Quartier des Gildenmeisters krachend auf und Knuddeluff torkelte schläfrig und mit geschlossenen Augen heraus. Alle Blicke ruhten gespannt auf der verschlafenen Gestalt ihres Anführers


    Einmal laut aufschnarchend begann er, völlig in sich verharrend in einer monotonen Stimmlage zu sprechen.
    „... Guten Morgen, Gilde... Unsere Neulinge sind auch schon da, freut mich, freut mich ... Und nun auf zum morgendlichen Jubelruf.“
    Keiner der Gildenmitglieder machte Anstalten, etwas zu sagen und warfen stattdessen ihrem Nachbar fragende Blicke zu. Plaudagei räusperte sich offenbar peinlich berührt.
    „Ihr habt es doch gehört. Unser Gildenmeister möchte den morgendlichen Jubelruf hören. Also los, alle zusammen!“
    Alle Pokémon, Raven und Xell ausgeschlossen, begannen - jeder in einem anderen Tempo - zu singen:
    „Erstens! Nicht dem Plagen entsagen!“
    „Zweitens! Willst du kneifen, müssen wir dich schleifen!“
    „Drittens! Mit einem Lachen werden wir es machen!“
    „ ... Wunderbar ... Dann mal ran an die Arbeit.“ Knuddeluff gähnte noch einmal herzhaft und verschwand kurzerhand wieder in seinem Raum.


    Die Reihen der Pokémon lichtete sich; jeder für sich in einer andere Richtung. Raven und Xell warfen sich, einer ahnungsloser als der andere, gegenseitig fragende Blicke zu. Erst als Xell nach einem ratlosen Schulterzucken seines Freundes anfing, ziellos auf dem Stockwerk herumzustromern, nahm sie endlich Plaudagei unter seine Fittiche.
    „Team Kugelblitz, kommt doch mal bitte zu mir!“
    Den Wunsch ihres Vorgesetzten gehorsam respektierend, folgten Raven und Xell Plaudagei zurück zur ersten Gildenebene; ganz in der Nähe zur Leiter, die zum Ausgang der Gilde führte. Er stoppte vor einer Pinnwand an der dutzende Steckbriefe aller Größenordnung befestigt waren. Ravens Blick schweifte interessiert über den Papierkrieg, musste sich aber sogleich seiner mangelnden Pokémonschrift-Lesefähigkeit geschlagen geben.
    „Was ihr vor euch seht ist das Job-Infobrett“, sagte er und deutete auf die Pinnwand vor ihnen. „Alle Pokémon der Region, die mit mit Problemen zu kämpfen haben, hängen hier Hilfegesuche für uns als Gilde und jedes freie Erkundungsteam aus. Eure Aufgabe als Erkundungsteam ist mitunter, euch mit den Problemen zu befassen und diesen armen Seelen eure Dienste zu erweisen. Da ihr noch grün hinter den Ohren seid, solltet ihr euch für den Anfang mit einigen einfachen Aufträgen beschäftigen. So verschafft ihr euch einen Rang und Namen und werdet, sofern ihr eure Sache gut macht, auch bald mit anderen Aufträgen betraut.“
    „Ich würde viel lieber gleich auf Erkundung gehen und vielleicht sogar einen unbekannten Ort erforschen ...“, seufzte Xell.
    Plaudagei plusterte sich auf.
    „Erkundungen - so grün, wie ihr noch seid? Du machst wohl Witze. Das Erkundungsgewerbe ist keine Larifari-Angelegenheit, sondern ernstzunehmende Knochenarbeit. So unvorbereitet wie ihr seid können wir euch unmöglich in der Weltgeschichte herumstromern lassen. Nicht auszudenken, was passieren könnte ...“
    „Was soll schon großartig passieren ...?“, winkte Xell achselzuckend ab.
    „Aus dir spricht deine Unwissenheit sonst wäre dir bekannt, dass in letzter Zeit alles irgendwie aus seinen Fugen gerät. Aus den friedlichsten und zurückgezogensten Pokémon werden plötzlich wilde Streithähne, das Wetter spielt gelegentlich völlig verrückt und Pokémon verschwinden einfach spurlos. Ja, so manch eine böse Zunge behauptet sogar, dass der Fluss der Zeit selbst gestört sei.“
    Raven schreckte auf.
    „Der Fluss der Zeit soll gestört sein? Wie 'gestört'? Was soll das heißen?“
    Plaudagei winkte schlagartig ab.
    „Ach, ein Ammenmärchen - nichts weiter.“
    Raven, wenn auch noch nicht so lange wie Plaudagei in dieser Welt, hielt es jedoch möglicherweise für alles andere als ein Ammenmärchen. Wenn es sich um merkwürdige Dinge drehte, die in dieser Welt gerade ihren Lauf nahmen, dann handelte es sich bei ihm wohl um das Sahnehäupchen; aber das brauchte seiner Meinung nach niemanden etwas anzugehen und musste deshalb nicht jedem auf die Nase gebunden werden. Doch konnte es sein? War der Fluss der Zeit tatsächlich gestört? War dies vielleicht der Grund, warum er vom Menschen zum Pokémon wurde und sein gesamtes Erinnerungsvermögen verlor?
    „Nun ja“, fuhr Plaudagei fort. „Auf jeden Fall solltet ihr euch auf leichte Missionen konzentrieren. Wie ihr seht können wir uns vor Aufträgen gar nicht retten. Mal sehen, was wir da so einfaches für euch haben ...“
    Plaudageis Augen flogen einige Zeit lang über das Infobrett.
    „Wie wäre es mit dem da?“, sagte er pickte einen gutgewählten Zettel von der Wand und reichte diesen Xell, der ihn sofort laut vorlaß.


