Alles Gute c:
Beiträge von Lauriel


Pokémon Karmesin und Purpur sind erschienen!
Alle Informationen zum neuen Spiel findet ihr bei uns auf Bisafans:
Zu den Karmesin und Purpur-Infoseiten | Pokédex | Neue Pokémon-
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Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner dieser Runde, ebenfalls ein Danke an alle Teilnehmer und Voter!
Platzierung
1.
Abgabe 4: Kein Meer mehr oder mehr Meer?
20
Nein
22.22%
2.
Abgabe 5: Keine Punkte
17
Nein
18.89%
3.
Abgabe 2: Es hörte auf, ehe es begann
12
Nein
13.33%
4.
Abgabe 6: Wer ist hier der User?
10
Ja
12.82%
5.
Abgabe 7: Der Mensch stammt vom Hühnchen ab
9
Nein
10%
6.
Abgabe 10: Die Moral von der Geschicht
8
Nein
8.89%
7.
Abgabe 9: Fischgerichte am Anfang des Seins
7
Nein
7.78%
8.
Abgabe 3: Sardinengefühle
5
Nein
5.56%
9.
Abgabe 8: Eine (für alle anderen) lustige Busfahrt
2
Nein
2.22%
10.
Abgabe 1: Kori to Koki no Kyoku
0
Nein
0%
-
Saisonfinale
- 2014 / Runde drei -
Informationen / Vote[Blockierte Grafik: http://fc01.deviantart.net/fs71/f/2011/304/8/1/happy_writing_by_puschnteamarts-d4em118.png]
Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist es aufgrund der Berechnung der Gesamtpunkte mit der Formel wichtig, dass ihr alle eure Punkte verteilt. Dazu findet ihr weiter unten eine Schablone, die ihr zum Voten nutzen könnt. Des Weiteren sind Sympathievotes sowie Votes für die eigene Abgabe unerlaubt. Begründungen sind keine Pflicht, aber können geschrieben werden, sofern man möchte (ihr könnt euch als Hilfe unser "How-to-vote-Topic" anschauen). Votes mit Begründungen erhalten Punkte in der Votetabelle. Informiert euch ebenfalls in unserem Informations- und Regeltopic der Saison 2014.ZitatEure Aufgabe in der dritten Runde besteht darin, eine kurze Geschichte zum Thema "Die aufregende Welt der unbelebten Dinge" zu verfassen. Unter "unbelebte Dinge" fallen zum Beispiel Gegenstände, auf deren Sichtweise ihr eure Geschichte aufbauen könnt. Nun seid ihr gefragt! Was denkt eine Uhr wohl den lieben langen Tag? Wie empfindet ein Bleistift seine Arbeit als Schreibwerkzeug? Gefällt einem Zug die Fahrt durch die Welt? Vielleicht wolltet ihr schon immer einmal die Beziehung zwischen Roboter und Mensch darstellen oder ihr nehmt euch den alltäglichen Problemen eines Spiegels an. Wie ihr seht, könnt ihr eurer Kreativität dabei freien Lauf lassen.
Der Vote läuft bis Sonntag, den 14.12.2014, um 23:59 Uhr.
Ihr dürft 7 Punkte verteilen. Maximal 4 an eine Abgabe. Bitte achtet darauf, dass ihr alle eure Punkte verteilt. Ihr müsst des Weiteren diese Punkte auf mindestens drei Abgaben verteilen.
Ich wünschte, ich wüßte es nicht.Tagein, tagaus gehen Menschen an mir vorbei. Ich höre ihre gedämpften Schritte auf dem Teppich, ihr Gelächter, das „schhh“ der anderen Besucher, wenn sie zu laut sind und die Ruhe stören, die in einer Bibliothek herrschen sollte. Ich sehe ihre Blicke, die nie auf mir liegen bleiben, nicht einmal, um zu lachen. Die These, heutzutage herrsche kein Respekt vor dem Alter mehr, kann ich zumindest nicht bestätigen, denn sonst wäre ich schon längst fort oder bloß ein Objekt, über welches man sich lustig macht, anstatt einfach nicht betrachtet zu werden.
Dennoch hätte ich es lieber, sie fänden mich amüsant, sie brächten mir das kleinste bisschen Aufmerksamkeit entgegen, statt mich fortlaufend keines weiteren Blickes zu würdigen. Doch es ist nun schon Jahre her, seit man das letzte Mal durch meine verstaubten Seiten geblättert hat.
„Lass das mal schnell nachschlagen“, klingt eine junge Stimme an meinen braunen ledernen Einband heran. Ich möchte mich freuen, ich möchte hoffen, bei jenen Worten und ihrer Bedeutung, allerdings habe ich schon vor langer Zeit aufgehört, mir falsche Vorstellungen zu machen. Wenn die Menschen heute 'nachschlagen' benennen, meinen sie damit das neuartige Gerät, mit seinen Schaltkreisen und seinem leuchtenden Bildschirm, der Dinge sogar in Farbe zeigt, wie war noch gleich sein Name? Ich kann mich nicht erinnern.
Dabei weiß ich doch so viel. Ich kenne alle Nachkommstellen von π bis zur hundertsten, ich weiß, daß der wissenschaftliche Name der Raße der Löwen panthera leo lautet, ich bin mir im Klaren über die Vorgänge der organischen Chemie, die Funktion der Kortikosteroide, die Lebensweise der Delphine. Man hat es mir erklärt, Wort für Wort, und ich erinnere mich an alles, nur, um dieses Wissen weiterzugeben.
Es ist der Sinn in meinem Leben, Wissen zu haben, Wissen zu schenken, Wissen zu sein. All diese Weisheiten des Planeten, den wir Erde nennen, wurden vor einer scheinbaren Unendlichkeit mit schwarzer Tinte auf Papier gepresst, wurden gebunden, wurden auf den Markt gebracht, um verkauft zu werden und allen jene Weisheiten zu ermöglichen. Ich bin nicht der Einzige, unzählige Brüder und Schwestern, jüngere wie ältere, zähle ich zu meiner Familie, und oft frage ich mich, ob sie ein anderes Leben führen. Ob sie wohl glücklich sind und entstaubt werden, ob Blicke in ihre klugen Seiten geworfen werden, wenn jemand eine Frage hat? Ob sie wie ich irgendwo in einer Bücherei stehen, in einem Regal, in dem sich neben ihnen noch andere betagtere Gesellen finden, wie der Herr Langenscheidt von nebenan? Oder … Nein, ich mag nicht daran denken.
Ach, wie vermisse ich die Zeiten, in der meine Dienste so oft in Anspruch genommen wurden, daß die Leute Schlange standen, während sie darauf warteten, daß mein momentaner Besitzer beendet war. Damals kam ich niemals auf die Idee, man könne mich eines fernen Tages nicht mehr gebrauchen, ich stünde irgendwann verstaubt und eingequetscht zwischen Leidensgenossen auf einem zu engen Holzregal, und niemand bemerke mich mehr.
Ich war einst so beliebt, einst so gefragt, einst so gebraucht. Menschen aus jeder Altersklasse kamen herbei, um Wissen zu erlernen.
Dennoch laufen die Leute heuttzutage an mir vorbei, ohne einen Blick auf mich zu werfen.
Wieso? Ich verstehe es nicht. Meine Worte sind kompliziert, ja, und ich habe bereits einige Jahrzehnte auf dem Buchrücken, doch ist Wissen nicht zeitlos? Was, frage ich, kann die Menschen besser informieren als eine alte Enzyklopädie, die das Leben nun schon länger kennt als die meisten von ihnen?
„Mann, warum richten dir hier einfach kein kostenloses W-Lan ein? So werden wir echt gezwungen, diese ollen alten langsamen PCs hier zu benutzen, die noch gefühlt auf Windows 98 laufen und langsamer sind als der durchschnittliche Teilnehmer bei 'nem Schneckenrennen! Sowas von nicht fair. Die anderen Bibliotheken haben das doch auch schon anders.“
W... Lan?
Windows? Windows ist das englische Wort für Fenster, wie ich weiß, aber auf Fenstern sollte man doch gar nicht laufen, es ist viel zu gefährlich.
Ach, ich habe diese Begriffe jetzt schon so oft gehört, doch kann mir immer noch keinen Reim darauf machen. Niemand macht sich die Mühe, sie mir zu erklären und sie in die wenigen leeren Seiten, die ich noch besitze, zu schreiben; ich frage mich stets das Selbe. Wie kann das nur sein? Wie kann es bloß etwas geben, das ich … Das ich nicht weiß?
Die Welt läuft schneller als ich, doch hält mich schon so lang niemand mehr auf dem neuesten Stand. Und so muß ich ein einsames Dasein fristen, bis ich eines Tages im Müll oder auf einem noch staubigeren Regal im Lager enden werde. Und dies wird so kommen, ich weiß es, so steht es auf meinen Seiten geschrieben.
Ich wünschte, ich wüßte es nicht.
VergissmeinnichtDie Sonne ist noch lange nicht aufgegangen, als dein Wecker klingelt und einen neuen Tag einläutet. Schlaftrunken wälzt du dich herum, deine Hand blind auf der Suche nach dem Störenfried; ein Bild für die Götter. Ich genieße es, dich zu beobachten, all jene kleinen und großen Dinge zu sehen, die dich zu dem Menschen machen, der du bist.
Ein leises Scheppern, zustimmendes Grummeln – du hast den Wecker besiegt und dir so fünf weitere kostbare Minuten erkämpft. Zufrieden ziehst du dir die Decke über den Kopf, sperrst die Welt da draußen aus, um noch einen kurzen Moment lang in den friedlichen Erinnerungen des Traumes zu verweilen, den du in der vergangenen Nacht hattest. Vielleicht willst du aber auch nur die Tatsache ignorieren, dass der neue Tag angebrochen ist und du früher oder später aufstehen, dich fertig machen und in die Schule gehen musst. Immerhin schreibst du bald deine Klausuren.
Fünf Minuten vergehen, in denen du dich nicht regst, keinen Laut von dir gibst und fast so scheinst, als wärest du wieder eingeschlafen; als dann allerdings der Wecker von neuem losscheppert, ist deine Rechte in einer einzigen fließenden Bewegung bei ihm, betätigt die paar Knöpfe, die es braucht, um ihn vollends zum Schweigen zu bringen, und stellt ihn schließlich wieder auf den kleinen Nachttisch neben deinem Bett.
Kurz fällt dein Blick auf mich; dein Mund öffnet sich, dein Geist ist bei weitem noch nicht so wach, wie es den Anschein hat; dann blitzt Verwirrung und schließlich Erkenntnis in deinen Augen auf und du wendest dich ab. Schneller als sonst sammelst du deine Kleidung zusammen, schnappst dir die Bürste und verschwindest in den Flur, in das Badezimmer, schließt die Türen. Lässt mich zurück.
Zurück mit den Erinnerungen.»Tori!« Ich hebe den Kopf, schaue auf und begegne kristallklarem Blau, das mich erwartungsvoll mustert. Ein leichtes, fast unmerkliches Lächeln breitet sich auf meinen Zügen aus und ich bewege mich auf dich zu, mit nahezu nachlässiger Eleganz, die verbergen soll, wie lieb ich die habe. Wie sehr du mir in den Wochen und Monaten ans Herz gewachsen bist.
»Tori!«, rufst du noch einmal; und ich antworte.Einmal noch kehrst du in dein Zimmer zurück, aber nur, um deine Schlafklamotten auf das Bett zu werfen und die Bürste an ihren Platz zurückzubringen – ein filigranes Eckregal, vollgestellt mit Cremes, Nagellack und weiteren Dingen, die sich wohl nur in dem Zimmer eines Mädchen finden lassen. Einen Augenblick lang erwarte, ja hoffe ich, dass du noch einen letzten Blick riskieren, noch einmal zu mir schauen wirst; aber gerade als du deinen Kopf in Richtung Nachttisch wenden willst, hältst du inne, überlegst.
Eine Wolke Shampoo-, Deo- und Parfumduftes zurücklassend, stürmst du förmlich aus dem Zimmer. Ich höre noch deine Schritte auf der Treppe, die Worte des Abschiedes, die du deiner Mutter zurufst – dann bist du auch schon aus der Tür, hinfort in dein Leben, an dem ich nicht teilhaben kann.
Das einzige, was mir bleibt, sind Erinnerungen.
Erinnerungen an damals.»Tori?« Ich wage nicht zu atmen, nicht, mich zu bewegen, aus Angst, mich so zu verraten. Natürlich ist es nur ein Spiel, kein Ernst, ganz und gar harmlos; aber das bedeutet ja nicht, dass man nachlässig werden sollte. Ich für meinen Teil nehme das Versteckspielen sehr wohl ernst, weckt es doch in mir verschollene Instinkte, begraben unter dem Mantel der Gewohnheit.
»Tori?«, sagst du noch einmal, mit federleichter Stimme; ich aber schweige und warte.Einige Zeit lang schwelge ich in Erinnerungen, flüchte mich in die Bilder der Vergangenheit, um so der Realität zu entfliehen. Geschehnis um Geschehnis lasse ich an mir vorüberziehen, mal lustig und schön, mal erfüllt von Wut oder Sorge, während in der Welt dort draußen langsam die Sonne zum Leben erwacht. Rotgolden erleuchtet sie den Himmel, lange bevor sie den Himmel erklimmt, und als ihre warmen Strahlen auch mich erreichen, erliege ich einen Augenblick lang fast der Illusion, dass alles so wie immer ist, sich nichts verändert hat. Etwas in mir will sich regen, alle Sinne nach dem Leben dort draußen ausstrecken – doch als ich, gänzlich unbewusst, den Versuch wage und nach dem Licht greife, schnellt etwas zurück, lässt mich zusammenzucken.
Verletzt blicke ich mich um, erkenne die Wände meines Käfigs und werde übermannt von schwarzer, dunkler Trauer; und hätte ich Tränen, so würde ich in diesem Moment jede einzelne von ihnen weinen und trauern um das, was ich verloren habe und niemals wieder zurückerhalten werde.Bis zum Abend verharre ich so an Ort und Stelle, nicht nur körperlich, wozu ich ohnehin gezwungen bin, sondern vor allem in Gedanken. Keine Erinnerungen suchen mich heim, keine Fragmente dessen, was geschehen ist, damals, als meine Welt noch komplett, noch heil war. Ich bleibe einfach starr, bleibe still und ignoriere alles, was um mich herum geschieht; erst recht, als du zurückkommst, ein müdes, aber zugleich auch zufriedenes Lächeln auf den Lippen, an dem ich sofort erkenne, dass das Referat, welches du heute halten musstest, gut gelaufen ist.
Ich kenne dich so gut – und doch nicht gut genug, um zu verstehen, weswegen ich noch immer hier bin und dir tagein, tagaus doch nichts als Schmerzen bereite. Wie kannst du es nur zulassen, dass ich stets an deiner Seite bin, dich beim Schlafen beobachte und deine geheimsten Gedanken höre, wenn du sie, leise murmelnd, in dein Tagebuch schreibst. Wie kannst du es zulassen, dass ich die einzige bin, die weiß, wie fürchterlich dein Gesang ist, weil du es schon oft genug beim Lackieren deiner Fingernägel unter Beweis gestellt hast?
Vor allen anderen Dingen aber frage ich mich, wie du mich jeden Tag vor Augen haben kannst, ohne daran zu zerbrechen … Oder bist du vielleicht schon zerbrochen?Dein Schlaf ist unruhig diese Nacht, voller Alpträume, die dich quälen und dir jegliche Energie rauben, die du doch durch den Schlaf gewinnen solltest. Tatenlos sehe ich dir dabei zu, wie du dich mit schmerzerfülltem Gesicht hin- und herwirfst, dein Kissen mal umklammerst und es dann wieder von dir stößt. Deine Augen unter den Lidern schnellen hin und her, dein Atem geht viel zu schnell – und gerade als ich mir wünsche, so sehr wünsche, dich von deiner Pein erlösen zu können –
… stockt dir der Atem in eiskalter Erkenntnis –
… setzt dein Herz, das Grauen nicht mehr aushaltend, einen winzig kleinen Schlag lang aus –
… richtest du dich auf, plötzlich hellwach, auf deinen Lippen ein angsterfüllter Schrei:
»TORI!«
Ich verbanne die in mir aufsteigenden Erinnerungen, wende den Blick ab von dir, deren Augen sich erst langsam und dann immer schneller mit Tränen füllen, und blende das verzweifelte, hoffnungslose Schluchzen aus, das von den Wänden widerhallt und mir das Herz zerreißen würde, wenn ich denn eines hätte.
Als ich Stunden später aus meiner Lethargie erwache, ist es bereits Mittag und du bist längst fort. Die ganze Nacht über hast du mit deiner Trauer zugebracht, dir schier die Seele ausgeweint, immer und immer wieder geschluchzt und geschnieft. Es war ein wahrlich erbarmungswürdiges Bild, welches du abgegeben hast, so schwer zu ignorieren, und nicht nur einmal stand ich an der Grenze zum Wahnsinn, erfüllt von dem unermesslichen Drang, dich beschützen zu wollen und es doch nicht zu können. Wie gerne wäre ich an deiner Seite gewesen, dich tröstend und all das Dunkle, all das Schlechte von dir nehmend, ganz wie früher.
»Tori«, fingst du irgendwann an flüstern, gerade als du dich ein wenig beruhigt hattest und zu Atem gekommen warst, »Tori.« Eine perfekt geformte, silbern glänzende Träne, die deine Wange hinunter glitt. »Es tut mir so leid.«Heute kommst du früher aus der Schule zurück, was mich zunächst verwundert; doch als ich dein Gesicht sehe, die dunklen Ringe unter deinen Augen, verstehe ich, dass du es bei all den Menschen nicht länger ausgehalten hast. Du sehntest dich nach der Wärme, der Vertrautheit eines bestimmten Wesens, das dich immer aufgemuntert hat, wenn es dir schlecht ging – einer Wärme, Vertrautheit, die dir kein anderer Mensch geben kann, niemals geben konnte.
Nur dass dieses Wesen nicht mehr hier ist.Es vergehen Stunden, in denen du nur auf der großen, hölzernen Fensterbank sitzt und in den Garten hinabschaust, versunken in Gedanken. Erst als die Sonne bereits unterzugehen beginnt und das Licht schwächer, unwirklich wird, kommt Regung in deinen erstarrten Körper, wendest du den Blick ab von dem eingeschneiten Grün zu deinen Füßen – und heftest ihn auf mich.
Einen Augenblick lang bin ich wie erstarrt, elektrisiert und wage überhaupt nichts: nicht zu denken, nicht mich zu erinnern, nicht irgendetwas zu tun. Ich erwidere einfach nur deinen klaren, kühlen Blick aus diesen so wahnsinnig blauen Augen, beobachte, wie du dich langsam erhebst, auf mich zutrittst und dich auf die Knie niederlässt, sodass dein Gesicht nun direkt vor mir liegt.
Fast erwarte ich die gleiche Reaktion wie am Morgen des vorigen Tages, als du schmerzerfüllt den Blick abgewandt hast; und umso mehr bin ich erschrocken, als du zu sprechen beginnst, deine Stimme rau vom vielen Weinen und doch von solch einer Frische, dass ich alles tun würde, um ihr nur noch ein wenig länger zuzuhören.
»Es tut mir Leid.« Die Worte sind so leise, wie ein Wispern im Blattwerk der Bäume, dass ich einige Sekunden benötige, um sie zu verstehen – nur um dann von ihrer Bedeutung umso mehr erschlagen zu werden. Ich bin schon versucht, missbilligend den Kopf zu schütteln, ganz leicht nur, damit es wie Zufall aussieht, und mich dann an dich zu kuscheln, doch da stoße ich auch schon an die Grenzen meiner Welt, die Wände des Käfigs, der mich beherbergt und auf ewig gefangen halten wird.
Alles, was ich jetzt tun kann, ist zuzuhören.
»Ich wünschte, ich wäre an dem Tag da gewesen.« Ein kurzes Schweigen, nur unterbrochen von einem leisen Schluchzen, das du jedoch sofort in seine Schranken zurückweist. »Ich wünschte …« – Tränen sammeln sich in deinen Augen, perlen deine Wangen hinab – »ich wünschte, ich wäre an dem Tag bei dir gewesen!« Nun kannst du das Schluchzen mit einem Mal nicht mehr zurückhalten, unkontrolliert bricht es heraus. »Du hättest nicht alleine sein sollen!« Die Tränen tropfen zu Boden, während in deinem Blick reinste Verzweiflung, reinste Trauer steht. »Du hättest … nicht … alleine …« Einen Atemzug lang ist das Schluchzen übermächtig, beraubt dich deiner Sprache, deiner Worte; und als du sie schließlich hinauswürgst, unter Tränen herausschreist und dabei eine Hand zu mir hebst, ganz vorsichtig, als könntest du mich zerbrechen, da liegt in ihnen eine solche Hoffnungslosigkeit und zugleich eine solche Liebe, dass in mir etwas zu zerbrechen scheint.
»Du hättest nicht alleine sterben sollen!«
Und die Erinnerungen übermannen mich.Es ist unser letzter gemeinsamer Tag, aber das weiß ich in diesem Moment noch nicht. Für mich zählt nur die Tatsache, an deiner Seite zu sein, in diesem warmen, weichen, gemütlichen Bett, und dir dabei zuzuhören, wie du für die Schule lernst. Es ist Anfang Sommer, deine letzten Klausuren stehen vor der Tür, und voller Eifer stürzt du dich auf den Lernstoff, in der Hoffnung, so den Wunsch nach Ferien bekämpfen zu können.
Irgendwann, gerade als du einen schweren Ordner zurück in das Regal stellst, kommt dir schließlich eine verrückte Idee:
»Tori? Lass uns ein Foto machen!«
Schlaftrunken wie ich bin, öffne ich zunächst nur das eine Auge, um dich zugleich ungläubig als auch verachtend anzuschauen; doch als ich deinen Gesichtsausdruck sehe, voller Begeisterung und vor Aufregung leuchtend, halte ich mich zurück, öffne stattdessen auch das andere Auge, gähne einmal herzhaft und füge mich schließlich in mein Schicksal.
Lachend tänzelst du aus dem Zimmer, eilst die Treppe hinab, und suchst, lauthals vor dich hin trällernd, die Kamera. Ich lockere in der Zwischenzeit meine Muskeln, fahre mir mit den Pfoten notdürftig über das Gesicht und mache noch einen kurzen Abstecher in den Flur, um mich im Spiegel zu betrachten; dann postiere ich mich am Treppenabsatz und warte.
Es dauert nur wenige Minuten, da stapfst du bereits wieder die Treppe hoch, in deinen Händen die Kamera deines Vaters. Zufrieden grinst du mich an, stolzierst in dein Zimmer und vollführst eine unvergleichlich lächerliche Verbeugung.
»Das Fotoshooting kann beginnen.«»Wo auch immer du bist …« Deine Stimme bricht, während immer mehr Tränen gen Boden fallen, deine Finger nur Millimeter von mir entfernt. »… vergiss mich nicht.«
Und der Teil meiner Seele, der in dieses Foto eingewoben ist, verborgen unter dem Antlitz eines lachenden Mädchens mit ihrer Katze, antwortet:
»Das werde ich nicht.«
Tränen für DichEin letzter Schrei, ein letztes Schluchzen, ein letztes Kratzen - dann ist es still. Viel zu still, doch mir bleibt nichts anderes übrig, als zuzusehen. Hinab zu dem armen Wesen, dass zitternd, sich windend auf dem Boden liegt und vor Erschöpfung eingeschlafen ist. Stundenlang warf es seinen kleinen, schwachen Körper gegen die eisernen Wände des Ortes, dass es als sein „Zuhause“ betiteln sollte. Lachhaft, wenn man bedenkt, wie jemals jemand diesen Zustand als Gefühl von Wärme oder Geborgenheit bezeichnen könnte. Eingesperrt, ohne Essen und Trinken, fort von Familie und Freunden, fort von allem, was man kennt. In eine Welt aus Angst, Hass und Feindschaft, die die Menschen auch als Pokémonkämpfe bezeichnen. Wie gerne würde ich sie anschreien, wenn Worte wie „Freundschaft“ oder „Liebe“ ihre Lippen verlassen. Ein wahrer Freund lässt seinen Freund nicht leiden, er quält ihn nicht, zwingt ihm kein Leben in Knechtschaft auf, fort von allem, was er kannte und liebte. Nein, das ist keine Wärme, das ist Kälte! Purer Egoismus, purer Sadismus!
Erneut lasse ich meinen Blick über den schmalen Körper wandern, der sich an mich drückt, als wäre ich sein sehnlichst erwünschtes Bett... und eigentlich war ich das auch. Ich war noch so viel mehr. Ich war sein Heim, seine Stützte, seine neue Familie. Doch diese Tatsache bereitete mir keinesfalls Freude. Nein, im Gegenteil. Lieber zog ich die Einsamkeit vor, als mitansehen zu müssen, wie dieses Wesen gequält wurde – dank mir. Nur durch mich schafften es die Menschen, ihm unsägliches Leid zuzufügen. Ohne mich könnte Pikachu frei sein. Es könnte lächeln und müsste sich nicht quälen, jedem seiner Tage einen Sinn abzuverlangen. Diese Menschen kümmert es nicht, was mit ihren Pokémon passiert, auch, wenn sie es behaupten. Ich weiß es, ich sehe es!
Ja, ich habe Gefühle! Ich habe mehr Gefühle als so mancher Mensch und darauf bin ich stolz. Trotzdem bin ich schwach, zu schwach, etwas zu tun. Zu kraftlos, um diesem Treiben ein Ende zu bereiten, obwohl gerade das mein allersehnlichster Wunsch wäre: Das hier zu beenden. Nein, ich liebe mein Leben, das wollte ich nicht damit ausdrücken. Himmel, nein, ich bin nicht gewillt mir das Leben auszuhauchen – wobei ich mich gelegentlich frage, ob das überhaupt möglich wäre – und doch wünschte ich, das hier wäre vorbei. Ich wünschte, ich wäre mit einer anderen Aufgabe geboren. Einer Aufgabe des Friedens, einer Aufgabe der Einheit, des Zusammenhaltes. Das war mir versprochen worden... eine Lüge. Eine von vielen Lügen in meinem Leben, doch vielleicht stellte meine Geburt die größte von allen dar. Ihr versteht nicht? Dann lasst mich noch einmal genauer erklären.
Einst wurden meine Ahnen geschaffen, um einen Pakt zwischen Pokémon und Menschen zu schließen, ein Pakt der Freundschaft, des Mitgefühls und des Vertrauens. Nicht nur die Menschen, sondern auch die Pokémon hatten Feinde, die es zu fürchten galt, Ängste, die sie zu erleiden hatten, Schmerzen, die sie zu fühlen begannen. Einige Menschen, denen das Schicksal der Pokémon leidtat, machten sich auf den Weg, ihnen zu helfen, und das, obwohl das zarte Band, das diese beiden Arten miteinander verbinden sollte, noch nicht geknüpft worden war. Und trotzdem schienen die Pokémon zu spüren, dass diese Menschen ihnen kein Leid wünschten. Sie nahmen sie also mit sich nach Hause und pflegten sie. Vielleicht waren die Menschen damals wirklich Freunde der Pokémon. Wenn ja, so frage ich mich, was passiert ist, dass sich das geändert hat... Eines Tages kam es, wie es kommen musste. Die Pokémon wurden von ihren Feinden aufgesucht. Zu schwach, wie sie immer noch waren, versuchten ihre menschlichen Freunde, sie zu beschützen, da sie sie nicht transportieren konnten. Ein erbitterter Kampf begann, bei dem die Menschen unterlagen. Dies hinterließ einen tiefen Riss im Herzen der Pokémon. Einen Riss, den ihre Nachkommen bis heute in sich tragen. Niemand kann sagen, ob es stimmt, doch ich glaube, dieser Schmerz, dieses Vertrauen von damals, steckt immer noch in ihnen. Und genau das führt dazu, dass sie den Menschen hingeben. Immer noch sehen sie ihre Freunde von damals in ihnen. Vielleicht mögen es andere Pokémon, vielleicht andere Menschen sein, doch ihre Ahnen wachen über sie, führen sie.
Nun genug gelangweilt, vielleicht sollten endlich meine Vorfahren erwähnt werden. Um die Pokémon besser transportieren und fliehen zu können, entwickelten die Menschen magische Steine, die die Pokémon in diese zogen. Dort waren sie sicher und konnten in Ruhe heilen. Ein Instinkt, der bis heute in ihren Genen verankert ist. Na, wenn magische Steine zum Transport von Pokémon meine Ahnen sind, wer bin ich dann? Richtig! Mein Name ist Pokéball. Ich bin einer von vielen, die entwickelt wurden, um Pokémon zu retten. Das war einst meine Aufgabe. Nun, die Betonung liegt auf „einst“, denn heute rette ich niemanden mehr. Heute fange ich nur noch. Nehme gefangen. So wie das arme Pikachu, das sich an meine kalte, eiserne Haut schmiegt, in der Hoffnung, beim Erwachen festzustellen, dass alles nur ein Traum war. Doch es war kein Traum, ich habe es wirklich in Fesseln gelegt.
Ein schmerzhafter Schauer überkommt mich, doch ich kann ihm nicht nachgeben, kann nicht weinen. Das ist mir nicht gegönnt. Weinen ist eines der wenigen Dinge, worum ich die Menschen beneide. Weinen, Lachen, Lächeln, Schreien, all diese Dinge sind etwas, das ich nie tun können werde. Ich kann sie nur beobachten. Kann beobachten, wie Pikachu täglich verzweifelt an meiner Haut kratzt, mir aber nie auch nur den Hauch einer Narbe hinterlässt. Dann beginnt es zu weinen, beginnt zu zittern, bevor es erschöpft zusammen bricht. Oder ich beobachte die Menschen, wie sie täglich miteinander reden, scherzen, lächeln, lachen. Ich lausche ihren Geschichten gerne. Lausche ihren wilden Abenteuerberichten, fiebere mit, wie es weiter geht, was sie als nächstes erleben werden, erfreue mich ihrer Liebesgeschichten, bin in Gedanken mit ihnen. Einerseits hasse ich sie so sehr für all die Grausamkeiten ihrer Seele, doch gleichzeitig bewundere ich sie aus tiefster Seele. Wenn ich ihre Fähigkeiten hätte, ihre Möglichkeiten, dann würde ich mein Leben nicht so verschwenden, wie sie es tun. Ich würde aufhören, herumzusitzen und sinnlose Dinge zu tun. Ich würde reisen, ich würde all das fühlen, all das berühren, was mir in den Jahren meines Lebens vergönnt gewesen war. Oh ja, ich hätte eine lange Liste und Pikachu würde ich mit mir nehmen. Es dürfte in meinen Armen schlafen, so wie jetzt, und mir jeden Tag ein Lächeln schenken. Vielleicht war es egoistisch von mir, es mitzunehmen, „Jessy“ – wie die Menschen sie nannten – mitzunehmen. Und doch war sie schon so lange Teil meines Lebens, dass ich aufgehört hatte, die Stunden, nein, die Tage zu zählen. Wir sprachen nie miteinander, wahrscheinlich wusste sie nicht einmal, was sie mir bedeutete, und doch war sie Teil meiner Familie, so wie ich Teil ihrer war. Niemand war mir so nahe wie sie, gewährte mir solch tiefe Einblicke in seine Seele. Jessy war für mich ein offenes Buch. Ich liebte es, ihr zuzusehen, wenn sie lief, wenn sie lächelte, wenn sie spielte. Das alles zeigte sie mir nie und gerade das machte es zu etwas Besonderem. All die Dinge, die sie tat, wenn sie frei war, wenn man ihr die Ketten von der Seele nahm, ließen sie fliegen. Hoch hinaus flog sie, bevor ihr Trainer sie schmerzhaft an den Ketten wieder zu Boden zog. Von all den Dingen in meinem Leben bereute ich am meisten, dass ich ausgerechnet Jessy solchen Kummer bereiten musste. Wenn es nur ein Wort gegeben hätte, nur eine einzige Sache, die ihr kleines Herz begehrt hätte, einen Wunsch, den ich ihr hätte erfüllen können, ich hätte es getan. Egal, was ihr Herz geplagt hatte, ich hätte es ihr so gerne erfüllt.
Einige Menschen glaubten, mein Inneres biete den Pokémon eine Illusion von Liebe, eine Illusion von Freiheit, und die Pokémon wären zu beneiden, dafür, dass hier die perfekte Welt auf sie wartete. Doch diese Menschen waren nur zu naiv, zu dumm oder zu stur, um zu erkennen, dass Illusionen nicht zu meinen Aufgaben gehörten. Ich schrumpfte die Pokémon nur und hielt sie in einem kleinen Raum gefangen, wo sie nichts außer sitzen und schlafen konnten, während die Welt draußen weiter lief. Doch glaubt ihr auch nur einer dieser Kreaturen hätte je gefragt, was mit den Pokemon im Pokeball passierte? Denkt ihr, es hätte sie je interessiert? Natürlich...nicht! Solange niemand ihrer ach so überlegenen Art durch mich gefangen wurde, was alles in Ordnung. Dabei, war es gerade das genaue Gegenteil. Ich konnte sie weder versorgen, noch ihnen Freude und Liebe schenken, so wie keiner meiner anderen Brüder und Schwestern.
Sacht regte Jessy sich auf meiner Haut, ihr weiches Fell kitzelte mich und ich lächelte, oder besser gesagt, ich hätte es. Ich konnte keine Regungen zeigen, wie gesagt, eine meiner am meisten vermissten Fähigkeiten. Ich fragte mich, wie lange mein Blick wohl schon auf diesem wunderschönen, eleganten Körper haften würde, bevor ich der Vernunft in mir nachgab und weg sah. Doch das war schwerer als gedacht, dann egal wohin ich mich wandte, sie schien mich immer zu begleiten. Vielleicht glaubte sie daran, dass Liebe immer in einer Art von neuer Liebe wiedergeboren wurde. Wäre das Möglich? War ich also ihr verzweifelter Ersatz ihre Lieben seelisch zurück zu gewinnen? Ich wusste nicht genau, ob ich je eine Antwort auf diese Fragen wünschte, ob mir eine Eingefallen wäre, doch das war es nicht. Weder als er hinein kam, noch als die Pistole mir an den Kopf gehalten wurde.
"Jessy Donnerblitz", ertönte eine schrille, weibliche Stimme, bevor Pikachu in einem grellen Licht aus weiß verschwand. Schon wieder, was? Wie oft war es heute schon gewesen? Wie oft hattest du sie gerufen, damit sie gegen eine ihrer Seelenschwestern, einen ihrer Seelenbrüder kämpfen musste? Wie oft musste Jessy heute schon deinen Lust nach Kampf befriedigen, deine Durst nach Sieg? Na, weißt du die Antwort? Natürlich ist auch das hier ein "nein". Es ist dir wohl nicht bewusst, doch glaube ich, dass das noch schlimmer ist, als die Tatsache, dass du es gewusst und dennoch ignoriert haben könntest. Wie können die Menschen nicht bemerken, wie elend es den Pokemon geht? Nur weil jemand lächelt ist er nicht gesund und nur weil er weint, heilt sein Körper sich nicht selbst.
Wütend krächze ich einen stummen Schrei, bevor ein rotes Licht meinen Körper verlässt und eine schwer atmende Jessy den Schutz meiner Arme, den Schutz meines Körpers sucht. "Sieht dein Trainer den nicht deine Kraftlosigkeit?" Keine Antwort. Wie auch, wie könnte sie mir antworten? Verzweifelt versuche ich das Metall meines Körpers gegen ihren Leib zu pressen, versuche ihr zu zeigen, dass sie nicht allein ist, dass alles gut wird, dass ich bei ihr bin. Doch sie spürt es nicht. Erneut hat sie zuflucht im Land der Träume gesucht. Vielleicht ist das der einzige Ort, an dem sie wirklich frei sein kann. Ich wünsche es ihr. Ich will es mir einreden. Doch meine Schuld wird dadurch auch nicht kleiner, dass weiß ich ganz genau. Trotzdem, trotzdem erfüllt es mein Herz - auch wenn es nur für den Hauch eines Moments ist - mit Erleichterung. Darüber, dass es noch eine Sache gibt, die sie ehrlich lächeln lässt. "Ich wünschte du könntest mir eines Tages verzeihen....es tut mir Leid!"
Verdammt zum WartenVerdammt ist das ein staubiger Boden! Was gäbe ich dafür, dass mein Träger einfach mal ruhig bleiben würde, wenn er einen Kampf gewinnt. Dann würde ich, seine arme Mütze, nicht immer von seinem Kopf rutschen, wenn er in Jubel ausbricht. Aber leider ist er nun mal eine impulsive Persönlichkeit und so spüre ich anstatt seinen herrlich frisch gewaschenen Haaren unter mir nur Staub und Sand. Jetzt muss ich wieder warten, bis er mich endlich aufhebt.So warte ich. Ich warte länger als sonst und plötzlich ist die Sonne schon dabei unterzugehen. Das darf doch nicht wahr sein, dieser Trottel hat mich einfach vergessen. Na, da ist er ja selber schuld. Jetzt bin ich mal gespannt wer ihn in diesen kalten Tagen seinen Kopf wärmt. Mein Träger wird sicher bald zurückkommen und dann überglücklich sein, sobald er mich wieder hat. Aber er kommt nicht. Drei Tage vergehen und die einzige Abwechslung sind die Pokémon, die mich beschnüffeln. Keine Spur von meinem Träger.
Nun macht sich doch etwas Unsicherheit bei mir breit. Hoffentlich hat er mich nicht einfach ersetzt. Dann werde ich ja nie wieder von hier wegkommen. Ich will aber nicht mein restliches Dasein in einer Wüste verbringen!
