In den letzten Stunden des Weihnachtsfestes endlich auch mein Wichtelgeschenk:
Frohe Weihnachten, Tüpfelblatt.
Hallo, ich bin Mimi. Zumindest nennt ihr mich so. Aber davon brauche ich jetzt nicht zu erzählen. Nein, ich will dir von Weihnachten erzählen und warum ich es so liebe. Es ist eine Geschichte über meine allererstes Weihnachten.
Eigentlich begann es schon einige Tage vor Weihnachten. Mama, meine sechs Geschwister und ich lebten damals auf einem kleinen Bauernhof. Wir waren gerade alt genug, um ab und zu alleine das Gelände des Bauernhofes erkunden zu dürfen, aber wenn wir zu lange weg waren, begann Mama nach uns zu suchen. Manchmal wollte Mama uns aber nicht gehen lassen, denn dann fuhren die Menschen gerade mit ihren großen, brummenden Maschinen herum – und zwar nicht auf den Feldern, wie sonst immer, sondern direkt vor den Häusern. Dann mussten wir immer in der Scheune bleiben, in der wir nachts auch immer schliefen. Der Tag, um den es geht, war so ein Tag. Damals war gerade der erste Schnee gefallen. Der allererste Schnee in meinem jungen Leben. Mit meinen Brüdern und Schwestern tollte ich wie wild durch die weißen Flocken, bis meine Mutter uns zurückrief. Wir hörten auch schon warum: Ein lautes, fremdartiges Gebrumme von den Maschinen der Menschen kam immer näher. Schnell flitzten wir gemeinsam in unsere Scheune zurück. Drinnen merkte ich dann, wie müde ich war. Mir war die Lust auf das Spielen mit meinen Brüdern und meiner Schwester vergangen. Stattdessen machte ich es mir auf einem Strohballen gemütlich, putzte ausgiebig mein Fell, das vom Toben im Schnee ganz zerschunden war, und döste ein wenig vor mich hin.
Etwas später ließ mich ein Geräusch aufschrecken. Das alte Scheunentor öffnete sich und zwei Menschenfrauen traten ein. Eine war die Bäuerin, sie kannte ich schon, die andere hatte ich noch nie gesehen. Sie sprachen miteinander, aber damals hatte ich sie noch nicht verstanden. Mittlerweile glaube ich zu wissen, worüber sie sich unterhielten:
„Und ich bekomme sicher ein Weibchen?“, fragte die Fremde „Nicht dass meiner armen Schwester dann auf einmal ein Monstrum von Katze durch die Wohnung läuft. Sie hat mir nur zugestimmt, eines der Tiere zu kaufen, wenn sie wirklich nicht groß werden.“ Ihr geschäftiger, rabiater Ton ließ mich zusammenzucken und automatisch vergrub ich mich ein Stück weiter in dem schützenden Stroh.
„Machen sie sich keine Sorgen“, das war die kratzige Stimme der Bäuerin „wir finden schon ein Kätzchen für sie, sie müssen sich nur ein wenig gedulden, bis ich tatsächlich eines der zwei Weibchen gefangen habe.“
„Ich habe Zeit. Solange sie eines bis Weihnachten gefangen haben, kann ich warten.“ Mit diesen Worten lehnte sich die Fremde gegen eine Wand und verschränkte die Arme. Mit skeptischen Blicken verfolgte sie die Bäuerin, die sich nun alle Mühe gab, mich und meine Geschwister mit Leckereien zu locken. Zwei meiner Brüder sprangen sofort darauf an, sie wurden jedoch nur kurz von der Frau hochgehoben und nach einem prüfenden Blick nicht weiter beachtet. Noch immer traute ich mich nicht, mich zu bewegen. Die Fremde jagte mir schreckliche Angst ein. Aber der Erfolg meiner Brüder hatte mich ein wenig zuversichtlicher gemacht, und als ein Dritter ebenfalls heil auf seinen vier Pfoten aufkam, wagte ich mein Glück ebenfalls. Wie gesagt, damals verstand ich eure Menschensprache noch nicht, sonst hätte ich das nicht gemacht. Denn als ich hochgehoben wurde, verließen statt misslichen Lauten einige nach Erfolg klingende Wörter den Mund der Bäuerin und ich wurde nicht wieder abgesetzt. Leise wimmerte ich nach meiner Mutter, zwecklos, denn schneller als ich begriff, hatten beide Frauen mit mir das Gebäude verlassen. Was danach kam ist nicht mehr vollständig in meinen Erinnerungen, aber es wäre wohl auch nicht förderlich davon zu erzählen, denn es wirft kein gutes Bild auf meine kleine Geschichte. Lasst euch sagen: Es war beängstigend. Ein enger, dunkler, schaukelnder Käfig und dazu das Gebrumme von Maschinen. Ich weiß nicht wie lange, doch als ich aus meinem Gefängnis entlassen wurde, war ich vollkommen verschreckt. Mit neugierigen Blicken sog ich die neue Umgebung auf, denn ich wusste, dass der Höllentrip mich weit weg von Zuhause gebracht haben musste. Der Raum, in den man mich gebracht hatte, war winzig. Er roch etwas muffig und es war nicht sonderlich hell. So klein der Raum auch war, man hatte es geschafft, eine Unmenge von Möbeln hineinzustopfen, die allesamt augenscheinig entweder aus Holz oder einem künstlichen, fellartigen Stoff zu bestehen schienen. Etwas verdutzt nahm ich die kleine Fichte in einer Ecke wahr. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Menschen ihre Häuser mit Wald schmückten.