    Hallo, mein Name ist Spoink!

    Ein Ganove ist mit meinem wertvollsten Besitz abgehauen - meiner kostbaren Perle.

    Ohne sie kann ich unmöglich leben!
    Augenzeugen berichtet, dass der Dieb unmittelbar in der Nähe der Feuchtklippe gesehen wurde.

    Ich hoffe darauf, dass ein Erkundungsteam mir meine Perle zurück bringt.

    Ich flehe um eure Hilfe.

    Von Spoink“



    „Klingt für den Anfang vielleicht gar nicht mal so schlecht, auch wenn ich lieber auf Erkundung gehen würde ... Aber es ist Okay!“, stimmte Xell mit Plaudageis Vorschlag überein.
    „Gut, dann macht euch mal auf den Weg und bringt gute Neuigkeiten mit. Der Standort der Feuchtklippe ist auf eurer Wunderkarte verzeichnet. Viel Glück euch beiden“, sagte Plaudagei und flatterte davon.


    „So, dann legen wir mal los. Kann's losgehen, Raven? Öhm, Raven? Alles in Ordnung?“
    Raven schreckte auf.
    „Ja, ich bin okay. Äh, von was war noch einmal die Rede?“
    „Man, du musst echt schlecht geschlafen haben ... Ich erklär's dir unterwegs. Warte am besten am Ausgang, während ich unseren Krempel aus dem Quartier hole“, sagte Xell und stieg die Leiter zur unteren Gildenebene hinab.
    Raven fiel es schwer, sich auf irgendetwas anderes als Plaudageis Gerede um den Fluss der Zeit zu konzentrieren. Während er die Leiter in Richtung des Ausgangs hinauf kletterte, stiegen ihm die Worte Plaudageis immer wieder in seinen Gedanken auf.
    „So kann es losgehen?“, fragte Xell, der mit umhängendem Schatzbeutel und Wunderkarte in seiner Hand nach einigen Minuten wieder zu Raven gestoßen war.
    „Ja, kann losgehen“, murmelte Raven, immer noch in seinen Gedanken verharrend.
    „Du solltest heute Abend echt früher ins Bett gehen. Machst nicht gerade den frischesten Eindruck.“
    „Kann sein ...“, antwortete Raven knapp und zuckte die Schultern.