Am Morgen des fünften Tages nachdem ich von meinem Träger im Stich gelassen wurde, erfolgt dann doch noch meine Rettung. Als ich fast vollkommen mit Sand bedeckt bin und alle Hoffnung aufgegeben habe, werde ich plötzlich hochgezogen. Ein Wunder ist geschehen! Ein Ruinenmaniac hat mich gefunden! Er betrachtet mich überrascht durch seinen Zwicker und ich freue mich schon, dass ich einen neuen Träger gefunden habe. Diese Glatze gehört auch wirklich versteckt und mein rot passt hervorragend zu seinem weißen Anzug. Doch dann breitet sich ein enttäuschter Ausdruck über dem Gesicht meines Finders aus und er sagt: „Und ich dachte schon diese blöde Mütze sei ein seltenes Fossil. Komm Sandamer! Hier hast du was zum spielen.“
Mit diesen Worten werde ich zu Boden geworfen und sehe mich tatsächlich einem Sandamer gegenüber. Seine Krallen glänzen im Sonnenlicht. Mein Ende ist gekommen! Doch ich scheine dem Pokémon besser zu gefallen, als seinem Trainer. Behutsam hebt es mich aus dem Sand und setzt mich tatsächlich auf seinen Kopf!Sobald es das allerdings getan hat, höre ich den Ruinenmaniac auf einmal laut brüllen. Nach dem anfänglichen Schock bemerke ich aber sogleich, dass es kein wütendes Brüllen ist, denn er kommt über beide Backen grinsend zu seinem Sandamer und mir gelaufen und ruft: „Sandamer, du musst schnell herkommen! Ich habe einen verschütteten Höhleneingang gefunden!“
Tatsächlich führt uns der Ruinenmaniac zu einem riesigen Felsen, in den man durch einen recht breiten Spalt hineingehen kann. Immer noch breit grinsend geht der Ruinenmaniac zuerst rein. Mein neuer Träger folgt ihm sofort. Auch ich bin etwas aufgeregt. Sicherlich habe ich mit meinem alten Träger viele Dinge entdeckt und etliche Abenteuer bestanden, aber er war an dem Tag, als er mich zurückließ zum ersten Mal in der Wüste, da sie die einzige in Hoenn ist. Was wird uns wohl in diesem Felsen erwarten?
Nun zunächst einmal erwartet uns dort völlige Schwärze. Und selbst als eine Laterne von dem Ruinenmaniac angezündet wird, offenbart sich uns nichts als braunes Gestein. Trotzdem scheint unser Höhlenforscher hoch erfreut, holt eine Lupe und einen Pinsel aus seiner Tasche und hüpft rum wie mein alter Träger damals, als er sein erstes Pokémon gefangen hatte. Selbst mein neuer Träger scheint nur so vor Elan zu sprühen und setzt unentwegt Schaufler ein um Löcher in den Felsboden zu graben und vielleicht irgendwelche Schätze zu bergen.
Als er endlich aufhört, bin ich schon so dreckig, dass man gar nicht mehr sieht, dass meine ursprüngliche Farbe rot ist. Gut das sein Trainer eine Entdeckung gemacht zu haben scheint und ihn deshalb gerufen hat. Nun sagt er: „Ich habe eine alte Inschrift gefunden!“, weiterhin mit seiner Lupe die Wand untersuchend fährt der Ruinenmaniac fort, „Vorher steht zwar eine Warnung, aber wann hat uns das hat uns doch noch nie interessiert, nicht wahr Sandamer?“ Mein Träger gibt zustimmende Laute von sich. Ich hätte dies nicht getan. Warnungen haben eigentlich immer einen Sinn, wie ich finde. Doch nun hat der Ruinenmaniac auch den letzten Rest der Inschrift freigepinselt und liest laut vor: „Saxa morta! Mutate in animal magum!“
Plötzlich löst sich ein kleiner Stein von der Wand. Er fällt in Richtung Boden und trifft dort mit einem klackenden Geräusch auf. Dann löst sich der nächste Stein und dann wieder der nächste, bis hunderte von Steinen von der Wand bröckeln. Doch die Wand ist gar keine, denn sie beginnt sich zu erheben und schließlich steht eine steinerne Gestalt vor uns. Der Ruinenmaniac schreit entsetzt: „Wir haben Regirock wiederauferstehen lassen! Wir müssen schnell weg hier!“ Und schon ist der Forscher durch den Spalt nach draußen verschwunden. Auch sein Sandamer folgt ihm und ich würde auch als zu gerne mit ihm flüchten, doch durch die plötzliche Kehrwende löse ich mich vom Kopf meines neuen Trägers und mache erneut Bekanntschaft mit dem Boden. Nun bin allein mit dem Monster aus Stein, doch dieses hat mich gar nicht bemerkt. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, wobei das ja sowieso nicht möglich ist, da Regirock aus Steinen besteht, geht es auf den Spalt zu und setzt sich schließlich eiskalt davor, sodass nichts und niemand mehr raus oder rein kann. Nun werde ich nie wieder von jemandem getragen werden und mir bleibt nichts anderes übrig, als auf meine Verrottung zu warten.
JahreskreisFrühlingsmorgen.
Feiner Nebel kroch über den Waldboden, der begann, allmählich aus seinem alljährlichen Kälteschlaf zu erwachen. Grüne Lebendigkeit räkelte sich in winterharten Knospen, bereit, ihren Schutzmantel mit den ersten Strahlen der Sonne abzustreifen. Noch hing das feurige Gestirn unter dem Horizont, kündigte sich nur mit einem silbernen Schimmer am Himmel an. Schon bald käme sie hervor, um dem Land ihre wärmenden Gaben zu spenden.
Ein alter, weißbärtiger Mann schritt zwischen den hölzernen Säulen zielstrebig voran. Eine Drossel, damit beschäftigt, die ersten draufgängerischen Insekten für ihren Übermut zu bestrafen, flatterte auf, als er vorbeistapfte, und keckerte ihm gereizt hinterher.
Endlich erreichte er eine Lichtung, die die Bäume in der Nähe einer Felswand freigelassen hatten. Dem Wall zu Füßen ruhte ein einsamer, von der Verwitterung annähernd rund geschliffener Stein. Der im Wald Fremde trat auf ihn zu, zog ein Schwert, das er unter dem Mantel verborgen hatte.Die blanke Klinge der Waffe spiegelte den matten Sonnenschein, als sei es helllichter Tag. Der Mann murmelte einige Worte, doch niemand war in der Nähe, sie zu verstehen. Er erhob das Schwert und trieb es in einem Funkenregen mit der Spitze voran in den Stein.
Nach ein paar weiteren Sätzen wandte er sich ab und kehrte auf demselben Weg, den er gekommen war, zurück.
Das Schwert indes, dessen Klinge zur Hälfte im Gestein stak, weitete seine Sinne, um zu erkennen, wo es sich befand. „Merkwürdig“, sprach es zu sich selbst, „hier wird überhaupt nicht gekämpft.“
Es erschrak, als ein anderer Geist erwachte; nicht wie der Wald, der die Lichtung umgab, aus erneuernder Überwinterung, sondern aus einem einfachen Erholungsschlaf. „Wie bitte?“, nuschelte er, während er mehr und mehr aus der Traumwelt glitt. „Bei der Herrin des Sees!“, rief er mit einem Mal aus. „Hab ich schon wieder wie ein Stein geschlafen!“ Er lachte schallend, dass das Schwert die tiefen Vibrationen im Stahl spürte. „Aber ich bin ja auch einer.“
„Ein Stein?“ Gehörte die Stimme demnach dem Stein, in dem es stak? Das Schwert merkte, wie sich der Geist aus Basalt ihm zuwandte.
„Was soll denn dieser Unfug?“, wollte der Stein, nicht ohne eine gewisse Belustigung, wissen. „Hat da ein Mensch tatsächlich versucht, etwas Totes mit einem Schwert zu töten?“ Wieder lachte er, lauter diesmal.
Als endlich Ruhe eingekehrt war, sprach es: „Da muss ich dir zustimmen; ich bin ein Schwert. Ich bin geschaffen, in der Schlacht geschwungen zu werden, in Fleisch zu schneiden und Blut zu schmecken!“
Der Stein schien vor Widerstreben zu zittern. „Was für fürchterliche Worte du verwendest! Woraus gründet denn diese Gier?“
Es wiederholte schlicht: „Ich bin ein Schwert.“ Unzufrieden sondierte es die Lichtung, den angrenzenden Wald, die Felswand. „Dieser Ort hat den Anschein, dass es hier für mich nicht viel zu töten gibt. Wo sind die Ritter, die Kämpfer? Die anderen Waffen, gegen die ich antreten soll? Ich bin ein Schwert, geschmiedet für einen mächtigen Krieger! Hier ist es mir zu langweilig.“
„Wie furchtbar!“, klagte der Stein leidvoll. „Da kenne ich dich, Schwert, nur wenige Momente, und verurteile dich schon für das, was du sagst. So ein frevelhaftes Geschwätz!“
„Du bist ein Stein“, stellte das Schwert berechtigt fest. „Ein totes Ding, wie ich. Was kümmern dich die Lebenden?“
Der Befragte seufzte tief. „Man merkt, du kannst noch nicht lange aus dem Schoß der Erde geschürft sein.“
„Worauf willst du hinaus?“
„Weshalb das Misstrauen?“, gab das Gestein brummig zurück. „Bin ich nicht ein totes Ding wie du?“ Eine Pause folgte, ehe der Stein fortfuhr: „Du hast nicht die vielen Tage und Jahreszeiten an der Oberfläche verbracht, die ich habe kommen und gehen sehen. Du stammst aus den Tiefen der Erde, wo nichts Lebendes existiert. Das Leben hast du erst gesehen, als ein Minenarbeiter dich aus dem Boden brach. So kann man auch nicht verlangen, dass du es verstehst.“
Das Schwert schnaubte. Was sollte dieses Gerede? „Was muss ich denn verstehen? Ich bin ein Schwert! Ich soll das Leben auslöschen, nicht verstehen, was es sagt!“
„So meinte ich das auch nicht“, stellte der Fels klar. Durch den Nebel brachen die ersten zaghaften Lichtpfeile, die die Sonne von ihrem Horizontbogen abschoss. „Wie gut, dass du im Frühling zu mir gefunden hast“, meinte er, durch den schwachen Schein schon besserer Laune. „So kann ich es dir leichter erklären. Was du bislang gesehen und begriffen hast, ist, dass sich die Welt in tote und in lebende Dinge aufteilt. Aber tatsächlich gliedert sie sich in zwei Kohorten, die ich das Unsterbliche Tote und das Sterbliche Leben nenne.“
Nachdenklich versuchte das Schwert, diese Erläuterung zu durchschauen. „Das ist für mich kein Unterschied. Du benutzt nur zwei zusätzliche Wörter, sonst nichts.“
„Nur Geduld“, mahnte der Stein. „Was ich meine ist, dass wir Unsterblichen Toten und die Sterblichen Lebenden zwar getrennte Gruppen sind, doch verbunden miteinander. Wir enthalten eine unerschöpfliche Kraft, die wir jedoch nicht nutzen können; die Lebenden nehmen sich davon, was sie benötigen, und nutzen es, wo sie es brauchen.“ Der Nebel zog sich langsam vor der Sonne zurück, während an einem nahen Baum ein paar Blütenknospen aufsprangen.
„Sie stehlen es“, behauptete das Schwert, „und verdienen so die Todesstrafe!“
Der Stein ließ Milde walten: „Es ist erst Frühling. Du wirst noch erkennen, was ich meine.“Sommertag.
Saphirblau spannte sich die Himmelskuppel über die Welt, als habe ein Titan sie aus dem edlen Mineral geschnitten und über die Erde gestülpt. Im Zenit ihres täglichen Laufs hing die Sonne, eine Perle reinen Lichts. Wärme durchspannte die Luft, die erfüllt war von Vogelgesängen und dem Summen zahlreicher Insekten. Eine Drossel hüpfte geschäftig über die Lichtung, hielt plötzlich inne, als ihre runden Augen etwas im Gras entdeckten. Sie sprang zurück, fixierte das Objekt ihrer Begierde und stieß mit dem Schnabel zu. Eine Grille zappelte hilflos mit den sechs Beinen, doch Beute und Jäger wussten, dass ihr Leben verwirkt war. Der kleine schwarze Vogel flatterte auf und verschwand im dichten Laubwerk.
Das Schwert achtete nicht auf das, was um es herum geschah. Konzentriert war es auf die Sonnenstrahlen, die vom Himmel herabschwebten. Sie umfingen es mit ihrer sanften Wärme und ließen seine silberne Klinge glänzen.
Es saß noch immer in diesem Stein fest, was ihm Grund zur Ärgernis war. Seit jenem ersten Morgen im Frühling hatte es stets gehofft, der alte Mann, der es in diese Lage gebracht hatte, käme wieder und befreite es. Doch das war bislang noch nicht eingetreten. Aber zumindest konnte es sich an der Sommersonne erfreuen, die sein kaltes Metall erwärmte.
Unter den Bäumen trat ein Wesen hervor, das das Schwert noch nicht kannte. Es maß die halbe Höhe eines Menschen, besaß struppiges, graues Fell. Über den Augen mit seitlich liegenden Pupillen erhoben sich gedrehte Hörner; es ging auf gespaltenen Hufen. Das Tier hielt die schmale Schnauze prüfend in die Luft, bevor es zu dem Stein herübertrottete.
„Ach, welche Freude“, ließ dieser vernehmen, „mein alter Freund ist auch dieses Jahr wieder da.“
„Was ist das für ein Wesen?“, wollte das Schwert wissen. In den letzten Monaten hatte es diese Frage immer wieder gestellt, wenn in seiner Wahrnehmungsweite etwas Neues aufgetaucht war.
„Ein Ziegenbock.“
Das Tier trat nah heran, schnupperte an dem Stein und begann, mit der Zunge rasch darüberzufahren. Der Stein kicherte vergnügt.
„Was tut es da?“, wollte das Schwert angewidert wissen. Wie konnte der Felsen an dieser abnormalen Tätigkeit auch noch Gefallen finden!
„Er nimmt von meiner Kraft. Erinnerst du dich, was ich dir darüber im Frühling erzählte?“
„Wie könnte ich einen solchen Irrsinn schon vergessen?“, erwiderte das Schwert.
Der Stein ignorierte die Spitze. „Diese Kraft hat vielerlei Formen. In meinem Fall hat sie die Gestalt von Stoffen, die die Ziege in sich aufnimmt und fürs Überleben benötigt.“
„Wie abstoßend! Von mir dürfte dieses Wesen niemals Kraft aufnehmen.“
„Das kann er auch nicht“, meinte der Stein. Der Ziegenbock beendete die Speisung und kehrte um. Seine Schritte klangen dumpf auf dem Gras und dem Waldboden, bis sie von der Entfernung verschluckt wurden. „Wobei er durchaus auch Eisen in sich hat. In seinem Blut.“
Ungläubig höhnte das Schwert: „Natürlich! Und genau deswegen dürste ich ja auch sosehr danach! Weil ich mit Meinesgleichen vereint sein will!“
„Durchaus möglich“, erwiderte der Stein in völligem Ernst, sehr zur Verwunderung des Schwerts. „Wobei ich eher denke, dass es mit der menschlichen Schmiedekunst zusammenhängt. Solche Gelüste kann dir die Erde unmöglich eingegeben haben.“Herbstabend.
Dichte Wolkenberge hingen tief in der Höhe, schufen eine eigene graufeuchte Landschaft im Himmel, aus der Regenschlieren herabstürzten. Es hätte ein schöner Abend sein können, mit den reichen Farben eines herbstlichen Sonnenuntergangs; doch dafür war es zu dunkel und nass. Eine Drossel hockte unter einem kargen Strauch, schüttelte das Gefieder, um die Feuchtigkeit zu vertreiben.
„Was ist mit den Blättern geschehen?“, fragte das Schwert, betrachtete das Laub, das den Waldboden mit einer bronzefarbenen Schicht überzog. „Als sie noch grün waren, trotzten sie jedem Sturm. Jetzt reicht allein schon ein Regenschauer, sie von den Bäumen zu reißen.“
Der Stein schien nicht beeindruckt von diesem Ereignis. „Die Bäume werfen sie ab, um die Kraft der Erde zurückzugeben, von der sie sie im Frühling geliehen haben. Dafür färben sich die Blätter braun, so wie Schwerter, wenn sie zu rosten beginnen.“
Bei den letzten Worten stutzte das Schwert. „Du vergleichst mich mit diesen schwächlichen Gebilden? Monate stecke ich nun schon hier, ohne die geringste Veränderung an meiner Klinge. Und das Blattwerk vergeht, nachdem es dem Wetter für ein, zwei Jahreszeiten standhielt, in nur wenigen Wochen. Was auch immer zu rosten bedeutet, mich betrifft es nicht!“
„Du weißt nicht, was Rost ist?“, stellte der Stein verwundert fest.
„Sollte ich?“
„Nun, durchaus“, meinte der Stein, als sei es selbstverständlich. „Schwerter werden rostig, wenn kein Mensch sie pflegt, und bislang war keiner hier, dich zu fetten. Stahl wird an der Luft mit der Zeit zu Rost, der wie Eisenerz ist.“
„Du willst mir sagen“, schlussfolgerte das Schwert, „ich müsste wieder zu dem Klumpen Muttergestein werden, aus dem ich geschmiedet wurde? Das ist doch lächerlich!“
„Nicht genau wieder zu dem“, präzisierte der Stein. „Aber ganz ähnlich. Wie die Blätter nunmal, die der Baum aus den Sedimenten erschafft, die seine Wurzeln tief aus dem Boden holen, dann aber im Herbst an der Oberfläche Humus bilden. Wie ich im Sommer sagte: Die Kraft, die zwischen Unsterblichen Toten und Sterblichen Lebenden umherfließt, kann viele Gestalten annehmen. Wenn sie von der einen Form in die nächste wechselt und dann zu ihrem Ursprung zurückkehrt, ist sie nicht immer wieder dasselbe wie zu Anfang.“
Eine Weile dachte das Schwert nach. „Bedeutet das also, dass die Stoffe, die der Ziegenbock von dir nahm, nie zu dir zurückfinden?“
Der Stein lachte bitter. „Nicht in diesem Jahr oder im nächsten. Wahrscheinlich nicht einmal in tausend Jahren. Doch ich bin unsterblich tot,so alt wie die Erde selbst. Wer weiß schon, ob die nächsten Äonen sie nicht doch wieder zu mir zurückbringen?“
„Also hat er sie dir doch gestohlen! Sie sind für dich verloren!“, verkündete das Schwert mit stählerner Bestimmtheit.
„Oh nein“, widersprach der Stein mit derselben Standhaftigkeit. „Eines Tages kehren die Stoffe auf jeden Fall zur Erde zurück; und da ich ein Teil von ebendieser bin, ist für mich nie etwas von ihnen verloren.“ Er lauschte in den Regen hinein. „Auch dir wird es irgendwann so ergehen. Wenn du rostest, bricht die Gestalt, in die dich dein Schmied gezwungen hat. Sowieso ist es verwunderlich, dass dies bei dir noch nicht eingesetzt hat.“
Da das Schwert darüber kein weiteres Wissen besaß, vermutete es nur: „Vielleicht hattedieser Schmied dafür eine besondere Begabung.“
„Ja. Vielleicht.“Winternacht.
Weißer Schnee lag als undurchdringlicher Decke auf dem Wald. Fast glühte er immildenLicht von Mond und Sternen, die aus einem klaren Firmament herabschienen.Der Winter durchzog den Boden mit seinem eisigen, reinigenden Frost. Eine Drossel döste auf einem kahlen Ast, das aufgeplusterte Gefieder von einer feinen Puderschicht bedeckt.
Auch über das Schwert und den Stein hatten sich die himmlischen Flocken gelegt. Auf ihrer Lichtung war kein Laut zu hören; alle Geräusche wurden vom Schnee in friedlichen Schlummer gewiegt.
In die nächtliche Ruhe flüsterte das Schwert: „Stein? Darf ich dir eine Sache anvertrauen?“
Der Felsen reagierte träge in der Kälte: „Was bewegt deinen Geist?“
„Es geht um das, was ich in den letzten Jahreszeiten gesehen und gelernt habe.“ Langsam, sodass es selbst kaum gespürt hatte, wie ihm geschah, hatten die Tage und Gespräche mit dem Stein es gewandelt. Diese veränderte Mentalität gedachte es nun, seinem Lehrmeister zu offenbaren.
„So sprich“, forderte der Stein auf.
Das Schwert sammelte sich und legte dar: „Die Erde, ja alles, was du Unsterbliches Totes nennst, gibt seine unerschöpfliche Kraft an das Sterbliche Leben weiter. Dieses nutzt sie dann Zeit seiner Lebendigkeit, und wenn es allmählich stirbt und sich zum ewigen Schlaf bettet, gibt es sie an die Erde zurück. Auch untereinander schenken und stehlen die Lebenden diese Kraft, doch am Ende kommt alles zu uns zurück. Die Erde behütet sie durch den Winter, bis der Zyklus von neuem beginnt. Es gibt eine Zeit der Geburt, des Lebens, des Sterbens, des Todes.“ Das Schwert seufzte, Melancholie befiel es. „Doch das Leben vor dieser Zeit des Sterbens zu nehmen, ist ein schweres Verbrechen. Ich wurde für ein Verbrechen geschmiedet; von Menschen, für Menschen, um Menschen zum Tode zu befördern. Du hast mir geholfen, zu erkennen, wie die Welt wirklich aufgebaut ist aus Aspekten, die ich voneinander getrennt erachtet habe. Doch tatsächlich gehen sie ineinander über.
Im Frühling wünschte ich mir, Blut zu schmecken, zu töten. Jetzt will ich nichts anderes, als für immer hierzubleiben. Dass mich der Rost doch noch ereilt und ich so für immer Eins mit dir werden kann. Mit dir und dem Zyklus, aus dem mich der Minenarbeiter, der mich aus dem Erdboden schürfte, der Schmied, der meine Klinge formte,und der alte Mann, dem ich als Einzigen für seine Tat dankbar sein kann, entrissen haben.“
Nachdem er einen Moment gewartet hatte, um sicher zu sein, dass das Schwert alles gesagt hatte, sprach der Stein: „Deine Worte berühren mich sehr und bedeuten mir viel. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal Freund werde mit einem Schwert.“
Überrascht fragte dieses: „Du siehst mich als deinen Freund?“
„Als was denn sonst?“
Es folgte angenehme Stille, in der das Pulsieren zu spüren war, mit dem die Erde die aufgenommene Lebenskraft am Atmen erhielt. Wie jedes Jahr würde ihre ewige Aufgabe ihr auch diesmal gelingen. Daran bestand kein Zweifel.
„Oh, verflucht sei manchmal das träge Denken der Felsen!“, unterbrach der Stein die Ruhe. „Woran wir nicht gewohnt sind, darüber verlieren wir nicht viele Gedanken.“
„Wovon sprichst du?“, wollte das Schwert verwundert wissen.
„Du bist von Menschenhand gestaltet“, wies der Stein auf das Offensichtliche hin: Kein Prozess der Natur vermochte eine solche Waffe hervorzubringen. „Und die Menschen neigen dazu, dem, was sie selbst schaffen oder was ihnen gehört, einen Namen zu geben. Also … wie lautet der deine?“
„Mein Name?“ Das Schwert suchte in seiner Erinnerung nach der Antwort. So lange war der Tag her, an dem es in den Stein gestoßen worden war. Noch länger der Zeitpunkt, als man es aus der Esse gezogen und benannt hatte. Da fiel es ihm nicht leicht, sich zu entsinnen. „Mein Name“, wiederholte es, „ist Excalibur.“
Der König der RucksäckeGuten Tag. Darf ich mich vorstellen? Ist das überhaupt nötig? Immerhin siehst du mich so häufig, dass du meinen Namen kennen müsstest. Da mir mein Hersteller aber nur die besten Materialien und Manieren mitgegeben hat, werde ich darauf bestehen, diesen wichtigen Moment nicht durch rüdes Verhalten zu ruinieren.
Ich bin ein Rucksack. Handlich und genügsam. Widerstandsfähig. Reißfest. Stark und zugleich sportlich. All diese Adjektive machen mich aus. Egal, mit was du mich fütterst, ich trage es. Keine Strecke ist mir zu weit, kein Auto zu eng. Und kein Gegenstand ist mir zu schwer. Nun, fast keiner. Solange man also keinen 5-Tonnen-Amboss in mir herumschleppt, geht es mir hervorragend.
Manche würden so weit gehen und behaupten, mein Leben sei das beste von allen. Ohne irgendetwas bezahlen zu müssen, ohne mich zu sorgen oder Stress zu empfinden, reise ich überall hin. Ich bin da, wo auch immer man mich braucht. Ich war schon in Paris, in Brüssel, in Washington, Berlin, München, London, Bern und in Oslo. Wenn meine Besitzerin es will, trage ich ganze Welten in Form von Büchern, Spielkonsolen und Bildern in mir. Ich spreche in diesen Belangen zwar im Namen aller Rucksäcke der Welt, aber bin nicht irgendein Rucksack.
Ich bestehe aus Nylon.
Wo andere aufgeben und reißen, kann ich weitermachen. Wo andere aufgeben, fange ich gerade erst an.
Meine Besitzerin hat sich momentan auf einer Bank aus Metall niedergelassen. Die Wartehalle des Flugplatzes, in der wir uns befinden, ist ziemlich voll. Die Morgensonne scheint durch die großen Fenster der Halle. Überall unterhalten sich Menschen und überall sehe ich meine Brüder und Schwestern herumstehen. Ich rede von den Reisetaschen, Handtaschen, Koffern und anderen Rucksäcken, die jeden hier bei seiner Reise begleiten. An meinem rechten Tragegurt befindet sich ein kleines Schild mit der Aufschrift „Jameson, Lily. 13 Church St. New York“. Lily Jameson ist meine Besitzerin.
Ich sitze zwischen ihren ausgestreckten Beinen und achte darauf, dass niemand mich klaut. Wahrscheinlich befindet Lily sich im Halbschlaf. Um diesen Flug zu kriegen, musste sie schon um 5:30 aufstehen. Viele Menschen sind nicht daran gewöhnt, vor allem nicht, wenn sie normalerweise erst um 8 in der Vorlesung sitzen müssen. Meine Besitzerin ist eine Studentin und fällt damit genau in dieses Schema. Das weiß ich, weil sie mich immer um etwa halb acht auf ihren Rücken setzt und ihre kleine Wohnung verlässt.
Unser Flug wird aufgerufen. Um uns herum stehen mehrere Personen auf, die ebenfalls an die Westküste fliegen wollen. Lily regt sich allerdings nicht. Habe ich mich geirrt? Ist das der falsche Flug?
„Hey! Du da. Du in schwarz!“, ruft jemand. Scheinbar bin ich derjenige, der gemeint ist.
„Entschuldigung?“, erwidere ich, ganz im Sinne meiner wohlerzogenen Herkunft.
„Ich bin hier oben!“ Eine graue Reisetasche, die just in diesem Moment aufgehoben wird, hat mich angesprochen.
„Ah! Jetzt sehe ich Sie. Was kann ich für Sie tun, Gnädigste?“, frage ich interessiert.
„Deine Kleine ist eingepennt!“, ruft die Sporttasche noch, bevor ihr Besitzer, ein breit gebauter Schrank von einem Mann, sich auf den Weg macht und wir getrennt werden. Lily schläft also tatsächlich. Es bleibt nur wenig Zeit zum Handeln. Ich reiße mich vom Anblick ihres ebenmäßigen, von roten Locken umrahmten Gesichts los, und denke scharf nach. Es kostet mich recht wenig Anstrengung, auf der Stelle umzukippen. Dafür muss ich mich später noch bei der Wasserflasche bedanken, die mich die ganze Zeit über schon fast aus dem Gleichgewicht gebracht hätte.
Als ich gegen ihren nackten Unterschenkel sinke, zuckt Lily zusammen. Gleichzeitig höre ich die nächste Durchsage, welche durch die Halle schallt.
„Shit!“ Lily fährt hoch, packt einen meiner Gurte und rennt los. Bei jedem Schritt mache ich einen unfreiwilligen kleinen Hüpfer auf ihrem Rücken. Gott sei Dank ist momentan keine von diesen heißen Lederhandtaschen in der Nähe, dann wäre mir das nämlich höchst unangenehm. Ich hoffe nicht, dass mich jemand für eitel hält, aber die Würde eines Rucksacks sollte um jeden Preis gewahrt werden, wenn eine Dame anwesend ist. Nur wenig später erreichen wir unser Terminal. Auch hier beherrscht das Glas die Fassade, sodass ich den einen oder anderen Blick nach draußen erhaschen kann. Ich sehe prachtvolle weiße Flugzeuge, majestätische Zeugnisse menschlicher Schaffenskraft. Ebenso wie bei meiner eigenen Herstellung haben die Menschen sich selbst übertroffen, um diese Kunstwerke der Technik zu fertigen.
Natürlich nimmt mich Lily mit zu ihrem Sitz. Fast alle anderen Koffer und Taschen müssen sich im kalten Frachtraum des Fliegers aneinander kuscheln. Dazu gehört sicher auch die freundliche, dicke Reisetasche von vorhin. Ich jedoch darf den Ehrenplatz auf Lilys Schoß einnehmen, kaum dass sie sich auf einem der Sitze in der Economyclass gesetzt hat.
Lily öffnet mich und sucht nach dem Buch, welches sie eingepackt hat, um sich die Reise zu verkürzen. Wir werden einige Stunden brauchen, bis wir in Los Angeles ankommen. Ich sondiere die Umgebung, so gut ich kann. Es gibt insgesamt sechs Sitzreihen. Jeweils zwei davon bilden ein Paar, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Die Gänge dazwischen sind für die Stewardessen in ihren blauen Uniformen gedacht. Manchmal möchte sich bestimmt jemand etwas zu Trinken bringen lassen, und dann wäre es unpraktisch, wenn das Fräulein nicht an ihn herankommen würde. In der Hinsicht kann man diese Innenraumaufteilung als gelungen betrachten.
„Bitte schnallen Sie sich an und schalten Ihre Telefone sowie sämtliche technischen Geräte aus. Wir heben in wenigen Minuten ab. American Airlines wünscht Ihnen einen angenehmen Flug.“ Die warme Stimme aus dem Lautsprecher gehört zu einer weiteren Stewardess, die uns vom Ende des Ganges aus freundlich zulächelt. Meine Besitzerin leistet dem Gesagten folge, bevor sie sich mit einem entspannten Seufzer zurücklehnt. Ich spüre, wie sich ihre Arme um mich legen. Unsere Beziehung ist mehr als nur die einer Besitzerin zu ihrem Rucksack. In diesem Moment befindet sich auch ihr Tagebuch in meinem Bauch. Wenn das kein Beweis eines absoluten Vertrauens ist, dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Lily und ich sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Eine Woge des Stolzes durchflutet mich. Welcher Rucksack kann so etwas schon von sich behaupten? Die meisten kennen ihre Besitzer nur etwa 3-4 Jahre, dann sind sie kaputt und müssten ausgetauscht werden. Ich hingegen bin schon seit der Middleschool Lilys Begleiter. Ich habe erlebt, wie sie groß und erwachsen geworden ist. Ich war der erste, der ihre Brille und ihre Zahnspange gesehen hat, als diese Utensilien nötig wurden, und genauso war ich der erste, der mitbekam, wie sie letztere nach einigen Jahren wieder ablegte. Nur ihre Eltern könnten ähnlich fühlen.
Ein wenig Stolz wird ob meiner edlen Berufung wohl erlaubt sein. Meine Aufgabe ist es, ihr das Leben zu erleichtern, solange ich kann. Niemand außer mir kennt sie so gut und erfüllt diese Aufgabe so problemlos wie ich.
Der Teenager, der rechts neben Lily am Fenster sitzt, wirft ihr immer wieder schmachtende Blicke zu. Scheinbar kommt ihm nicht in den Sinn, dass er mindestens ein halbes Jahrzehnt zu jung für sie ist. Sie ignoriert ihn mit der Anmut einer in der Sonne liegenden Löwin. Genau so kenne ich sie.
Dummerweise hat auch seine kleine, unscheinbare Hüfttasche dieses Problem. Ich kann quasi spüren, wie sie mich taxiert. Ich bewahre – wie immer – meine Haltung, ohne mich irritieren zu lassen. In Momenten wie diesen spüre ich, dass Lily und ich uns wirklich auf einer Wellenlänge befinden. Wir reagieren im Angesicht dieses offensichtlichen Starrens kühl und würdevoll.
Einige Reihen weiter hinten verlangt ein kleines Kind lautstark Aufmerksamkeit. Ansonsten ist es angenehm hier. Die Motoren brummen gleichmäßig und es ist frühlingshaft warm. Die meisten Reisenden sind auf dem Weg in die Ferien, so auch Lily und ich. Eine Woche lang wird sie es sich in Los Angeles gut gehen lassen.
Auf der linken Seite Lilys sehe ich eine auffallend hübsche Handtasche. Der Mittelgang trennt Lily und mich von ihr. Diese Handtasche sitzt nicht nur, sie thront regelrecht auf den Knien ihrer Besitzerin, einer Frau in dunkelblauem Rock und weißer Bluse. Ihre Vollkommenheit kann es beinahe schon mit der Lilys aufnehmen. Ich räuspere mich dezent.
„Guten Tag, meine Dame. Genießen Sie den Flug?“, frage ich dann. Die Handtasche zögert kurz mit ihrer Antwort.
„Klaro, Kumpel. Bei dir auch?“, fragt sie dann in einem ziemlich lässigen Ton. Ich muss gestehen, dass sie mich damit ein wenig überrascht, denn ihr elegantes Aussehen passt nicht zu ihrem Ausdruck. Wie immer habe ich dennoch die passende Antwort parat, ohne überfordert zu wirken.
„Selbstverständlich. Was führt Sie nach Los Angeles?“
„Der Job. Irgendjemand muss die Akten schleppen. Außerdem kannst du gern mit dem „Sie“ aufhören, ich fühl mich sonst so alt.“ Ihre Antwort entlockt mir ein Schmunzeln. Welch erfrischende Gesellschaft. Und eine erste Bestätigung darin, dass doch nicht jeder Urlaub im Westen macht.
„Gern. Woher kommst du?“, frage ich.
Wir plaudern ziemlich lang. Ein Gespräch mit einer faszinierenden Fremden gehört zu den Freuden des Lebens, die man sich nicht verwehren sollte. Außerdem verfliegt die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes wie im Fluge, wenn man sich amüsiert. Zu dem Schluss komme ich, als wir sechs Stunden später die Wolkendecke durchbrechen und zum Landeanflug ansetzen. Im selben Moment, in dem das Fahrwerk unseres Flugzeugs die Landebahn berührt, klappt Lily ihr Buch zu. Es ist beinahe schon schade, dass ich meine neue Bekanntschaft nun schon verlassen muss. Vielleicht sehen wir uns ja sogar irgendwann mal wieder.
„Die Welt ist klein“, sagt sie, als ich meinen Bedenken wörtlich Ausdruck verleihe. Da hat sie allerdings Recht.
„Nun denn, ich hoffe auf ein erneutes Treffen.“ Ich hänge noch ein „Hau rein!“ hinten dran, um lockerer zu wirken. Womöglich hat sie sonst den Eindruck, ich wäre verklemmt. Das will ich vermeiden.
„Danke, du auch“, lacht sie. Was für eine reizende Handtasche.
Lily wirft der Frau im Rock einen kurzen Blick zu, als sie aufsteht.
„Bitte, nach Ihnen“, sagt die Frau. Lily bedankt sich und reiht sich ein. Einer nach dem anderen verlassen die Menschen unser Flugzeug.
Draußen trifft uns die Hitze beinahe wie ein Schlag. Obwohl es in New York noch Frühling war, so scheint Los Angeles schon vom Hochsommer überfallen worden zu sein. Meine Besitzerin setzt sich eine Basecap auf roten Haare.
„Schön hier“, murmelt sie. Ich stimme ihr zu, aber wie immer hört sie mich nicht. Das ist der einzige Makel unserer sonst perfekten Zusammenarbeit. Menschen hören die Sprache nicht, welche von uns Rucksäcken benutzt wird. Wir durchqueren den Los Angeles Airport, der nur ein wenig kleiner, aber nicht weniger eindrucksvoll ist als der in New York. Lange Förderbänder, auf die man sich stellen kann, sorgen dafür, dass die müden Passagiere schneller zum Ausgang gelangen. Ich sehe einige kleine Geschäfte im Inneren der gigantischen Hallen. Erfrischungen und dergleichen können hier akquiriert werden, sollte es jemandem nach dergleichen gelüsten. Lily stellt sich in der nächsten Halle in die Reihe derjenigen, die auf ihr Gepäck warten. Ein weiteres, viel kleineres Förderband läuft durch diese Halle. Taschen und Koffer befinden sich darauf. Wir befinden uns also im Gepäckzentrum.
Ich wappne mich innerlich. Leider bin ich diesmal nicht Lilys einziger Partner. Ihr Koffer ist auch dabei. Er ist zwar nicht besonders groß, die Bezeichnung „Koffer“ mag darum ein wenig hochgestochen sein, aber aufgrund seines wahnsinnig großen Egos besteht er darauf, Koffer genannt zu werden. Bisher konnte ich seine Existenz erfolgreich ausblenden, wann immer wir gemeinsam unterwegs waren. Immerhin bin ich Lilys Partner und er ist nur ein besserer Kleidercontainer. Nur ein paar Minuten später sehe ich seine klobige, rote Gestalt auch schon aus den Tiefen der Gepäckweiterleitung kommen. Lily packt ihn mit sicherem, festem Griff und verlässt das Gebäude.
„Na, altes Haus, noch wach? Was machen die müden Nähte?“, fragt der Koffer. Am unteren Ende besitzt er zwei Rollen, sodass Lily ihn nicht tragen muss. Sie rollt ihn einfach über den Gehweg. Ich sehe, dass sie auf ein gelbes Taxi zuhält.
„Ich bin so wach wie immer. Ich mache nie schlapp, mein Freund. Von müden Nähten kann keine Rede sein. Wie hat Ihnen der Flug im Dunkeln gefallen?“, frage ich mit ausgesuchter Höflichkeit. Wie erwartet trifft die Bemerkung ins Schwarze.
„Bist ein ganz Toller, was? Ich kann aber nicht klagen, irgendeiner von den Jungs da drin hatte eine defekte Discokugel dabei. So dunkel war es also gar nicht.“
„Freut mich zu hören.“
„Guten Morgen, Miss. Wohin soll es denn gehen?“, fragt der Taxifahrer, bevor der Koffer antworten kann. Lily gibt eine Adresse in Hollywood an. Zu meiner Erleichterung wird der rote Plagegeist hinten im Kofferraum verstaut, während ich neben Lily auf der Rückbank des Fahrzeugs sitze. Meine Besitzerin nimmt die Brille ab und schaut sich die vorbeiziehenden Häuser an.
„Hollywood, eh? Ich wünsche Ihnen viel Glück. Da kommen nur die Besten weiter“, sagt der Fahrer nach einer Weile.
„Es ist nicht so, wie Sie denken. Ich besuche nur meinen Vater“, erwidert sie. Ich kenne ihn, denn er hat mich damals gekauft und mich seiner Tochter geschenkt. Lilys Vater ist ein großzügiger und kluger Mann.
„Ach so! Entschuldigung. Ich habe so oft Leute hier im Taxi, die ich später in irgendeinem Film sehe, dass ich nicht mehr weiß, wo die Touristen bleiben.“ Lily lächelt in den Rückspiegel.