In Windeseile hatte ich ein Versteck ausgemacht, in dem hoffentlich niemand an mich herankam. Es war unter einem dieser Plüschmöbel mit vier Holzbeinen. Mit zwei Sätzen könnte ich es erreicht haben, glaubte ich, doch es kam nicht so. Der Boden aus Holplatten war glatter als ich erwartet hatte und daher schlitterte ich mehr voran als ich tatsächlich sprang. In meinem Versteck angekommen war ich heilfroh, wieder festen Boden unter den Pfoten zu haben, und kugelte mich erstmal zusammen. Dann vernahm ich ein Kichern und die Worte: „Ach, was bist du so niedlich, ich weiß, dass du genau das richtige Weihnachtsgeschenk sein wirst. Aber bis dahin bleibst du erstmal bei mir, sind ja nur drei Tage. Ich stell dir schnell mal was zu futtern und zu trinken hin.“ Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Und hier ist noch dein Katzenklo, mit etwas Glück bist du ja tatsächlich stubenrein. Aber jetzt lass ich dich alleine, dann brauchst du dich nicht länger zu verstecken.“ Das war mit Sicherheit die Stimme der fremden Frau aus der Scheune gewesen, aber jetzt klang sie gar nicht mehr beängstigend, viel wärmer und herzlicher. Tatsächlich ließ sie mich alleine in dem Räumchen und irgendwann wurde ich zu hungrig, um dem Angebot zu widerstehen. Es roch zu lange zu verlockend, also verließ ich vorsichtig das Versteck, ganz darauf bedacht, diesmal nicht die Kontrolle über meine Beinchen zu verlieren. Ich machte mich über den Inhalt der beiden Schalen her, benutzte das Katzenklo, da es mir instinktiv als die richtige und sauberste Lösung vorkam und zog mich wieder zurück. Die nächsten Tage verliefen nach ähnlichem Muster: Ich hatte den Raum für mich, nur wenn sie mich nicht störte, kam die Frau herein um mir neues Essen zu bringen oder das Katzenklo zu säubern. Ich konnte mich glatt an meine neuen Lebensumstände gewöhnen. Doch sie sollten nicht von Dauer sein.
Wenige Tage später hörte ich auf einmal ein neues Geräusch. Es kam nicht aus meinem Raum, sondern von nebenan, und klang wie eine seltsame Glocke, ding-dong, oder so ähnlich. Dann hörte ich Stimmen. Eine war von der Frau, die mich bewirtete, die zwei anderen kannte ich nicht, die erste stammte auch von einer Frau, die zweite klang jünger, wie ein kleines Mädchen. Ich erinnere mich nicht mehr genau, was sie gesagt haben, bestimmt etwas wie „Frohe Weihnachten“, dann etwas belangloses Geschwätz, da ihr Menschen ja nie auf den Punkt kommen könnt, und dann etwas über Weihnachtsgeschenke. Neugierig und vollkommen ohne Scheu –fragt mich nicht wieso- hatte ich mich aus meinem Versteck hinausgewagt und lauschte nun gebannt dem Schauspiel hinter der Tür. Auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, dass die Tür sich öffnen würde, blieb ich erstaunlich ruhig, als sie es doch tat. Es war wie Magie, ich betrachtete wie gebannt die Tür und das für Menschen kleine Geschöpf, das sie geöffnet hatte. Das war Annika, meine Annika, die von da an mein Leben begleitete. Sie hatte ein Paar rosa Stiefel an, denen der Schnee einen dunklen Kranz verliehen hatte. Von den Schuhen blickte ich auf, nahm das ebenso rosafarbene Kleid wahr, und sah ihr dann direkt ins Gesicht. Es war rundlich und rosig und von zwei blonden Zöpfen gesäumt. Wie in Zeitlupe wurden ihre Augen immer größer und das Strahlen auf ihren Lippen immer breiter. Sie wollte auf mich zustürmen, aber wurde von meiner „Pflegerin“ zurückgehalten. Zum Glück, denn sonst hätte ich das Weite gesucht und nicht eine knappe Stunde später auf dem Schoß des Mädchens gesessen und mich streicheln gelassen. Ich glaube, ihr nennt sowas Liebe auf den ersten Blick. Vielleicht war es ja auch die Magie des Weihnachtsfestes. Mir ist das egal, denn für mich war es einer der schönsten Augenblicke meines Lebens und trotz aller Strapazen der Grund, warum ich Weihnachten liebe.
Und daher: Frohes Fest!
Ich hoffe, dir gefällt diese kleine Geschichte und es macht dir nicht allzuviel aus, dass ich von Katzen eigentlich reichlich wenig Ahnung habe. Außerdem hoffe ich, du entschuldigst die lange Wartezeit, da ich echt nicht damit gerechnet hätte so lange für die Geschichte zu brauchen.
liebe Grüße,
Queezle