    Endlich beugte sich wolkenbedeckte Morgenhimmel der frühen Morgensonne und gab der Welt ihr leuchtende Anlitz preis. Auch Ravens Lebensgeister wurden durch diesen - im wahrsten Sinne des Wortes - Lichtblick schlagartig geweckt und sogar Plaudageis Worte konnte er zum ersten Mal seit Minuten vergessen.
    „Mir ist noch nie aufgefallen, wie schön so ein Sonnenaufgang sein kann“, sagte Raven gut gelaunt.
    Xell kicherte.
    „Du bist echt komisch. Was soll denn bitteschön an der Morgendämmerung so besonders sein?“
    „Ich mag es halt“, antwortete Raven verlegen. „Lass mich doch ...“
    Xell gluckste noch einige Male, verstummte aber nach einem strengen Blick seines Freundes schließlich.


    Raven und Xell benötigten knapp die Hälfte des Morgens für die Reise zur Feuchtklippe. In dieser Zeit hatte Raven endlich die Zeit, um Xell mit einigen Fragen zu löchern, die ihm auf der Zunge brannten.
    „Und du lebst schon seit drei Jahren ganz allein? Warst du nie einsam?“
    „Doch, natürlich“, antwortete Xell betrübt. „Allerdings hatte ich noch nie ein glückliches Händchen beim Freundschaften schließen, wenn du verstehst, was ich meine. Viele Leute wollten überhaupt nichts mit mir und meinen Eigenarten zu tun haben, andere machten sich über mich lustig, oder haben mich sogar ausgenommen. Irgendwann wollte ich einfach nur noch allein sein - fern von all dem. Aber meinen Traum, eines Tages der weltbeste Erkunder werden, den hab ich nie aufgegeben.“
    Raven wurde von einer Welle aus Mitleid für seinen Freund überschwemmt. Zwar ahnte er bereits, dass sein neuer Freund Komplexe hatte, doch dass es so schlimm um ihn steht, hätte er nicht gedacht.
    „Am meisten aber ...“, fuhr Xell fort, „... habe ich mir einen echten Freund gewünscht. Jemanden, der immer für mich da ist, wenn ich ihn brauche. Jemanden, mit dem ich gemeinsam auf Erkundung gehen und Abenteuer erleben kann. Durch dick und dünn, in guten wie auch an schweren Tagen.“
    „Scheint so, als wäre dein Wunsch in Erfüllung gegangen“, zwinkerte Raven ihm zu.
    Xell mied den Blick seines Freundes.
    „Deine Freundschaft bedeutet mir echt ne Menge. Danke, Raven ...“


    Fernes Meeresrauschen kündigte ihr baldiges Eintreffen an der Feuchtklippe an. Mittlerweile hatte Xell seinen Kameraden in ihren Auftrag, Spoinks Perle zu finden, eingewiesen. Xell zückte seine Karte und überprüfte ihre Position.
    „Es sieht so aus, als wären wir am Ziel. Das muss die Feuchtklippe sein.“
    Viel weiter hätten sie auch nicht gehen können. Sie waren am höchsten Punkt eines Felsvorsprungs angekommen und starrten die Klippe hinab, während ihnen eisige Böen ins Gesicht schlugen. Weit unter ihnen brauste das Meer und drosch gewaltige Wellen an die zerklüftete und mit allerlei Meerespflanzen bedeckte Felsformation ein.
    „Und wie geht's weiter? Nichts zu sehen, von dieser Perle ...“, murrte Raven, dem die raue Seemannsluft deutlich zu schaffen machte.
    Xell überflog die Umgebung. Langsam schritt er am Rande der steilen Klippe entlang.
    „Ich glaube, hier kommen wir runter“, sagte Xell. Er deutete auf einen schmalen und steinigen Schleichpfad, der sich in Schlangenlinien an der Klippe bis zum Meer herunterzog. „Ziemlich eng. Hoffe du bist schwindelfrei.“
    Raven begutachtete argwöhnisch den schmalen Pfad, nickte aber.
    „Wird gehen ...“



    Der Wind peitschte ihnen nur so um die Ohren, als sie den steilen und engen Pfad hinabstiegen. Der Lärm des Meeres, das in der Tiefe gegen die Küste krachte, wurde Meter für Meter, den sie meisterten, immer lauter.
    „Weißt du eigentlich, dass du ganz schön komisch bist“, musste Raven nun fast schon brüllen, damit seine Stimme überhaupt gegen die Sturmböen ankam.“
    „Warum? Wie meinst du das?“ Xell sah ihn fragend an.
    „Ein falscher Schritt und wir haben verspielt“, sagte Raven. „Gestern hättest du noch vor ein einem übergroßen Flattermann und einem zu groß geratenen Luftballon klein bei gegeben. Und heute zuckst du im Angesicht dieser Gefahr nicht einmal mit der Wimper.“
    Xells Wangen nahmen ein zartes Rosa an. Raven konnte nur mutmaßen, welche Worte die Lippen seines Freundes still und heimlich formten, doch er war sich ziemlich sicher „Weil du bei mir bist“ herauszulesen.