„Wer weiß? Vielleicht hat er ja eine Rolle für mich.“ Das ist wahrscheinlich nicht der Fall, denn Lily ist keine von denen, die sich mit purem Vitamin B, wie ihr Menschen so schön sagt, durch ihr Leben schummeln will. Darum studiert sie am anderen Ende Amerikas, während ihre Eltern hier geblieben sind. Genau diese Gesinnung imponiert mir. Sie könnte durchgehend First Class reisen, tut es jedoch nicht. Lily lebt in selbst erwählter Bescheidenheit, um ihren eigenen Weg zu gehen. Und darum verdient sie auch nur den besten Rucksack: Ein Wunderwerk aus Nylon. Den König der Rucksäcke.
Mich.
8 MillimeterMeine Welt ist nicht grausam, obgleich sie manchmal bebt und mich in Dunkelheit einhüllt.
Ich weiß, dass da noch mehr ist. Früher habe ich an einem anderen Ort gelebt, konnte den Lärm hören und anderes Leben sehen, als die Strahlen der Sonne auf mich fielen. Eine Hand half mir zu reisen, brachte mich in mein neues, besseres Heim. Die Welt dort draußen schweigt selten. In meiner ist es ruhig. Die Ruhe streichelt meine Seele.
Ich mag es zu schlafen und mache mir daher nur selten die Mühe, aufzuwachen. Dann ist es meist, weil meine Welt zu mir spricht, oder einer meiner Brüder sich verabschiedet.
"Ich gehe jetzt", pflegen sie meist zu sagen.
Einfach so. Nicht mehr. Ich weiß, dass keiner von ihnen zurück kommt. Doch es berührt mich kaum, ihr Leben war so lang wie meines und kein Schmerz erwartet sie, wie auch mich keiner erwarten wird, wenn ich meine Welt verlassen muss. Sie selbst scheint den Verlust allerdings zu betrauern und bebt leicht. Ich beachte es nicht. Ich bleibe ruhig, bleibe an meinem Platz, ein paar Brüder über, ein paar unter mir. Wir alle kennen uns seit unserer Geburt und niemand bevorzugt den einen oder den anderen. Wie sollte da Freude oder Trauer aufkommen können? Wir sind ruhig. Wir warten, während unsere Welt uns ab und an nach oben schiebt. Dann muss einer meiner Brüder gehen, um nie wieder zurückzukehren und manchmal spüre ich in solchen Momenten einen Hauch von Nervosität, der über mich hinweg streicht. Vielleicht liegt das nur an der Bewegung, die mich weiter in die Höhe schiebt und bald ist es vergessen, dieses unerwartete Gefühl. Doch es kommt wieder, immer stärker, als wachse es mit der Höhe selbst.
»Was siehst du?«, frage ich meine Welt, ruhelos.
»Viel«, antwortet sie.
»Siehst du meine Brüder?«
»Ich sah sie.«
Ihre Einsilbigkeit macht mich plötzlich wütend. Ich bemühe mich, ruhig zu bleiben.
»Erzähl mir, was du siehst!«, fordere ich sie auf und füge dann hinzu: »Bitte.«
Sie rührt sich ein wenig und seufzt: »Du würdest nicht viel verstehen von dem, was ich dir zu erzählen hätte. Aber du wirst vieles davon bald selber sehen. Vielleicht nicht alles, was ich sehe, aber dafür deutlicher. Du wirst es spüren können. Sei geduldig.«
Doch ich kann nicht länger geduldig sein. Mein Körper zittert in wachsender Unruhe und plötzlich wird mir klar, dass nur noch einer meiner Brüder über mir liegt. Bald werde ich es sein, der gehen muss.
»Bitte erzähl mir trotzdem ein wenig«, bitte ich und bin mir nicht ganz sicher, ob ich dies aus Neugierde tue oder ob ich mir Ablenkung wünsche. »Wie wird meine Reise sein? Wo muss ich hin?«
Meine Welt seufzt noch einmal und schweigt dann einen Moment lang. Ich fürchte schon, sie würde sich mir verschließen, als sie plötzlich zu sprechen beginnt.
»Deine Reise wird lang sein«, beginnt sie, »und von Vielem wirst du dich trennen müssen. Von deiner Haut, deinen Beinen, deinem Blut und nur dein Kopf ist, was dir bleibt.«
Ich versuche, die alte Ruhe in mir wiederzufinden, doch sie ist fort. Vielleicht musste ich mich von dieser als erstes trennen. Eine Vorbereitung darauf, einen Großteil meines Körpers zurückzulassen? Ich fürchte keinen Schmerz. Solch einer vermochte noch nie, mich zu berühren. Ich befürchte den Verlust meines Selbst.
»Ich gehe jetzt«, ertönt die Stimme meines Bruders über mir und reißt mich aus meinen furchtsamer werdenden Gedanken.
Er klingt nicht so ruhig, wie ich es erwartet habe. Ich möchte ihm etwas zurufen, ihn bitten, auf mich zu warten. Doch er schiebt sich nach vorne und verschwindet aus meinem Gesichtfeld. Über mir bleibt nichts als der ewig schwarze Himmel meiner Welt und plötzlich fühle ich mich allein, obwohl ich die Haut eines anderen meiner Brüder spüre, der unter mir liegt. Auch bin ich mir der Präsenz meiner restlichen Geschwister bewusst. Dennoch scheint es mir so, als sei ich das erste Mal in meinem Leben verlassen und verzweifelt kralle ich mich an das Gespräch, das ich mit meiner Welt führe, als könnte ich so den nahenden Abschied verhindern.
»Warum können wir nie zusammen gehen?«, frage ich sie, meine zuvor gestellten Fragen vergessend. »Gibt es nicht genug Platz dort draußen?«
Sie lacht entzückt wegen meiner Unwissenheit, wie eine gute Mutter, die ihr Kind dennoch ab und an zu belächeln weiß.
»Es ist mehr als genug Platz dort draußen. Hier drin fehlt er allerdings.«
»Können wir denn nicht hier bleiben, an diesem Ort?«
»Das ist nicht eure Aufgabe«, ihre Stimme klingt jetzt tief und streng. »Ihr geht und andere kommen nach. Bis mein Lebenslicht erlischt.«
In diesem Moment wird mir klar, dass auch sie Angst hat. Obwohl sie eine ganze Welt ist. Sie hat ihre Reise wohl schon vor langer Zeit angetreten und weiß, dass sie irgendwann enden wird. Was wird wohl aus mir werden, wenn ich das unbekannte Ziel meiner Reise erreiche? Wie viel Zeit wird bis dahin vergehen?
Ich schweige unsicher, mir durchaus bewusst, dass meine Welt der Unterhaltung müde ist. Sollte ich mich an meinen Bruder unter mir wenden? Ihn fragen, ob er sich Gedanken über den Sinn seines Lebens macht? Doch ich bleibe stumm, da ich seinen Hohn fürchte.
Es ist ruhig. Die Stille macht mich nervös, hindert mich am Schlafen. Es macht mich verrückt, ich bin ruhelos, ich will nicht länger warten, will fort von meinem Platz. Wenn ich meine Welt sowieso früher oder später verlassen muss, so soll dieser Augenblick mich nun erreichen. Bevor ich in meinen schreienden Gedanken ertrinke, von denen mich kein Geräusch erlösen kann, da es kaum eines gibt. Doch es bleibt still und ich bin gezwungen, ruhelos zu warten. Auf irgendetwas.
Ich warte so konzentriert dass ich zunächst gar nicht bemerke, dass mich meine Welt ein weiteres Mal in die Höhe schiebt. Ein letztes Mal. Plötzlich ist vor mir Platz, ein langer, schmaler Gang an dessen Ende ein Lichtpunkt glimmt. Obwohl so weit entfernt, zieht es mich dort hin und ich spüre eine seltsame Erregung in mir, die meine Gedanken zum verstummen bringt.
»Ich gehe jetzt«, rufe ich meinen Brüdern zu und rutsche ein Stück vor, bewege mich vorwärts ohne so recht zu verstehen, wieso ich das überhaupt tue. Aber ich weiß, dass meine Welt mein Vorankommen beobachtet, als warte sie auf einen richtigen Moment und wundere mich über mich selbst, dass ihre Blicke meine Nervosität nicht ein weiteres Mal entfachen. Stattdessen sehne ich mir den Augenblick herbei, in dem sie handeln wird, in welcher Art auch immer.
Sie tut es ganz plötzlich und ohne jedes Wort der Vorwarnung. Etwas schlägt gegen meine Beine mit solcher Kraft, das sie bersten und mein Blut zu brennen beginnt, bis es schier explodiert. Die Wucht des Aufpralls und der Explosion lassen mich nach vorne schießen, weit hinein in die Tiefen des Tunnels. Der zuvor noch kleine Lichtpunkt gewinnt zusehends an Größe und zugleich an Faszination. Beinahe schon habe ich ihn erreicht, da reißt mir meine Welt mit einer einzigen, gekonnten Bewegung die Haut vom Leib und zerrt sie zurück, fort von dem Lichtpunkt. Ihre Worte waren wahr. Nur meinen Kopf hat sie mir gelassen. Dennoch vermisse ich den Rest meines Körpers für keine Sekunde und auch kein Schmerz plagt mich. Der Lichtpunkt wächst auf meine Größe heran.
»Wo schickst du mich hin?«, schaffe ich noch zu fragen und bin mir bewusst dass dies die letzten Worte sind, die ich mit meiner Welt wechseln werde.
»In deine Bestimmung«, sie lacht laut, ein Geräusch fast wie ein Knallen. »Wenn es dir vergönnt ist, diese zu erreichen.«
Das Licht umschließt und blendet mich, als würde ich sterben und zugleich ein weiteres Mal geboren werden. Ich begrüße es erwartungsvoll und es schwemmt jede Spur von Angst und Nervosität von dem, was noch von meinem Körper übrig ist. Es nimmt die Stille mit sich und begleitet mich auf meiner Reise durch diese andere Welt, die sich mir eröffnet.
Eine Wüste. Sand und Steine. Fahrzeuge und organisches Leben, Menschen. Viele Menschen. Sie wirken unruhig, ruhelos und wütend. Ich denke, für sie ist alles schnell. Alles rennt. Ich bin wieder ruhig, obwohl ich in Bewegung bin. Es ist eine andere Form der Ruhe als die, die ich in meiner alten Welt kannte. Sie wird von keiner Gleichgültigkeit begleitet, stattdessen von unbändigem Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit obgleich mir noch immer nicht wirklich klar ist, was genau eigentlich mein Ziel ist.
Aber ich habe eine halbe Ewigkeit, um es herauszufinden. Die Reise dauert Jahre meiner Zeit. Unvorstellbar langsam zieht die Wüste an mir vorüber, bis sie mir so bekannt ist, dass ich jedes einzelne Sandkorn zu kennen scheine. Das Licht bleibt ewig gleich an meiner Seite und keine Wolke kreuzt den Weg der Sonne. Für die Menschen ist all dies wohl nur ein Wimpernschlag. Für mich stehen sie still und ihre Geräusche sind in einer Frequenz gefangen, verändern sich nur langsam. Schreie, Rufe, Weinen, die mich den ganzen Weg lang begleiten, ohne mich zu berühren. Es sind einfache Töne voller Gefühl sodass ich sie hören kann, obwohl ich die Sprache der Menschen nicht verstehe. Aber ihr Sinn und ihre Aussage bleiben mir ein Rätsel. Zu fremdartig erscheinen sie mir. Doch es gibt auch mir vertraute Wesen in dieser Welt. Ab und an treffe ich auf einen meiner Artgenossen, von denen die meisten konzentriert ihrer Reise nachgehen. Ein oder zwei blicken mich an, lächeln unsicher. Manchmal lächle ich zurück. Solche Begegnungen, so kurz und stumm sie auch sein mögen, erfreuen mich, obwohl ich mich sicher auch ohne sie nicht einsam gefühlt hätte. Zu sehr sehne ich mich nach meinem noch immer unbekannten Ziel, zu sehr bin ich darauf konzentriert.
Die ganze Reise über konnte ich es nicht greifen. Doch jetzt, als ich es erblicke, immer größer werdend, ist mir sofort klar was es war, das ich so lange gesucht habe. Als ich es endlich erreiche, erhasche ich einen Blick auf ein paar meiner Brüder, die friedlich auf dem Boden liegen, wo die Ruhe wieder in sie eingekehrt ist und ich weiß dass nicht hier, sondern dort meine Reise enden wird.
Ich stoße gegen mein Ziel und das erste Mal in meinem Leben spüre ich einen Widerstand. Minimal und lächerlich im Angesicht meiner Kraft, doch vorhanden und das bringt mich aus dem Konzept. Ich schwanke ein wenig und einen kurzen Moment lang fürchte ich hier, auf den letzten Metern, zu scheitern. Doch mein Wille trägt mich weiter und lässt mich die Wehrhaftigkeit, die der Körper meines Zieles zeigt und deren Grund ich nicht nachvollziehen kann, vergessen.
Ich kann organisches Leben nicht verstehen. Daher weiß ich nicht, was das Herz mir entgegen brüllt, als ich mir meinen Weg durch Haut und Fleisch und in seine Richtung bahne. Es begrüßt mich nicht, sondern zerrt an seinen Arterien und Venen, unbegreiflich langsam für meine Verhältnisse. Doch ich kann mich nicht zurückhalten und ihm mehr Zeit lassen. Ich will es berühren, es streicheln, es von allen Seiten betrachten, mich in ihm baden. Mit diesem unstillbaren Verlangen überkommt mich die tiefgehende Gewissheit, meine Bestimmung gefunden zu haben. Das Bild, das ich in meinen langen Träumen vor mir sah, strahlend rot und lebendig warm, ein Traum entfacht von den Worten meiner Bestimmung, die man mir und meinen Brüdern während und bei meiner Geburt einpflanzte. Ich strecke mich ungeduldig meinem Ziel entgegen und plötzlich umgibt es mich ganz, lebendiges Rot auf dem, was noch von meinem Körper ist, warm wie eine Decke, beruhigend, einschläfernd. Und doch: Während das Innere des Herzens gegen mich schlägt, erfasst mich ein Gefühl, das mich verwirrt, denn es fühlt sich seltsam falsch und zugleich richtig an und ich sehne mich danach, weinend zu lachen. Ich kann das Innere des Organs sehen, das fließende und sich rührende Leben in ihm betrachten, das ich in einer solchen Form niemals spüren konnte und auch nie fühlen werde. Ob dieses Herz mir etwas sagen würde, wenn wir uns verstehen könnten? Würde es mir erklären, warum ich mich stets nach seiner Umarmung gesehnt habe ohne mir dessen bewusst zu sein? Doch ich werde wohl niemals eine Antwort bekommen und muss mich unweigerlich fragen, ob meine Welt sie mir hätte geben können. Wusste sie je mehr, als ich es nun tue?
Ein Hauch der Unsicherheit, die ich kurz vor Beginn meiner langen Reise spürte, kehrt wieder zurück und mit ihr die Fragen, die zu stellen sich nicht lohnt. Das Herz um mich herum beginnt einzuschlafen. Sein Schlagen ist kaum noch spürbar. Ich denke, ich bin der Grund dafür und - wenngleich ich mir zuvor nicht über die Folgen meines Tuns bewusst war - bin mir nicht sicher ob es dies war, das ich wollte: Dass der Körper, in dem ich mich befinde, um mich herum zusammen zu sacken scheint und das Herz an Kraft verliert, bis es beinahe gänzlich schweigt. Ich fühle, wie ich mit seinem auch mein Leben aushauche. Die Müdigkeit, die mich überkommt, überrascht mich ein wenig doch übernimmt mich zu schnell, als dass ich mich sorgen könnte. Ich weiß, dass meine Reise nun ihr Ende finden wird und spüre keine Angst bei dem Gedanken daran, nur Erleichterung da ich nun, wo ich mein Ziel erreicht habe, keinen Sinn in einem Weiterleben sehen kann. Das übersteigt mein Vorstellungsvermögen.
Ich verlasse das weiche Herz, das mir so schnell wieder gleichgültig geworden ist und das ich nun nur noch hinter mir lassen möchte. Der Gedanke, im Inneren dieses fremden Körpers einzuschlafen liegt mir fern. Erschöpft greife ich nach Fleisch und Haut, die mir den Weg in die Außenwelt versperren und bringe meine letzte Kraft auf, um diese Wand zu durchdringen.
Das Licht umfängt mich, aber es scheint mir weniger hell, als läge ein Schleier über mir. Es erinnert mich an die friedliche Dunkelheit in meiner Welt und einem Moment lang glaube ich, wieder dort zu sein. Es ist nur eine Illusion, die mir meine Müdigkeit vortäuscht. Aber warum sollte ich mich dieser nicht hingeben, wenn sie mir doch so angenehm erscheint? Unter mir liegen die reglosen Körper einiger meiner Brüder, die ihr Ziel wohl knapp verfehlten. Mir war es vergönnt, es zu erreichen.
Ich lasse mich fallen, sinke Richtung Wüstensand und in ein Gefühl, das zu gleichen Teilen aus Stolz und unsicherer Verwirrung besteht. Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben über mehr nachgedacht habe, als meine Brüder oder ob es normal ist dass meine letzte Wahrnehmung dieser Welt, die nicht die meine ist, eine weitere Frage ist, deren Antwort man mir schuldig bleiben wird.
Meine Welt ist nicht grausam. Bin ich es?
Prismen leuchten auch im Schatten„Und damit, liebe Bürger von Malvenfroh, ist nicht nur mal wieder bewiesen, dass die Elektrizität alles ist, sondern auch unser kleines Städtchen nun die Pracht von Prachtpolis City, nein, sogar jene der Stadt der Lichter übertrifft!“, sprach der üppig gebaute Herr im charmanten Hawaihemd, dessen Blütenmuster von zahlreichen Blitzen durchzogen war. Unweigerlich lachte der Mann über seinen eigenen Wortwitz, die Menge hingegen konnte ihre Blicke nicht von mir abwenden und wartet weiterhin verstummt vor Spannung auf den glorreichen Moment. Nachdem eine Dame ihm nähergekommen war und zugeflüstert hatte, dass er da noch eine Kleinigkeit vergaß, zupfte sich der Herr an seinem gleichfarbigen Bart. Er drehte sich um und schaute auf das rote Band, welches uns beide voneinander trennte. Aus seinem knallgelben Anzug holte der Mann eine Schere hervor; ein Raunen der Zuschauer durchbrach die Stille. Langsam bewegte er sich in seinen Sandalen einen Schritt zur Seite, sodass die Fotografen in der ersten Reihe ihre Schnappschüsse erzielen konnten, ob für die Zeitschrift Dialga Times oder den täglichen Wingull-Kurier.
Ein sanftes Lüftchen wehte in diesem Augenblick über den Platz, obwohl die Neubauten ihn wie eine Armee umzingelten. Durch meine zentrale Position wurde ich zu dieser Panoramasicht verdammt, die mich vor allem am heutigen Tag wieder an meine Geburtsstunde erinnerte, als diese Armee noch nicht aufgerüstet und das Land brachliegend war. Zu dieser Zeit tanzten die Blumen noch im Wind, die Menschen fuhren mit den neusten Fahrrädern über die vereinzelten Wege und die violetten Dächer, welcher meiner Heimat einst ihren Namen gegeben hatten, schimmerten im Mondschein. Doch während ich das Licht der Welt zum ersten Mal erblicken konnte, trugen mächtige Fahrzeuge die Erde ab, auf denen die Pflanzen lebten, und erstellten auf ihr eine vielfältige Ansammlung an Gebäuden. Direkt hinter mir fanden zwei grundlegende Zielorte für Reisende ihren Platz; das eine stach durch ein rotes Dach und einem dazu passenden Pokéball hervor, während das andere im Blau gehalten wurde. Noch vor den Festlichkeiten stürzten sich die Trainer in diese Häuser, um ihre Partner und sich selbst zu versorgen. Stets warfen sie mir dabei staunende Blicke zu, ruhten auf den Bänken, die diesen Platz in dem Häusermeer flankierten oder tollten über die winzigen Grasflächen, von denen es in der obersten Etage dieses Komplexes laut Touristen noch mehr geben sollte.
Heute hingegen wurden alle Pforten geschlossen, sodass von keiner Route durchreisende Trainer - oder Mitglieder dieser lächerlich gekleideten Teams aus Bösewichten – dieses Event stören könnten. Auf dem Dach tummelten sich Polizeieinheiten, die scheinbar von dem schwarzhaarigen Herrn im braunen Mantel zum Schutz der gaffenden Lebewesen organisiert wurden. Ich konnte mir denken, dass er nicht auffallen sollte, doch er rief jedes Mal lauthals in sein Funkgerät, wenn er eine ihm verdächtig vorkommende Person gesichtet hatte. Diese lustigen Wesen, welche von den Menschen allgemein als „Pokémon“ bezeichnet wurden, weil man sie doch so leicht in einem Ball gefangen halten und in einer Tasche unterbringen konnte, blieben hingegen ausnahmsweise still. Die vogelartigen Varianten beobachten das Geschehen von den Balkonen aus, auf denen sonst täglich das Krawumms abging. Während auf dem einen Balkon die Unfreundlichkeit in Person den armen Zimmerjungen verbal zum Viscora machte, spielten die beiden mausähnlichen Taschenmonster des Arenaleiters täglich mit den Nerven der Bewohner, indem sie von Geländer zu Geländer sprangen und deren Appartements verwüsteten. Walter nahm es nur mit Humor, auch wenn seine Rede deutlich zeigte, dass dieser bei den Bürgern nicht angekommen war.Der Arenaleiter hatte inzwischen die Schere angesetzt und mit seiner Linken nach einem seltsamen Gerät gegriffen, das durch seinen großen, gelben Schalter auffiel. Nochmal setzte er zu einer knappen Rede an: „Ich weihe hiermit dieses Denkmal ein und es soll das neue Wahrzeichen von Malvenfroh City werden, die Stadt beschützen und diesen Ort erstrahlen lassen!“ Mit diesen Worten schnitt er das Band durch, betätigte den Knopf und erfüllte mich auf diese Weise mit einer unglaublichen Menge an Energie. Dies muss die Elektrizität sein, von welcher er gesprochen hatte, dies musste der Augenblick sein - mein Augenblick. Nicht einmal innerhalb von einer Sekunde begann ich zu leuchten, durch alle kleinen Fenster meines Körpers, selbst jene an meinem runden Fuß, auf dem ich in dieser Mitte meiner Heimat erbaut worden war. Kurz freute ich mich, an diesem Punkt stehen zu dürfen, die funkelnden Augen der Kinder beobachten und ihre Mütter hören zu können:
„Wer hätte gedacht, dass hinter dieser Häuserwand so ein Türmchen schlummert?“
Doch es ist diese Frage der Verwunderung gewesen, die mich im nächsten Moment in einer weiteren Erinnerung versinken ließ. Die Erinnerung an den gestrigen Tag vor dieser Festlichkeit, vor meiner vollständigen Geburt, als ein blonder Junge vor mir stand, der laut seinen Aussagen aus einer fernen Region stammte. Dieses Würmchen im hellblauen Anzug reiste angeblich nur an, um mich zu bestaunen, und dies tat es auch durch seine runden Brillengläser. Allerdings entgegnete es Walter daraufhin: „Ich hoffe, die Menschen werden dieses gelungene Duplikat sehen und zu uns nach Kalos kommen, um den wahren Prismaturm betrachten zu können, der die Häuser Illumina Citys in den Schatten stellt und von allen Routen aus betrachtet werden kann.“Ob dem Jungen bewusst gewesen war, wie mich diese Worte kränkten? Ich bin lediglich ein Duplikat eines prunkvollen Bauwerks und Teil eines Ganzen, das nur versucht, etwas zu sein, das es nicht ist. Malvenfroh City, das kleine Örtchen mit seinem eigenen Charme, hatte sich nun gänzlich in ein schlechtes Nachbild der Stadt der Lichter verwandelt. Und mein Licht konnte nicht die Routen erreichen, den Trainern den Weg hierher weisen. Ich erhob mich nicht über Häuser, sondern wurde von ihnen in den Schatten gestellt, umzingelt wie ein Opfer. Die Menschen schauten auf mich, in Augenhöhe am Platz, herunter von den Balkonen und dem Dach. Ich strahlte hell, denn die Elektrizität hatte mich dazu gezwungen, wie es Walter plante, doch ich fühlte, wie sich in mir die Vergangenheit gegen die Gegenwart aufrichtete. Plötzliche platzierte der alte Teufel seine Hand auf einen meiner winzigen Balken, musterte mich von unten bis oben und warf seinen Blick wieder in die noch klatschende Menge.
„Seht euch dieses Wahrzeichen an, liebe Bürger, und denkt daran, was es beinhalten soll: Die Träume und Wünsche dieser Stadt und aller Trainer, welche sie passieren.“ Seine Sätze blieben für mich kalt und leer, während sie in den Ohren der Menschen wohl gefühlvoll und episch klangen. In mir waren nicht die Träume und Wünsche, sondern die pure Wut enthalten. Wieder zupfte Walter an seinem Bart und streckte dieses Mal seine Arme in die Höhe, während er sprach: „Vom Prismaturm inspiriert ist dieses Denkmal entstanden, ein wesentlich schöneres Exemplar, wie ich finde, denn es gehört zu uns und zu dieser Stadt mit ihrer Geschichte, es gehört ihr so sehr, dass die Trainer Malvenfroh City betreten werden, um das Türmchen zu sehen.“
Diese Worte hatten mir jedoch einige Fragen hinterlassen: War ich etwa mehr als ein Duplikat? Etwas Besonderes? Etwas Größeres als der Turm in Illumina City?
„Die Zukunft wird zeigen, wie diese Stadt gedeiht, und das Wahrzeichen soll uns beim Wachsen zusehen, wie unsere Kinder groß werden, wie die Touristen sich an dem Anblick erfreuen und Bleibe finden, wie sich hier zahlreiche Geschichten von Menschen begegnen und zu der von Malvenfroh City werden“, rief er erneut in die Menge, welche wieder etwas Ruhe gefasst hatte. Diese Ruhe heilte mich und ich begann, Walter und die Bürger der Stadt ein wenig zu verstehen. Vielleicht waren es keine leeren Worte, vielleicht musste ich zunächst nur für ein Duplikat gehalten werden, bevor man mein Licht sehen und mich wirklich beachten würde. Ich sehnte mich zwar nach den violetten Dächern, aber ich liebte diese amüsanten Spiele von Plusle und Minun, dieses unfreundliche Vipitis im östlichen Appartement, die tausenden Trainer, welche schon vor mir pausierten und anderen von ihren Erlebnisse erzählten.
Nachdem die Zuschauer den Platz verlassen hatten, leuchtete ich immer noch heller als die Sterne über meiner Spitze. Ich strahlte für Malvenfroh City und nahm mir für die Zukunft vor, auch für mich selbst zu strahlen, mich selbst so lieben zu lernen, wie ich diese Stadt liebte.Die Puppenmacherin
Melisande erschrak kurz, als sie die Glöckchen der Ladentür hörte und versenkte so versehentlich die Nadel, mit der gerade die Details einer hübschen Marionette fertignähte, in ihren Finger. Um sie nicht zu verlieren, ließ sie sie gleich stecken, während sie beim Aufstehen den Holzstuhl nach hinten schob und sich aus dem dunklen, unordentlichen Arbeitszimmer, das nur von einer alten, flimmernden Stehlampe beleuchtet wurde, herausbegab, um zu schauen, wer das Geschäft betreten hatte.
Als der stämmige Mensch – der Sohn der Ladenbesitzerin, ein kräftiger Mann mit Frau und Kindern – erkannte, dass ihm jemand Gesellschaft leistete, winkte er und rief: »Oh, hallo Melisande! Du arbeitest noch, um diese Uhrzeit? Ich bin nur hergekommen, weil ich Mutter versprochen habe, den Laden etwas umzuräumen. Morgen ist Montag, da muss es fertig sein. Ein paar Stunden habe ich ja noch! Sag mal, arbeitest du immer so spät hier? Ah, ich hab's, du musst bestimmt auch noch einen Auftrag erledigen! Dann halt dich mal ran. Ich möchte dich gar nicht aufhalten, du schaffst das! Ich glaube an dich!«
»Ich arbeite immer so spät, Viktor«, gab Melisande zurück, als sich die Gelegenheit bot, während sie sich umdrehte und fast lautlos, bis auf das Knirschen ihrer Schuhfüllung, wieder zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte. Er lief ihr mit einem großen, mit Wolle gefüllten Pappkarton hinterher. »Ich schlafe schließlich nicht. Da verbringe ich die Nächte lieber mit Arbeit und habe die Tage für mich. Aber gerade jetzt ist mir nur langweilig, ich habe alles erledigt und mache eine Puppe für mich selbst.«
»Ergibt Sinn«, meinte er und machte sich daran, den Inhalt der Regale umzuschichten, um ein wenig freien Platz zu erwirtschaften. Melisande beobachtete seine breiten, sehnenhaften Muskeln und sah sich dann ihre eigenen Arme an: Dünn, weich, umgeben von einer seidenen Stoffhaut und gefüllt mit groben Teeblättern. Damit sie ihre Form nicht verloren, führte ein fester Draht in ihrem Inneren entlang.
Schließlich setzte sie sich wieder, zog die Nadel aus ihrem Finger und arbeitete weiter an ihrer neuen Marionette. Melisande benutzte als Vorbild für ihre Puppen meistens völlig fremde Menschen, denen sie auf der Straße begegnete und deren Gesicht und Körperform sie sich fest einprägte. Es lag ihr jedoch fern, lebensnahe Abbilder zu erschaffen. Gerade nähte sie ein Mädchen mit übergroßem Kopf, blauem Kleid und Knopfaugen zusammen, genau wie sie die Kinder mochten, deren Eltern im Laden am häufigsten einkauften.
Auch Melisande trug Knopfaugen, auch wenn ihre weit größer anmuteten, da das Mädchen die Größe und Proportionen eines gewöhnlichen Menschen an den Tag legte. Melisande wusste zwar nicht, wer sie genäht hatte, doch sie war ziemlich stolz auf ihr eigenes Aussehen: Sie hatte ein hübsches Gesicht, einen schlanken, blickerhaschenden Körperbau, und wären ihre Glasaugen im Laufe der Zeit nicht kaputt gegangen, hätte man sie auf dem ersten Blick sehr leicht mit einer jungen Frau verwechseln können.
Das brachte sie ins Grübeln, also legte sie ihre Puppe kurz hin, steckte die Nadel zurück in ihren Finger und begann mit ihren lockigen, roten Haaren zu spielen. Währenddessen schuftete Viktor noch immer, bis er ihre seltsame Pose bemerkte und das Wort an seine Mitarbeiterin richtete: »Alles in Ordnung? Brauchst du etwas?«
Melisande schüttelte sachte den Kopf, beäugte den Mann durch ihre hölzernen Knopfaugen jedoch nachdenklich. »Sag mal, was unterscheidet Puppen von Menschen?«
Viktor zeigte einen Gesichtsausdruck, als hätte seine Tochter ihn nach ihrer Periode gefragt und legte die Schublade aus seiner Hand ab. »Alles«, antwortete er schlicht, bis er nach einer kurzen Pause gestikulierend weiterredete: »Es ist alles anders zwischen uns. Schau, meine Hände sind aus Fleisch, deine aus Stoff. Meine Stimme klingt kräftig und durchgehend, deine ist wellenartig und bibbert. Wenn ich mich verletze und man meine Wunden nähen muss, wird der Faden nach ein paar Wochen gezogen, bei dir bliebe der Faden ewig. Es gibt keine Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Puppen. Warum machst du dir überhaupt Gedanken um sowas. Ist es die Uhrzeit?«
Während seiner Erklärung hatte der die Stimme des Mannes deutlich an Volumen zugenommen, sodass Melisande verschreckt auf ihrem Stuhl zurückgerutscht war. Als Viktor bemerkte, dass er es ein wenig übertrieben hatte, trat er auf sie zu und strich durch ihre Haare. »Wir haben dich trotzdem lieb«, sagte er und machte sich zurück an seine Arbeit.
Melisande saß im Gegenzug einfach da und die Gedanken rauschten durch ihren Kopf wie ein Blättersturm. Sie zog die Nadel aus ihrer Hand und steckte sie in die Brust der unfertigen Puppe.
Viktor arbeitete noch einige Stunden weiter, doch ein weiteres Gespräch tat sich zwischen beiden nicht auf, eher entstand der Eindruck, es handele sich bei Melisande um ein einfaches Möbelstück. Auch nachdem er das Geschäft wieder verlassen hatte, fühlte sich die Puppe wenig motiviert, zu arbeiten. Stattdessen starrte sie auf ihr eigenes Machwerk.
»Entschuldige bitte … Mariel?«, flüsterte sie, während sie die Nadel wieder aus ihr herauszog. »Ja, ich denke Mariel ist ein hübscher Name. Möchtest du hübsche Augen haben? Ich mach dir welche!«
Melisande lächelte und suchte in einer Schatulle nach einem hübschen Paar Knöpfe. Sie dachte sogar darüber nach, ob es nicht Zeit wäre, sich selbst neue Augen zu besorgen. Diesen Gedanken verwarf sie jedoch schnell wieder. Es war nicht so, als gäbe es jemanden, der ihre neuen Augen bewundern könnte … schließlich konnte sie selbst ihre eigenen Augen nicht sehen, während sie sie trug.
Irgendwann später hörte sie erneut die Ladenglöckchen klingen. »Hallo!«, hörte sie die alte, furchige Stimme der Ladenbesitzerin durch die Luft schallen, und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass es schon wieder Morgen war. Das Licht, das mittlerweile durch die Milchglasfenster hinter einem halbzugestellten Regal in den Raum flutete, hatte sie gar nicht bemerkt. »Hallo«, antwortete Melisande mit ihrer kullernden Stimme, während sie hörte, dass die Frau an der Ladentheke im Nebenraum Nadeln umfüllte.
»Oh, du bist ja wirklich noch da!«, rief die Frau. »Hast du alles fertig? Brauchst du neue Arbeit?«
Melisande antwortete nicht sondern flüsterte stattdessen ihrer fast fertigen kleinen Marionette zu. »Meinst du, du kannst auch arbeiten?« Sie zog an den Fäden, die sie an den Gelenken der Puppe befestigt hatte, um sie über den Tisch schreiten zu lassen. »Du könntest bestimmt Klavier spielen! Oder du übst dich erstmal an einer Triangel … sag einfach, was dir am liebsten wäre.«
Melisandes Knopfaugen blickten erwartungsvoll in das Gesicht ihrer kleinen Begleitung. »Nun rede doch mit mir!«, rief sie mit einer Spur Frust in der Stimme.
»Törrichtes Ding!«, rief die Ladenbesitzerin, die sich in den Türrahmen gestellt und Melisande beobachtete hatte und jagte ihr so einen neuen Schreck ein. »Puppen können nicht sprechen!«
Melisande wollte widersprechen und blickte mit einer Spur Verwirrung in die Augen der Frau, doch sie entschied sich schließlich, lieber einfach zu schweigen.
»Ich wollte dir nur sagen, dass ich gleich wieder zurück sein werde, aber du musst dich ein wenig um den Laden alleine kümmern. Du kannst die den Nachmittag natürlich freinehmen, bis dahin bin ich längst zurück. Es scheint nur eine Lieferung zu wenig angekommen zu sein, das muss ich klären. Bis dahin, liebes Püppchen.«
Melisande nickte und stand auf, während sich die Frau nach draußen begab und die Tür ein weiteres Mal klingeln ließ. Im Verkaufsraum angelangt, blickte sich das Stoffmädchen um. Hinter den Vitrinen stapelten sich eine Vielzahl von Holzmarionetten, Stoffpuppen, Plüschtieren und anderen Dingen, die sie hier herstellten und verkauften. Da die Verkaufszeit begonnen hatte, setzte sie sich hinter die Ladentheke und überprüfte Kasse, Belegaussteller und Terminkalender. Die Arbeit hinter der Theke gefiel Melisande nicht ansatzweise so gut, wie das selbstständige Herstellen von Waren, aber sie nahm die Dinge wie sie kamen. Es dauerte schließlich auch gar nicht so lange, bis ein Schatten hinter dem Schaufenster durchhuschte und sich die Ladentür mit einem Klirren öffnete. Eine Frau im mittleren Alter schob sich durch den Eingang, begleitet von einem Kind, das ihre Hand hielt.
»Schau dich gleich mal um, wenn du etwas findest, das dir gefällt, dann sag bescheid.«
»Ok, Mama«, antwortete der Junge, löste seinen Griff und lief stumm im Laden umher. Indes lief die Mutter auf die Theke zu. Sie wirkte wie eine recht wohlhabende Dame, trug blond gefärbtes Haar und schien mit jeder Faser ihres Auftritts das drohende Alter zurückdrängen zu wollen. Schließlich fiel ihr Blick auf Melisandes Knopfaugen, während das Mädchen sie mit einem »Hallo« begrüßte.
»Hallo. Ah, Sie sind doch diese Puppe, die selber Puppen herstellt, nicht wahr?« Der Ausdruck der Frau zeigte eine Mischung aus Interesse, Skepsis und Amusement. »Fühlen Sie sich dabei nicht … ziemlich seltsam?«
Inzwischen war der Junge mit einem Plüschpfeilschwanzkrebs zurückgekehrt. Melisande richtete ihren Blick auf ihn. »Wie hat sich wohl deine Mutter gefühlt, als sie dich hergestellt hat?«
Der Junge versteckte sich schüchtern hinter den Beinen der Frau und drückte ihr das Plüschtier in die Hand.
»Ich denke nicht, dass sich eine Verkäuferin derart unverfroren äußern sollte … bitte«, ärgerte sie sich, während sie das Geschenk für ihren Sohn auf den Tisch legte. Sie sprach nicht noch einmal, reichte nur das Geld herüber und machte sich mit dem Kind daran, den Laden zu verlassen, wobei sie es sich nicht nehmen ließ, ihm deutlich hörbar mitzuteilen, dass sie dieses Geschäft nicht erneut besuchen würden.
Melisande biss auf ihre Stoffzunge und war kurz froh, dass die Ladenbesitzerin diese Aktion nicht mitbekommen hatte. Entmutigt lehnte sie sich im Stuhl zurück und zupfte an ihrem rot-braunen Kleid herum, als könne es trotz der Vernähung mit ihrer Haut durcheinander geraten.
