Abgabe 1: Flügelschlag
Ich werde mit dieser Abgabe nicht so recht warm. Einige Reime sind sehr unrein (gesehen - schön), an manchen Stellen wird das Reimschema ganz unvermittelt unterbrochen, manche Stellen und Reime wirken arg erzwungen ("der kleine Schuft"). Auch stören mich bei reimenden Gedichten solche unregelmäßigen Verse, die nicht den Hauch einer Regelmäßigkeit oder eines Versmaßes aufzuweisen scheinen, weil das auf mich oft unbeholfen wirkt.
Der Wirbelsturm ist wohl ein ziemlich offensichtlicher Kandidat für eine Naturgewalt, aber die Umsetzung mit dem Schmetterling, der den Sturm startet, gefällt mir sogar ganz gut. Das ist zwar an sich keine neue Idee, aber im Vergleich zu den anderen Gedichten, wo die entsprechende Naturgewalt einfach ohne Erklärung da ist, eine nette Abwechslung, die ich noch dazu auch noch interessant umgesetzt finde, da die Ereignisse quasi von hinten aufgerollt werden -- es beginnt mit dem verheerenden Wirbelsturm und endet mit dem Schmetterling.
Abgabe 2: Wechsel der Gewalten
Mein Favorit. Ein Gedicht aus der Sicht eines Regenwurms, das finde ich richtig kreativ. Noch dazu verbindet dieses Gedicht mehrere Naturgewalten miteinander -- erst der Regen, dann die Sonne, zuletzt der als Naturgewalt dargestellte Mensch, was ich auch sehr interessant finde, da dieser in der Regel ja eher als Opfer der Naturgewalten und nicht selbst als eine dargestellt wird. Mit dem den Gewalten schutzlos ausgelieferten Wurm als Protagonisten hat dieses Gedicht außerdem etwas sehr Niedliches an sich.
Auch stilistisch kann dieses Gedicht überzeugen. Die ständigen Wechsel zwischen Jambus und Trochäus haben mich zwar hin und wieder kurz aus der Bahn geworfen und der erste Vers der letzten Strophe wirkt auch nicht ganz rund, aber ansonsten wird das Metrum schön durchgezogen. Die Reime wirken außerdem natürlich und die Wortwahl finde ich wirklich gut und passend.
Abgabe 3: Donnergrollen
Ein Gedicht ohne Reime, das dafür komplett auf Rhythmus setzt, interessant. Die kurzen Verse passen dabei gut zu der Gewitter-Thematik; besonders gefallen mir dabei die kurzen Strophen, die den Donnerschlag beschreiben. Das Gedicht hält seinen Rhythmus -- abgesehen von der letzten Strophe, wo ich es aber für Absicht halte -- die ganze Zeit gleichmäßig durch, nur manchmal wird die letzte Silbe des dritten Verses in den vierten verschoben, ich schätze, das ist so, weil es sich dabei um Wörter handelt, die getrennt eine seltsame Betonung mit sich ziehen würden, beispielsweise bei Artikeln.
Inhaltlich erfindet dieses Gedicht das Rad nicht gerade neu, es ist eine wenig überraschende Beschreibung eines Gewittersturms, vor dem das lyrische Ich anscheinend Angst hat. Auch finde ich das Ende etwas gehetzt, da hätten noch zwei, drei Strophen, wie das Gewitter sich wieder zurückzieht, gutgetan.
Abgabe 4: Möwengekrächze
Mit dieser Abgabe habe ich ein ähnliches Problem wie mit Abgabe 1, nur noch viel schlimmer. Die erste Strophe fängt an, als wolle das Gedicht mir einen hübschen Jambus/Trochäus-Mix bieten. Die beiden Verse über die Möwen bringen mich raus. Die zweite Strophe fängt ebenfalls gut mit zwei ähnlich aufgebauten Versen an. Und dann dieser dritte und vierte Vers und mir wird klar, dass das alles nur Zufall war. Von da an klingt vieles so unglaublich unbeholfen und schräg. Und das finde ich so schade, denn die Idee hat so viel Potenzial. Achte vielleicht in Zukunft darauf, dass sich reimende Verse wenigstens die gleiche Anzahl an Hebungen (also betonten Silben) haben, dadurch klingt ein Gedicht schon viel gleichmäßiger.
Aber genug des Negativen. Was ich an diesem Gedicht wirklich mag, ist das immer wiederkehrende Motiv der krächzenden Möwen. Das gibt dem Gedicht eine schöne Struktur. Den Aufbau davon finde ich auch gut, die Adjektive, die das Gekrächze beschreiben, steigern sich immer mehr, passend zur Handlung des Gedichts. Die Abwandlung davon im letzten Vers bildet dann einen guten und passenden Abschluss.
Abgabe 5: Tsunami der Erlösung
Dieses Gedicht hat es mir schon beim ersten Durchlesen angetan. Schon durch die ersten Verse merkt man, dass man hier vermutlich mit keinem Metrum zu rechnen hat, ich habe dann auch keines gefunden, was ich hier aber auch nicht schlecht finde. Im Gegenteil, hier hat es meiner Meinung nach zur Wirkung beigetragen. Reime sind hier und da eingestreut und fallen mir hier weder positiv noch negativ auf. Ehrlich gesagt lese ich das Gedicht auch gar nicht so wie die anderen reimenden Gedichte, sondern eher wie ein Gedicht mit freien Versen und ohne Reime. Keine Ahnung, woher das kommt.
Vom Inhalt her wirkt dieses Gedicht irgendwie persönlicher als die anderen. Bei den bisherigen Gedichten hatten wir passive Zuschauer oder Opfer, die den Gewalten ausgesetzt waren. Hier haben wir ein lyrisches Ich, das aktiv entscheidet, sich der Naturgewalt hinzugeben und in der Flutwelle zu sterben. Die Natur wird hier nicht angsteinflößend wahrgenommen, sondern als Befreiung aus dem Leben. Die gewählten Worte wirken schon fast sinnlich. Insgesamt wirkt dieses Gedicht in sich sehr stimmig, aber auch befremdlich, da der vermutlich nicht sehr angenehme Tod durch die Flut als so positiv und wünschenswert beschrieben wird.
Abgabe 6: Intemperiae
Dieses Gedicht gefällt mir sehr gut. Das Interessante daran ist, dass die Naturgewalt, das Unwetter, gar kein richtiges Unwetter ist, sondern nur im übertragenen Sinne ein Unwetter im Kopf des Angesprochenen ist. Ich habe es so verstanden, dass das Unwetter für eine Depression oder eine andere psychische Krankheit steht, die das Leben des lyrischen Du dominiert. Hierbei fände ich es allerdings etwas seltsam, wenn das nur durch ein Lächeln aufgelöst werden könnte, also sind es vielleicht doch "nur" Stimmungsschwankungen. Oder "Lächeln" sieht für irgendein stimmungsaufhellendes Medikament, was ich aber schon ein bisschen makaber fände.
Stilistisch das meiner Meinung nach beste Gedicht. Der einzige Stolperer im ansonsten makellosen Metrum findet sich im ersten Vers. Denkbar ungünstige Stelle meiner Meinung nach, da gerade der Anfang ja beeinflusst, wie man auf den Rest zugeht. Außerdem hätte man die Stelle so gut abändern und diesen Bruch umgehen können. Auch sehr positiv hervorzuheben sind die langen Verse, die perfekt zu der drückenden Stimmung passen. (Außerdem -- Achtung, sehr subjektive Meinung -- sind fünf Hebungen pro Vers das längste, was ich noch wirklich angenehm zu lesen finde.)