    Der Weg wurde zunehmend enger, was für die beiden eine sorgsame Abwägung ihrer Schritte zur Folge hatte. Inzwischen hatten sie mehr als die Hälfe der Klippe gemeistert, als ein eigentümlicher Geruch in Ravens hochsensible Nase stieg, dessen Ursprung er auch bereits wenige Augenblicke später erspähte.
    „Was ist denn das?“, sagte er und begutachtete einen kleinen Keimling, der im Windschatten von einem der vielen Felsbrocken auf ihrem Weg lag, misstrauisch. Er rümpfte angeekelt die Nase und begann sofort einen großzügigen Abstand zu dem Objekt einzunehmen. Xell, der beim Vorbeigehen das Objekt nicht bemerkt hatte, kam zurück und beäugte Ravens Fund.
    „Das ist ein Samen. Ich kann dir aber auf Anhieb nicht sagen, was für einer das ist.“
    Er hob den Samen auf und schnüffelte interessiert an ihm. Sogleich stieg auch ihm der bestialische Gestank in die Nase, der von dem Keimling ausging.
    „Bäh! Widerlich! Was auch immer das ist - wir sollten den besser nicht essen.“
    „Das hatte ich ehrlich gesagt auch nicht vor ...“, murmelte Raven. “Sag mal, was hast du denn vor? Pack das Ding weg! Aber nicht doch da rein ...“
    „Wer weiß - vielleicht ist er uns ja irgendwann mal nützlich?“, meinte Xell schulterzuckend und packte den Samen in seine Tasche.
    „Das glaube ich zwar weniger, aber okay - musst du wissen ... Ich hab es noch nicht so mit dem Erkundungskram.“
    „Man weiß ja nie“, sagte Xell grinsend. „Augen auf! Vielleicht finden wir ja noch etwas?“
    Tatsächlich erspähten sie während ihres weiteren Abstiegs noch einige weitere Objekte. Xell erkannte auf Anhieb einige Kleinkiesel und fand außerdem noch eine Sinelbeere, die sie nun ihr Eigen nennen durften.


    Dem wüsten Wetter zum Trotz, erreichten sie nach einem langen und erschwerlichen Abstieg gut gelaunt schließlich fast den Boden des Pfades, als dieser in eine Art Höhle mündete, die Wind und Wetter wohl über Dekaden geformt hatte. Von Spoinks Perle, dem Objekt ihrer Begierde, fehlte jedoch noch jede Spur. Stattdessen wucherte an diesem Ort allerlei Grünzeug wild und ungebändigt und der markante Geruch von Meereswasser und Wasserpflanzen lag erstickend schwer in der Luft.
    „Ich würde mich gerne hier etwas umsehen. Schwärmen wir aus“, schlug Xell vor.
    Raven schlurfte langsam über den rauen felsenbedeckten Boden, während sein Blick durch das Innere der von der Natur geschaffenen und geformten Höhle schweifte. Wie er feststellen musste, gab es außer jeder Menge Grünzeug kaum etwas erwähnenswertes zu sehen. Irgendwie verlor er nach dem dritten oder vierten verirrten Seestern, den er erspähte, die Interesse; außerdem begann es ihn langsam aber sicher zu frösteln. Fast schon wollte er wieder kehrt machen, als seine Sinne urplötzlich aufschreckten. Täuschte er sich, oder hatte da nicht gerade noch etwas vor ihm gefunkelt? Nein, da war es schon wieder. Seine Augen spielten ihm keinen Streich. War es etwa ...?
    „Xell, komm mal her! Ich glaube, ich habe sie gefunden!“