Es dauerte für ihren Geschmack deutlich zu lange, bis ein neuer Kunde eintraf, also erhob sie sich letztendlich, um ein wenig Nähzeug und die fast fertige Mariel zu holen. Dann ließ sie sich wieder hinter der Theke nieder, konnte aber keine Motivation fassen, die Nadel in die Hand zu nehmen, und so saß das Stoffmädchen eine Weile lang einfach nur da und beäugte ihr Schaffenswerk.
»Warum kannst du nicht sprechen und ich schon?«, fragte sie, halb anklagend, halb flehend. »Das ergibt keinen Sinn. Wir sind beide Puppen. Wir sollten entweder beide sprechen oder beide schweigen. Du schläfst nicht, du blutest nicht, du weinst nicht, du bist wie ich. Nur, dass du nicht redest.« Melisande blickte auf und ließ ihren Blick über die Puppen und Marionetten in den Vitrinen wandern. »Ihr redet alle nicht.«
Nachdem auch dieses Mal keine Antwort folgte, setzte sie sich auf und nähte Mariel endlich fertig. Mit einem Blick auf die Uhr merkte sie schließlich, dass die Mittagspause bereits begonnen hatte, also schritt sie zur Tür und drehte das Eingangsschild so, dass es nach außen hin »Geschlossen« anzeigte, bevor sie sich wieder setzte und die fertige Mariel ein letztes Mal auf Fehler untersuchte. »Vielleicht bin ich es ja auch, die seltsam ist«, seufzte Melisande schließlich, legte die Puppe auf den Tisch und lehnte sich zurück. In Momenten wie diesen wünschte sie sich, sie könnte ihre Augen einfach schließen.
Stattdessen schreckte sie hoch, als wieder einmal die Glöckchen der Eingangstür klingelten und ein kleines Mädchen in den Laden stolzierte, das vielleicht elf Jahre alt war.
»Kannst du nicht lesen?«, fragte Melisande. »Es ist geschlossen. Ich feire Mittagspause.«
»Hallo!«, rief das Mädchen und ließ sich nicht beirren. »Ich bin nicht zum Kaufen hier, nur zum Ansehen! Also ist es egal, ob geschlossen ist!«
»Ich glaube nicht, dass das so funktioniert«, gab Melisande zurück, dachte aber weiter darüber nach, weil die Erklärung doch ziemlich schlüssig klang.
»Ooh!«, sagte das Mädchen schließlich, als sie die Puppenfrau näher in Augenschein nahm. Sie schritt näher an sie heran, bis sie Antlitz an Antlitz vor ihr stand und sie aufmerksam beäugte. »Das gibt es doch nicht! Schau, wir haben dieselbe Haarfarbe!«
Zum Beweis fummelte sie eine Strähne aus beider Haarschöpfe heraus und hielt sie nebeneinander. Melisande fand ganz und gar nicht, dass es wie dieselbe Farbe aussah, doch zumindest waren beides Rottöne.
»Und dein Kleid sieht wunderhübsch aus«, plapperte das Kind weiter. »Sag mal, warum sind deine Augen Knöpfe?«
»Weil ich eine Puppe bin.«
»Alles klar! Seit wann?«
»Ich wurde als Puppe hergestellt, also seit schon immer.«
»Hm …«, antwortete das Mädchen und schien angestrengt darüber nachzudenken, wie viele sprechende Puppen ihr schon begegnet waren. »Fühlst du dich oft alleine?«, fragte sie dann unvermittelt, und Melisande fühle sich durch diese plötzliche Frage sehr irritiert.
»Was soll das überhaupt bedeuten?«, fragte sie schließlich nach einer kurzen Pause. »Entweder man ist alleine oder man ist es nicht. Das ist ein Zustand, kein Gefühl. Und ja, manchmal, wie gerade eben, bin ich alleine. Du warst bestimmt gerade eben auch alleine.«
»Ich meine … kennst du das nicht, wenn du in einem Raum voll mit Menschen bist, und du fühlst dich trotzdem einsam?«
Das Mädchen aus Stoff schaute weg. Natürlich kannte sie das.
»Mir geht es so, wenn mich mein Vater zu seinen Arbeitsmeetings mitnimmt«, erklärte sie dann. »Weil ich nicht alleine zu Hause bleiben darf und er so viel arbeiten muss.«
»Musst du nicht zur Schule?«
»Es gibt so einen alten Mann, der bringt mir alles bei.«
»Verstehe.«
Das Mädchen schloss die Augen und führte ihre Nase in der Luft herum. »Hier riecht es so gut! Bist du das?« Plötzlich vergrub sie ihr Gesicht im Bauch von Melisande und atmete tief ein.
»Das sind nur Blätter.«
»Das muss super praktisch sein!«
»Was?«
»Naja, wir Menschen müssen immer jeden Tag duschen. Du setzt dich einmal im Monat in eine Waschmaschine und fertig!«
»Ja …«, antwortete sie, schaute aber auf den Boden. Sie fühlte sich unwohl dabei, über so etwas Privates zu reden, konnte aber die Einfachheit ihrer Selbstpflege nicht leugnen.
»Sag mal, wenn du kaputt gehst, tut dir das dann weh?«
»Nein, ich habe keine Schmerzen. Wenn etwas kaputt geht, nähe ich es einfach wieder zu. Manchmal brauche ich ein bisschen Tee, um mich wieder aufzufüllen. Schau, so sieht das dann aus.«
Mit ihrem letzten Satz zog Melisande ihr Kleid hoch und entblößte ihre stoffenen Oberschenkel, die jedoch mit vernähten Schnitten und Patches übersät waren.
»Ohje, was ist da passiert?«, fragte das Mädchen schockiert.
»Manchmal, wenn ich nichts zu tun habe, schaue ich nach, woraus ich gemacht bin.«
Ihr Gast schüttelte vehement den Kopf. »Mach sowas nicht! Nicht machen, hörst du?«
»Okay …«
Das Kind lächelte wieder, als hätte sie sich mit der Antwort zufriedengegeben. »Ich wäre auch gerne eine Puppe, das klingt nach einem wunderbaren Leben«, sagte sie schließlich und jagte mit diesen Worten einen angenehmen Schauer über Melisandes Rücken. Sie konnte sich nicht erinnern, je das Ziel von Neid gewesen zu sein, und musste zugeben, dass es ihr irgendwie gefiel. »Ich glaube, gleich muss ich gehen«, fiel ihr plötzlich ein. »Mein Vater weiß nicht, dass ich hier bin.«
»Du Racker. Wie heißt du?«
»Antoinette!«
»Schöner Name! Hör zu, Antoinette, das hier ist Mariel. Ich schenke sie dir, wenn du mir versprichst, gut auf sie aufzupassen.«
Die Augen des kleinen Wesens gingen weit auf. »Ich liebe dich!«, rief sie und drückte die Puppe an sich, die Melisande ihr gereicht hatte. »Darf ich sie wirklich haben?«
»Ja.«
»Danke! Ich glaube aber, ich muss jetzt los. Auf Wiedersehen!«
Kopfschüttelnd und mit einem Grinsen auf den Wangen winkte das Stoffmädchen ihr nach. Dann sah sie auf die Uhr.
»Ich sollte mir vielleicht doch neue Knopfaugen kaufen«, dachte Melisande verlegen. -
Push: ihr habt noch bis morgen Abend Zeit abzugeben.
-
Liebe Finalisten,
Hier ist die Auswertung von Runde 1! Auf Platz eins hat es @Pika! geschafft mit der Abgabe "Der Zombie und der Diamant". Knapp den zweiten Platz erkämpft hat sich @Alyson mit "Winterdornköniginnenzeit". Bronze holt sich in dieser Runde @Marille mit der Abgabe "Lichterseelenernte". Herzlichen Glückwunsch! Das war eine tolle erste Runde. Wir drücken euch alle die Daumen für Runde 2 :)
An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an die zahlreichen Votes ♥Platzierung
Vote
Prozent
1.
Abgabe 8: Der Zombie und der Diamant
37
Nein
19.37%
2.
Abgabe 1: Winterdornköniginnenzeit
32
Nein
16.75%
3.
Abgabe 10: Lichterseelenernte
28
Ja
15.64%
4.
Abgabe 6: Die gebrochenen Bande
25
Ja
13.89%
5.
Abgabe 5: Flagbeard, der Schrecken der Meere
24
Ja
13.41%
6.
Abgabe 7: Der Preis der Magie
18
Nein
9.42%
7.
Abgabe 4: Die Welt von oben
14
Nein
7.33%
8.
Abgabe 3: Bereuen werd ich Nimmermehr
6
Nein
3.14%
9.
Abgabe 2: Ich will dir vertrauen
5
Nein
2.62%
10.
Abgabe 9: Spielkindwünsche
2
Ja
1.12%
-
Saisonfinale
- 2014 / Runde zwei -
Informationen / Vote[Blockierte Grafik: http://fc01.deviantart.net/fs71/f/2011/304/8/1/happy_writing_by_puschnteamarts-d4em118.png]
Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist es aufgrund der Berechnung der Gesamtpunkte mit der Formel wichtig, dass ihr alle eure Punkte verteilt. Dazu findet ihr weiter unten eine Schablone, die ihr zum Voten nutzen könnt. Des Weiteren sind Sympathievotes sowie Votes für die eigene Abgabe unerlaubt. Begründungen sind keine Pflicht, aber können geschrieben werden, sofern man möchte (ihr könnt euch als Hilfe unser "How-to-vote-Topic" anschauen). Votes mit Begründungen erhalten Punkte in der Votetabelle. Informiert euch ebenfalls in unserem Informations- und Regeltopic der Saison 2014.ZitatEure Aufgabe in der zweiten Runde besteht darin, eine kurze Geschichte zu verfassen, in der ihr Personen, Ereignisse oder Zustände verspottet oder anprangert. Kurz: schreibt eine Satire! Der Begriff konnte früher mit einer so genannten Spottdichtung gleichgesetzt werden, wird heute allerdings zumeist als ein "künstlerisch gestalteter Prosatext" bezeichnet. Wenn ihr weitere Informationen zur Satire erhalten wollt, so könnt ihr hier nachschauen.
Der Vote läuft bis Sonntag, den 07.12.2014, um 23:59 Uhr.
Ihr dürft 7 Punkte verteilen. Maximal 4 an eine Abgabe. Bitte achtet darauf, dass ihr alle eure Punkte verteilt. Ihr müsst des Weiteren diese Punkte auf mindestens drei Abgaben verteilen.
Kori to Koki no Kyoku
"Das Lied von Eis und Feuer"Die Sonne schien von einem leicht bewölkten Himmel auf die Region Kyoku herab. Ihre Strahlen vergoldeten die Qualmwolke, die aus dem aktiven Vulkan Futschi aufstieg, ebenso wie die Rauchfahnen aus den Schornsteinen der Stadt zu seinen Füßen. Die Landschaft ringsum prägte rotbraunes Geröll, das der Feuerberg vor Jahren ausgespien hatte, dazwischen gediehen verschiedene Sträucher und Kräuter.
Weit abseits der Randgebiete der Vulkanstadt stand eine einzelne Holzhütte, mehr schmal als breit und mit einer großen Fensteröffnung an der Front. Ein paar Pokémon aus der Umgebung standen davor Schlange, um eine Kugel von Deribis Eiscreme zu erstehen; der allseits berühmte Name prangte über der Theke neben der stilisierten Abbildung eines Gelatini.
Es herrschte Aufruhr, einige der Eiscremehungrigen begannen, sich unverrichteter Dinge zurückzuziehen. Keiner wollte den Zorn des Machomeis auf sich ziehen, das die Öffnung mit seinen vier muskulösen Armen komplett ausfüllte. „Du geben Kadur-Pastinake!“, grollte es und hämmerte mit der Faust gegen ein Holzbrett.
„Wie ich bereits sagte, hou, ist Kastadur-Pistazie leider ausverkauft“, versuchte Deribi, ein Botogelund der Ladenführer, dasKampfpokémon zu beschwichtigen. „Bitte, Kaito-san, komm morgen wieder –“
„Neee, heute!“, donnerte Kaito zur Antwort und wackelte mit seiner gewaltigen Kraft an der Hütte.
Deribi wurde in seiner eigenen Eisdiele herumgeworfen, rief verzweifelt: „Yuki-chan, tu doch was, hou!“
Das seit einigen Monaten angestellte Frosdedje überlegte bereits aus eigenem Antrieb, doch fiel ihr keine Lösung ein. Yukiko hielt sich fest am leeren Kastadur-Pistazieneisbottich im Hinterteil der Hütte, wo die Süßspeisen durch die Körperkälte der Eispokémon gekühlt wurden. Ihr Lieferant für die Pistazien war im Verzug; das Lieblingseis ihres labilsten Kunden hatten sie so nicht herstellen können. Das Mogelbaum-Hartholz, aus dem die Hütte gezimmert war, knirschte bedrohlich. Das isolierende, robuste Material widerstand selbst Feuer; doch wie es schien, würde es unter der Kraft des vierarmigen Trolls zerbrechen!
„Wir, hou, haben auch andere leckere Sorten zur, hou, Auswahl“, bot das Botogel atemlos an, als das induzierte Erdbeben endete. „Kikugi-Kirsch, Tropius-Banane, Flau– hoouuu!“ Als Kaito ihn am Kragen packte, unterbrach er seine Rezitation mit einem überraschten, langgezogenen Laut. Deribi schwebte auf Augenhöhe mit dem masochistischen Machomei.
„Du geben Kasstur-Pizzeria, oder ich kaputtenHütti!“ Das Kampfpokémon unterstrich seine Drohworte, indem es die Eisdiele erneut erschütterte, diesmal mit größerer Heftigkeit.
Dadurch drohten die Eisbottiche, aus ihrem Regal zu rutschen. Yukiko schaffte es, sie vor dem Sturz, der sie unweigerlich zerstören würde, zu bewahren. Gerade im letzten Moment rettete sie eines der Gefäße. Darauf abgebildet war ein Blattsymbol, das anzeigte, welche Eissorte sich in dem Fass befand. Das war die Idee!
Schnell setzte Yukiko ihren Einfall in die Tat um und hielt Kaito eine Eiswaffel samt Kugel unter die Nase. „Hou…“ Deribi sog scharf die Luft ein, als er an der gelbgrünen Farbe erkannte, dass es sich keineswegs um Pistazie handeln konnte. Doch es war grün, das mochte vielleicht helfen.
Der Troll ließ Deribi noch nicht los. Mit einer seiner oberen Hände nahm er das Waffelhorn an sich, beäugte das Eis. „Was das?“, fragte er dümmlich.
„Kastadur-Pistazie“, versicherte Yukiko schnell.
Das Machomei probierte, für seine Grobheit, erstaunlich vorsichtig. „Schmecken komisch.“ Er zog Deribigrollend an sich heran. „Warum schmecken komisch?“
„Das, hou, naja…“, stammelte das Botogel, fieberhaft nach einer Ausrede suchend.
„Eine neue Rezeptur!“, polterte Yukiko, um ihm zu Hilfe zu kommen. „Geht aufs Haus.“
Deribi nickte bekräftigend, brachte aber nur ein „Houhouu!“ zustande.
Wieder fuhr Kaito mit der Zunge über die Eiskugel. Er stieß dem Geschäftsführer den Finger in die Brust: „Morgen machen altesKaturtas-Pissoir, oder neue Sorte Bogel-Eis. Und ich machen Hütti futsch in Futschi!“ Damit gab er Deribi endlich frei, entfernte sich und ließ sich auf einem Vulkanstein nieder.
Als die Eispokémon erkannten, dass die Situation fürs Erste gerettet war, atmeten sie erleichtert auf; beim Botogel von einem gehauchten „Houuu …“, beim Frosdedje von einer Wolke winzigster Eiskristalle begleitet.
„Endivie-Minze, hou?“, fragte Deribi anerkennend. „Guter Einfall!“
Seine Angestellte lächelte matt, sah sich vor der Eisdiele um. Kaito hatte ihnen alle anderen Kunden vergrault. Ihr Blick fiel auf den Übeltäter, der mit mürrischer Miene sein Fake-Pistazieneis verspeiste. „Wieso mag er ausgerechnet das Eis mit dem schwierigsten Namen? Ein Wunder, dass er genug Hirnmasse hat, vier Arme unabhängig voneinander zu bewegen.“
„Bei nur zweien, hou,wärs schon ein Wunder“, kommentierte das Botogel.
„So sprechen Sie also von Ihrer Kundschaft hinter deren Rücken? Sehr unhöflich.“Die Stimme war vor der Theke erklungen. Dort stand ein Rutena, das eine halb berahmte Hornbrille auf der Nase und ein Klemmbrett in den Armen trug.
„Und Sie sind?“, wollte Yukiko säuerlich wissen.
„Mein Name ist Reina, Restaurantinspektorin.“ Um ihre Vorstellung zu unterstreichen, streckte sie ihre Visitenkarte vor.
„Wir sind kein Restaurant, hou“, korrigierte Deribi.
Das Rutena schob die Brille zurück, blätterte in den aufgeklemmten Papieren. „Nun, Ihre Eisdiele ist eindeutig als Schnellrestaurant gemeldet und fällt daher unter meinen Zuständigkeitsbereich.“ Sie wartete gar nicht auf eine weitere Erwiderung, sondern begann sogleich ihre Inspektion, indem sie die Eisdiele umrundete.
Als sie vorerst nicht zu sehen war, steckten dieEispokémon die Köpfe zusammen. Misstrauisch raunte Yukiko: „Könnte sie eine Spionin der Vulkanstadt sein? Vielleicht haben die Roster sie geschickt.“ Die Röster, wie die einflussreichste Zunft der Gegend hieß, machte seit Generationen Millionengeschäfte mit dem Verkauf gerösteterSamurzel-Nüsse und Sonnkern-Sonnenblumenkerne in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Dass Deribi mit seinem neuartigen Produkt zu unerwarteter Konkurrenz geworden war, war ihnen ein Dorn im Auge. Roster nannten Yukiko und Deribi sie, weil ihre Tradition längst überholt, daher eingerostet war.
Ein bläulicher Schimmer legte sich über die Botogel-Augen. „Glaube ich nicht. Die Roster sind listenreiche Intriganten und nicht dumm. Ein Feuerpokémon ist zu offensichtlich.“ Der Glanz verblasste. „Hou, gerade ein Rutena mit einem so, hou, einfallslosen Namen!“
Reina beendete ihre Runde um die Mogelbaum-Hartholzhütte, setzte eine Notiz auf ihr Klemmbrett. Sie schob die Eingangstür auf und machte Anstalten, einzutreten. Sogleich stellte sich Yukiko ihr in den Weg, deutete auf das Schild neben dem Eingang. Darauf stand Zutritt, darunter zwei nebeneinander liegende Kolonnen: für Unbefugte nicht gestattet und für Feuerpokémon strengstens verboten. Das Rutenawarf einen Blick darauf. „Soso“, meinte sie nur, kam dennoch herein. Yukiko musste vor der Gluthitze, die ihr Fell ausstrahlte, zurückweichen. „Ist das derselbe Rassismus, dem auch diese Becher entstammen?“ Sie nahm vom Stapel, der neben den Waffelhörnern stand, einen Pappbecher, drehte ihn prüfend. „Soweit ich informiert bin, servieren Sie Feuerpokémonnur in diesen Bechern.“
„Weil ihr Eis schneller schmil-“
„Ist hier auch ein Gelatini angestellt?“, unterbrach Reina Yukiko.
Der Geschäftsführer antwortete: „Nein, hou. Nur Yuki-chan und ich.“
Das Rutena schien nicht überrascht. „Aber das Maskottchen Ihrer Eisdiele ist ein Gelatini. Da erwartet ein Kunde doch, von einem Gelatini bedient zu werden.“
„Hohou“, kicherte Deribi. „Aber wir haben Gelatini-Joghurteis.“
„Das ist eine Eissorte“, präzisierte das Rutena, „und darf deswegen so heißen. Aber ein Gelatini als Maskottchen ist schwerer Identitätsdiebstahl.“ Die sprachlosen Blicke der Eispokémon ignorierend, deutete Reina sogleich auf eine kleine Pfütze, die sich auf der Theke gebildet hatte. „Feuchtigkeit ist eine ideale Voraussetzung für Keime. Die Hygiene hier ist sehr bedenklich.“ Wieder krickelte sie auf ihr Klemmbrett.
Yukiko konnte kaum glauben, was sie da hörte. Wenn die warme Außenluft durch die Fensteröffnung eintrat, schlug sie auf dem kalten Hartholz nieder. Das Kondenswasser gefror mit der Zeit undbildete Eisblumen. Diese entfernteYukiko nicht, weil sie für passendes frostiges Ambiente sorgten. Mit der Körperwärme des Rutena taute der Eisdekor nun. Yukiko schnaubte: „Das ist‘s doch gerade, warum Feuerpo-“, als Reina sie unvermittelt in die Brust piekte, verstummte sie überrascht. Schützend verschränkte sie die Arme. „Was soll denn das?!“, fragte sie ungehalten.
„Eine beneidenswerte Oberweite, meinen Glückwunsch“, meinte die Inspektorin.
Worauf wollte sie hinaus? „D-danke. Schätze ich.“
„Sehr ungewöhnlich für Frosdedje“, knüpfte Reina weiter, schielte an Yukiko vorbei zu Deribi, der hinter ihr stand. „Doch nicht etwa der Grund, aus dem Sie eingestellt wurden?“
„Was?“ Herablassend prustete Yukiko. „Was für ein Blödsinn. Nicht wahr, Deribi-sensei?“ Sie wandte sich um.
Ihr Arbeitgeber blickte verträumt grinsend an die Hüttendecke; ein Blutstropfen hing an seiner Schnabelspitze. „Hehehou…“, murmelte er verlegen.
„Stimmt es etwa?!“, polterte Yukiko, als sie sein Verhalten begriff. Wieder wurde das Botogel am Kragen gepackt.
Deribi zuckte erschrocken zusammen. „Hou! Yuki-chan, ich hab damals nur ge-houfft, dass dann mehr Kunden kommen, hou!“
„Das macht es nicht besser!“
Unbeobachtet drückte sich Reina an den Streithähnen vorbei zu den Eisbottichen. „Eine sehr… bescheidene Auswahl“, kommentierte sie die sechs Eissorten. Als sie das Fass mit dem Wolkensymbol öffnete und hineinblickte, ließ Yukiko vonDeribi ab. Die Inspektorin wollte wissen: „Welche Geschmacksrichtung ist das?“
Deribi trat vor, stemmte die Flügel in die breiten Hüften und erläuterte geschäftsmäßig, als wäre er eben nicht gewürgt worden: „Flauschling-Marshmallow, die Spezialität des Hauses, hou!“
„Wird diese Spezialität flüssig serviert?“ Reina tauchte einen Finger in das rettungslos geschmolzene Eis.
Was für eine Ignoranz! „Das ist‘s doch gerade, warum Feuerpokémon hier nicht reindürfen. Sie strahlen-“, vor Hitze wollte Yukiko sagen, doch erneut fuhr ihr das Rutena über den Mund:
„Mit Einschmeichelungen erreichen Sie keine bessere Bewertung.“
Deribi versuchte, Yukikos Aussage zu erklären: „Nein, hou, sie meinte, Sie sind heiß.“ Das Frosdedje schlug die Handfläche gegen die Stirn.
„Mit sexueller Belästigung erreichen Sie noch weniger!“ Wieder schrieb Reina etwas nieder; sie reagierte genauso, wie Yukiko es befürchtet hatte. „Nächster Punkt“, setzte das Rutena seine Inspektion ungerührt fort. „Die Zutaten. Was ist die Grundlage Ihrer Eiscreme?“
„Für Deribis Eiscreme gebrauchen wir, hou, beste Kuhmuh-Milch und kalt geschleuderten Wadribie-Honig.“ Der Geschäftsführer klang, als mache er Werbung für sein Produkt. Wie unglaublich naiv!
„Kuhmuh-Milch?“, wollte Reina genauer wissen. Als der Ladenbesitzer stolz nickte, informierte sie: „Kuhmuh-Milch ist ein geschützter Name. So darf sich nur die Milch einer bestimmten Farm in Johto nennen. Jede andere muss als Miltank-Milch ausgeschrieben werden. Wenn Sie sagen, hierbei handele es sich um Kuhmuh-Milch, muss sie also aus Johto eingeliefert werden. Das können Sie sich wohl kaum leisten!“
„Houu?“, machte Deribi niedergeschlagen. „Nein…“Er sah so elend aus, dass Yukiko ihren Zorn auf später verschob. Ihr Arbeitgeber stammte, wie sie aus Sinnoh, aus Johto, wo es nur eine Marke Miltank-Milch gab. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass nur diese Milch den Beinamen Kuhmuh tragen durfte. Was Reina mit ihm tat, war einfach nicht gerecht!
„Jetzt passen Sie mal auf, Inspektorin!“ Sie schob sich an Deribi vorbei und baute sich vor Reina auf. „Ich weiß nicht, was das hier soll, und es ist mir auch egal. Aber wenn Sie meinen Sensei beleidigen, bekommen Sie es mit mir zu tun!“
Unbeeindruckt sagte Reina: „Wollen Sie damit andeuten, dass Sie mich herausfordern? Ein Eispokémon gegen ein Feuerpokémon?“ Sie lachte höhnisch.
„Was ich damit andeuten will“, griff Yukiko das Stichwort auf, „ist, dass ich unter acht Brüdern aufgewachsen bin, die sich alle zu Firnontoren weiterentwickelt haben. Ich weiß genau, wie es ist, für die Schwächere gehalten zu werden. Ich lasse mich nicht einschüchtern von einem zweibeinigen…“
„Hou?“, machte Deribi hinter ihr verwundert.
„…aufgeblasenen…“
„Hou?!“ Deribi versuchte, das Frosdedje am Weitersprechen zu hindern.
„…bestutztenVulnona!“
Deribi legte die Flügel auf den Schnabel, als habe er die beleidigenden Worte selbst gesprochen. „Hou…“, resignierte er.
Das Gesicht des Feuerpokémon zeigte keine Regung,außer einer verächtlich hochgezogenen Augenbraue.
Im nächsten Moment schleuderte eine violettrote Flammenwalze die Eispokémon aus der Hütte. Benommen versuchte Yukiko, sich vom Vulkanboden aufzurappeln. „Sensei“, keuchte sie. „Deribi-sensei, ich bekomme keine Luft…“ Sie schob das halb bewusstlose Botogel von sich runter und atmete einmal tief durch. Was war passiert?
Reina trat aus der Eisdiele, steckte den von der Feuerattacke noch immer rauchenden Ast in den Schweif zurück. Sie schwang einen klobigen Holzstempel und presste ihn neben das Verbotsschild. Ein rotes, eingekreistes Kanji blieb zurück, das abreißen befahl. Dann ging die Inspektorin zu den geschlagenen Eispokémon herüber, drückte auch ihnen den Stempel auf den Kopf.
Yukiko rieb sich die schmerzende Stelle und blickte zu Deribi rüber. „Abschieben“, las sie vor. Noch immer etwas schwindlig fragte sie: „Wieso denn abschieben?“
Mit ruhiger, sachlicher Stimme erwiderte Reina: „Sie stammen beide nicht aus Kyoku, und Ihr Arbeitsvisum ist nur so lange gültig, wie Sie arbeiten. Ohne die Eisdiele haben Sie nachweislich keine berufliche Tätigkeit. Bis zum Monatsende müssen Sie in Ihre Heimatregionen zurückkehren.“ Gnadenlos ließ sie die beiden in ihrem Entsetzen allein.
Kaito saß noch immer auf seinem Stein, saugte von unten den Rest Minzeeis aus der Waffel. „Verzeihen Sie, wollen Sie sich ein paar Moneten verdienen?“, bot sie dem Machomeieine Handvoll Geldmünzen an.
Kaito beäugte den dargebotenen Betrag. „Momente immer gut. Was ich machen?“ Er verschlang das Waffelhörnchen komplett und folgte Reina. Das Rutena trug ihm auf, sich die Hütte aufzuladen und fortzuschaffen. Hilflos mussten Yukiko und Deribi mitansehen, wie das Machomei ihre kleine Eisdiele mühelos anhob, sich mit Reina auf den Weg zur Vulkanstadt machte. Als sie den Hügelkamm erreichten, hinter dem die Häuseransammlung lag, wandte die Inspektorin sich um. Sie zog mit dem Finger ein Augenlid runter und streckte ihnen die Zunge raus. Schadenfreudig grinsend hopste sie die andere Seite des Hügels hinab.
„Sie ist doch eineRosterin!“, rief Yukiko wütend aus und wollte hinterher. „Dieses doppelte Spielchen wird sie mir büßen!“
Deribi hielt sie zurück. „Lass sie ziehen“, sagte er ernst. Überrascht sah seine Angestellte zu ihm runter. In seinen Augen lag ein bläulicher Schimmer. „Sie mögen diese Schlacht gewonnen haben, doch der Krieg ist noch lange nicht entschieden!“ Der seiner Arbeitsgrundlage beraubte Ladenführer mochte zumeist tollpatschig und unbedarft wirken; doch wenn er diesen Schimmer in den Augen hatte, klang er wie ein Samurai aus dem alten Kanto. Yukiko fand diese Anwandlungen bisweilen beunruhigend.
Doch ebenso plötzlich, wie sie über Deribi gekommen war, verschwand sie auch wieder. „Außerdem, Yuki-chan, hou“, begann er, griff nach ihren Händen, „werde ich niemals zulassen, hou, dass man uns trennt! Du bist doch mein Nordstern, hou!“
Gerührt lächelte das Frosdedje. „Sensei, du alter Schmeichler! Ich will auch nicht von dir getrennt werden.“
„Hou, Yuki-chan!“, schwärmte das Botogel.
„Deribi-sensei“, antwortete Yukiko mit demselben Tonfall. Ihrer beider Augen leuchteten, Schneekristalle glänzten darin wie Sterne.
Doch plötzlich bemerkte Yukiko, wohin Deribi seine Augen gerichtet hatte: Etwas abwärts ihres Gesichts auf die Körperregion, die sie von den meisten anderen Frosdedje unterschied. Ihre Schneekristalle schmolzen dahin, eine Zornesader bildete sich auf ihrer Stirn. „Sensei“, sagte sie dunkel. „Doch nicht etwa wegen denen?!“ Mit einem Ruck entzog sie dem geschockten Deribi ihre Hände. Das Botogel erkannte ihre Wut, zuckte zurück und suchte das Weite. „So leicht kommst du mir nicht davon!“, rief Yukiko, flog ihm hinterher, schleuderte Spukbälle auf ihn.
Deribi lief panisch davon, Beteuerungen stammelnd, dass er nur das Beste für sein Geschäft gewollt habe, immer wieder unterbrochen durch ein „Hou!“, wenn ein Ball ihn traf.
Als sie außer Sichtweite der Stelle waren, an der die Hartholzhütte gestanden hatte, entbrannte an einem unpassend grauen Gesteinsbrocken eine kleine Flamme. Lava floss aus einer Höhlung, nahm unförmige Gestalt an. Ein ovaler Kopf erschien, über dem zwei gelbe Stielaugen schwebten. Das Magcargo steckte sich eine Zigarre in den Mund, entzündet an der eigenen Gehäuseflamme, grinste verschlagen. Erwartungsvoll rieb es die Lavatropfen links und rechts des Mundes wie Hände aneinander. „Dann läuft ja alles nach Plan“, jubilierte es. Mit bösartigem Lachen schlug es, wenngleich viel langsamer, dieselbe Richtung ein, die auch Reina gegangen war.Es hörte auf, ehe es begann
Lyrics: Wenn eine Hoffnung stirbt (Peter Maffay)
Die Sonne steht so tief
und sie wärmt nicht mehr.
Den Namen, den ich rief,
hörst du längst nicht mehr.
Mich binden die Gedanken an;
es hörte auf, ehe es begann.
Enton ist ein dummes Pokémon. Der Autor ist sogar geneigt zu behaupten: das dümmste Pokémon, das es gibt; doch in Anbetracht der Heerscharen von Rattfratz und anderen Taschenmonstern mit verschwindend geringen Level, die nicht einmal dann Reißaus nehmen würden, sollten sie einem ausgewachsenen Level-100-Metagross gegenüberstehen, ist selbst er sich nicht ganz sicher.
Fakt ist aber immerhin, dass Enton zumindest ein sehr, sehr dummes Pokémon ist. So wie Menki intrigant und Enekoro eigenwillig sind, so ist es nun einmal das Naturell eines Enton, nicht viel von der Welt zu verstehen. Was allerdings nicht bedeutet, dass es nicht auch gute Vorsätze haben kann, ganz im Gegenteil. Das Exemplar, um das sich diese Geschichte dreht, hatte zum Beispiel ein außerordentlich gutes und vor allem ehrenwertes Ziel, das es anstrebte. Dass es dieses jedoch nicht einmal im Ansatz erreichen konnte (aber hey, »Der Weg ist das Ziel«, so heißt es doch), ist, nun ja … von vornerein anzunehmen; weswegen der Autor sich auch nicht damit zurückhält, dem geneigten Leser diese Information noch ein weiteres Mal ausdrücklich um die Lauscher zu knallen:
DIESE GESCHICHTE GEHT NICHT GUT AUS!!!
Oder mit Verweis auf den Titel und deutlich subtiler ausgedrückt: Der Traum dieses armen, dummen Enton wurde in tausend Scherben zerbrochen, noch ehe er die Möglichkeit bekam, zur Realität werden zu können. Shit happens.Unsere Geschichte – oder vielmehr die unseres dummen Enton – beginnt an einem sonnigen Morgen, an irgendeinem Tag in der Woche, auf die in der Pokémon-Welt aber sowieso keiner Wert legt. Wir befinden uns in der Nähe von Schatzstadt, einem kleinen Örtchen voller friedlich nebeneinander dahinlebender Pokémon, denen es augenscheinlich nicht in den Kopf gehen mag, dass ebenjene Koexistenz mehr als nur fragwürdig ist. Ganz ehrlich, welches Magnayen würde beim Anblick eines saftigen Voltilamm nicht in Versuchung geraten, ebenjenes zu verschlingen? … Ganz richtig, keines! Außer jenen in Schatzstadt, wie es zumindest nach außen hin wirkt; denn dort leben Ursaring neben Vulpix, Blitza neben Togetic, und keiner scheint sich des üppigen Festmahls vor seinen Augen gewahr zu sein (wobei der Autor eher die Meinung vertritt, dass die Pokémon hier lediglich zu zahlreich sind und es somit kaum jemandem auffällt, wenn es plötzlich ein, zwei Feurigel weniger gibt).
In dieser Gegend also beginnt die Geschichte unseres Enton; das selbstverständlich keinen Namen hat, immerhin ist es – wenn auch Mittelpunkt unserer Geschichte – doch kein Protagonist, nicht dazu auserwählt, die Welt vor dem Bösen zu erretten, und darf sich somit auch nicht einer epischen Selbstbetitelung à la Sapphire oder Wasserwind (oder was dergleichen Alpträume es da draußen noch geben mag) erfreuen. Begnügen wir uns also damit, es als Enton zu bezeichnen …
… Und ebenjenes Enton hatte ein Problem. Nicht, dass es jemals wirklich gewusst hätte, was ein Problem überhaupt ist (denn dazu hätte es dieses komplizierte Wort überhaupt erst einmal kennen müssen); aber es war sich, während es am Strande von Schatzstadt saß und gedankenverloren (was wörtlich zu nehmen ist) auf das Meer hinaus starrte, doch der Tatsache bewusst, dass es etwas störte.
Sein Blick streifte den Horizont und vor seinem inneren Auge erschien, was nur wenige Stunden zuvor geschehen war:Das arme, verlorene Voltilamm blickte sich ängstlich nach einer Fluchtmöglichkeit um, während die wilden Pokémon um es herum – die allesamt böse und durch das Leben und Herumirren in den sogenannten Mystery Dungeons wahnsinnig geworden waren – das unschuldige Wesen hungrig begutachteten. Sie alle hatten seit Tagen, ja Wochen kein Fleisch mehr gehabt, und der Äpfel, die sich überall finden ließen und für Außenstehende schmackhaft sein mögen, waren sie längst überdrüssig geworden. Nun aber hatte sich jenes Voltilamm in ihre Reihen verirrt, ohne Zweifel mit dem Ziel, einen ihm zugeteilten Auftrag oder Ähnliches zu erledigen; und die Zeit ihres Festmahles war endlich gekommen. Ausgehungert bleckten Voltenso, Arkani und all jene anderen Pokémon, die sich in den Tiefen dieses Mystery Dungeons verloren hatten, hinab auf das wehrlose Voltilamm, welches sich längst zu einer Kugel zusammengerollt hatte, in der Hoffnung, letzten Endes vielleicht doch noch verschont zu werden. Die Wesen des Verlieses aber, ausgezehrt und begierig auf das frische Fleisch vor ihnen, war nichts ferner gelegen, als diese saftige Beute entkommen zu lassen; und so zog sich der Kreis um das arme Wesen, kauernd und bangend, immer enger, bis es schließlich nicht mehr zu sehen war …
Mit einem verzweifelten Hilferuf kamen die Bilder vor seinem inneren Auge zu einem Ende, und schaudernd wandte das Enton den Blick von dem in der Ferne liegenden Horizont ab. Zu gerne hätte es diese unliebsame Szene aus seinen Erinnerungen gestrichen – doch als wäre es Schicksal, brannten sich die Bilder des von hungrigen Pokémon umstellten Voltilamm immer tiefer in seine Gedanken hinein. Wo es doch sonst niemals Schwierigkeiten gehabt hatte, Dinge zu verdrängen (um ehrlich zu sein, es weniger ein Talent als vielmehr natürlich; denn jeder weiß, dass das Hirn eines Enton bei weitem nicht genügend Kapazität aufweist, um vielmehr abzuspeichern als die allernötigsten Überlebensinstinkte), ließ es nun das Erlebte nicht mehr los; und während es das Geschehnis noch einmal durchlebte, da war ihm, als würden die Wolken über seinem Kopf und das Meer zu seinen Füßen sich zu kräuseln beginnen und das Schicksal zu ihm sprechen …
Was mir den Atem nimmt
ist ein Schuldgefühl;
ich weiß, dass das nicht stimmt,
doch das hilft nicht viel.
Und alles ringsumher bleibt stumm –
es bleibt zum Schluss nur noch Warum?