    Nur - wie kam sie hier hier? Von alleine sicherlich nicht. Langsam und vorsichtig näherte er sich dem ominösen Gegenstand. Nur wenige Schritte vor dem rätselhaften Objekt blieb er plötzlich alarmiert an Ort und Stelle stehen. Ein kalter Schauer, viel kälter als der Wind, der durch die Öffnung ins Innere der Höhle heulte, lief ihm eiskalt über den Rücken. Es war ein Gefühl, das ihm sofort merkwürdig vertraut vorkam. Genau wie es am vorherigen Tage der Fall war, als er und Xell an einem ähnlichen Ort nach dem Reliktfragment Ausschau gehalten hatten, arbeiteten plötzlich alle seine Sinne auf Hochtouren. Sein ganzer Körper war angespannt und sowohl sein Fell als auch sein Schwanz stand ihm steil zu Berge. Waren es etwa seine neuen ihm noch unbekannten Instinkte, die ihn vor einer drohenden Gefahr warnen wollten? Hektisch schwenkte er seinen Kopf in alle Richtungen; auf der Suche nach dem Ursprung seiner in ihm aufkeimenden Vorsicht.
    „Raven, was ...?“
    Raven ignorierte seinen Freund. Sein Blick haftete auf einem schier undurchdringlichen Dickicht unmittelbar in ihrer Nähe. Er war sich absolut sicher: sie waren nicht allein. Vorsichtig, ganz vorsichtig setzte er eine Pfote nach der anderen und entfernte sich so langsam und unauffällig wie es ihm möglich war vom Ort des Geschehens, nicht jedoch ohne das Blattwerk wachsam nicht aus den Augen zu lassen.
    Als ob er es geahnt hätte stoben urplötzlich zwei in anthrazitgraue Panzer gehüllte Pokémon, deren Escheinungsbild dem einer zu groß geratenen Küchenschabe allerdings mit aus der Seite weit hervorstehenden Augen erinnerte, aus dem Gebüsch, welches Raven die ganze Zeit über misstrauisch beäugt hatte. Mit einem Hechtsprung konnte Raven gerade noch den sicherlich schmerzhaften Aufprall mit einem der beiden Angreifer verhindern. Der Andere jedoch sprintete zielgerecht in Xells Richtung, der die Geschehnisse um ihn herum wie angewurzelt beobachtete.
    „Weich aus, Xell!“, brüllte Raven, aber vergebens. Das angreifende Pokémon rammte Xell, der sofort sein Gleichgewicht verlor und von seinem Widersacher überrumpelt wurde, der ihn mit der Kraft seiner beiden Greifzangen gen Boden zu presste. Xell zappelte und wehrte sich mit Hieben und Schlägen verbissen gegen die Gewalt, die seinen Körper nun gänzlich bedeckte. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, rannte Raven panisch in Richtung seines mit einem der beiden Angreifer ringenden Freundes; vergaß in seiner blinden Wut allerdings das zweite Pokémon, welches diesen Moment seiner Unaufmerksamkeit sofort ausnutzte und sich auf Raven stürzte.


    Raven ging zu Boden. Sein ganzer Körper schleifte einige Meter über den nasskalten Boden. Unzählige spitze Steine bohrten sich in seiner Schulter, die sofort ein heftiger Schmerz durchströmte. Die Sorge um Xell war jedoch stärker und ließ ihn sofort wieder die Gewalt über seinen Körper wiedererlangen und verzweifelt auf die Beine kommen. Sein Gegner funkelte Raven zischend und mit wüttend klappernden Scheren finster an. Während sie beide sich wie Ringer im Kreis umeinander bewegten, riskierte Raven einen flüchtigen Blick zur Seite. Xell kämpfte derweilen immer noch verbissen mit seinem Gegner. Das Gewicht seines Angreifers schien ihn zu zerquetschten drohen. Er biss, kratze und schlug wie wild um sich, konnte aber kein sichtbares Ergebnis erzielen. Mit scheinbar all seiner ihm noch verbliebenen Kraft stemmte sich Xell mit einer Hand gegen die Greifer seines Gegners. Beinahe besinnungslos langte seine freie Hand in die Tiefen seines Schatzbeutels und stopfte dem Pokémon das erst Beste, was er fand, in seinen weit geöffneten, gierigen Schlund. Was dann geschah, konnte Raven nur noch mutmaßen. Sein eigener Gegner hatte abermals Ravens Unaufmerksamkeit genutzt und ihn, wie es seinem Freund passiert war, überrumpelt. Etwas schweres erklomm seinen Körper und drückte sein gesamtes Gewicht auf Ravens Gliedmaßen. Schlagartig fühlten sich seine Lungen bleischwer an. Von dem bloßen Gewicht seines Gegners überwältigt, konnte er kaum noch seinen Atem finden.
    „Zerquetscht zu werden von einer Schabe - was für ein glorreiches Ende...“, schoss es ihm als letztes durch den Kopf, als bereits alles um ihn herum schwarz wurde und Ohnmächtigkeit ihn übermannte.


    Etwas rüttelte an seinem zermalmten Körper. Ganz langsam öffnete er seine schier tonnenschweren Augen. Ganz verschwommen und mehr wie ein unförmiger Schleier konnte er Xell neben sich knien sehen, der, dem Auf- und Zuklappen seines Mundes zu urteilten, versuchte, mit ihm zu sprechen. Doch Raven war völlig taub. Alle Schallbewegungen in der Luft hörten sich für ihn wie das ferne Rauschen des Meeres an. Er spürte, wie ihm sein eigener zähflüssiger und mit übelriechendem Blut durchtränkter Speichel am Kinn herunterlief. Das war sein Ende ... Just in dem Moment, als er wieder in dem Meer aus Schwärze zu versinken drohte, wurde ihm grob etwas traubengroßes in den Mund geschoben. Raven schmeckte ein leicht herzhaftes Aroma aus dem Ding heraus, das seine Geschmacksknospen zu einem flotten Tanz auf der Zunge anregten. Plötzlich erwachten neue Lebensgeister in ihm. Er fühlte sich schlagartig wie neu geboren. All sein Schmerz, all sein Leid und all seine Sorgen waren wie aufgelöst.
    „Alles okay bei dir?“, hörte er Xells nun viel deutlich klingendere Stimme sagen, dessen Umrisse von Sekunde zu Sekunde immer schärfer wurden.
    „G-gut “, stammelte Raven leise.
    „Das war viel zu knapp“, stöhnte Xell. „Haarscharf.“
    Raven röchelte und rang nach Luft. Ganz langsam rappelte er sich auf. Arg mitgenommen hielt er leicht schwankend sein Gleichgewicht.
    „Du- du hast mir mein Leben gerettet ...“
    Xell lief rot an.
    „Das war doch nicht der Rede wert“, murmelte er verlegen. „Hättest du nicht bemerkt, dass wir die ganze Zeit über beobachtet wurden, wären wir wohl beide nicht so glimpflich davon gekommen.“
    Ravens Blick schweifte das Gelände ab. Von den Angreifern fehlte jede Spur.
    „Was ist passiert? Wohin sind die beiden verschwunden?“
    „Weg“, sagte Xell kurz angebunden. „Erinnerst du dich an den Samen, den wir aufgelesen hatten? Als ich dem einen das übelriechende Ding in den Rachen geschoben hatte, ließ es mich schlagartig los und ist kopfüber ins Meer gesprungen; der andere nach einer ordentlichen Tracht Prügel gleich hinterher. Ich dachte schon, ich wäre zu spät gekommen. Du warst kreidebleich. Die Sinelbeere kam vielleicht im letzten Augenblick.“
    „Und du warst phänomenal“, antwortete Raven schwer von der Leistung seines Freundes beeindruckt. „Echt, danke!“
    Xells Kopf war mitlerweile tomatenrot. Von den Worten seines Freundes ganz in Verlegenheit gebracht, sammelte er die Perle, wegen der sie den weiten Weg überhaupt auf sich genommen hatten, auf und verstaute sie sorgfältig in seiner Tasche.