Und um dem Leser weitere Sinnkrisen und Gedanken(ver)läufe dieses dummen Enton zu ersparen –diese zogen sich bis weit in den nächsten Tag hinein, woraufhin eine ganze Woche der hin und her schwankenden Unentschlossenheit folgte, die wiederum am Strand von Schatzstadt in einer eintägigen Selbstfindung endete … Um also den vorgegebenen Rahmen von zweitausendfünfhundert Worten nicht zu sprengen sowie das Gemüt des Lesers nicht allzu sehr zu langweilen, hier die Kurzfassung:
Das Enton beschloss, ein Erkunder zu werden, um fortan Pokémon in Not zu helfen. Wie es zu diesem für ein Enton wahnwitzigen Entschluss kam (denn wie überall in der Pokémon-Welt bekannt, sind Enton prädestiniert dafür, vorzeitig ins Gras zu beißen oder zumindest auf ewig in irgendeiner labyrinthartigen Höhle zu versauern), darauf wollen wir an dieser Stelle gar nicht genauer drauf eingehen. Da ebendieses Enton nämlich noch immer kein Protagonist ist und auch niemals einer sein wird (zumindest nicht in dieser Geschichte), hat es somit auch keinerlei Anrecht auf eine ausgearbeitete Hintergrundgeschichte; es kann schon froh darüber sein, dass solch eine vom Autor überhaupt angedeutet wird (und seit es nur mit der Andeutung einer Andeutung).
Wie auch immer … Das dumme Enton fasste also den komplett wahnsinnigen und lebensmüden Plan, Erkunder zu werden; und wo kann man zu jeder Zeit in der Pokémon-Welt am leichtesten diesem Traum frönen und die damit verbundenen Ziele wie Ruhm und Anerkennung erreichen? … Ganz genau: in einer Gilde. So machte sich unser Nicht-Protagonist sodann noch am gleichen Morgen, wo es seinen Entschluss gefasst hatte, auf zu der in Schatzstadt residierenden Erkundungs- und Retterteam-Gilde – die damals jedoch noch nicht von dem allseits beliebten (wobei der Autor hier ganz sicher nicht für sich selbst spricht) Knuddeluff angeführt wurde, sondern von einem schäbig aussehenden, nimmer satten Magnayen.
Dieses Magnayen war ein unangenehmer Zeitgenosse: stinkend bis zum Himmel und darüber hinaus, mit blutunterlaufenden Augen, verbraucht trotz seiner jungen Jahre, wirkte es auf den ersten Blick vielmehr wie ein heimatloses, von Omot zerfressendes Pokémon, das sich – vagabundierend und nach Almosen bettelnd – durch sein armseliges Leben schlug. Der Gildenanführer Magnayen aber war aus besonderem Holz geschnitzt, bösartig bis aufs Blut und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Mit für ein Magnayen erstaunlicher List und Tücke hatte es sich den so begehrten Posten des Anführers der Gilde von Schatzstadt gekrallt, und wenngleich heruntergekommen wirkend, hatte es doch von klein auf gelernt, dass nur der Stärkere in einer Welt wie dieser würde überleben können. … Und, nun ja, wie soll der Autor dies am besten formulieren: Magnayen war der stärkste.
Zu ebenjenem Magnyaen also war das dumme Enton an dem Morgen, der sein Leben verändern sollte (es aber letztendlich nicht tat; der Autor verweist hier noch einmal auf den Titel) auf dem Weg, und ebenjenes Magnayen empfing unseren Nicht-Helden in seinem Kabuff, dem Heiligtum im Inneren des Gildengebäudes. Auf dicken, zerfetzten Kissen hockend, das verfilzte Fell aschgrau vom Dreck dieser Welt, betrachtete es das Pokémon, welches watschelnden Schrittes und mit vor Dummheit glänzenden Augen sein Reich betrat, voller Argwohn. Hatte er, sogleich die Kunde eines nahenden Besuchers zu ihm getragen worden war, schon ein saftiges Feurigel oder gar Togetic erwartet, verdarb ihm der Anblick dieses Zeitgenossens, schlammgelb und so unsäglich minderbemittelt, dass selbst seine Anwesenheit schon Kopfschmerzen hervorrief, doch sogleich den Appetit. Sein immerwährend nach Nahrung lechzender Magen verstummte ob dieses Wesens, das verloren zu ihm aufschaute, und kurz war das Magnayen versucht, es wieder fortschicken zu lassen, um weiter seinen Tagträumen eines fetten Bratens frönen zu können – aber genau in diesem Moment, da jener Gedanke sich zu entfalten begann … Ja, da begann das Enton zu sprechen.
»Erkunder werden.«
Einen Atemzug lang war das Magnayen verwirrt, ja wie vor den Kopf geschlagen; noch nie hatte es ein Enton sprechen gehört und insgeheim stets bezweifelt, dass sich jene erbarmungswürdigen Pokémon überhaupt mitteilen konnten. Nun aber stand ein Angehöriger dieser Art vor ihm, zweifellos ebenso dumm wie seine Brüder und Schwestern – und es redete!
»Erkunder werden!«, wiederholte das Enton da noch einmal, dieses Mal mit Nachdruck, nachdem das Magnayen es einige Sekunden lang nur sprachlos angestarrt hatte. Irgendwo in seinem Gehirn kreisten diese Worte, dieser Entschluss, den es Stunden zuvor am Strand gefasst hatte, hervorgerufen durch jenes Erlebnis in dem Mystery Dungeon, wo es dem armen, unschuldigen Voltilamm nicht hatte helfen können. Und wie es da in dieser kleinen Kammer stand, abgestandene Luft atmend und zu dem Wesen aufblickend, das zwischen ihm und seinem Ziel stand, verfestigten sich diese Worte, wurden wie zu Fleisch und zu Blut – und es wich die zuvor noch schwache Ahnung, sein Schicksal gefunden zu haben, der tiefen Gewissheit, dass ebendies sein Lebenssinn sein würde.
»Ich will Erkunder werden.« Ein Blick aus dummen Augen, die jedoch plötzlich zu leuchten schienen.
»Erkunder?« Ein Blick in jene dummen Augen, in denen sich plötzlich so viel mehr befand als nur die Dummheit.
»Ja.« Pause. »Erkunder.« Ein Blinzeln. »Das will ich werden.«
Ungläubiges Schweigen.
So oder so ungefähr zog sich die Konversation zwischen dem dummen Enton und dem nimmer satten Magnayen viele Stunden lang hin; aber nicht etwa, weil das Magnayen unseren Nicht-Protagonisten von seiner Entscheidung abbringen wollte, sondern vielmehr, weil es fasziniert war von dem Mut und der Entschlossenheit, die dieses Enton zeigte. Es hatte noch nicht viele Begegnungen mit Vertretern dieser Art gehabt, allerdings aus allen eines mit Sicherheit gelernt: Mit Enton kann man keine vernünftigen Gespräche führen (und will es auch meistens gar nicht). Und doch, dieses Exemplar war anders.
Bis in den Abend hinein unterhielten sich die beiden Pokémon, das eine anfangs verunsichert, dann neugierig, das andere mehr und mehr an Worten und Wissen gewinnend. Und als schließlich zum Abendessen gerufen wurde und das Gespräch allmählich seinem Ende entgegen ging … Nun, dann fing diese Geschichte WIRKLICH an.
In die Kammer das Magnayen traten zwei Fiffyen und brachten ein – selbstverständlich lebendiges – Voltilamm als Mahl.
Der geneigte Leser wird jetzt sicherlich verdutzt mit den Augen klimpern (oder auch nicht, was dem Autor jedoch herzlich wenig am Herzen liegt) und sich fragen: DAS Voltilamm?! Und um dieses ganze Hin und Her und diese Scharade an Gefühlsduselei endlich einmal zu beenden: ja, DAS Voltilamm. Genau DAS.
Mit den Umständen, wie genau es nun dazu gekommen war, dass dieses Voltilamm den hungrigen Mäulern der Voltenso und Arkani sowie sämtlichen anderen Pokémon entrinnen konnte, um nun als abendliche Mahlzeit zu dienen, soll sich an dieser Stelle gar nicht aufgehalten werden. Wichtig ist nur zu wissen, dass es nun einmal da war – und dass das nimmer satte Magnayen inzwischen einen beträchtlichen Hunger entwickelt hatte.
Und so kam es, dass Magnayen der Gildenmeister vor den Augen des dummen Enton ebendessen Träume innerhalb eines Atemzuges zunichtemachte: Noch bevor irgendjemand (selbst der Autor, so muss er voller Buße zugeben, hat dies nicht kommen sehen und es somit auch nicht verhindern können) reagieren konnte, hatte es sich bereits auf das unschuldige, wehrlose Voltilamm gestürzt und es mit einem einzigen Bissen verschlungen.Wenn alles sinnlos scheint,
das Leben ist dein größter Feind;
dann hilft dir auch nicht einmal
mehr die Zeit … auch nicht die Zeit.
Und alles ringsumher ist stumm –
es bleibt zum Schluss nur noch Warum?In einer Welt, wo nur das Recht des Stärkeren gilt und Schwäche mit dem Tod oder in endloser, purer Verzweiflung endet, ist kein Platz für Pokémon wie das dumme Enton. Mögen sie auch für einen kurzen Moment lang des Gefühls gewahr werden, das Schicksal würde es zur Abwechslung einmal gut mit ihnen meinen – letzten Endes müssen sie doch früher oder später alle der Realität in die erbarmungslosen, kalten Augen blicken und erkennen, dass sie schlicht und ergreifend nicht stark genug sind, um in solch einer Welt bestehen zu können.
Diese Erfahrung hatte auch das Enton zu machen, in dem Augenblick, da das ewig hungrige, vollends bösartige Magnayen (mag der Leser kurz geglaubt haben, es würde so etwas wie Mitgefühl empfinden können, so muss er an dieser Stelle bitterlich enttäuscht werden) das hilflose Voltilamm verspeiste. Mit zerstörtem Weltbild floh unser Noch-immer-nicht-Protagonist aus dem Kabuff des Magnayen, stürzte aus der Erkunder- und Rettungsgilde und verlangsamte erst dann seinen Lauf, als es wieder dort angelangt war, wo all dieser Mist überhaupt begonnen hatte, Gestalt anzunehmen: an den Strand von Schatzstadt (und all jenen, die erwartet hatten, es würde in den Mystery Dungeon, zum Ort des ursprünglichen Geschehens fliehen, sei an dieser Stelle noch einmal ans Herz gelegt, dass Enton nach wie vor äußerst dumme Pokémon sind; von ihnen zu verlangen, sich an einen Ort zu erinnern, den sie vor mehr als einer Woche besucht haben, ist also nicht nur anmaßend, sondern ebenfalls eine ganz eigene Form von Dummheit).
Hier auf jeden Fall ließ das dumme Enton schließlich seinen Gefühlen, seinen Tränen und seiner Wut freien Lauf, schlug auf den Sand ein (was, wie man sich recht leicht vorstellen kann, doch ziemlich ergebnislos war) und verfluchte schließlich das Schicksal mit den ihm noch verbliebenen Worten, die wirr seine Gedanken kreuzten und nach einer Ausflucht suchten:
»Schicksal! Warum?!«
Und der Autor antwortete, indem er vollständig die vierte Wand durchbrach: Weil ich es kann.
Sardinengefühle„Die Sardine, auch Atlantische oder Europäische Sardine genannt, ist die einzige Art der Gattung Sardina in der Familie der Heringe. Sie ist ein bedeutender Speisefisch“, zitierte ich gerade von der ersten Seite, die mir Google ausspuckte, um meiner Freundin eine wissenschaftlich hochwertige Einführung in ihr morgiges Referatsthema zu geben. Währenddessen war sie gedanklich vollkommen in ihrer braunen Lederhandtasche versunken - genauso wie ihr Smartphone, welches sie darin verzweifelt suchte. Gelassen warf ich einen Blick hinter meinen Rücken, doch bis auf einen Lastwagen konnte ich nichts erkennen.
„Beeilung, der Bus kommt jeden Augenblick!“, rief mir Julia hektisch zu, obwohl sie direkt neben mir so zügig lief, wie es die hohen Schuhe ermöglichten. Ihre grüngrauen Augen wandte sie dabei nicht von ihrem Lieblingsaccessoire ab und das lange, blonde Haar hüpfte im Takt der Musik, die ich durch meine schwarzen In-Ear-Kopfhörer konsumierte. Statt literarisch wertvolle Bücher zu verschlingen und Kafka zu vergöttern, wie es sich wohl mancher Dozent von seinen Studenten erhoffte, ließ ich mir vor Vorlesungsbeginn lieber mit angemessener Musik aus dem deutschen Rap die Laune erheitern. In der Zwischenzeit fuhr der Bus unbemerkt im gemächlichen Tempo hinter dem Lastwagen direkt an uns vorbei; meine Freundin beschleunigte plötzlich ihren Schritt.
„Paul!“, schrie Julia mir zurückblickend entgegen, als das öffentliche Verkehrsmittel bereits an der Haltestelle angekommen war. Ich fuhr mir kurz durch meine gestylten Haare, kramte meinen Studentenausweis aus der Tasche meiner dunkelblauen Jeans und sprintete zur Tür, die sich hinter meiner Freundin schon schloss. Der Busfahrer hatte erstaunlicherweise das Verständnis, auf einen Lahmarsch wie mich zu warten – eine Seltenheit, welche man mit der eines Shinys in meinen geliebten Pokémonspielen vergleichen konnte.„Entschuldigung, ich möchte hier aussteigen“, hauchte eine ältere Dame in einen Teil der Menge, welche wie wir im Gang stehen, sich an die Scheibe quetschen und im Rondell des Ziehharmonikabusses schwungvoll in die Kurve oder alternativ auf die Nase legen musste. Nachdem wir zusammen mit ein paar Studenten, welche man zum Beispiel am Dreitagebart und den Augenringen identifizieren konnte, für eine Weile ausgestiegen waren, um Platz zu schaffen, stürzten wir uns wieder in das Gefährt, bevor noch die an der Haltestelle wartenden Kommilitonen diesen Moment der Schwäche ausnutzten. Wenn man Pech hatte, wurde einem das bereits erkämpfte Fleckchen im Bus dabei wieder genommen. Es ging uns allen um das nackte Ankommen an der Universität, ohne lange in der Kälte stehen zu müssen.
Julia starrte mich nach dem Anfahren mit einem empörten Gesichtsausdruck an. Ich trug mal wieder meine schwarze Umhängetasche vor der Brust, sodass ich ein wenig Freiraum in dieser Sardinenbüchse bewahren konnte. Bis auf ihrer Wenigkeit ist dies niemandem aufgefallen; nicht einmal dem Fahrer, der an jedem zweiten Halt sein Fahrzeug von vorne bis hinten nach Platz für einen weiteren Gast absuchte oder einen solchen herausbat, sofern sich die Türen nicht mehr schlossen. Während ich mich weiterhin den Schlägen auf meinem Trommelfeld widmete, missbrauchte meine Freundin die verschmutzte Glasscheibe als Spiegel, um von einem Pickel sehr seltsamer Art erschrocken zu werden. Diese Gesichtsentgleisung amüsierte mich und zum Glück nahm sie es mit Humor, als ich mich noch zu ihr beugte und mit dem Finger darauf zeigte. Wir liebten uns nur freitags nicht; an dem Tag wurde uns stets bewusst, wie wenig Zeit wir miteinander verbrachten, da wir uns ausnahmsweise Stunden im Unterricht und in der Mensa auf die Pelle rückten.
An der Universität angekommen schaute ich in die bereits wartende Welle an Studenten, welche sich nach uns in diesen Bus hineindrängen würden, damit sie nach ihren viel zu früh für ihre Gattung liegenden Veranstaltungen schnell wieder ins Bett zurückkehren konnten. In der Zwischenzeit quälten Julia und ich uns durch den schlammigen Waldweg direkt dorthin, wo jene hergekommen waren. Der Matsch benetzte unsere Sportschuhe, wobei es nicht lohnte, diese vor Wochenende zu reinigen, denn der Weg war jeden Tag derselbe. Doch noch mehr als dieser Trampelpfad konnte die Suche nach Sitzgelegenheiten im Saal frustrieren. Der Boden bot sich allerdings immer zur Not an.Die Luft stand, wir saßen, und ich wünschte mir gegen Ende der Vorlesung, dass es andersherum wäre. Die Tür schien sich mir zu nähern, gedanklich griff ich schon nach dem Knauf, aber anstelle eines klackenden Geräusches hörte ich nur das Knirschen der Plätze - ausgelöst durch angesetztes Sitzfleisch -, das mich aus der mentalen Abwesenheit riss. Ich blickte wieder nach vorn und der Hörsaal bebte förmlich vor Aufregung. Vielleicht lag es jedoch am Wippen meiner Beine, das Langeweile bekämpfen sollte, jedoch stattdessen die Kaugummiverpackung weiter in den Boden eingravierte.
„Das Thema ist heute besonders interessant für Sie, meine Damen und Herren“, pries die Professorin erneut mit ihren wiederholenden Worten an, während das Mikrofon mal wieder neben der Wasserfalsche abgelegt und vergessen worden war. So hörten die hinteren Reihen auch stets das, was sie dort hören mochten: gar nichts. Julia schmiegte sich heute etwas an meinen grünen Pullover, positionierte ihre Hand auf den Ärmeln, die ich mir bis zum Ellenbogen hochzog, sodass sie mich nicht am Mitschreiben störten, sofern denn irgendetwas von dem Geschwafel der Dozentin dafür würdig gewesen wäre.
„Wir wollen am Samstag in den neuen Club am Bahnhof, kommen wir beide dort mit?“, fragte meine Freundin mit weit geöffneten Augen im vollen Bewusstsein, dass sie mir damit erschwerte abzulehnen. Ich durchwühlte meine Datenbank nach Ausreden oder möglichen Terminen, denen ich eigentlich schon abgesagt hatte, aber ich musste resignieren.
„Jo, könnten wir machen“, erwiderte ich vorsichtig und schaute dabei ihn die grinsenden Gesichter unserer Freunde. Sie wussten alle, wie hochgradig interessiert ich an solchen Experimenten war. Diese Schweine lockten mich jedes Mal von Spielekonsolen und meinem Computer.Gedanklich bin ich jedoch ohnehin schon längst in deren Welt versunken, wobei mir während diesem zum Gähnen langweiligen Vortrag noch eine wesentlich bessere Idee in den Sinn gekommen war: Paul, verfasse doch mal einen Text, in welchem du den Menschen, denen dies sicherlich auch interessiert, von diesem elenden Montag berichtest. Ich wünschte mir in diesem Moment schon das Ende der Woche herbei, da er sicherlich bis dahin vollendet wäre. Würde ich meine Leser genauso ermüden wie meine Professorin oder könnten sie mich für diesen alltäglichen Wahnsinn gar auslachen?
„Weißt du, heute im Bus musste ich zwangsläufig an eine Sardinenbüchse denken. Sardinengefühle, das wäre doch der perfekte Titel für einen Text, oder?“, sagte ich zu Julia, die eine Mine verzog, welche ihre Hoffnung ausdrückte, dass nicht noch weitere diese Worte gehört hatten. Für einen Moment öffnete sich ihr Mund, ihre Augen blinzelten kurz und sie antwortete: „Was geht heute eigentlich mit dir?“
„Ich weiß es auch nicht, vielleicht ist es mir nur zu eng und die Luft zu dünn hier.“
Kein Meer mehr oder mehr Meer?Als sie nun vor der Urzeithöhle steht, die sengend heiße Sonne blendend hell über der weißen Stadt Xeneroville, drängt sich dem Mädchen ein Gedanke auf, den es schon eine Weile lang gehegt hat, der jedoch bis dato von anderen, wichtigeren Dingen – wie etwa die Reporter von Trainer aktuell es haben wagen können, den Namen ihres Knilz' – in den Hintergrund gedrängt worden sind. Das Schicksal der gesamten Hoenn-Region und eventuell auch des Restes der Welt steht auf Messers Schneide, doch wäre das alles nicht passiert, wenn Team Magma diesen wahnwitzigen Plan gar nicht erst in die Tat umgesetzt hätte. Man sollte doch meinen, dass ein erwachsener, kluger Mann wie Marc die Schattenseite seines Planes hätte sehen können, aber Fehlanzeige.
Und so betritt sie die Höhle, in der sie einem wildgewordenen Groudon gegenübertreten und es einige Minuten lang ehrfürchtig anstarren wird, nur um es dann innerhalb von Sekunden ohne Probleme mit einem Meisterball einzufangen, mit nur einer Frage im Kopf: warum?
Unsere namenlose Protagonistin wird allerdings nie erfahren, dass die Antwort gar nicht mal so komplex ist, wie man es erwarten würde.Es ereignete sich vor gar nicht allzu langer Zeit (um genau zu sein war es vor etwa fünfundzwanzig Jahren, was zwar nicht als kurzer Zeitraum zu bezeichnen ist, aber auch noch nicht als so langer, um die Bezeichnung ›vor langer Zeit‹ zu rechtfertigen), dass ein Junge namens Marc aus Graphitport City sich dachte, die Welt sei ohne Meer viel besser dran.
Es war nur verständlich, wenn man darüber nachdenkt; immerhin war er zu jenem Zeitpunkt nie aus Graphitport herausgekommen und da kann man nachvollziehen, sollte jemand meinen, er könne das Meer schlicht nicht mehr sehen.
Natürlich wurde er von allen Seiten belächelt oder belehrt. Die Kommentare reichten von »tut mir leid, aber das ist für einen Menschen nicht möglich« über »du kannst ja erst einmal versuchen, einen See zu trocknen, bevor du mit dem Meer anfängst« bis hin zu »im Ozean leben unbeschreiblich viele Pokémon, gäbe es ihn nicht, wäre das gesamte Ökosystem dieser Erde aus dem Gleichgewicht gebracht«. Das war Marc jedoch alles egal. Die Auslöschung des Meeres hätte zweierlei Vorteile, dachte er sich: erstens müsste er nie wieder diese furchtbar salzige Luft ertragen und mit Schiffen auf Inseln fahren beziehungsweise versuchen, sich dabei nicht zu erbrechen, zweitens gäbe es mehr Lebensraum für die Menschen und Pokémon des Landes. Und wenn es im Ozean so viele Pokémon gab, dann konnten diese ja auch einfach an Land kommen und das Problem wäre gelöst. (Das ergab aus seiner Sicht der Dinge Sinn.) Eine Win-Win-Situation also!
Das hieß aber immer noch nicht, dass er wusste, wie er das anstellen sollte. Er dachte an einen Superstaubsauger / Superwassersauger, hatte aber keine Ahnung, wo er den herbekommen sollte. Er erwägte, das ganze Wasser einfach auszutrinken, diese Idee schoss er allerdings schnell wieder in den Wind, als ihm auffiel, dass das weder gesund noch lecker war. Er überlegte, ob man irgendwo einen Stöpsel ziehen konnte, der dafür sorgte, dass alles abfloss, bezweifelte dies jedoch. Tagsüber plante er, in der Nacht träumte er von einer Welt ohne große Wassermassen, doch eine Lösung erblickte er nie.
An dieser Stelle kam ein Junge namens Adrian ins Spiel, der schon immer mal Pirat sein wollte, jedoch nicht nah genug am Wasser wohnte, um diesen Plan in die Tat umsetzen zu können. Im Gegensatz zu Marc kam er aber viel herum und so landete er eines Tages in Graphitport City, sah das viele Wasser und war so beeindruckt davon, dass er sich mental notierte, es könne gar nicht schlecht sein, das Meer auszuweiten. Und er hatte sogar eine Idee, wie: seine Großmutter hatte ihm oft von einem legendären Pokémon namens Kyogre erzählt, dass den Ozean erschaffen hatte. Und wenn es ein Pokémon war, dann existierte es irgendwo in Hoenn – er musste es also einfach finden. Das konnte ja gar nicht so schwer sein.
Eines Tages lief dieser Adrian dann Marc über den Weg, als er gerade vertieft war in ein Gespräch über besagtes legendäre Kyogre. Marc hörte davon zum ersten Mal, aber zählte eins und eins zusammen (ausnahmsweise mal) und bald darauf war er Stammgast in der Bibliothek seiner Schule, denn er war sich sicher, dass es zu Kyogre ein Pendant geben musste, das ebenso stark war, nur andersrum. Und ›andersrum‹ hieß dann wohl, dass es kein Wasser erschuf, sondern Land oder irgendetwas sonst, das dafür sorgen konnte, dass das Meer kein Meer mehr war. Und siehe da – er fand heraus, dass jenes Pokémon namens Groudon tatsächlich die Kontinente erschaffen hatte!
Nun musste er Groudon nur noch finden, und das bestenfalls vor dem Spinner, der die Ozeane erweitern wollte. Allein würde sich das jedoch als schwierig gestalten, also brauchte er Freunde (was ein Problem darstellte, denn wer will schon etwas mit jemandem zu tun haben, dessen Lebensziel es ist, das Meer auszulöschen?) oder zumindest Gleichgesinnte. Wie konnte er die nur finden?
So tat er das, was jeder in seiner Situation getan hätte – er eröffnete eine AG in seiner Schule, die er sehr kreativ ›Land-Erweiterungs-AG‹ nannte. Erfolglos, zu Beginn – woran vielleicht auch der Name schuld war. Was sollte man sich darunter auch vorstellen? –, bis ein kleiner übergewichtiger Junge namens Kalle eines Tages vor der Klassenzimmertür stand und das zweite Mitglied der AG, die kurz darauf nach einer Idee von Kalle zu ›Team Magma‹ umbenannt wurde, gefunden war.
Es dauerte einige Jahre, bis sich mehr Leute versammelt hatten, doch gegen Ende von Marcs Schulzeit war eine Gruppe zusammengekommen, die allesamt aus Spinnern mit Antipathie gegenüber größerer Ansammlungen von Wasser bestand. Spätestens, seit die etwas gruselige, aber beliebte Jördis teilnahm, gewann die AG, äh, das Team dann so rasant an Beliebtheit, dass auch nach dem Verlassen der Schule weiter nach Groudon geforscht wurde – immer in Rivalität mit Adrian (der hatte sich nämlich Marcs Idee geklaut und bei sich zuhause eine AG namens Team Aqua eröffnet, was bei ihm jedoch deutlich schneller funktioniert hatte, denn im Vergleich zu Marc waren seine Überzeugungskünste gottgleich; er hatte nicht viel analyisert, sondern sich einfach auf den höchsten Hügel seiner Umgebung gestellt und »nieder mit den Landratten« geschrien, was erstaunlich gut funktioniert hatte).Und so stehen wir nun kurz vor dem Untergang der Hoenn-Region, und das alles nur, weil ein kleiner Junge das Meer nicht mehr sehen konnte. Wie gut, dass es in jeder Region Helden wie unsere namenslose Protagonistin gibt, die sich dem Problem annehmen, während der Champ, ein fähiger Arenaleiter, die Leute, die für den ganzen Mist erst verantwortlich waren und ein Junge, der ständig behauptet, er sei stärker als unsere Heldin, nichtstuend vor der Höhle stehen.
Keine PunkteHey, hallo! Ja, du, genau dich meine ich! Kannst du mich hören? Keine Sorge, du bist nicht verrückt geworden. Du hast es lediglich mit einem Geist zu tun. Oder einem Alien. Oder beidem. Um es kurz zu machen: Meine Seele hat es wohl irgendwie in diese Welt verschlagen. Naja, ich finde es nicht so schlimm. Ich mag diese Welt, sie ist so nett und friedlich. Abgesehen natürlich von den paar Konflikten zwischen euren Ländern und euren Glaubensrichtungen. Und den Epidemien. Und dem ewigem Kampf zwischen Veganern und Fleischfressern, Hunde-, und Katzenhaltern.
Glaub mir, in meiner Welt sieht es kaum rosiger aus. Sie ähneln sich schon gewaltig, unsere beiden Welten. Wenn du ein Astronaut wärst, könntest du dir deine blaue Heimat ansehen, sie gedanklich ein bisschen hin und her drehen und, voilà, du hättest meinen Planeten vor Augen. Möglicherweise ist es sogar der gleiche und mich hat es lediglich in eine andere Dimension verschlagen. Keine Ahnung. Ich hatte ehrlich gesagt nie was mit Physik am Hut. Aber ich war mal in einem Raumfahrtmuseum, also halte mich nicht für ungebildet!
Leider leide ich unter einem Problem das die Ewigkeit, die man als unsterbliche Seele irgendwie rum bekommen muss, wohl mit sich bringt: Ich langweile mich zu Tode. Haha, Wortwitz.
Ich habe jetzt schon viele Dinge getan. Hier und da ein bisschen Angst und Schrecken verbreitet, einen Mordfall aufgeklärt, verirrte Kinder aus dem Wald geführt. Was man halt so tut als Geist. Aber du bist der glückliche Erste, mit dem ich richtig in Kontakt trete.
Dir, der du aus einer anderen Welt stammst, will ich eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte aus der Welt der Pokémon, in der wundersame Wesen dir gerne zur Seite stehen, wenn dir der Sinn nach Suizid steht, du schon immer mal vom Blitz erschlagen werden wolltest oder es dir lustig vorstellst, von dem Rücken eines Mach 2 fliegenden Vogels geschleudert zu werden, sodass es deine Überreste von Kanto nach Hoenn verschlägt. Eine Geschichte voller Abenteuer und Geheimnisse. Eine Geschichte, die die goldene Grenze von 2500 Wörtern einhält. Eine Geschichte, die es wert wäre, aufgeschrieben zu werden. Meine Geschichte.
Ach ja, wo wir gerade dabei sind; Rot ist übrigens der Name. Klingt scheiße? Ist er auch.Rot. Das ist der Ausdruck der innigen Liebe meiner Eltern zu mir. Wie sagte meine Mutter immer so schön?
»Kein Wunder, dass dein Vater abgehauen ist!«
Ja, ich gebe es zu. Als Ergebnis einer dieser “Ich bin aus Versehen in sie hinein gefallen“- Fälle, benannte man mich lediglich nach der Farbe, die mit mir aus meiner Mutter flutschte. Macht den Namen nicht besser, was? Naja, eigentlich war er sogar ganz erträglich. In Alabastia, dem “wunderschönen“, winzigen Dörfchen ohne jegliche eigene Wirtschaft, in dem ich aufgewachsen bin, gab es neben meinem nämlich nur zwei andere Häuser. Und von denen war eines ein Labor! Dementsprechend wenige Kinder lebten dort. Eines von ihnen war mit einem ähnlich liebevoll gewählten Namen wie meinem gesegnet und vielleicht war es gerade das, das uns verband: Blau, mein ewiger Rivale und benannt nach dem Zustand in dem sich seine beiden Elternteile befanden, als der flüssige Grundstein seiner Selbst in die sichere Hülle eines Eis verlegt wurde.Ordinär? Ach, komm schon, ich bin erst Zehn, da darf ich doch wohl noch so reden.
Auf jeden Fall schien Blaus Familie von ihm genauso begeistert zu sein, wie meine von mir. Was mich nicht wundert, muss ich zugeben. Der Typ ist ungefähr so angenehm wie Fußpilz. Schlechte Frisur, dämliches Grinsen und ein ausgebildeter Gottkomplex. Das ist Blau wie er, anders als ich, leibt und lebt. Wie du dir vielleicht denken kannst sind wir nie beste Freunde geworden.
Erstaunlicherweise war seine Familie mir jedoch immer recht wohl gesonnen. Vor allen Dingen sein Großvater, der nebenan im Labor lebte und als Koryphäe auf dem Gebiet der Pokémonforschung galt. Vielleicht war er aber auch nur so nett zu mir, weil er mich und Blau verwechselte. Um ehrlich zu sein war mir der Professor nämlich nie so recht geheuer. Ständig vergaß er meinen Namen und nicht selten sogar mein Geschlecht! Blau erging es nicht anders. Und dann drehte er mir auch noch ein vollkommen widersprüchliches Gerät an, das zwar bereits die Daten über alle Pokémon dieser Welt enthielt, die sich jedoch nur durch den Fang dieser frei schalten ließen. Und der Professor selbst hatte es auch noch programmiert! Und da sagt man mir, der Herr leide nicht an Alzheimer.
Aber Professor Eich war es auch, der mir an einem schicksalhaften Tag mein erstes Pokémon gab. Natürlich war es ein Glumanda. Was soll ein Trendsetter wie ich auch mit einer lahmen Schildkröte oder einer Knolle? Eine Feuerechse, die passte zu mir.Den ersten Tag meiner Reise kann ich allerdings wohl kaum als Erfolg bezeichnen. Denn kaum dass ich, wie es für einen Zehnjährigen selbstverständlich üblich ist, meinen Rucksack gepackt und mich auf den Weg in die nächste Stadt gemacht hatte, da hielten mich schon die Gesetzeshüter auf. Gut, es war vielleicht nicht die beste Idee, mich mitten in der Nacht auf den Weg zu machen. Aber irgendwie ist mir noch immer nicht ganz klar, was eigentlich deren Problem war. Meine Mutter sah das übrigens ähnlich. Da konnten ihr die Polizisten noch so oft an den Kopf werfen, wie unverantwortlich sie sei und das sie besser auf mich aufpassen solle. Kaum waren sie aus dem Haus, da warf sie mich auch schon wieder raus. Offensichtlich hatte sie sich zu schnell daran gewöhnt, nun endlich ein eigenes Bett zu haben. Aber mir konnte das nur recht sein.
An diesem Punkt kann ich meine Geschichte endlich richtig beginnen. Um ehrlich zu sein könnte ich jetzt den ganzen Tag quatschen, aber ich bin von Natur aus eher schweigsam. Zumindest, bis ich hier gelandet bin. Wie ich schon sagte: Paralleluniversum.
Vermutlich würden dich die Details sowieso nur langweilen. Glaub mir, wenn du deine ersten zehn Trainer besiegt und ihr Geld gestohlen hast, verliert diese ganze Reisegeschichte unheimlich an Reiz. Zumindest ging es mir so. Denn an diesem Punkt habe ich bemerkt, dass dieses verbrecherähnliche Dasein nun mein Job geworden war. Ja, in der Theorie klingt es ganz nett, andere verletzen und ausrauben zu können ohne dabei vom Gesetz behelligt zu werden. Fast so, als sei man ein Yakuza. Aber wie die Freude über das heiß ersehnte Weihnachtsgeschenk verpufft die Euphorie selbst in einem solchen Fall schneller, als man erwarten würde.
Man fängt an, die Schattenseiten zu sehen. Den hundert Kilo wiegenden, überfüllten Rucksack, in dessen Tiefen grundsätzlich nur das Item verschwindet, das man gerade dringend braucht, egal ob Fahrrad oder Limonade. Die aufdringliche Konkurrenz die sich, auch wenn du nur an ihr vorbei gehst, nach einem Kampf kreischend auf dich stürzt und selbst nach diesem noch mit unvorstellbar wichtigen Anrufen belästigt. Den sich als Stalker heraus stellenden Professor, der hinter jedem Busch, Stuhl oder Stein hervorlugt wenn man einmal auf seinem Fahrrad aus einer Arena heraus fahren will, und zur Ordnung aufruft, sodass man das blöde Ding vor lauter Scham zurück in die Tasche quetscht. All das wird zur Routine und die einzigen, die bei diesem Lebensstil ordentlich Schlaf bekommen, sind die Pokémon. Es fehlt die Abwechslung. Hinzu kommt, dass ich ein verdammtes Naturtalent bin.
Mein Problem war also folgendes: Es gab keine Herausforderung für mich. Aus dem Tritt brachte es mich lediglich, wenn ein knapp zwei Meter großes Pokémon mal wieder meinte, es könne sich in fünfzig Zentimeter hohem Gras verstecken und mir so den Weg versperrte. Selbst die Arenaleiter, vor denen alle anderen Trainer so sehr erzitterten, erschreckten mich höchstens mit ihrem Kleidungsstil. Also tat ich das, was alle Menschen tun, die zu sehr unter Langweile leiden: Ich legte mich mit der Mafia an.
In meiner Welt heißt diese “Team Rocket“ und ist ein klischeebeladener Haufen aus offensichtlichen Schulabbrechern an dessen Spitze ein, zugegebenermaßen, durchaus brillanter Kopf steht. Aber Dummheit ist ja bekanntlich ansteckend.
Zu der Zeit, als ich mich dazu entschloss meinen Ruf in meinem Heimatland Kanto deutlich zu verbessern und mich zum Helden zu mausern, war es nicht schwierig der Spur Team Rockets zu folgen. Tatsächlich schien mit Ausnahme der Polizei so ziemlich jeder schon einmal mit ihnen in Kontakt gekommen zu sein. Meine oberflächlichen Recherchen führten mich demnach schnell in das angenehm große Prismania City, genauer gesagt in das Gebäude mit dem unauffälligen Namen “Rocket Spielhalle“. Da sah es genauso aus, wie du dir eine Spielhalle vermutlich vorstellst. Voller wunderlicher, aber zumeist netter Leute, die noch freundlicher wurden, wenn sie sich vom Spiel losrissen und in das Licht hinaus taumelten, um dort die zum Spielen notwendigen Münzkörbe an Kinder zu verschenken. Die Betreiber behandelten alle Kunden gleich und verboten niemanden, sich an den einarmigen Banditen zu setzen und sein Glück zu versuchen. Dennoch habe ich Ewigkeiten gebraucht, um mir ein Porygon zu erspielen. Schuld daran war nicht etwa eine Pechsträhne, sondern viel mehr ein weiteres Mal die Polizei, die sich zwar sehr für die Spielhalle und seine unbescholtenen Kunden, jedoch kaum für das “Rocket“ im Namen interessierte. Aber ich komme vom Thema ab. Genau wie ich damals kurzzeitig mein Ziel aus den Augen verlor. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie sehr mir die Finger nach diesem Porygon juckten!
Als ich also friedlich meine Zeit an den Automaten verbrachte, fiel mir bald ein Poster auf, das schief und halb abgerissen an der Wand hing. Nicht nur sein Aussehen, auch ein schwarz gekleideter Typ mit einem unübersehbaren “R“ auf der Brust machte die Wanddekoration verdächtig. Nachdem ich mir endlich mein Porygon erspielt hatte, - das übrigens durchaus die Millionen Pokédollar Investition wert war, immerhin brauchte ich noch mächtige Pokémon um mich Team Rocket entgegen zu stellen - spielte ich gleich noch ein wenig weiter, um mir Sichlor und ein paar TMs zu eigen zu machen. Zuletzt, als mir kaum noch Geld übrig blieb, widmete ich mich dem Poster. Ich hätte gerne noch etwas weiter gespielt, immerhin gab es noch einige Preise die mir sehr weitergeholfen hätten.
Das hätte ich mal besser getan. Denn der Gang zu diesem dämlichen Poster besiegelte mein Schicksal. Im Nachhinein spendet es mir immerhin etwas Trost dass ich einem Wesen zum Opfer fiel, das schon vielen Menschen die Seele geraubt hat: Einem Vertreter. Ein solcher stand nämlich genau neben mir, als ich gerade unauffällig an dem Plakat herum zu zerren begann. Der Typ stürzte sich schneller auf mich, als die verfluchten Käfersammler.