    In der ersten Gildenebene herrschte noch immer reger Betrieb, als Raven und Xell - deutlich von ihrer ersten Mission gezeichnet - ihr neues Zuhause am späten Nachmittag erreichten. Alle Gildenlehrlinge waren noch emsig bei der Arbeit, begrüßten ihre neue Kameraden allerdings freundlich, als diese die letzte Leitersprosse meisterten.
    „Ah, da seid ihr ja endlich.“
    Es war Plaudagei. Erwartungsvoll hüpfte er ihnen entgegen.
    „Nanu, wie seht ihr denn aus? Gab es etwa Probleme? Habt ihr Spoinks Perle gefunden? Na, sicher habt ihr das. Ich wusste es doch. Auf euch ist eben verlass. Ich war auch gleich so frei und bat Spoink für heute in die Gilde zu kommen, damit ich eure Mission auch ordnungsgemäß als abgeschlossen protokollieren kann.“
    Wieder einmal schien es, als bräuchte Plaudagei gar nicht zu atmen. Diesmal wurde seine Rede jedoch von einem anderen Pokémon, welches sich die ganze Zeit über im Hintergrund gehalten hatte, unterbrochen.
    „Hallo, ich bin Spoink“, sagte er. „Habt ihr sie wirklich gefunden, meine Perle?“
    „Jepp“, antwortete Xell, kramte kurz in seiner Tache und hielt nach wenigen Sekunden ihren Fund in seinen Händen. „Das ist sie, oder?“
    „Ja, das ist meine Perle!“, rief Spoink glücklich. „Danke! Tausend Dank! Ich weiß gar nicht, wie ich euch jemals danken kann. Ahh, ja. Vielleicht wäre ja das ein Anfang ...“
    Das Pokémon namens Spoink begann ebenfalls in seiner Tasche zu kramen und reichte dem verblüfften und mit großen Augen schauenden Xell einen Berg voll Münzen.
    „Wahnsinn! Ist das alles für uns? Das müssen ja tausende von Poké sein!“
    „Zweitausend, um genau zu sein. Nehmt es ruhig. Ich brauche es eh nicht. Solange ich meine Perle habe, bin ich eh das glücklichste und reichste Pokémon in der gesamten Region. Also, auf Wiedersehen und nochmals vielen Dank“, rief Spoink und sprang glücklich die Leiter hoch.
    „Ist das viel?“, fragte Raven, der mit dem klingenden Berg an Bargeld reichlich wenig anzufangen wusste.
    „Ja, das ist eine Menge. Wir sind reich!“, antwortete Xell, seine Augen fest auf seinen Händen voller Münzen verharrend
    „Ich unterbreche eure kleine Feier nur ungern ...“ schaltete sich Plaudagei in die Jubelrufe Xells ein, „... aber würdet ihr mir bitte das Geld geben?“



    Xell wurde plötzlich starr vor Schreck.
    „W-was? W-warum?“, stammelte er.
    „Der Großteil des Geldes, das durch Jobs verdient wird, geht an den Gildenmeister“, antwortete Plaudagei fröhlich. „Wusstest du das etwa nicht.“
    Xell klappte der Kiefer hinab.
    „Ein Großteil? Und was dürfen wir behalten?“, fragte Raven argwöhnisch.
    „Mal durchrechnen - zwei im Sinn - Plus, Minus - öhm, es sind genau 200 Poké.“
    Diese Worte waren zu viel für Xell. Er musste offensichtlich seine allerletzten Kraftreserven mobilisieren, um sich auf den Beinen zu halten.
    „Das ist ja weniger als nichts!“, protestierte er empört. „Ich weigere mich, unter diesen Bedingungen weiter zu arbeiten! Wir haben heute unser Leben riskiert, um ...“
    „Kusch! Ihr bekommt hier die beste Ausbildung auf der Welt, kostenlose Logis und Kost miteinbegriffen. Wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen. Da ist die Tür“, entgegnete Plaudagei scharf.
    „So habe ich das auch wieder nicht gemeint ...“, murmelte Xell leise.
    „Na, dann ist ja alles geritzt. Wenn du mir jetzt bitte das Geld geben würdest?“
    Mit unverkennbar starkem Widerwillen zählte Xell die silbernen Münzen ab und reichte Plaudagei einen Großteil der Barschaft, die ihnen Spoink zum Dank überreicht hatte.
    „Danke“, sagte Plaudagei fröhlich, nicht jedoch ohne Xells Loyalität ihm gegenüber zu überprüfen. Sorgfälltig drehte er jede einzelne Münze noch einmal auf seinem Flügel um, bevor er sie in eine kleine Tasche verstaute, die, wie Raven feststellen musste, bereits munter klimperte. „Apropos Kost: es wird wohl gleich Abendessen geben. Geht am besten schon mal runter in die zweite Gildenebene bis ihr gerufen werden. Die anderen Gildenmitglieder werden euch den Weg in die Kantine sicherlich weißen.“
    „Essen?! Na, das ist doch mal ein Wort!“, rief Xell, der offenbar seine Schlappe bezüglich des Geldes bereits verdaut hatte, rannte zur Leiter und nahm zwei Sprossen gleichzeitig.
    Raven, dessen Magen sich bei dem Wort „Essen“ zu Wort gemeldet hatte, tat es seinem Freund gleich und folgte diesem.


    Raven folgte der in die Richtung entgegengesetzt zu den Gildenquartieren strömenden Pokémonmassen und erreichte dem herrlichen Duft zu urteilen, der ihm in die Nase stieg, den Speisesaal. Die Tafel war reich mit den verschiedensten Früchten, Beeren und gummiartigen Objekten bedeckt. Raven war anfangs etwas unsicher, was er essen sollte, doch lud er sich einfach von jedem ein bisschen auf und begann vorsichtig die fremde Kost zu probieren. Sein Gaumen machte einen Hüpfer, als er seine Zähne in die süßen Köstlichkeiten vor seinen Augen schlug. Xell schmatze herzhaft, während er sich immer wieder rosafarbige Beeren auf den Teller lud.
    „Ah, Pirsifbeeren! Davon konnte ich nie genug bekommen ...“, schmatzte er und leerte seinen Teller zügig.
    „Lass den anderen doch auch noch etwas“ , flüsterte Raven. Wie er jedoch feststellen musste, war seine Sorge völlig unbegründet. Von fast allem (Pirsifbeeren dank Xells Gier ausgenommen) schien mehr als genug vorrätig zu sein und auch schien sich keiner besonders an Xells Gier zu stören. Stattdessen taten es ihm sogar die meisten Anwesenden gleich. Raven wollte sich gerade wieder seinem Teller zuwenden, als er im letzten Moment noch Xells Hand sehen konnte.
    „Isst du die noch? Danke!“, rief er vergnügt und hatte sich Ravens letzte Pirsifbeere geschnappt.
    Gerade als er Xell die Hölle heiß machen wollte, drehte sich das Pokémon, das neben ihm saß um, und begann in unglaublicher Lautstärke an, für ihn offenbar eine normale Unterhaltung führen zu wollen.
    „MEIN NAME IST ÜBRIGENS KRAKEELO!“, sagte er und besprenkelte Raven mit Apfelstückchen. „FREUT MICH, DICH KENNEN ZU LERNEN!“
    „DIE FREUDE IST GANZ AUF MEINER SEITE!“, schrie Raven zurück, da er dachte, Krakeelo müsste schwerhörig sein.
    „Gib dir keine Mühe mit Krakeelo ein normales Gespräch führen zu wollen“ , sagte ein sonnenblumenähnliches Pokémon, welches am äußeren Tischrand saß. „Dazu ist er nämlich nicht in der Lage. Ich bin übrigens Sonflora. Freut mich auch, euch kennen zu lernen.“
    „NIEMAND HAT DICH NACH DEINER MEINUNG GEFRAGT, SONNFLORA!“, entgegnete Krakeelo barsch.
    Doch Sonnflora beachtete ihn nicht mehr und hatte sich wieder ihrem Teller zugewandt.


    Der Tisch war in wenigen Minuten ratzeputz leergefegt. Xell („Wie es gibt keinen Nachtisch???) und Raven („Genug gemümmelt! Ab in die Falle mit dir!“) machten sich, müde wie sie waren, nach einem kurzen Wort des Abschieds in die Runde in ihr Gildenquartier auf.
    Mondschein fiel auf die Ansammlung von Stroh und Heu, die in diesem Lichte einladender denn je wirkte. Heute wollte er garantiert nicht so lange aufblieben. Kopfüber ließ er sich in sein Bett fallen und war nach nur wenigen Sekunden auch schon eingeschlafen.