Ironischerweise war ich schon zu Beginn meiner Reise auf einen seines Formates gestoßen. Einem lächerlich unglaubwürdigen Praktikanten, der mir ein überteuertes, nutzloses Karpador andrehen wollte und den ich lachend hinter mir ließ. Aber der hier war echt gut. Er erzählte mir etwas von mächtigen, mystischen Pokémon und dass er genau so eines dabei habe. Ein geisterhaftes, nahezu unbesiegbares Wesen, das einfach so in einem Pokéball erscheinen könne und das die Wenigsten zu Gesicht bekämen, weil es sich nur würdigen Trainern zeige und weil er bisher keinen passenden gefunden habe und mein großes Potential erkenne, würde er mir ein nahezu unglaubliches Sonderangebot machen. Dabei sprach er mich ungefähr zweitausend Mal mit “Sir“ an und bewunderte ganz offensichtlich meine souveräne Erscheinung. Jeder, ich wiederhole Jeder, hätte sich geschmeichelt gefühlt. Gib zu, auch du hättest dein letztes Hemd für ein solch hoch angepriesenes Pokémon gegeben! Es sollte meine Geheimwaffe werden und die hatte ich doch wirklich dringend nötig, nicht? So mächtig waren Porygon und Sichlor ja nun auch wieder nicht. Wie hätte ich denn ahnen können, was für ein Pokémon ich mir da an den Gürtel holte? Naja, ist ja auch egal. Ich kaufte dem Typ seine Ware ab und widmete mich dann wieder dem Poster, oder besser gesagt dem Schalter, der sich darunter befand. Kaum betätigt offenbarte sich mir auch schon eine geheime Treppe, deren Erscheinen niemanden außer mir interessierte da die Menschen in meiner Welt sich um ihren eigenen Kram kümmern, ohne dabei ständig andere zu belästigen.
Die Treppe führte in ein geheimes Untergrundversteck in dem sich, drei Mal darfst du raten, das Team Rocket eingenistet hatte. Tatsächlich wimmelte es dort nur so von schwarz gekleideten Gestalten die allesamt so strunzblöd waren dass sie nicht bemerkten, wie ich mich an einem nach den anderen von ihnen vorbei schlich. Selbstverständlich hatte ich keine Angst vor einem Kampf, aber ich hatte auch keine Lust mich mit all diesen Schwächlingen anzulegen, wo ich doch eigentlich nur Interesse an ihrem Anführer hatte, den ich irgendwo in dem Versteck vermutete. Leider hatte ich vergessen dass es durchaus noch Menschen gibt, die einen jeden Rocket Rüpel in puncto Blödheit übertreffen.
Gerade, als ich um eine weitere Ecke der labyrinthartigen Gänge schlich, seelenruhig und ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass man mich irgendwie bemerken könnte, schrillte mein Pokécom los und einer dieser verfluchten, untalentierten Teenager plärrte so laut, dass es selbst ein Relaxo aufgeweckt hätte: »Hey, Rot. Ich muss dir was erzählen! Mein Rattfratz ist kein gewöhnliches Rattfratz, oh nein! Es ist das stärkste und schönste und klügste aller Rattfratz! Erst vor einem Augenblick hat es ein Raupy besiegt! EIN RAUPY!«
Das war der Moment ab dem ich gezwungen war, zu kämpfen. Selbstverständlich waren all die kleinen Fische kein Problem und langweilten mich mindestens genauso sehr, wie Glutexo, Porygon und Sichlor.
Ein Gutes hatte die Sache. Sie ersparte mir die weitere Suche nach Team Rockets Anführer Giovanni. Den schleppten die verzweifelnden Rüpel nämlich von sich aus winselnd zu mir, als sie endlich erkannten, dass ich jeden von ihnen mit Leichtigkeit das hart ergaunerte Geld aus der Tasche zog.
Das war vielleicht ein Mann, sage ich dir. Einem klischeehaften Film entsprungen, definitiv. Breite Schultern, teure Klamotten, ein Blick so kalt wie der Winter selbst. Es fehlte eigentlich nur noch ein schnurrendes Snobilikat an seiner Seite. Passenderweise schickte er genau so eines in den Ring, nachdem sein Onix den Kampf mit der Deckenhöhe frühzeitig aufgab und weil mich dieser Typ und sein Kätzchen so aus dem Konzept brachten entschied ich mich dazu, das als unbesiegbar angepriesene Pokémon in den Kampf zu schicken. Der Pokéball erstrahlte in einem grellen Licht, das mich blendete und ja, ich versuche dir das Finale meiner Geschichte gerade etwas bildlicher zu gestalten, also hör gefälligst richtig zu. Andererseits gibt es an dieser Stelle eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Als Trainer hat man nun einmal die doofe Angewohnheit, ständig auf den Rücken seines Pokémon zu starren, was sich in diesem Fall als ziemlich verheerend herausstellte. Das blöde Vieh war nämlich ein Ninjatom.Da ist man ein Mal unvorsichtig, glotzt eine Sekunde zu lange in den hohlen Panzer eines toten Käferpokémon und schwuppdiwupp ist die Seele weg und eine vielversprechende Trainerkarriere vorbei. Ich wette, dieser miese Blau ist inzwischen der Champ und sitzt auf meinem Thron! Nun ja, ich kann es nicht mehr ändern.
Aber weißt du, was mir gerade auffällt? Deine Welt ist anscheinend nichts anderes, als der leere Körper eines Ninjatom. Das würde auch die Ähnlichkeiten erklären. Cool, nicht?…
Was meinst du damit, die Geschichte ist langweilig? Die Pointe ist unglaubwürdig? Es gibt keine Charakterentwicklung? Also bitte!
Wer ist hier der User?Irgendjemand muss die Gefahr erkennen. Vielleicht ist sie auch schon allen bekannt und sie wird ignoriert, das weiß ich nicht. In vielen Filmen wurde die Herrschaft der Maschinen über den Menschen prophezeit, und niemand scheint sich für unseren gefährlichsten Feind zu interessieren.
Das Smartphone.
Ich ziehe die Schultern ein Stück hoch, weil mir eine eiskalte Windbö entgegenkommt. Überrascht bin ich nicht, schließlich ist es schon Ende November. Diese Temperaturen sind verhältnismäßig normal. Eine meiner braunen Strähnen wird mir ins Gesicht geweht. Ich wische sie ungeduldig weg.
Rechts und links stehen schon die ersten Stände des Weihnachtsmarkts, der seit kurzer Zeit geöffnet hat. Lichterketten, Weihnachtskugeln und goldene Sterne hängen an den Dächern und Fassaden der Geschäfte. Im Schaufenster neben mir sehe ich mein durchgefroren wirkendes Spiegelbild. Die Haare fallen mir bis auf den Rücken. Unter einem meiner grünen Augen befindet sich ein kleines Tattoo in Form eines Sterns. Auf meinem Kopf sitzt eine weiße Wollmütze, die meines Erachtens gut zur schwarzen Winterjacke passt. Jeans und Stiefel runden das Outfit ab.
Die Fußgängerzone ist mal wieder viel zu voll, alle paar Meter muss ich einem weiteren Menschen ausweichen. Und wenn ich mir so ansehe, wie die unterwegs sind, kommt mir beinahe die Nudelsuppe wieder hoch, die ich vor nicht einmal einer halben Stunde zu einem exorbitant hohen Preis erstanden habe. Hätte ich gewusst, dass ich direkt im Anschluss zum Weihnachtsmarkt geschleift werden würde, wäre mein Magen leer geblieben.
„Kari? Alles okay? Du machst ein Gesicht, als hätte dir der Allmächtige die dritte Periode dieses Monats gegeben.“ Ich werfe einen genervten Blick über die Schulter.
„Lass den Mund am besten zu, Gabriel“, erwidere ich freundlich. Gabriel ist mein Kameramann. Mit seiner Skijacke und den dicken Boots sieht er zwar aus, als würde er sich für eine Bergtour rüsten, aber ohne ihn könnte ich meine Videos nicht machen. Unsere Beziehung ist mehr als merkwürdig, aber dennoch freundschaftlich. Er fährt sich durch seinen schwarzen Schopf. Ich habe oft das Gefühl, Gabriel sei der einzige, der mich versteht. Wir sind ein Team.
„Musst du so aus der Wäsche gucken, wenn wir zusammen unterwegs sind? Es ist doch ganz nett hier. Guck mal, ein Glühweinstand.“ Tatsächlich passieren wir eine kleine Bude, aus der es verführerisch durftet.
„So gucke ich immer. Nicht nur, wenn ich mit dir rumhänge. Klar soweit? Was mich stört, sind diese ganzen...Menschen.“ Im Grunde sind nicht einmal die Menschen mein Problem, sondern Smartphones und diverse andere technische Spielereien, welche auf den Homo Sapiens Sapiens losgelassen wurden.
Die Hersteller dieser Geräte haben ohne Zweifel nicht mehr und nicht weniger als die Ausrottung der Menschheit im Sinn. Das Einschalten eines Smartphones in der Hamburger Fußgängerzone zieht das unweigerliche Abschalten aller fünf Sinne plus Großhirn des Users mit sich. Sollte ein Smartphone-Besitzer das Pech haben, auf einen Artgenossen zu treffen, führt das zum Tod durch das Aufeinanderprallen zweier ebenso blinder wie unaufhaltsamer Körper. Fälle, in denen ganze Großfamilien simultan auf ihre Bildschirmchen gestarrt und darum die drohende Gefahr eines U-Bahnschachts zu spät bemerkt haben, sind allerdings auch schon bekannt. Jeder Hilferuf über Whatsapp kam zu spät.
„Pass doch auf, Mädchen!“, werde ich angefahren. Ich verkneife mir die bissige Bemerkung und drängele mich einfach an dem Mann vorbei, der natürlich ein Smartphone in der Hand hält. Darum hat er mich nicht kommen sehen. Immerhin hat er mir mit seinem Kommentar gezeigt, dass wenigstens seine Emotionen noch funktionieren. Gabriel lässt bei dem Manöver beinahe seine Tüte mit gebrannten Mandeln fallen.
„Was ist dem denn über die Leber gelaufen?“, wundert er sich.
„Sein Handy.“ Eine passendere Antwort gibt es nicht.
Ich würde ja selbst Platz machen, das wäre kein Problem, aber das Risiko, dass der Person vor mir direkt im nächsten Moment ein Befehl vom Smartphone vorgegeben wird, sie solle doch bitte den Kurs wechseln, ist mir einfach zu groß. Außerdem kann ich die Existenz der „Lauf links, lauf rechts“-App, welche ein erfolgreiches Ausweichen mittels schneller Richtungswechsel unmöglich macht, nicht ausschließen. Eine Feldstudie hat ergeben, dass man in solch einem Fall am besten stehen bleiben sollte. Der entgegen kommende Smartphone-Benutzer wird (hoffentlich) bemerken, dass es ein Hindernis gibt, ergo bleibt er ebenfalls stehen. Allerdings lässt er seinen Bildschirm nicht eine Sekunde lang aus den Augen. Weitere Menschen, die ein Smartphone in Gebrauch haben, werden ihrerseits hinter ihm anhalten, sodass man einen kleinen Stau in der Fußgängerzone verursacht. Wer hier der wirkliche User ist, scheint unklar.
Ein weiteres Paradebeispiel sorgt einige Meter weiter fast dafür, dass zwei kleine Mädchen zu Boden gehen. Gerade im letzten Moment können sie ausweichen. Als ich sehe, dass auch sie jeweils ein Smartphone in der Hand halten, halte ich unwillkürlich für einige Sekunden den Atem an. Ich komme sozusagen live in den Genuss einer neuen Generation Befallener. Noch sind sie jung. Noch könnten sie gerettet werden. Aber wer unternimmt da etwas? Die Eltern? Nein, die haben doch viel zu viel zu tun. Wenn die Kinder von Playstation, Smartphone und Fernsehen abgelenkt werden, haben sie immerhin mehr Zeit für ihre eigenen Gedanken. Ob dies allerdings die individuelle Entwicklung des Kindes positiv beeinflusst, wenn eine Beziehung zu den Eltern fehlt, ist unklar.
Und genau das scheint der zweite, wesentlich perfidere Plan hinter den Smartphones zu sein. Wenn man die Menschen schon nicht direkt damit umbringen kann, dann isoliert man sie wenigstens. Nach nur einigen Wochen sind sie abhängig genug von ihren Spielzeugen, dass sie gar nicht mehr merken, wie ihr eigenständiges Denken nachlässt und sie immer öfter zum Smartphone greifen. Diejenigen, die mir hier beinahe die Nudelsuppe wieder abringen, befinden sich im Endstadium.
Ein einzelnes Smartphone kann selbstverständlich ziemlich viel. Sonst würde es sich ja nicht so gut verkaufen. Unter dem Deckmantel der Arbeitserleichterung plant es seinen Feldzug gegen die Menschheit.
Diese Dinger sind relativ leicht zu bedienen. Den normalen Desktop vom Computer gibt es hier nicht mehr, statt einer Maus benutzt man also den eigenen Finger. Jeder Befehl wird per Hand eingegeben. Ein Haufen bunter Symbole bevölkert den Bildschirm eines jeden Smartphones, das sind die sogenannten Apps. Natürlich steigt der Schmutzpegel auf dem Touchscreen proportional zur Benutzung, sodass man sich quasi stündlich gezwungen sieht, ihn sauber zu machen.
Die Vielfalt an Apps ist sogar dermaßen gewaltig, dass nahezu jedes uns bekannte Verb vom Smartphone ausgeführt werden kann. Rechnen, suchen, wecken, filmen, kochen, töten, alles kein Problem. Man soll sogar damit telefonieren können, obwohl ich dies in Natura noch nie selbst erlebt habe und es daher als Mythos ansehen muss. Whatsapp wird momentan als der geheime Pate der Appfamilie gesehen, da er mit tödlicher Präzision jede Aktivität sämtlicher User protokolliert und aufzeichnet. Kommunizieren also Person A und Person B miteinander, wird Person A mittels zweier blauer Häkchen angezeigt, dass Person B seine Nachricht gelesen hat. Damit soll indirekt dafür gesorgt werden, dass sich Person B ständig beobachtet fühlt und schwere Paranoia entwickelt.
Auf einer Bank, die sich einige Meter weit von uns entfernt befindet, sitzen 4 junge Frauen nebeneinander und haben jeweils ein Smartphone gezückt. Wahrscheinlich chatten sie gerade miteinander. Dank des Smartphones ist das Social Life absolut kein Problem mehr – für niemanden. Sogar diejenigen unter uns, die keinen Chatpartner haben, können auf eine virtuelle Lebensform namens „Siri“ zurückgreifen, welche im Smartphone wohnt und ihren Besitzer mit der erfrischenden Ausdauer eines Zeugen Jehovas unterhält. Dabei sind ihre Antworten generell beleidigend oder herablassend. Am liebsten jedoch beides zugleich. Auf die Frage, wo sich denn das nächste McDonalds befinden könnte, antwortet Siri: „Ich wusste schon immer, dass du fett wirst.“
„Wie lange bleiben wir hier?“, erkundige ich mich. Gabriel zuckt kurz mit den Schultern. Eine Bewegung, die Gleichmütigkeit bedeutet. Er lässt sich von meiner Ungeduld nie aus der Ruhe bringen. Sein Rucksack hüpft bei jedem Schritt auf und ab. Ich weiß, dass sich darin seine zwei Kameras und das Mikrofon befinden.
„Unwichtig. Uns drängt niemand. Weißt du, wenn du mal lächeln würdest, wärst du gleich tausendmal hübscher, hat dir das mal jemand gesagt?“ Sein Anmachversuch ist zwar irgendwo niedlich, aber momentan habe ich schon mit dem Studium und der Verwaltung meines Youtube-Kanals mehr als genug zu tun. Da bleibt keine Zeit für mehr als gelegentliches Austoben.
„Nein.“ Mein Blick wandert kurz zu einer großen, digitalen Reklametafel an der nächsten Fassade, die dem Betrachter versprechen, er würde mit diesem oder jenem neuen Mantel nie wieder Hunger leiden oder Kälte verspüren.
Den Menschen wird nicht einmal ein Vorwurf gemacht. Von allen Seiten werden sie zugedröhnt von Fernsehen, Internet – den Massenmedien schlechthin. Die Ärmsten haben keine Chance. Nur wenige können dank eiserner Disziplin und einer Geduld aus Titan diesem Strom aus Informationen widerstehen. Mein Lieblingsbeispiel für solche Informationen ist die Waffengewalt in Amerika. Dreißigtausend Tote haben die da pro Jahr, das muss man sich erst einmal vorstellen. Kanada kommt genauso leicht an Waffen wie ihre schießfreudigen Nachbarn, dennoch ist die Todesrate dort viel niedriger. Muss wohl an der geringeren Verbreitung von Smartphones liegen.
Die engsten Verbündeten dieser vom Satan gesandten Geräte sind eben besagte Medien. Rassismus wird in Amerika genauso unterschwellig propagiert wie die blanke Angst, die den Bürgern in die Hirne getrieben wird, sobald sie den Fernseher anschalten. Dabei macht die Polizei dort einen guten Job, im Grunde sinkt die Kriminalität sogar. Davon hört man allerdings nichts in den Medien. Nicht ein bisschen. Die Worte meines alten Mathelehrers kommen mir in den Sinn.
„Ein Taschenrechner ist nur so gut wie diejenige, die ihn bedient“, sagte er oft. Dass dieser Grundsatz für alle Maschinen gilt und es eben so „böse“ statt „gut“ heißen könnte, ahnte damals noch niemand.
Und auf dem Feuer der Unwissenheit der Bevölkerung kochen die Vertreiber der Smartphones ihr garstiges Süppchen. Es gibt einige, seltene Exemplare der Menschheit, die ihr sich extra in einen Bereich am Rand der Straße stellen, an dem sie niemanden stören, bevor sie das Gerät einschalten. Die erkennt man dann meistens an den Kopfhörern, die sie zusätzlich tragen, weil sie die Informationsflut nur durch entspannende Musik aushalten. Als sei das noch nicht genug, haben offenbar ausschließlich die Politiker und Lobbyisten die zerstörerische Macht der Smartphones und Konsorten erkannt und nutzen sie für ihre Zwecke.
„Du lügst doch. In deinen Videos blühst du regelrecht auf. Ich habe gesehen, wie deine Fans in der Comment-Section quasi ausflippen.“ Es gibt Menschen, die haben schwere Probleme damit, die Gemütslage ihrer Freunde richtig zu lesen. Gabriel hat es sich zum Ziel gesetzt, zu beweisen, dass meine grimmige Einstellung oft nur gespielt ist. Ich bin sicher, dass er das schafft. Genau dann, wenn Obama den Waffenhandel einschränkt.
Bei den mittlerweile auch schon auftretenden Schusswaffendelikten von kleinen Kindern sind die Medien allerdings oft sprachlos. Ich selbst halte es für eine Superidee, dem Kind zur Verteidigung eine solche Waffe mitzugeben. Immerhin könnten seine Mitschüler und Mitschülerinnen auch eine haben. Man weiß in Amerika nie, wer eine hat. Die Hausfrau aus Macon, Georgia, macht sich Tag für Tag Sorgen um ihre Familie. Die in New York genauso. Darum ist es nicht weiter verwunderlich, dass es immer mehr und mehr Waffenbesitzer gibt. Dass man Feuer auch mit Wasser bekämpfen kann, will dort niemandem in den Schädel.
Was also tut der Präsident? „I WANT CHANGE“ steht auf seinen Flaggen, auf seinen Wahlplakaten, und womöglich auch auf seinem Bettzeug. In Amerika bedeutet „Change“ aber auch so viel wie „Wechselgeld“, könnte es sein, dass wir ihn all die Jahre missverstanden haben? Kein Wunder, dass er so schnell graue Haare bekommt und immer trauriger aussieht. Seit 6 Jahren fragt er nach Wechselgeld, und niemand hört ihm richtig zu. Diese zum Himmel schreiende Gerechtigkeit muss dringend Publik gemacht werden.
Vor Kurzem erst hat ein Grundschüler mehrere seiner Klassenkameraden erschossen. Obama zeigte sich erschüttert, mit gebrochenem Herzen. Er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um die Verbreitung von Waffen einzuschränken.
Damit fängt er sicherlich gleich im nächsten Januar an. Nur Vertrauen.
„Die sehen nur, was sie sehen wollen. Dabei sollen sie sehen, was wirklich ist. Solange die Botschaft nicht ankommt, nützt das alles nichts“, murre ich. Ich habe mit Youtube angefangen, weil irgendjemand anfangen muss. In meinen Videos stelle ich meistens Dinge vor, die von den Nachrichten aus irgendwelchen mir nicht bekannten Gründen übersehen werden. Auf den Scheuklappen der Redaktion steht allerdings nicht umsonst dick und fett „Lobby“ geschrieben.
Während ich gemeinsam mit Gabriel weiter die irdischen Freuden des Weihnachtsmarktes erkunde, denke ich nach. Um Ebola scheint sich auch niemand mehr zu kümmern. Jedenfalls sehe ich in den Medien kaum mehr etwas darüber. Das muss doch heißen, dass die Seuche geheilt ist, oder? Ein Hoch auf die moderne Wissenschaft! Womöglich werden schon in diesem Moment Kanister voller Impfstoff nach Afrika gebracht, um der dortigen Bevölkerung zu helfen.
Oder vielleicht fliegt auch gerade ein Einhorn über Westafrika, welches Regenbögen aus den Augäpfeln schießt und damit jeden Menschen, den es trifft, immun gegen jede Krankheit dieser Erde macht. Ich bin gerne optimistisch. Auf „gegessenen“ Themen reite ich allerdings nicht gerne herum, das würde die Zuschauer nur langweilen.
Wir kommen an einem älteren Herrn vorbei, der sein Smartphone wiederholt nach links und rechts dreht. Der Grund dafür kann nur die digitale Tastatur sein. Genau wie das Gerät, in welches sie eingebaut ist, entwickelt auch sie ein Eigenleben. Ihr einziger Lebenszweck scheint die Folter ihres Besitzers zu sein. Um das zu erreichen, hat die Tastatur eine Menge teuflische Tricks auf Lager. Manchmal erscheint sie gar nicht, dann wiederum erscheint sie so groß, dass der halbe Bildschirm von ihr verdeckt wird, und manchmal stellt sie sich auch quer. Eine Vorhersage, welches Verhaltensmuster sie beim nächsten Mal zeigen wird, ist nicht möglich. Erst, wenn der Benutzer bei jedem Versuch in Schweiß und Tränen ausbricht, weil er es einfach nicht mehr ertragen kann, zeigt sich die Tastatur versöhnlich und beginnt, richtig zu funktionieren. Zumindest für ein paar Sekunden.
Die Tastatur hat auch ein paar gute Kumpels, die allesamt in Tablets und Smartphones einprogrammiert sind: Touch-sensible Fotoalben. Je nachdem, wie man fotografiert, erscheint das Bild entweder zu klein oder horizontal, und wenn der User versucht, es per Multi-Touch zurecht zu schieben, geht das Spiel von vorne los. Tödlich ist dies zwar nicht, aber es dient ebenfalls der stetigen, psychischen Zerrüttung des arglosen Opfers.
„Ich weiß, wo es die besten Mandeln von ganz Hamburg gibt. Hast du Hunger?“, fragt Gabriel eine Weile später.
„Du hattest doch vorhin erst eine große Tüte!“
„Na und? Du aber nicht. Und über was denkst du eigentlich die ganze Zeit nach?“
Ich antworte nicht sofort, sondern sehe einem Jungen dabei zu, wie er sich bei seiner Mutter über ein verbogenes iPhone beschwert. Erste Anzeichen für den geplanten Massensuizid dieser Geräte sind schon publik gemacht worden. Ihr Ziel ist offensichtlich, aber niemand kommt darauf.
Mein Blick sucht den Gabriels.
„Unwichtig. Her mit den Mandeln.“Der Mensch stammt vom Hühnchen ab
Schon immer besaßen die Menschen einen unstillbaren Wissensdurst, egal, ob es um Physik, Biologie, Kultur, das All oder Gott ging. Alles musste erforscht sein, alles bewiesen, weshalb wir selbst eine alte physikalische Formel besitzen, die die Existenz Gottes beweist - oder nicht. Es kann nämlich keiner lesen, was dort geschrieben steht. Vielleicht geht es in der Formel auch gar nicht um Gott sondern um Hosen, aber da ein Mensch behauptete, es würde um Gott gehen, wird das wohl stimmen. Denn der Mensch ist ein universelles Wesen, allen anderen Tieren überlegen, da er sich durch seine Evolution perfekt an jede erdenkliche ökologische Nische anpassen konnte. Folgen wir dieser These, wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis uns Kiemen wachsen. Immerhin besitzen Embryonen in einer gewissen Phase ihrer Entwicklung Kiemenansätze, die manche Menschen sogar tatsächlich ausbauen. Dass uns dann allerdings die richtigen Lungen fehlen würden, um sie zu benutzen, ist nicht so schlimm. Immerhin sind wir doch die höchste Stufe der Evolution. Nun, aber ob und wie wir diese durchlaufen haben, ist nicht ganz geklärt. Und das, obwohl es bereits so unendlich viele Diagnosen und Theorien zu unserer Herkunft gibt.
Da wären einerseits die diversen Entstehungsgeschichten seitens der Religion, wie zum Beispiel die tragische Liebesromanze zwischen Rangi und Papa - wobei Papa doch tatsächlich der Weibliche der beiden ist - oder der Super Action Fight in der Mythologie des Hinduismus, die alle eher einer Hollywood-Verfilmung ähneln als einer wahren Geschichte bei der Suche nach unserem Ursprung. Dennoch sollte - der Fairness halber - vielleicht eine Religion erwähnt werden, die seit Jahrtausenden alles tut, um jegliche Evolutionstheorien im Keim zu ersticken - das Christentum. Durchaus eine faszinierende Geschichte, in der die Schöpfung dem weihnachtlichen Plätzchen Backen gleicht. So wird der Mann doch wie ein Teig geformt und verziert, nur um dann aus einer seiner Rippen die Frau zu erschaffen. Bestimmt ist jede Feministin vollkommen davon überzeugt, dass wir alle eigentlich nur ein Teil des Mannes sind und ohne ihn gar nicht existieren könnten. Spinnt man diesen Gedanken weiter, bedeutete das, jede Frau war einst ein Mann. Hieße dies also, dass jede Lesbe in Wirklichkeit gar nicht lesbisch sondern schwul und jede Hetero-Frau in Wirklichkeit auch schwul ist? Somit wäre ebenso jeder hetero- als auch homosexuelle Mann schwul, wodurch man zu der Erkenntnis gelänge, dass absolut jeder Mensch auf der ganzen Welt schwul ist. Ist Heterosexualität also eine Erfindung der Kirche, um die weltweite Homosexualität zu verschleiern? Ein faszinierender Gedankengang, der nur noch von der Tatsache abgelöst werden kann, dass alle Menschen - nach christlichen Lehren - einem exzessiven Betreiben von Inzucht entspringen müssen, da außer den Kindern Adams und Evas keine anderen Menschen vorhanden waren, mit denen diese hätten kopulieren können, da Lilith - Adams erste Frau - ja leider bereits von Lucifer entführt wurde.
Ob die menschliche Dummheit wohl ihren Ursprung in genau diesem Prozess der Inzucht fand? Bestimmt hätten sich Forscher mit diesem Thema ausgiebig beschäftigt, wären ihnen nicht Wissenschaftler wie Lamarck oder Darwin zuvor gekommen.
Werfen wir doch einen genaueren Blick auf diese zwei Theorien, die die Bekanntesten der vorliegenden Evolutionstheorien darstellen.
Da wäre zum einen der Lamarckismus. Lamarckismus ist die Theorie, dass Organismen Eigenschaften an ihre Nachkommen vererben können, die sie während ihres Lebens erworben haben. Besagte Eigenschaften lassen sich durch den reinen Wunsch zur Veränderung oder die häufige und exzessive Benutzung von Körperteilen erreichen. Das Beispiel der Giraffe wird hierbei als häufigstes zu finden sein, sowenn man Lamarckismus in Google googelt. Jegliche andere Suchmaschine dürfte dies allerdings auch zufriedenstellend bewältigen. Da aber der Nachwuchs von Bodybuildern keine Bodybuilder-Babys aufweist, scheint diese Theorie wohl fehlerhaft. Bedauerlich, jetzt werden mir wohl keine Flügel wachsen, wenn ich lange mit meinen Armen wedelnd durch die Wohnung laufe.
Als nächste - und bekannteste - Theorie zählt der Darwinismus. Auch bekannt als Survival of the Fittest. Betrachtet man allerdings den heutigen Menschen, bin ich mir nicht ganz so sicher, wie man "The Fittest" zu verstehen hat. Nun gut, vielleicht sollte zuerst geklärt werden, was diese liebe Theorie denn überhaupt besagt. Darwinismus bezeichnet das Theoriensystem zur Erklärung der Artentransformation, wobei insbesondere die natürliche Auslese, sprich das Selektionsprinzip, im Vordergrund steht. Ergo, die am besten angepassten Wesen mit den meisten Nachkommen überleben und die weniger gut angepassten sterben aus. Deshalb sprang der Affe - laut Darwin - auch vom Baum, als der Regenwald durch das kalte und trockene Wetter weniger wurde und die Steppe ihren Platz auf der Erde festigte. Dass der Affe heute nicht ausgestorben ist, so wie es Darwins Theorie besagt, lässt sich wohl darauf zurückführen, dass noch genügend Futter im Regenwald vorhanden war, als die zukünftigen Menschen diesen verließen. Auf den ersten Blick klingt das doch wohl wie die ultimative Weisheit, wenn dies nicht auch einen Prozess der Inzucht voraussetzen würde. Hierbei werden nun die Affen als A, die besser Angepassten als B und deren Kinder als C bezeichnet. Zufällig besser angepasste Affen B kopulieren nun mit einander und zeugen ein Baby, das - wie sie - besser an seine Umwelt angepasst ist. Um diesen Vorteil nun weiter erhalten zu können, müsste dieses Baby C erneut mit jemand kopulieren, der besser angepasst ist. Aber dies ist nicht der Fall, da der Vorteil von B nur ein zufälliger Vorteil ist - so weit Darwins Theorie. Ergo müsste C nun entweder mit A kopulieren und seinen Vorteil verlieren oder es müsste erneut auf seine Eltern B zurückgreifen, damit sein Vorteil weiter getragen werden kann. Da wir Menschen nun Menschen und keine Affen sind, entschied sich C also für die zweite Variante, die Kopulation mit seinen Eltern bzw. könnte es auch mit seinen Geschwistern, also weiteren C kopuliert haben. Selbst bei mehreren Affen, die zufällig besser angepasst sind, würde es irgendwann in Inzucht verlaufen. Dieser Fall ist - wie vielleicht der ein oder andere weiß - bei den Tigern zur Zeit ein Problem. Aber laut Darwin müssen wir uns ja da keine Sorgen machen.
Heutige Wissenschaftler sind der Ansicht, sowohl Kirche als auch Evolutionsforscher liegen falsch, wobei sie doch so ein ganz kleines bisschen Recht haben. Die Rede ist hierbei von Rekombination von Chromosomen und Genen und diversen anderen Spielereien, die den Genpol erweitern. So stammen wir also nicht vom Affen, ab, haben aber gemeinsame Vorfahren. Wären wir nicht hierauf gekommen, so wären uns bestimmt solch geniale Funde wie der Homo Erectus Erectus verloren gegangen.
Allerdings, wenn wir nun nicht vom Affen abstammen, von was stammen wir dann ab? Verzweifelt suchen Forscher seit Jahren nach dem sogenannten "Missing Link". Behauptungen werden aufgestellt und bevor man überhaupt "Banane" sagen kann, heißt es bereits, die Behauptungen wären totaler Blödsinn. Vielleicht suchen die Forscher auch nur falsch? Vielleicht ist unser Ursprung gar nicht in der Vergangenheit zu suchen, sondern im Hier und Jetzt? Ist eigentlich schonmal je jemand darauf gekommen, dass wir vom Hühnchen abstammen könnten? Denn wenn man genau hinsieht, kann man auch einige gemeinsame Merkmale zwischen dem menschlichen und dem hühnischen Skelet erkennen. So hat der Schädel - ohne den Schnabel - eindeutige Ähnlichkeiten mit der Form unseres Gehirns. Und auch das Skelett weist eine S-Form auf, sprich, es hat einen aufrechten Gang, der als die Errungenschaft des Menschen gepriesen wird. Genauso wie das Huhn besaß auch der Mensch einst einen Schwanz, genauso wie viele andere Körperteile des Hühnchens auch beim Menschen zu finden sind: Schädel, Halswirbel, Brustkorb, Ober- und Unterschenkelknochen, Oberarm und Unterarm mit Elle und Speiche. Wer weiß, vielleicht entspringen wir also doch dem Huhn!?
Eine (für alle anderen) lustige BusfahrtIch schaue auf die Uhr und mich trifft der Schlag. Dieser Bus hat tatsächlich schon zwei Minuten Verspätung! Nicht fähig, meine Wut zu kontrollieren trete ich gegen den einzigen Gegenstand in meiner Reichweite, was in diesem Fall unglücklicherweise eine Straßenlaterne ist. Der Schmerz durchzuckt mich wie ein Blitz und natürlich kommt jetzt der Bus um die Ecke gebogen.
Sofort nachdem ich eingestiegen bin, stelle ich den Busfahrer zur Rede: „War es etwa Ihre Absicht mir Schmerzen zu bereiten, mein Herr?“ „Aber natürlich war es das“, entgegnet der Busfahrer, „Diese ganze Busfahrt wird nur dazu da sein, um Ihnen den Tag zu vermiesen.“ Ich bemerke nicht, dass er mir danach einen Vogel zeigt, da ich viel zu sehr damit beschäftigt bin, einen freien Platz zu ergattern. Und tatsächlich habe ich Glück. Als der Bus losfährt, habe ich einen Viererplatz für mich allein. Allerdings nur bis zur nächsten Haltestelle. Denn am Hauptbahnhof kommen die Menschenmassen und ich weiß jetzt schon, ich bekomme wie immer den unangenehmsten Sitznachbarn. Aber für einen kurzen Moment schöpfe ich Hoffnung, dass alles doch nicht so schlimm werden könnte, da der Mann, der sich neben mich setzt, zwar beleibt ist, doch mit den seinem schwarzen T-Shirt und den blauen Jeans recht durchschnittlich aussieht. Leider holt der Mann, sobald er es sich bequem gemacht hat, seinen MP3 Player aus der Tasche und steckt sich seine Stöpsel in die Ohren. Diese erfüllen allerdings nicht ihren eigentlichen Zweck. Da die Hardrock-Musik auf volle Lautstärke eingestellt ist, dringt diese Ohrenvergewaltigung gut hörbar an mein Trommelfell. Was gäbe ich jetzt für Udo Jürgens neben mir, anstatt dieser geschmacksverirrten Person.Und als würde die Lärmbelästigung nicht schon reichen, offenbart mir mein Sitznachbar auch noch, den Grund für seine Statur. Er knuspert sich nämlich regelrecht von Bushaltestelle zu Bushaltestelle. Es werden Chips, Schokolade und sonstige ungesunde Lebensmittel aus allen zur Verfügung stehenden Nischen geholt und verspeist.
Trotz dieser Kombination aus E-Gitarren Klängen, genüsslichem Schmatzen und Krümeln auf meinem schönen Anzug gelingt es mir ungewöhnlich lange, meine Geduld zu bewahren. Aber als der Mann zum großen Finale ansetzt und ich den Inhalt der braunen Tasche, die er auf seinen Schoß hebt erblicke, geht es mit mir durch. Empört über die etlichen Pringles-Dosen brülle ich meinem Nebenmann an: „Schön und gut, dass sie Musikliebhaber sind, aber ich empfinde es als sehr störend wenn ich mir diese Misstöne in meinem Ohr über die gesamte Fahrt gefallen lassen muss! Darüber hinaus ist Essen in diesem Bus nicht gestattet!“ Allerdings bringt mir dieser Auftritt außer den entsetzen Blicken einiger anderer Mitfahrer nichts, denn der Mann neben mir lauscht weiter seiner Musik, ohne mich, oder meine Worte wahrzunehmen. Da meine Bemühungen vergebens sind, muss ich von Hilfe von außen hoffen. Und tatsächlich scheint es so, als würde die am Forstbachweg kommen, als eine ältere Dame auf uns zukommt.
Ich muss ein Grinsen wegen der Schadenfreude verkneifen, denn gleich wird mein Nachbar diesen Behindertenausweis im Gesicht haben, in dem steht, dass der Besitzer zu 1,5% behindert ist und wird deshalb seinen Platz räumen müssen. Und dann sitzt eine stille, nicht Musik hörende Frau neben mir. Doch als sich die ältere Frau aber neben uns aufgebaut hat, habe ich auf einmal den Behindertenausweis im Gesicht. Dazu wird mir schon fast diabolisch gesagt: „Ich würde gerne am Fenster sitzen, junger Mann.“ Somit bin ich gezwungen, mich auf den Gang des Busses zu quälen, indem ich mich mühsam an den Knien meines Nachbarn vorbeischiebe, da der natürlich nicht aufsteht.
Frustriert stehe ich nun da. Wenigstens konnte ich mir einen Platz weit weg von den Hardrock-Klängen suchen. Als allerdings am alten Rathaus eine junge Frau mit Kinderwagen einsteigt, sehe ich mich mit der nächsten Person mit Kopfhörern neben mir konfrontiert, nämlich dem Baby im Kinderwagen.Zunächst starre ich verdutzt den Knirps an, der eigentlich die typischen Babylaute von sich gibt, allerdings in viel zu regelmäßigen Abständen, als das das normal sein könnte. Irgendwann kann ich dann nicht anders, als die Mutter zu fragen: „Gute Frau, hat es irgendetwas damit auf sich, dass ihr Kind Kopfhörer trägt?“ Stolz antwortet die Mutter: „Der Junge übt Englisch.“ Ich höre noch einmal ganz genau hin, aber eine Ähnlichkeit von Lauten wie „Dada“ oder „Laulu“ zu der englischen Sprache kann ich nicht feststellen. Als ich die Mutter deshalb weiterhin fragend ansehe, fügt sie hinzu: „Es ist eine Listen and Repeat-Übung. Und der kleine Heinrich macht das ganz toll!“ Ich bin entsetzt und versuche die junge Frau zur Vernunft zu bringen: „Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich habe den Verdacht, dass Ihr Sohn einfach nur irgendwelche Laute ruft, sobald er die Stimme aus dem Kopfhörer hört.“ Jetzt habe ich die Mutter verärgert. Mit einem bellenden Ton entgegnet sie: „Nein, mein Heinrich ist hochbegabt! Es hapert nur etwas an der Aussprache, aber deswegen übt er das ja jetzt auch.“ „Woher wissen Sie denn, dass Ihr Sohn hochbegabt ist, in dem Alter?“ „Eine Mutter weiß sowas eben!“ Ich sehe ein, dass weitere Diskussionen keinen Sinn haben, nicke einfach nur und wende mich dann dem Fenster zu.
Bis zur Lohstraße habe ich dann endlich etwas Ruhe. Niemand redet mit mir. Es ist herrlich. Und am Sandweg kann ich mich auch wieder auf einen Vierer setzten. Doch dann, an der Haltestelle Bürgerhaus kommt der Horror! Der Bus wird überschwemmt, von Schülern, die im Rausch des Schulschlusses kreischen, spielen und toben. Es ist das Grauen. Und als wäre dieser nervtötende Lärm nicht schon genug, bin ich sofort von diesen kleinen Monstern umzingelt. Dann geht die Fragerei los. Aber bei Fragen so vielen banalen Fragen, wie „Wie heißt du?“ oder „Als was arbeitest du?“, die selbstverständlich immer mit „Das geht dich nichts an!“ beantwortet werden, wird man früher oder später bekloppt. Deshalb sehe ich mich gezwungen, zum letzten Mittel, das mir zur Verfügung steht, zu greifen. Obwohl ich alle Sklaven der Technik verabscheue, habe ich für Notfälle bei jeder Busfahrt einen IPod dabei, mit dem ich nun endlich kultivierten Klängen lauschen kann. Doch als ich ihn aus meiner Anzugstasche hervorhole, meint das Mädchen, das gegenüber von mir sitzt und nicht älter als neun Jahre sein kann, verächtlich: „Ich das dein IPod? Da hat ja selbst meine kleine Schwester einen größeren.“
Ich wurde gerade von einer Schülerin gedisst, wie sie es vermutlich sagen würde. Der Schock sitzt so tief, dass ich erst mal sprachlos verharre. Und dann bemerkt auch noch eine der Nervensägen, dass etwas an meiner Hand fehlt. Erstaunt sagt der Junge dann: „Du bist ja gar nicht verheiratet. Hat dich etwa keiner lieb?“ Das nutzt das Mädchen zum nächsten Hieb: „Mich würde es nicht wundern, wenn den keiner lieb hat.“ Mir ist zum Weinen zu Mute. Keine weitere Sekunde möchte ich in diesem Hexenkessel bleiben. Deshalb nutze ich die Gelegenheit, springe auf und hechte aus der sich gerade öffnenden Tür. Lieber laufe ich die paar Kilometer bis nach Hause, als das ich noch mehr komischen Gestalten in diesem Bus begegne. Der Busfahrer hat recht gehabt.Fischgerichte am Anfang des Seins
Lilly schlug blindlings auf den grummelnden Schädel ein, der auf dem Nachttisch neben ihrem Bett stand. Kein anderes Souvenir war aus ihrer postkindlichen Gothic-Phase übriggeblieben, doch diesen Wecker hatte sie behalten. Daraufhin öffnete die junge Frau ermüdet die Augen und schubste ihren schwarzen Kater von der Decke, der es sich über Nacht auf ihrem Torso bequem gemacht hatte. Mit einem unglücklichen Miauen stob er aus dem Zimmer. Fast jeder Tag im Leben dieser jungen Frau startete auf diese Weise, doch der heutige Tag würde wie kein anderer verlaufen, und dessen war sie sich völlig bewusst. Ich bin hier, um euch die Geschichte der jungen Lilly zu erzählen, und wie sich an einem Tag alles, was sie bis dahin zu wissen glaubte, völlig auf den Kopf stellte.
Lilly räkelte sich aus ihrem Bett, tapste zu ihrem Wandschrank, und erschrak kurz, als sie ihre eigene Gestalt im großen Spiegel sah, der daran hing. Ihre Haut wirkte bleicher als je zuvor, dunkle Ringe umtobten ihre Augen und sie sah insgesamt aus, als wäre sie letzte Nacht verstorben. Sie schüttelte beklagend den Kopf, zog sich an und trat hinaus in ihr kleines Wohnzimmer, auf dessen Sofa immer noch die Dame lag, der Lilly ihren jetzigen Zustand zu verdanken hatte. Dann knurrte ihr Magen.
»Hättest du mir nicht wenigstens sagen können, wie ich an etwas zu Essen komme?«, beschwerte sie sich, doch das schlafende Wesen gab keine Antwort. Stattdessen erblickte Lilly den Sabber und wie er aus dem Mundwinkel der Halbfremden langsam auf das schwer zu reinigende Sofakissen floss.
Wenig später hatte Lilly ihre Wohnung verlassen und befand sich auf dem Weg zur städtischen Bibliothek, die sie sonst nur besuchte, um für ihr im Grunde völlig irrelevantes Studium zu recherchieren. Sie machte sich einige Sorgen und spätestens als sie vor den riesigen Pforten des schlossartigen, immensen Bauwerks stand, das einen Großteil der Bücher dieser Stadt enthielt, begannen ihre Beine zu bibbern. Früher – vor vielen Jahrzehnten – hatte es sich bei diesem Gebäude um einen Dom, eine riesige Kirche gehandelt, bis zur Umgestaltung.
»Kannst du etwa nicht rein?«, fragte ein alter Narr, der neben der Eingangspforte auf einer Bank saß und in die Morgenkälte hineinatmete. Lilly biss in ihren von ihrer Atemluft durchweichten Schal, während sie vorsichtig zu ihm schielte, um sicherzugehen, dass er mit ihr sprach. Er wies auf den Platz neben sich und irgendwie konnte die Frau nicht anders, als sich dort hinzusetzen.
»Bist wohl noch nicht lange Vampirin, was?«, nuschelte er in seinen grauen, störrischen Bart und jagte ihr gleichzeitig einen gehörigen Schrecken ein. »Sag bloß! Wie heißt du denn?«
»Woher«, fragte Lilly langsam, »wissen Sie, dass ich Vampirin bin?«
»Du trägst bei milden zehn Grad Kleidung, als wär tiefster Winter, deine Augen zeigen Zeichen einer Arteriophyxie, wie sie nur kurz nach der Verwandlung auftritt, dein Körper emitiert keinerlei Eigenwärme, du kannst ohne Einladung kein Gebäude betreten und deine Haare riechen nach Tod.«
»Das ist mein Shampoo!«, versuchte sich Lilly zu verteidigen, doch es schien nicht zu helfen. »Außerdem, das ist ein öffentliches Gebäude! Warum sollte ich eine Einladung brauchen?«
»Weil es mal eine Kirche war!«
Der Mann setzte sich den Detektivhut auf, der in seinem Schoß gelegen hatte, und steckte sich eine Pfeife in den Mund. »Wie dem auch sei«, fuhr er fort, »was führt dich her?«
Lilly atmete tief ein und aus, bevor sie die Worte suchte, die ihre momentane Situation treffend beschreiben würden: »Ich suche nach einer Heilung für … für …«
Ihre Stimme brach kurz, doch der Alte ließ nicht ab. Dann sprach sie im Flüsterton weiter: »Wenn ein Vampir das Blut einer Jungfrau trinkt, dann … dann …«
»VAMPIRSEELENSCHWÄCHE?«, brüllte der Mann laut und Lilly fuhr furchtbar zusammen. »Bevor du ein Mädel aussaugst musst du doch fragen, ob sie …! Meine Güte, die Jugend von heute wird immer unvorsichtiger! Jedenfalls wirst du im offenen Okkultismusabschnitt der Bibliothek nichts finden. Es gibt aber einen Bereich der Bibliothek, der nur den Kreaturen der Nacht und ihren Alliierten zugänglich ist … dort könntest du möglicherweise fündig werden.«
Lilly sah hoffnungsvoll auf.
»Schau in der historischen Abteilung nach, in einer Ecke findest du die Literatur der Jahre 1887 bis 1889. Dort wurde ein Mechanismus installiert, der eine versteckte Tür zur geheimen Abteilung öffnet.«
»Was passiert, wenn den jemand durch Zufall findet?«
»Unfug! Wer liest schon Sekundenstil? Du musst einfach irgendein Buch herausziehen, dann öffnet sich die Tür.«
Daraufhin stand er auf, schritt zum Eingang der Bibliothek und hielt Lilly die Tür auf. »Sie mögen Eintreten, holde Dame!«
Mit einem Lächeln, das tote Hamster hätte erschrecken können, schritt sie dankbar an ihm vorbei.
Im Inneren des Gewölbes fand sie sein erschreckendes Durcheinander vor, das sich aber, wie es der Mann prophezeit hatte, immer weiter in Luft auflöste, je näher sie der Abteilung Naturalismus kam. Schwer atmend stand sie schließlich vor dem ersehnten Bücherregal, stupste an einem der Papierbündel herum und fand sich alsbald in einem dunklen, von Kerzenlicht beleuchteten Gang wieder, an dessen Ende ein Mädchen von vielleicht siebzehn Jahren über ein Blatt Pergament gebeugt mit Tinte Zeichen auf ein Blatt Papier malte. Als sie Lilly erblickte, stand sie auf.
»Was bist du?«
»Vampirin«, antwortete Lilly.
»Vampirin? Nun, ich bin eine normale Menschin. Schön, dass du da bist. Was willst du hier?«
Das kohlrabenscharze, gelockte Haar des hübschen Mädchens umtänzelte ihren Kopf, während sie den Eingang hinter Lilly wieder zuschob. Dabei geriet ihr Blick auf die Bluse, die das Mädchen trug – sie bestand aus fein verarbeiteten unzählichen Fischschüppchen, die einen leuchtenden Meeresglanz ausstrahlten.
»Ein Heilmittel für … Vampirseelenschwäche …«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein, du bist die dritte diesen Monat! Was ist so schwer daran, nachzufragen, bevor … Moment«, hielt sie inne und begann, an Lilly herumzuschnüffeln, die gerade ihre Jacke an den Haken gesteckt hatte, »du hast keine Vampirseelenschwäche! Bist du ein Junkie?«
»Es ist nicht für mich!«
»Natürlich nicht! Wann ist es das je?«, spottete sie. »Ich bin Amalia. Ich bringe dich zu unserem ›Arzt‹. Doch vorher musst du Handschuhe anziehen, sonst hält er dich für Material. Geh diesen Gang entlang, dann rechts, dann die Wendeltreppe herunter und dort die erste Tür links. Da ist die Umkleide. Bis gleich, ich komme nach.«
Lilly machte sich auf den beschriebenen Weg, und je weiter sie in den versteckten Komplex vordrang, desto mehr dumpfe Stimmen und Rufe konnte sie vernehmen. Einer der Räume stand sogar offen. Als sie hereinsah, erblickte sie eine Gruppe von Menschen, die einem schreienden Redner am Ende des langen Tisches zuhörten, wie er wild gestikulierte und die Leute mit seiner Spucke in seinen Bann zog.
»Jetzt wagt er es, wagt er es –«, erklärte er, »uns diese Beweisführung vorzulegen, UND DAS MIT EINER POLARISIERENDEN EINSEITIGKEIT, DIE MAN NICHTMAL« – er schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch – »VOM PLUSPOL EINES MAGNETEN ERWARTEN WÜRDE!«
Zustimmungsrufe erklangen, die Lilly das Signal gaben, weiterzulaufen. Neben der Tür hingen allerlei alte und versiffte Werbeplakate, von denen eines zum Besuch in der Kneipe »Zum persönlichen Tiefpunkt« einlud, und nach all dem, was die junge Vampirin in den letzten 24 Stunden erlebt hatte, klang dies nach genau dem richtigen Ort für sie.
Schließlich stand sie vor ihrem Ziel, klopfte kurz an und trat in die Umkleide ein. Doch was sie darin erblickte, entsprach absolut nicht ihren Vorstellungen. Lilly musste tief Luft holen, als sie sah, wie eine hübsche, völlig entblößte Meerjungfrau auf einem tischgroßen Grill laszierte, während um sie herum gut ein Dutzend bartierter, dicker Männer mit großen Fischmessern in ihrem Bauch und Oberkörper herumwühlten und die fleischlichen Erzeugnisse auf die heißen Kohlen legten.
»Was um alles in der Welt tut ihr da?!«, rief Lilly und erregte damit die Aufmerksamkeit von gut der Hälfte der Personen, inklusive der Meerjungfrau. Dann rief ein besonders stämmiger Bursche ihr zu:
»Naja, kennst du das nicht, in Japan, wie heißt das? Die essen da Sushi vom Körper junger Mädchen! Wir wollten das auch mal ausprobieren.«
»Das macht ihr falsch!«, rief Lilly, und bemerkte, dass Amalia neben ihr in den Raum getreten war und sie herauswinkte.
»Tut mir leid, ich meinte den anderen Raum«, antwortete sie und wies auf die Tür neben sich.
»Was … was …«
»Ach, mach dir keine Sorgen um Reliqua«, erklärte Amalia. »So wie ich sie kenne, wächst das nach.«
»Wie du sie kennst? Was hast du ihr angetan?«, fuhr Lilly sie entgeistert an und betrachtete Amalias Fischschuppenbluse.
Letztendlich verbrachte Amalia nicht länger als unbedingt nötig in der »Umkleide«, bis sie mit einem Paar weißer Handschuhe hinaustrat und sie Lilly zuwarf. Diese fing sie auf und zog sie sich an, damit sie sich weiter auf den Weg machen konnten.
»Wie findest du das Leben als Vampirin so? Seit wann bist du eine?«
Lilly dachte kurz darüber nacht. Sie wusste nicht, was sie darauf hätte antworten können, aber sie hatte so einiges an Fragen. Nur hatte sie eins verstanden: So sonderbar dieser Ort auch sein mochte, Antworten würde sie hier am ehesten finden. »Erst seit gestern. Ich wurde sozusagen überrumpelt.«
»So ist das also! Ja, so wie du herumläufst, kann man sich das schon fast denken.«
Lilly entschloss sich, nicht lange drumherumzureden. Ihr Magen knurrte schon seit geraumer Zeit. »Woher kriege ich Blut?«
Amalia blieb stehen und schaute sie an. »Na, woher wohl? Aber woher willst du denn wissen, dass du Blut brauchst?«
»Ich bin eine Vampirin.«
»Ja, das stimmt. Aber warum glaubst du, alle Vampire würden Blut trinken! Ha! Vampire saugen Menschen aus, ja, aber nicht jeder Mensch hat Blut in seinem Körper.«
Als Amalia den verwirrten Blick des Mädchens vor ihr sah, hielt sie ihren linken Arm vor sich, direkt vor das Gesicht ihrer bleichen Begleitung. Diese versuchte zwar erst, zurückzuweichen, fand sich aber schnell mit dem Rücken zur Wand vor, und so blieb ihr nichts übrig, als sie machen zu lassen. Amalia öffnete mit der Hand Lillys Mund, platzierte ihren Unterarm darin und presste ihr Kinn nach oben, sodass die dünnen Zähne der Vampirin ihren Weg durch die Haut fanden.
»Bananensaft?!«, stieß sie, kaum hatte sie den Lebenssaft gekostet, aus und schlug versehentlich ihren Kopf gegen die Mauer. Dann sah sie, wie die helle Flüssigkeit aus den Punktionswunden floss. »Du sagtest du wärst ein normaler Mensch!«
Das Bananenmädchen schüttelte den Kopf. »Typisch, kaum hat man kein Blut, wird man nicht mehr als normal bezeichnet. Schämst du dich nicht für deinen Faschismus?«
Lilly konnte die Absurdität dessen, was Amalia da erzählte, kaum begreifen. »Ich weiß es nicht, aber da es eine rhetorische Frage war, kann ich mir die Antwort auch ganz sparen.«
»Woher willst du überhaupt wissen, dass du Blut hast? Vielleicht ist es bei dir auch Bananensaft.«
Lilly schüttelte den Kopf. »Nein, meins war immer rot.«
»Dann ist es vielleicht Wein. Das würde erklären, warum du so schwer von Begriff bist. Brummt dir manchmal der Schädel? Wachst du morgens mit einem Kater auf? Das wären sichere Indizien.«
Lilly entschloss sich, einfach gar nicht darauf einzugehen und lieber zu warten, bis sie zum Arzt fand – hoffentlich einer vernünftigen Person in diesen seltsamen Gewölben.
Schließlich traten beide in einen karg blassblau beleuchteten, modernen Raum ein, in dem sich lediglich eine einzige Person befand – ein junger, charmant aussehender Kerl, der vor einem PC-Bildschirm saß und wild auf die Tastatur einschlug.
»Das gibt es doch nicht!«, rief er frustriert. »Ich habe einen Quadcore und kann Tetris trotzdem nicht ruckelfrei spielen!«
Erst dann bemerkte er die beiden Damen, die sich auf seine Station begeben hatten, nahm seine Brille ab und nickte ihnen zu. Gleichzeitig schlug er kurz zum Abschied gegen die Tischkante, als ob er seinen Ärger so versiegeln konnte, bis er aufstand und das Wort an die Neuankömmlinge richtete.
»Hallo Amalia, wie kann ich helfen?«
»Ähm«, schaltete sich Lilly ein, »ich brauche Hilfe – naja, also, zuhause auf meinem Sofa liegt ein Mädchen, das mich gestern zu einem Vampir gemacht hat … wir hatten uns im Park getroffen und naja … ich, wenn ich gewusst hätte …«
»Mach dir keine Sorgen, die Eingewöhnungsphase geht schnell vorbei«, erklärte er. »Du kannst jederzeit vorbeikommen, wenn du etwas brauchst, zumindest wenn dich dein erster Besuch hier nicht zu sehr abgeschreckt hat. Falls du deines Lebens irgendwann müde bist, dann sag bitte bescheid, ich kann neue Körperteile immer gut gebrauchen.«
Nach diesen beruhigenden Worten kramte er ein wenig in seinem Medizinschrank, als wisse er genau, wonach er suchen musste. Kurz darauf trat Amalia zu ihm, sie tuschelten ein wenig und er nahm ein kleines Fläschchen, das er dem Mädchen in die Hand legte.
Lilly hatte all das durcheinander sehr mitgenommen. Nie hätte sie gedacht, dass sich ihr Leben so schnell würde auf den Kopf stellen können. Einmal war sie unachtsam gewesen, und schon stellte sich die Frage, ob sie überhaupt weiter Steuern zahlen müsse oder sie als Kreatur der Nacht von ihnen ausgenommen werden konnte (nicht, dass sie als Studentin überhaupt Steuern zahlen würde – es war eher das Prinzip, über das sie sich Gedanken machte).
Als glückliche Besitzerin eines Heilmittels für Vampire schritt Lilly nur wenige Minuten später gemeinsam mit Amalia wieder aus dem Krankenzimmer heraus.
»Brauchst du sonst noch etwas?«
»Nein, das sollte alles gewesen sein«, lächelte die Vampirin, die nun, da sie ihre Aufgabe erledigt hatte, deutlich mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen konnte.
»Nagut. Dann bringe ich dich mal wieder nach draußen. Vergiss nicht, dass du noch etwas essen musst. Willst du ein wenig Bananensaft?«
Amalia machte ihren Hals frei und bot ihn feil, doch Lilly schüttelte den Kopf, obwohl es ihr ein wenig schwer fiel, den Blick abzuwenden, da sie die Flüssigkeit in den Adern des Mädchens fließen spüren konnte.
»Weißt du, ich möchte eine gute Vampirin sein. Ich sauge niemanden aus, töte keine Leute, und erschaffe keine neuen Untiere. Ich werde meine Moral nicht aufgrund so einer Sache in Frage stellen.«
»Es ist doch nichts falsch daran, Leute auszusaugen, die kein Blut haben«, antwortete Amalia. »Aber wie du meinst. Ich wünsche dir dabei viel Erfolg.«
Mittlerweile befanden sie sich wieder am Ausgang aus dem Untergrundgewölbe, der zurück zur regulären Bibliothek führte. Ich muss zugeben, ich wäre gerne dabei gewesen. Stattdessen habe ich Lillys kompletten ersten Vampirlebenstag in ihrem eigenen Sofa verschlafen. Doch sie hat Aufsehen erregt – Geschichten über ihre Taten hörte ich im Untergrund noch wochenlang, aber mit denen werde ich andere Abende füllen. Was Lilly und mich anging: Wir blieben trotz aller Widrigkeiten noch lange Zeit ein Paar, bis wir uns irgendwann um einen falsch angelegten Investment-Fonds in die Haare kriegten und zerstritten (die Erzeugnisse haben wir natürlich unserem charmanten Doktor zukommen lassen).
»Auf Wiedersehen«, verabschiedete sich Lilly schließlich von Amalia und streckte ihre Hand aus – um kurz darauf furchtbar von einer geisterhaften Silhouette erschreckt zu werden, die zwischen ihnen beiden durch den Gang schwebte und zu einem Drittel aus Mensch, einem Drittel aus Fisch und einem Drittel aus gar nichts bestand.
»Oh, Reliqua«, murmelte Amalia überrascht, als sie den Geist erkannte. »Scheinbar wächst nicht alles an ihr nach …«Die Moral von der Geschicht
Lasst mich euch eine Geschichte erzählen.
Was für eine Geschichte?
Nun, ihr wollt sicher eine hören voller Abenteuer, Heldentaten. Von Prinzessinnen, die von Drachen entführt und von Rittern gerettet werden. Von glutäugigen Bösewichten, die keine Schandtat fürchten, um die Welt zu unterjochen. Von feenhaften Geschöpfen, denen jedes männliche (und oftmals auch jedes weibliche) Wesen verfällt.
Vielleicht würde euch auch eine Geschichte gefallen, die von den gefürchtetsten Piraten dieser Weltmeere handelt, die auf der Suche nach dem Schatz sind, der nur ehrfürchtig „Ein Stück“ im Volksmund genannt wird.
Ich könnte euch auch eine Geschichte von Ninjas, die im Schatten wandeln und sich in rosahaarige Kriegerinnen verlieben, erzählen (Aber wer will so etwas schon hören? Ich bitte euch.).
All diese wundervollen und, dies muss betont werden, höchst unterhaltsamen Geschichten könnte ich euch erzählen. Mit Spannung, Humor und zum Schluss einer Moral im Hinterstübchen würden sie sicherlich den gewünschten Eindruck bei euch hinterlassen.
Aber diese Geschichten sind nicht die Wahren. Und heute bin ich hier, um euch eine wahre Geschichte zu erzählen, eine, die sich überall auf der Welt ereignen kann und die ihr gewiss schon das ein oder andere Mal miterlebt haben werdet (Mit oder ohne euer Einverständnis, so befürchte ich.).
Nun höret und staunt, was ich euch zu Berichten habe, meine liebe Bisaboard-Community...Als Lucinda mit ihren Fingernägeln, die etwa zwanzig Zentimeter lang waren und in einem blutigen Rotton lackiert, dem bebrillten Mädchen durchs Gesicht fuhr, hinterließ sie fünf lange Schrammen. Zuerst passiert nichts.
Kein Schmerzensschrei, ausgestoßen in unbändiger Pein. Kein schrilles Lachen. Nicht einmal ein verhaltenes Kichern geisterte durch die Schulflure der High School in Blütenburg City. Das Einzige, was einen stetigen Laut erzeugte, war das Tropfen des Blutes hinab vom Gesicht des Mädchens. Es war gerade eben zum neusten Opfer von Lucinda geworden.
Aber anstatt nun augenblicklich in Krokodilstränen auszubrechen, stand sie bewegungslos da und schwieg. Mit jeder Minute, die so verging, wurde Lucinda ungeduldiger und zunehmend unausgeglichener.
Bis sie dann explodierte.
Ihre Hand mit den vier Ringen klatschte hörbar auf die rechte Wange des Mädchens vor ihr. Diese wurde von der Wucht des Schlags nach hinten geschleudert, wo sie in eines der tausend Schließfächer knallte. Dabei fielen ihr die Bücher, die sie getragen hatte, auf den Boden und verteilten sich überall im Flur. Während sie völlig fassungslos zu der Blondie hochsah, lachte diese schallend.
Lucinda warf mit einem triumphierenden Lächeln ihre hüftlangen, strohblonden Haare nach hinten und stolzierte davon.
Dieser Tag würde hervorragend zum Intrigenspinnen werden.
Dass spürte sie.
Dies ist unsere Heldin, Lucinda.
Was sagt ihr da voller Empörung? Dies ist keine feenhafte Erscheinung, keine tapfere Kriegerin, nein, nicht einmal eine naive Prinzessin?
Nun, da stimme ich euch zu. Lucinda ist keine Heldin, mit welcher man mitfiebert, weint um den Verlust und den Schmerz und mit ihr zieht man auch nicht voller Mut in die nächstgelegene Drachenhöhle (Hier sollte einmal angemerkt werden, dass es in dieser Geschichte keine Drachenhöhle geben wird. Nicht mal ein Drachenloch.).
Aber sie ist auch kein glutäugiger Bösewicht, der die Welt unter sich knien sehen will.
Ihr seid enttäuscht und empört, ich verstehe. Aber um den Sinn dieser Erzählung verstehen und nachvollziehen zu können, braucht ihr die Unterstützung unserer Heldin... nun gut, dann nennen wir sie eben Anti-Heldin Lucinda. Wie sonst wollt ihr das atemberaubende Ausmaß dieser Geschichte verstehen?
Also, seid weise (oder zumindest nicht dümmlich genug, mich weiterhin zu reizen mit eurer Nörgelei) und lauscht...Der Vormittag verging ohne besondere Ereignisse. Im Unterricht zu Kampftechnik feilte Lucinda sich die Nägel, während ihr Lehrer vorne am Pult um die Aufmerksamkeit seiner Schüler kämpfte und sein Begleiterpokemon, ein noch nicht ausgewachsenes Trasla, sich verschreckt unter dem Pult versteckte. Ein paar Jungs machten sich einen Spaß daraus, es mit feuchten, angesabberten Papierkügelchen abzuwerfen. Doch für Lucinda war das unter ihrer Würde.
So überstand sie fünf langweilige Stunden, um dann in der Mittagspause mit stolz erhobenem Kinn in die Kantine zu stolzieren. Der Lärm, der bis dahin noch fast das Gebäude gesprengt hatte, verstummte und wurde zu einem unverständlichen Gemurmel. Das Mädchen zog sämtliche Blicke auf sich, die jedoch alle keineswegs bewundern gemeint waren.
Abscheu traf es wohl eher.
Lucinda war gefürchtet. Sie stand in dem Ruf, zickig, angeberisch und absolut unumgänglich zu sein im Miteinander mit Mensch und Pokemon. Jeder, der vernünftig war und seine Schulzeit ohne Gerüchte oder einem geschädigtem Ruf überstehen wollte, ging der Blondine aus dem Weg. Dies wussten sowohl Schüler als auch Lehrkräfte.
Sie hatte einen gewissen Respekt an der Schule. Zumindest dachte Lucinda dies stolz. Dass dieser Respekt wohl eher als Hass angelegt war, war ihr nicht klar. Und wenn doch, so scherte sie sich nicht im Geringsten darum.
Immer wieder betonte Lucinda auch gerne, dass sie, ganz gleich mit welchen Noten, einen überdurchschnittlichen Schulabschluss erlangen würde, da ihr Vater Arenaleiter in Jotho war und somit über genügend Geld und Einfluss verfügte, um seiner geliebten und einzigen Tochter eine gesicherte Zukunft zu vermitteln. Ebenso stand es mit Pokemon: Das Mädchen erhielt jedes Pokemon, was sie wollte. Selbst fangen musste sie diese nicht, hatte ihr Vater doch extra die besten Trainer des Landes für diesen Job eingestellt. Deshalb war Lucinda, obwohl sie eine Niete war was Kampftechnik, Typen und Items darstellte, unbesiegbar, denn ihre Pokemon waren hochgelevelt und ausgesprochen gut trainiert.
Nicht von ihr, verstand sich.
Und so saß sie in der Kantine am größten Tisch, umringt von braun gebrannten Mädchen in kurzen Röcken, die an ihren mit Lipgloss beschmierten Lippen klebten. Insgeheim jedoch wünschte ihr jeder der Anwesenden, mit keiner Ausnahme, den Tod.
Wenn sie doch nur geahnt hätte, wie dicht dieser bereits hinter dem Mädchen stand...Als sie am Abend nach Hause kam, schnurrte ihr Eneco schon um die Beine. Es hatte Hunger, und Lucinda stöhnte genervt auf, als das Pokemon Haare auf ihrer neuen Jeans hinterließ. Doch ein Blick in die Räume des Hauses zeigte ihr, dass niemand außer ihr und dem Pokemon Zuhause war. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als das Pokemon selbst zu füttern.
Seufzend und leise vor sich hin fluchend stieg sie die Treppe hinauf, kramte im Schrank nach dem Futter und füllte es in den Blechnapf.
Sie nahm ihn in die Hand und bewegte sich Richtung Treppe.
Was als Nächstes geschah, war ebenso widernatürlich wie komisch – zumindest in den Augen Anderer.Und nun hört gut zu. Denn ein jeder Mensch, wenn er böse handelt oder gegen den Sinn des Schicksals, bekommt augenblicklich die Rechnung.
Das Mädchen sah nicht das Eneco, welches ihr erneut um die Beine streichen wollte und stolperte über das Pokemon. Sie geriet ins Schwanken, stolperte einige Schritte nach vorn – und ihr Fuß schwebte über dem Treppenabsatz. Der Blechnapf fiel krachend zu Boden, als die Blondine taumelte und dann kopfüber die Treppe hinunterfiel. Bei jeder Stufe überschlug Lucinda sich, ihr Kopf krachte jedes Mal gegen das Holz der Stufen. Als sie unten mit dem Gesicht nach oben hin ankam, erklang ein hörbares Knacken – dann war es vorbei.
Lucinda lag reglos da, ihr leerer Blick gen Decke gerichtet.
Oben am Treppenabsatz saß Eneco. Es blickte einen Moment zu seiner Besitzerin hinunter; dann machte es sich hungrig über den Inhalt des heruntergefallenen Blechnapfs her. Als es fertig gegessen hatte, hüpfte es die Treppenstufen hinunter zu seiner leblosen Besitzerin.
Schnurrend legte es sich auf deren Brustkorb und machte zufrieden die Augen zu.Und was ist die Moral von der Geschicht? (Halbe Eier rollen nicht! … Nein, ihr habt Recht. Dass ist nicht passend, auch, wenn es überaus humorvoll ist.)
Macht euch niemals, liebe User, das Schicksal zum Feind. Und seid nett, entgegenkommend und geduldig mit euren Mitmenschen (Zumindest, solange ihr von jemandem beobachtet werdet. Was ihr allein Zuhause in eurem Zimmer tut, ist nicht von Belang.). Ansonsten werdet ihr einen wahrhaft lächerlichen Tod sterben.
Dies war die Geschichte von Lucinda, dem Mädchen, welches bei niemandem beliebt war und meinte, mit Hohn kommt man im Leben weiter.
Ich danke euch vielmals für eure Aufmerksamkeit (Und, war diese Geschichte nicht wirklich unterhaltsamer als die vom Drachen und der Prinzessin?). -
Saisonfinale
- 2014 / Runde drei -
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[tabmenu][tab=Informationen]
Willkommen zur dritten Runde des Saisonfinales der Wettbewerbssaison 2014.
Eure Aufgabe in der dritten Runde besteht darin, eine kurze Geschichte zum Thema "Die aufregende Welt der unbelebten Dinge" zu verfassen. Unter "unbelebte Dinge" fallen zum Beispiel Gegenstände, auf deren Sichtweise ihr eure Geschichte aufbauen könnt. Nun seid ihr gefragt! Was denkt eine Uhr wohl den lieben langen Tag? Wie empfindet ein Bleistift seine Arbeit als Schreibwerkzeug? Gefällt einem Zug die Fahrt durch die Welt? Vielleicht wolltet ihr schon immer einmal die Beziehung zwischen Roboter und Mensch darstellen oder ihr nehmt euch den alltäglichen Problemen eines Spiegels an. Wie ihr seht, könnt ihr eurer Kreativität dabei freien Lauf lassen. Beachtet bitte auch unser Informations- und Regeltopic.Euch ist freigestellt, ob ihr in eurer Abgabe einen Pokémonbezug habt; beachtet jedoch, dass in einer der drei Runden eine Abgabe mit dem Bezug zu Pokémon vorkommen muss.
Eure kurze Geschichte darf nicht mehr als 2500 Wörter (inklusive Titel) umfassen. Dabei ist die Zählung der Website Woerter-zaehlen.de verbindlich.
Schickt eure fertigen Abgaben bis zum 06.12.2014 um 23:59 Uhr per Konversation an mich, Canberra.
Ihr habt die Möglichkeit eure Texte per E-Mail abzugeben: Sendet dafür eine Mail mit eurer Abgabe und eurem Usernamen an folgende Adresse: akatsuki@bisaboard.de[/email].
Falls ihr noch Fragen haben solltet, könnt ihr diese direkt in diesem Topic stellen. Wir bitten euch die Beantwortung aller Fragen dem Fanfiction-Komitee zu überlassen, um falsche Aussagen oder Verwirrung zu vermeiden.[/tabmenu]
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Achtung, liebe Finalisten, es kommt zu einer kleinen Planänderung: Aufgrund von technischen Problemen kann Kyurama den Vote der 2. Runde leider nicht übernehmen. Alle, die bereits abgegeben haben, schicken ihre Abgabe bitte bis spätestens morgen Abend an mich, Canberra. Macht euch keine Sorgen, solltet ihr diesen Post erst morgen entdecken, dann ist das nicht schlimm. Da man solche Sachen nicht voraussehen kann, warten wir natürlich auf euch.
@Färöer @Marille @Alyson @Cassia @Bonnie @Sakul @Paya @Pika! @Wollust @Molnija
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Push: ihr habt noch bis Sonntag Zeit zu voten! :)
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Ich habe beide Editionen vorbestellt, sobald dies möglich war. Ich hoffe, dass sie pünktlich ankommen, aber bisher hat mich mein Lieblingsshop ja noch nie enttäuscht.
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Saisonfinale
- 2014 / Runde eins -
Informationen / Vote[Blockierte Grafik: http://fc01.deviantart.net/fs71/f/2011/304/8/1/happy_writing_by_puschnteamarts-d4em118.png]
Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist es aufgrund der Berechnung der Gesamtpunkte mit der Formel wichtig, dass ihr alle eure Punkte verteilt. Dazu findet ihr weiter unten eine Schablone, die ihr zum Voten nutzen könnt. Des Weiteren sind Sympathievotes sowie Votes für die eigene Abgabe unerlaubt. Begründungen sind keine Pflicht, aber können geschrieben werden, sofern man möchte (ihr könnt euch als Hilfe unser "How-to-vote-Topic" anschauen). Votes mit Begründungen erhalten Punkte in der Votetabelle. Informiert euch ebenfalls in unserem Informations- und Regeltopic der Saison 2014.ZitatEure Aufgabe in der ersten Runde besteht darin, ein Gedicht in Form einer Ballade zu verfassen. Die Ballade vereint die drei Dichtweisen Epik, Lyrik und Dramatik. Dies bedeutet für uns, dass sie die Form eines Gedichtes annimmt, jedoch eine Geschichte erzählt und durchaus Dialoge aufweisen kann. Die Themen in Balladen sind oft unterschiedlich.Thematisch hat sich eine Unterscheidung in die historische Ballade, welche ihren Inhalt aus der Geschichte bezieht, in die numinose Ballade, welche sich mit der Begegnung von Mensch und dem Übermenschlichen beschäftigt, und in die Ideenballade, welche den Sieg einer Idee über das Schicksalhafte oder Reale beschreibt, bewährt.
Der Stil einer Ballade kann variieren. Für mehr Informationen könnt ihr euch gerne hier erkundigen.Der Vote läuft bis Sonntag, den 30.11.2014, um 23:59 Uhr.
Ihr dürft 7 Punkte verteilen. Maximal 4 an eine Abgabe. Bitte achtet darauf, dass ihr alle eure Punkte verteilt. Ihr müsst des Weiteren diese Punkte auf mindestens drei Abgaben verteilen.
Winterdornköniginnenzeit
Das Ende der Wälder, es naht mit dem Wind,
Was einstmals gegrünt, das zerfrisst nun die Zeit.
Es gibt keine Seel'n, die vor ihm sicher sind:
Der Vormarsch des Winters, den Frost im Geleit.Wo eben noch Laubwerk von edler Gestalt,
Da färben sich Blätter zu leuchtendem Rot.
Wo eben noch Leben war in diesem Wald,
Da bringen nun Raureif und Nordwind den Tod.Der Wind flüstert leise: „Vorbei sei der Tag,
Das Leben von einst werde fortan zu Staub;
Gehoben der Schleier, der über ihm lag,
Verweht wird der Odem und fallen das Laub.“Durch Äste und Zweige und Buschwerk er strebt,
Mit frostigen Fingern durchstreift er die Welt.
Wo sein Ruf verhallt, da vergeht das, was lebt,
Kein Baum und kein Strauch, der ihm jemals standhält.Der Reif flüstert leise: „Vorbei sei das Glück,
Das Leben von einst werde fortan zu Schnee.
Gesenkt wird der Schleier, es gibt kein Zurück:
Gefroren wird alles, ob Berg oder See.“Durch Gräser und Gärten und Beete er zieht,
Sein eisiger Schritt hinterlässt rauen Frost;
Und wer es auch wagt und der Kälte entflieht
Ist doch niemals sicher, ob Süd oder Ost.Der Raureif im Gras wird von Schritten gestört.
Den Winter im Atem, aus Schnee das Gesicht –
Von tödlicher Schönheit das Land wird betört:
Die Winterdornkönigin schreitet ins Licht.Der silberne Mantel aus Mondschein gemacht;
Die Stiefel, der Schmuck sind gefertigt aus Eis;
Aus Frostblut die Lippen, der Körper aus Nacht,
Erhellt nur vom rein unerbittlichen Weiß:Aus Raureif und Frost ward geschaffen ihr Herz,
Vom Nordwind beseelt, in der Kälte vereint.
Ein weißer Kristall bar von jeglichem Schmerz:
Ein Wesen, das nie eine Träne geweint.Die Winterdornkönigin lacht und betritt
Die sterbliche Welt, wird geleitet vom Mond;
Der Nordwind ihr Bote, mit sicherem Schritt
Bereist sie das Reich, das sie fortan bewohnt.Aus Frost wird ihr Schloss sein, ihr Thron aus Kristall,
Das Zepter gehauen aus Schneeflockenstein.
Eiskalt und unendlich wird werden der Fall
All jener, die wagen, ihr Gegner zu sein.So wird sie regieren mit eiskalter Hand
Ein Reich, das allein ihrer Macht untersteht;
Und Nordwind wird streifen durch das kühle Land,
Sich holen all jenes, das ihr widersteht.Doch dann, eines Tages, getragen vom Wind,
Ihr Reich wird gestürzt, wird ein Opfer der Zeit:
Geboren aus Wärme das südliche Kind
Wird bringen den Tag, sag, wann ist es soweit?Ich will dir vertrauen
Der Himmel schien zu schreien.
Laut und deutlich konnte ich ihn hören,
konnte den dunklen Donner fühlen,
wie er alles andere verschluckte.Schwarz färbte sich die Luft,
küsste sacht die Erde,
die darauf in brodelndem Feuer aufging.
Kurz, bevor sie verbrannte.Das Grollen verschluckte das Weinen der Kinder,
die Blitze übertönten das Kreischen der Frauen,
die Flammen verschlangen die Körper der Krieger,
und doch war das alles nur der Anfang.Wir waren so blind, dass wir es nicht erkannten,
dass wir die Zeichen nicht sahen.
Dabei waren sie so deutlich.
So wie Balders Tod.Ironisch, wie still alles plötzlich ist,
dabei hat der Sturm nicht aufgehört.
Und doch dringt kein Laut an mein Ohr,
denn dein Lachen umfüllt meine Wahrnehmung.Dein Lachen, deine Stimme, deine Worte.
Immer noch sind sie ein Teil von mir.
Ich halte sie in meiner Erinnerung,
denn sie sind alles, was mir von dir blieb.Jetzt, wo der Tod seine Hand nach mir ausstreckt,
jetzt, wo mein Herz langsamer zu schlagen beginnt
und wo meine Augen sich mit Tränen füllen,
genau jetzt wünschte ich, du wärst hier.So wie damals, als wir jünger waren.
Immer kämpften wir Seite an Seite.
Immer, wenn ich Fehler beging, warst du da.
Und ich wusste, du würdest mir helfen.Du versprachst, ich könnte dir vertrauen,
und obwohl du der Gott der Lügen bist,
so hatte ich geglaubt, ich könnte es.
Ich hatte es mir gewünscht.Laut ertönt das Grollen des Donners über mir,
holt mich zurück in das Hier und Jetzt.
Und doch bin ich nicht ganz hier,
das bin ich schon lange nicht mehr.Ich wünschte, dir sagen zu können, was ich fühle,
ich wünschte, du wüsstest, dass ich leide,
dass ich Schuldgefühle habe,
weil ich dich nicht beschützte.Ich hätte dich beschützen sollen,
so, wie du mich immer beschützt hast.
Doch ich tat es nicht
und ich ließ zu, dass sie dir weh tun.Erst viel zu spät fing ich an, dich zu verstehen,
verstand, hinter deine Maske zu sehen,
denn hinter deinem schönen Lächeln
verbarg sich ein Herz voller Schmerz.Niemand hat dich je verstanden,
niemand dich je vollkommen akzeptiert.
Nicht einmal ich...
Dabei war das immer dein sehnlichster Wunsch.Plötzlich beginnt die Erde zu beben,
der Boden sich zu öffnen.
Erbarmungslos verschlingt ihr Blut Asen und Riesen,
so, als könnten ihre Schreie sie heilen.Bedacht trete ich einen Schritt zurück,
doch hinter mir ist nur der Abrund.
Was kann ich also tun?
Was bleibt mir außer dem Tod?Ich wurde zum Kampf geboren,
darf keine Angst haben,
keine Schwäche zeigen,
doch kann man gegen den Tod gewinnen?Mein Arm fühlt sich schwer an,
Mjölnir in meiner Hand viel zu schwer.
Und so ergebe ich mich lächelnd.
Denn ich weiß, das ist das Ende."Du bist so dumm, Thor Odinson!
Öffne deine Augen und erblicke mich!
Wisse, dass du durch mich starbst!
Mich, deinen Bruder!"Ich erstarre bei den Worten.
Nicht wegen ihrer selbst,
sondern, weil ich ihrem Ursprung nicht glaube.
Dachte ich doch, ihn nie wieder zu sehen.Und doch steht er dort,
thronend auf dem Hügel stehend,
sein triumphierendes Lächeln gilt nur mir.
So wie schon immer."Loki."
Ich traue meinen Augen nicht,
nicht meinen Worten,
und doch besteht kein Zweifel."Du wirst sterben!
Ich habe Ragnarök beschworen!
Und niemand kann es aufhalten!
Nicht einmal ich selbst!"Tief blicke ich ihm in die grünen Augen,
blicke hinab in seine Seele
und dort sehe ich sie;
Verzweiflung und Angst.Langsam trete ich einen Schritt näher.
Schutzlos, wehrlos, lächelnd.
Er wird mich nicht töten.
Ich weiß es.Sein Dolch blitzt gefährlich in seiner Hand,
er richtet ihn auf mich,
und doch komme ich näher.
Ich kann nicht anders."Du weißt, Loki, dass du auch stirbst?"
Keine Anklage ziert meine Worte,
nur Bedauern und Schmerz.
"Ja... ich weiß."Achtlos fällt sein Dolch zu Boden,
all die unausgesprochenen Worte,
alles, was einst wichtig schien,
es fällt wie der Dolch.Sacht lege ich meine Hand auf seine Wange,
er zuckt nicht, sieht mich nur an,
liest die Worte aus meinen Augen,
doch er wird sie dort nicht finden."Sag mir, was du willst..."
War seine Stimme je so brüchig?
War sie je so leise?
Ich weiß es nicht zu sagen.Es gibt vieles, was ich sagen könnte,
vieles, was zwischen uns liegt.
Und kein Wort wird allem gerecht.
Nichts beschreibt meine Gefühle."Ich wünschte, ich könnte dir vertrauen."
Bedacht lege ich meinen Arm in seinen Nacken,
ziehe seinen Körper näher zu meinem,
er wehrt sich nicht.Wild schlägt sein Herz in seiner Brust,
genauso wie meines, als er mir näher kommt.
Tränen zieren seine Augen.
"Das kannst du nicht!"Bereuen werd ich Nimmermehr
Sag meinen Namen, schrei ihn hinaus in die stille Nacht
Die wiegt so tonnenschwer auf meinem Herz
Ich laufe im Kreis und such nach dem Sinn im Leid, was mich befällt
Mich geradewegs ereilt und einkesselt ohne Flucht im Blick
Sag, hörst du mein Schreien ohne Stimme
Hörst meine tonlose Suche nach dir
Ich höre sie in allem, was ich tue und je tatIn deiner Hand halte ich deine, ungeachtet der Schmerzen
Gewusst des Endes verdrängten wir, machten uns blind
Auf der ewigen Suche nach Zeit und nach Glück
Die verrinnten in unserem Stundenglas
Welches war gemacht aus des Schicksals Fäden
Doch ganz gleich, wie viele Fäden ich ersetzte
Alle, sie alle, zerfielen unter mir zu StaubDie Angst umschloss mein Herz in zermürbender Stetigkeit
Zweifel kamen und gingen im Wind
Im kältesten Winter meiner Zeit, meinem Leben
Durchbrach ich den Bann um uns herum
Was ich fortan mein Leben nannt
War in Augen dieser Welt ein Gräul, ein Fehler allein
Der Tod sucht nicht, er nimmt lediglichDich zu retten war mein einziger Wunsch, mein einziger Traum
Doch keiner der hundert Götter erhörte ihn oder gab Antwort wider
So erschuf ich im Blut meinen eignen Gott
Bot ihm Opfer dar mit erhobenem Haupt
Die Rettung für dich wurd auf Sand aufgebaut
Aber es gab kein Vielleicht, nur ein Muss
Da war kein Weg zurückMorde unter den Sternen dieser Stadt, blutig gefärbt
Stehe hier mit Kälte im Körper gefangen
Tod entlang dem Leben, Blut im Licht der Nacht
Erkämpfe mit Unrecht und Schuld die Zeit
Wieder zurück in deine Hände
Wenn tausend Seelen vergehen soll`n allein für dich
So reich mir die Waffe dieses erschaffenden GlücksOhne Sünde war mein Gefühl, ohne Schuld meine Taten
Und doch ward ich verurteilt für meine Liebe zu dir
Im Augenblick der Wahrheit entschied ich entgegen der Schuld
Mir die Lüge als Ausweg zu nehmen
Mein letzter Blick lag auf dir, wie du sahst blutiges Rot an den Händen
Die stets immer voller Zärtlichkeit zu dir war`n
So trat ich die letzte Runde an, hilflos im Kampf gegen Zeit und SchicksalAber wenn es war mein Schicksal
Aus Liebe zu dir zu sündigen
Mir Tod und Trauer auf die Schultern zu laden
Dann küsse ich deine kalte Wange ein letztes Mal
Gebe dir das Versprechen in meinem verlorenem Leben
Aber verlangt doch nie von mir, zu beichten meine Sünde
Die nie Sünde war in meinen AugenSagt eure bleichen Worte ohne Farbe
Droht mit euren Peitschen ohne Leder
Warnt mit euren leeren Briefen ohne Schrift
Lasst mich den Wettlauf mit der Zeit erneut laufen
Und straucheln, wenn ihr mich packt und sperrt in die ZelleUnd selbst wenn ich erneut verlier
Bereuen werd ich Nimmermehr.
Die Welt von obenDie Wolken sind flauschig.
Man sitzt sehr bequem,
doch trotz aller dem
sind die Engel traurig.Zwei sitzen da, allein.
Sie sollten mehr sein.
Dort unten wird Hass geschürt,
wo`s doch gerade brenzlig wird.Tausende ließen den Mut sinken
und gaben zum Abschied ein Winken.
Die Himmelwachen
können nichts machen.Der Erste Engel kann nicht glauben,
wie die sich selbst berauben.
Es belastet ihn schwer.
Deshalb fragt er:„Freund, jetzt sag mir mal,
warum schneiden die die Erde kahl?
Die muss doch genau so bleiben,
sonst wird sich der Tod die Hände reiben.“„Das liegt in ihrer Natur“,
sagt der Zweite,
„Lass sie nur.“Doch der erste ist nicht zufrieden.
Gier und Geld ziehen sich an,
alles schlägt Alarm.
Viele werden zu Dieben.So viel Schlechtes in der Welt,
wem das wohl gefällt?
Alles wird schlimmer,
hat denn keiner einen Schimmer?Er kann nicht ruhig bleiben
bei dem, was die da treiben.
Keiner unten scheut.
So fragt er erneut:„Freund, kannst du das glauben?
Haben die alle lockere Schrauben?
So herrscht auf der Erde
bald gähnende Leere.“„Das liegt in ihrer Natur“,
sagt der Zweite,
„Lass sie nur.“Es wird bedroht und angekeift.
Nach und nach
liegt die Welt brach.
Niemand ist gereift.Und die armen Engel nun?
Der Erste möchte etwas tun.
Doch zu schwach für eine Tat
sucht er beim Freund Rat:„Freund, was meinst du?
Lassen wir das zu?
Alle da unten müssen sterben.
Wie verhindern wir ihr Verderben?“„Es liegt in ihrer Natur“,
sagt der Zweite,
„Lass sie nur,
ich suche das Weite.“
Flagbeard, der Schrecken der MeereDer Mond geht auf, er leuchtet,
Silbern wie das Haar
Des Mannes, der still und leise
In die Taverne gekommen war.Ihn kümmern nicht die Frauen,
Ihn kümmert nur der Rum.
Er sucht zu vergessen das Grauen,
Was beinahe ihn brachte um.Glas um Glas versenkt der Alte,
In den Tiefen seines Schlunds.
Doch wird er Ziel der Neugier,
eines Jünglings trunken Munds.„Hey, Alter, warum sitzt du alleine?“,
Ruft jemand durch den Raum.
„Komm lieber her und feire!
Was Bessres gibt es kaum.“„Ich habe, beim Klabautermann!
Mehr gefeiert, als ich zählen kann.“
Nur einer der Trinker verzagt nicht.
Er setzt sich zum Alten, bestellt neuen Rum,
Will hören die Geschicht'.„Erzähl aus deinem Leben, sei nicht bescheiden!“
Der Matrose drängt und drängt, der Alte kapituliert,
Er beginnt die Erzählung nach langem Schweigen.
„Nun denn, höre die Sage von Flagbeard,
Dem Seewolf.Es begann hier, am Graphitport.
Als einfacher Matrose fuhr er zur See,
Verweilte nie lang an einem Ort,
Lebte zwischen Luv und Lee,
Bis er seine große Liebe traf.Sie war eine Frau, so schön wie das Meer,
Viele Männer begehrten sie.
Flagbeard kämpfte um ihre Liebe und gewann,
Aber vertraut mit der Schifffahrt war sie nie.
Für sie blieb er dem Land verhaftet.Wie sie sich die Zukunft malten!
Kinderreich, glücklich vereint,
Doch da, wo höhere Mächte walten,
Kommt das Gegenteil schneller, als man meint.Ihr Glück währte nur allzu kurz,
Neider trachteten nach dem jungen Paar.
Nach dem Höhenflug folgte der Sturz,
Als Flagbeards Frau gefangen war.Sie ward entführt, fort übers Meer,
Ihr Angetrauter folgte ihr.
Flagbeard war geschlagen, jedoch nicht besiegt,
Er verlor eine Schlacht, nicht aber den Krieg.All sein Erspartes tauschte er ein,
Gegen eine Galeere, Männer, Waffen und Wein.
Mit eigner Mannschaft, eignem Schiff,
Zog er los, seine Geliebte zu retten,
Während er die Messer schliff.Immer mehr drängte es seine Feinde,
Zu entehren seiner Liebe Pfand;
Um diesem Schicksal zu entgehen,
Starb Flagbeards Frau durch ihre eigne Hand.Seine Wut ward nur vom Schmerz übertroffen,
Als er ihren bleichen Körper fand.
„Sie sollen sterben, sie sollen ersaufen!“
Brüllte er, von Gefühlen übermannt.Er suchte die Mörder seiner Geliebten,
Schickte sie in die kalten Tiefen,
Flocht ihre Flaggen sich in den Bart,
Kehrt' selbst sich nun dem Bösen zu,
Und ging alsdann auf Kaperfahrt.Die Ära des Schreckens hatte begonnen.
Zwar hatte er nun den Krieg gewonnen,
Doch welchen Preis zahlt' er dafür?
Liebe und Menschlichkeit spürt er nicht mehr.Auf dem Meer war er zuhaus,
Trieb mit Wellen und Wind,
Die Häfen von Hoenn raubte er aus,
Bis er seine Bestimmung fand.Eine Schatzkarte, vergilbt und uralt,
Versprach ihm unermessliche Macht.
Kyogre, Herrscher der Meeresgewalt,
Lebt tief unten in des Meeres Nacht.Mit Salz in den Augen und knarrender Rah,
Das Steuerrad fest im Griff,
Durchsuchte Flagbeard die See fern und nah.
Bis ihm das Wasser aus allen Poren troff.Niemand weiß, wie es geschah,
Doch plötzlich folgte ihm der Sturm.
Wo immer seine Crew gesichtet ward,
Gingen Regen, Donner und Hagel um.Seine Mannen waren schrecklich,
Sein Säbel jahrelang gefürchtet,
Sein Schiff versetzte jeden Hafen in Angst.
Alles rennet, rettet, flüchtet,
Wo Flagbeard zeigt sein Angesicht.Aber auch das dunkelste aller Herzen
Vergaß die wahre Liebe nicht,
Unter all dem Hass, den Schmerzen
Erschallt ein Hilferuf nach Licht.Zehn volle Jahre nach seinem Verlust,
Kam die schicksalhafte Wende,
Zum zweiten Mal erlag Flagbeard einer Frau,
Und so ging die Herrschaft des Seewolfs zu Ende.“Der Alte schweigt, sein Rum ist leer.
„Sagt mir eins, wo ist er nun?“,
Fragt der Jüngling, doch der Alte will gehen.
„Am Meeresgrunde wird er ruhen.Die reißenden Stürme waren so stark,
Sie drohten ihn selbst zu vernichten.
Ob die neue Liebe, die er barg,
Ausreichte, um Flagbeards Leben zu retten?“Er verlässt die Taverne, sein Bart weht im Wind,
Seine Gedanken wandern zu Frau und zu Kind.
Und auch, wenn er diese Welt verlassen wird,
War sein Leben lang und erfüllt.
Die gebrochenen BandeIn England zog das Grauen ein,
als Heinrich seinen Thron bestieg.
„Er wird beschwören noch den Krieg!“,
hört’ man das furchtsam’ Volk laut schrei’n.
So wurd’ als Teufel er bekannt.
Doch niemand fürchtete so sehr
wie Wesley seinen grausam’ Herr.
Zum Sklaven ward der Bub benannt.Am Hofe herrschten Tanz und Trank,
der König sah die Sünden gern.
Nur Wesley blieben all sie fern,
als Sklave kannt’ er keinen Dank.
Ihm färbte Angst die Haut stets bleich.
Der kleinste Fehler, schnell gemacht,
beleidigte des Königs Pracht
und harte Strafe folgte gleich.In Frankreich, da ging’s anders zu.
Prinz Martin, gütig auf dem Thron,
gab einem Jeden fairen Lohn.
Sein Herz war meist erfüllt von Ruh,
ihn zürnten Heinrichs Taten bloß.
Es ekelte ihn jederzeit,
wenn er erfuhr von neuem Leid
und bald war seine Wut sehr groß.Zu dieser Zeit gab’s einen Mann
der alles für den Prinzen tat
und ihm sein ganzes Herz hingab.
Was ihm befohl’n tat er sodann:
Lowell wurd’ dieser Mann genannt.
Loyal, des Prinzens rechte Hand,
obwohl ihm ward der niedrig’ Stand
des Sklaven einzig zuerkannt.So dauerte es nicht zu lang,
bis er nach seinem Sklaven rief,
der ohne Zögern zu ihm lief.
Der Prinz kurz mit den Worten rang:
„Lowell, die Treue geht so weit.
Kann kaum in die Augen blicken,
die ich plane fort zu schicken.
Sieh nur, wie Zweifel mich entzweit!“„Mein Herr“, sprach Lowell ohne Hast.
„Geniert Euch bitte nicht vor mir.
Ich existier auf Erden hier,
nur Euch zu nehmen jede Last.“
So sprach der Prinz voll stiller Pein:
„Da Englands König mir verhasst,
hab ich diesen Entschluss gefasst:
Ein Königsmörder sollst du sein!“Der Sklave war die beste Wahl,
denn ausgebildet war er gut.
Konnt’ reiten und war voller Mut,
konnt’ führen jedes Schwert aus Stahl.
So ungewöhnlich dies auch scheint,
Prinz Martin war’s, der ihn gelehrt,
weil Lowell ihn hat stets verehrt
und viel Talent in sich vereint.Im Morgengrauen ritt er fort,
verließ die Heimat geschwinde.
Es zerrten warnend die Winde,
ihn zu halten an diesem Ort.
Voll Ehrfurcht starrte man ihn an,
sein weißes Ross, den stolzen Gang.
„Er ist sicher ein Mann von Rang,
womöglich gar ein Edelmann.“Es zogen Tag und Nacht vorbei
und Wälder, Wellen und Wiesen.
Er sah Schiffe, groß wie Riesen
und träumte nachts von Heinrichs Schrei.
Die Ungeduld packte Lowell.
Bei jedem Schritt er neu ersann,
wie er würd’ töten den Tyrann.
Sein Pferd lief übers Lande schnell.Und dann, nach so langer Reise,
erreichte er des Königs Schloss.
Verbarg sorgsam sein treues Ross.
In der Nacht schlich er sich leise,
mit unvergleichbarem Geschick,
in des Königs hohe Hallen.
Wild begann sein Blut zu wallen
und allzeit wachsam wurd’ sein Blick.So huschte Lowell durch den Gang,
den König suchend ohne Ruh.
Doch plötzlich stieß ein Bub hinzu,
der zitternd gleich nach Atem rang.
Kein Zögern: Lowell zog sein Schwert.
Die Klinge dürstete nach Blut.
Da zügelt Wimmern seine Wut.
„Mein Herr, bin Euren Streich nicht wert.“„Wer ist es, der kreuzt meinen Weg?“,
erklang das Wort aus Lowells Mund,
„Die Wahrheit tu’ mir besser kund,
dass ich mein Schwert beiseite leg’!“
Die Stimme hob das Kinde bang:
„Ich bin nichts, als des Königs Knecht
und nur zu dienen ist mein Recht.
So knie ich vor ihm schon recht lang.“"Will deine Worte dir glauben,
drum lasse ich dich friedlich zieh’n.
Doch rate ich dir schnell zu flieh’n,
wird’ Heinrichs Leben heut rauben.“
Wesley vernahm es mit Staunen
und musste um Worte sich mühen.
„Soll dieser Funke nun glühen?“,
wagte er leise zu raunen,„So bist, Fortuna, du mir hold?
Verheißt dein Rad mir endlich Glück?
Gibst du die Freiheit mir zurück,
oh Fremder, ich zahl jeden Sold!
Lass mich dir eine Hilfe sein.
Ich führ dich vor des Königs Bett,
dort liegt er reglos wie ein Brett.
Versenk in ihm das Schwerte dein!“Und Wesley griff nach Lowells Hand.
Der dachte eine Zeit lang nach,
bevor er dann gewichtig sprach:
„Pass auf, dass du nicht knüpfst ein Band,
das du nicht wieder lösen kannst.
Verraten solltest du mich nicht,
sonst nehm’ ich dir dein Lebenslicht,
so wie du mir Verderben wünschst.“So wie’s gedacht war’s schon getan.
Sie schlichen durch die Gänge schnell,
der Mond schien durch die Fenster hell
beleuchtete der Sklaven Plan.
Stets blieben sie den Wachen fern
und Wesley führte sie ans Ziel.
Es dankte Lowell ihm gar viel.
Er hatte ihn schon seltsam gern.Im Raum lag König Heinrich da,
fast wie das Fleisch auf dem Tablett.
Ganz wie ein Held trat man ans Bett.
Das Ziel der Reise lag so nah.
Die Hand hob sich zum Todesstoß.
Perfekter Mord im Schutz der Nacht.
Zeit, zu beenden seine Macht.
Dann, plötzlich, brach die Hölle los.Der Wachen Ruf ertönte laut
und schon riss man die Türe auf.
Entsetzt rief Wesley lauthals: „Lauf!“,
Doch Lowell hat kaum aufgeschaut.
Ihm klang Martins Befehl im Ohr.
Der König war längst hoch geschreckt,
die Laken war’n nicht blutbefleckt.
„Nun rühr dich schon, verdammter Tor!“Erstarrt blieb er noch immer steh’n.
Wie lang kann doch die Zeit erscheinen!
Den Moment sollt’ er beweinen,
für ihn Gott um Vergebung fleh’n.
Denn als die Wache zu ihm trat
und seine Klinge blitzte scharf,
war’s Wesley, der sich vor ihn warf.
Erst das riss Lowell aus dem Schlaf.Zornig trieb er sein Schwerte tief
in König Heinrichs Haut hinein.
Sogleich erfüllt’ die Luft sein Schrei’n
und Lowell um sein Leben lief.
„Hinaus, hinaus, solang mir sind
die Götter freudig zugetan!
Nur halb gelungen ist der Plan.
Hinaus, hinaus, schnell wie der Wind!“Im Schloss herrschte Verwirrung nur,
als er die Heimreise begann.
Zur Eil trieb er sein Reittier an,
noch kein Verfolger auf der Spur.
Doch holt’ ihn früh die Trauer ein
um den schnell liebgewonn’nen Freund.
Zu schützen ihn hatt’ er versäumt,
so starb das junge Kindelein.„Verzeih, ich konnte nicht bewahren
dein schlagend’ Herz vor dem Tyrann.
Bist länger nicht in seinem Bann,
mit den Engeln frei kannst fahren.
Will dem Herrn von dir berichten,
gleichwohl auch seinem großen Reich.
Als seist du einem Helden gleich,
soll man von dir Lieder dichten.“Doch niemals kam es je so weit,
denn das, was ihm verborgen blieb
und in des Todes Arme trieb:
Es war noch nicht des Königs Zeit.
Der Stich, in solcher Eil gesetzt,
hat’ sich nicht in sein Herz gebohrt.
So fehlgeschlagen war der Mord,
er blieb zurück nur schwer verletzt!Zu schnell folgte so der Befehl,
dem Meuchler seinen Kopf zu nehm’.
Er konnt’ sie schon von Weitem seh’n,
doch jeder Fluchtversuch schlug fehl.
Starb Lowell auch mit stolzem Blick:
Zwei Opfer war’n umsonst gebracht
und ungebrochen Heinrichs Macht,
wo er selbst leblos hing am Strick.Spät erreicht’ den Prinz die Kunde.
„Warum nur schickte ich ihn fort?
So trostlos scheint nun dieser Ort.
Ach, wie sehr schmerzt diese Wunde.“
Da seine Wut nie mehr versiegt’,
begann er bald den grausam’ Krieg.
Für Lowell wollte er den Sieg,
der tot unter der Erde liegt.Nur Leid bracht’s über die Lande:
Der Preis der gebrochenen Bande.
Der Preis der MagieDer Wind peitscht über Wiesen rot
An diesem Ort, da war der Tod.
Die Szenerie so dumpf und schwer
Erfüllt von Hass, das Leben leer.Doch in den Schatten kauert starr
Ein Kind, der Blick so blass und klar,
„Oh, Mutter, Vater, seid ihr hier?
Es ist so kalt, ach, kommt zu mir!“Von seinen Klagen angelockt
Sich in die Näh‘ ein Wesen hockt,
Ein Lächeln kalt auf dem Gesicht,
„Du armes Kind, verzweifle nicht!Ich kann dich retten und auch sie
Vertrau nur mir und der Magie:
Ich geb‘ dir wieder, was du liebst
Wenn du mir die Erlaubnis gibst.Doch denk dran, dies hat seinen Preis
Den jeder zu erfragen weiß
Denn hole ich sie dir zurück
Lebst du ein Leben ohne Glück.“Das Kind, die Tränen fortgeweint
Erhebt die Stimme. „Ach, es scheint
Als ob ich damit leben kann
Wenn ich sie seh‘ nur wieder dann.“Und so erwirkt ganz zauberhaft
Das Wesen eine kühle Kraft,
Dass an dem Ort, der einst so leer,
Die Eltern kommen wieder her.Ein Lächeln liegt auf dem Gesicht
Des Kindes, doch noch ahnt nicht,
Dass auf dem Weg nach Hause schon
Es zahlen wird den hohen Lohn.Am Himmel ist ein Wolkenmeer
So finster, kalt und auch so schwer
Und dort wo die Familie klein
So steht, schlägt bald ein Blitze ein.Er hätte treffen soll’n das Kind
Die Eltern rennen doch geschwind
Zu ihm, beschützen es so schnell
Doch sterben noch an Ort und Stell‘.Erkenntnis trifft es da so klar:
Dies der Effekt des Zaubers war.
Es ist so traurig, dass bestimmt
Es dann sich selbst das Leben nimmt.Und in der Ferne redet noch
Das dunkle Wesen: „Immer doch
Geht dieser Plan so völlig auf!“
So nahm das Schicksal seinen Lauf.
Der Zombie und der DiamantTief in dunk’len Erdenstollen,
wo jedes Licht schon längst verschollen,
sucht nach Juwel und Edelstein
der Zombie Zobiris ganz allein.
Alle Größen, Formen, Farben,
hinterlässt im Felsen Narben,
schlägt mit Kraft und bloßen Händen
seine Schätze aus den Wänden.Setzt diese Suche immer fort.
Stößt eines Tages auf den Ort:
Eine Höhl‘, von Licht erfüllt,
und darin, in Glanz gehüllt,
von Rosenfarbe, hell und prächtig,
und der Schönheit übermächtig:
Diamant Diancie setzt in Brand
des Zombies Herz wie nie gekannt.Ihr Blick lässt ihn sogleich verharren.
Er spricht: „Entschuldige mein Starren!
In Worte vermag ich nicht fassen,
was du hast aufleben lassen.“
Er tritt herein, an sie heran.
„Nimm von mir diese Gift hier an.“
Hält hoch mit Händen, ganz zerschunden,
den Edelstein, den heut‘ gefunden.Sie sieht’s – und lacht ihn einfach aus:
„Du gräbst im Dreck, Tag ein, Tag aus,
bis du hast endlich entdeckt,
was Mutter Erde lang versteckt.“
Ballt die Faust und öffnet sie;
laut verkündet Diancie:
„Ich erschaffe Diamant, so klar,
so rein wie Luft, die er einst war.Vor mir Rocara verneigen sich,
auch die Menschen vergöttern mich.
Meine Herrlichkeit ist allbekannt!
Bin der Rosendiamant.
Dein Bröckchen hier erreicht mich nicht.
Darum verschwinde, kleiner Wicht!“
Weist mit barschem Wink Zobiris
den Weg zurück zur Finsternis.In Stollen zieht er sich zurück,
trauert ums verlor’ne Glück.
Ist von diesem Wahn befallen,
unter Steinen und Kristallen
zu finden jenen Gemmenstein,
der schön soll wie Diancie sein.
Denn wenn er einen solchen bringt,
der Funke auf sie überspringt?Schürft sehr viel und gräbt sehr weit,
doch erkennt nach langer Zeit:
„Grüne, rote, blaue, gelbe,
ist doch stets genau dasselbe:
Smaragd, Rubin oder Saphir,
reichlich schön ist keiner hier.
Es scheint, um ihn zu finden,
muss zugrunde ich mich schinden!“Daher alles, was er findet,
vor Frust im Schlund verschwindet.
Die Queste ist fast eingestellt,
ein Quarz ihm in die Hände fällt:
„Dieser Stein, an Schönheit reich,
kommt Diancie schon fast gleich!
Diese Farbe, dieser Schimmer;
solch einen find‘ ich niemals nimmer!“Eilt mit rosenfarb’nem Stück
so schnell’s nur geht dorthin zurück,
wo er traf auf seinen Traum.
Doch was er sieht, das glaubt er kaum:
Ihr Glanz ist stark gedämpft,
hat gegen Pokémon gekämpft.
Mit Seilen und Ketten, sehr langen,
Menschen versuchen sie zu fangen!Beim Anblick von Diancies Schmerz,
erfüllt die Wut Zobiris‘ Herz.
In seinem Zorn mit hellem Scheine
erstrahlen die verschlung’nen Steine.
Ungekannt, die Energien,
von Karfunkeln selbst verliehen.
Hebt den Schild ganz aus Rubin
zum Schutze vor Diancie hin.Wie sie ihn sieht ruft sie heraus:
„Was tust du hier in diesem Graus?
Verschwind‘ sofort, ja lauf‘ davon!
Zu stark sind diese Pokémon!“
„Prinzessin, zu retten dein Leben,
würd‘ jederzeit das meine geben!“
Spricht’s und springt vor in die Schlacht,
verteidigt sie mit aller Macht.Und bald, tatsächlich, ist’s geschafft,
vertreibt die Jäger mit der Kraft.
Doch dann der rote Schild zerbricht!
„Verlöschen wird mein Lebenslicht“,
sagt Zobiris, die Stimme schwer;
Diancie beugt sich zu ihm her.
„Nimm’s Juwel, das schön wie du,
so meine Seele findet Ruh‘.“Stirbt so in ihren zitternd‘ Armen.
In Reue konnt‘ sie sich erbarmen,
weint um ihn allein im Stillen
und erfüllt den letzten Willen:
Quarzgefühl webt seidig‘ Flor,
der schöner ist denn je zuvor.
Magie, voll Elfeneleganz
und regenbogenfarb’nem Glanz.„Hätt‘ ich nur früher rausgefunden,
was Zobiris hat empfunden!
Erkenntnis trifft mich mit Verheerung:
War nicht – altbekannt – Verehrung!
Nanntest mich Prinzessin,
sahst mich schöner, als ich bin.
Verzeihe mir, was uns gescheh’n …
Ich hoffe auf ein Wiederseh’n.“Spielkindwünsche
Angesichts des Abendrotes
blickt der Mensch gen blauen Himmel,
hört der Mensch das klein Gewimmel
spürt der Mensch die lauen Lüftchen,
riecht der Mensch die sanften Düftchen,
isst der Mensch den Laib des Brotes
Leben.Doch er versinkt in grauen Wellen.
An ihm beißt der Zahn der Zeit ein,
nein, er drückt ihn sich gleich ganz herein,
Stück für Stück und Stund‘ um Stunde,
im Geiste klafft die leere Wunde.
Die Seele sehnt sich nach den Schwellen.
Er möcht‘ sein Leben noch nicht geben.Im Inneren ertönen Klänge:
„Höre Mensch, ich will dir zeigen,
nicht mehr auf der Welt zu weilen,
bringt dir nicht des Lebens Sinne.
Der Weg ist wie das Netz der Spinne,
führt durch alle düsteren Gänge
der Welt. Die Welt wird dir dein Leben daraus weben.“Nun erklingt des Menschen Stimme:
„Höre Geist, ich hab‘ gesehen,
wie all‘ auf ihren Pfaden gehen,
doch meinem fehlte stets das Ziel.
In diesem Spiel will jeder viel.
Sieh, wie ich den Strom lang schwimme -
kann meinem Willen nichts mehr nehmen!“„Dir fehlt der Weg und nicht das Ziel,
drum geb' ich dir dein Spiel,
entführe dich in eine Welt,
die für dich das Loch erhellt.“Angesichts des Mondes Licht
blickt der Mensch gen Sternenhimmel,
sieht die Träume wie die Fliegen
auf ihrem Nahrungsgrund brachliegen.
Sieht das leuchtende Getümmel
Und fühlt wie eines kleinen Wichts
Augen.Doch er versinkt im schwarzen Meer.
Vor ihm steh’n bekannte Wesen,
farbenfroh, dem Trainer treu.
Der Mensch erlebt die Kindheit neu.
Das Spielen hat ihn stets genesen.
Die Welt unendlich, der Kopf mal leer
und traut den Augen nimmermehr.Von einem Sternenkind ertönen Klänge:
„Höre, Kind, ich will dir zeigen,
wieder auf der Welt zu weilen,
denn der Lebenssinn, der liegt bei dir,
bei den Freunden, Wünschen, Träumen,
die dich ein Leben lang verfolgen,
die du im Grau mal aufgegeben.Nun ist es an der Zeit, sie zu beleben.
Fühl dich frei, find‘ dein Glück,
lerne spielen, Stück für Stück,
Stund‘ um Stunde wirst du sehen,
wie dir tausend Freuden aufgehen.“Nun erklingt des Menschen Stimme:
„Höre Freund, mein Jirachi, ich hab‘ gesehen,
wie all‘ auf ihren Pfaden gehen,
und meiner hat erneut das Ziel:
Freude an des Lebens Spiel!
Sieh, wie ich meine Bahnen schwimme –
kann nach meinen Wünschen nehmen, geben,
leben.“
Lichterseelenernte
In funkelnder Nacht und mit Schwaden des Nebels
dort thronte der Grabstein der Tochter des Glücks.
Dressella, so hieß sie, und ob ihres Todes,
im Schatten der Eichen ihr Leben sie hält.
»Was tust hier?«, so tönte die Stimme des Geistes,
ein Nebulak!, sich vor ihre Stelle gestellt.
»Ich bin nur wie du, ein Geist und nicht mehr«,
sagt sie dann zurück und ihr Antlitz wirkt leer.»Ein Geist bist du nicht, ein Streuner schon eher.
Ich habe genug von den Wesen wie dir,
sie kommen und gehen und stehlen und rauben,
die Gaben des finsteren Waldes von mir.
Wir bieten euch an, hier zu ruhen und sterben,
und sorgen dafür, dass die Steine nicht stauben,
doch fleh ich in Wehmut, erwartet nicht mehr.«Das Rauschen des Windes im Laube wirkt zäh nur,
Dressella blickt traurig und fasst an ihr Herz.
Doch dünstig, so wirkte ihr Körper tatsächlich,
die Seele, sie blieb, doch ihr Leib ist verkehrt.
»Du irrst dich«, das sagt sie und weist auf die Schrift,
die Taten ihr's freudigen Lebens verehrt.
»Ein Wunsch ließ mich leben, doch auch nicht so ganz.
Nun bin ich allein, meinen Augen fehlt Glanz.«»Ich sehe die Schrift, doch kann ich dir glauben?
Welch Wunsch könnte haben die Kraft dich zu heilen?
Am Leben zu lassen, selbst nach deinem Ende?
Dein Leib und den Geist ohne Rücksicht zerteilen?
Lass gehen und suchen, wer das dir getan,
ihn strafen und suchen dem Schicksal die Wende.
Wenn Wahrheit du redest, bist du nicht allein.«Ins Dunkel des Pfades sie schweben hinein,
zu suchen das Dorfe der Jugend des Kindes,
wo sie hat gelebt bis zum Ende des Seins.
Dressella ist müd' doch die Freude wirkt ein:
»Dann seh' ich sie wieder!«, das ruft sie erfreut.
»Die Freundin fürs Leben, mein Xatu, mein Schein!«
Sie tänzelt und säuselt und singt in den Regen,
als sie sich hindurch durch die Pforten begeben.»So möge es sein, und ich kehre zurück nun,
das Xatu, dein Freund, hat gewünscht dir das Leben.
So mächtig, so stark, dieses Wesen, oh wirklich,
doch ist's immer dunkel im Leben des Todes,
vergiss nicht, vergiss nicht! Du kannst zu mir kehren,
wenn du dieses Wunsches genug abgemessen.
Bis dahin, sei fröhlich, vergiss dein Gebein!«Im Dorfe scheint Licht auf die Zinnen der Mauern,
Glücksseligkeit bricht aus den Stimmen und ruft,
Dressella ist hier nun, für immer und ewig!
Jetzt möge sie wirklich nicht wagen zu ruh'n.
Auch Xatu, das Tränen vergossen zu Bächen,
ist hier nun und gibt allen Mädchen zu tun.
Die Feier mag klingen! Das Leben! Die Freude!
»Auf dass ich nicht eine Sekunde vergeude!«»Ich dank' euch, o Götter, ihr habt mich erhört«,
sagt Xatu, »ich bin euch im Danke ertrunken.
Doch was nun, die Jahre vergehen so rasch und,
oh weh, mein Dressella, ist's ohne mich nun?
Wie hat nur die Selbstsucht erblindet mein Denken!
War's wirklich an ihr mir die Zeit hier zu schenken?
So scheid' ich nun aus und mein Leben ist endlich.«Der Kummer zerreißt jetzt das Herz uns'res Mädchens,
Verloren die Treue des Wohls und der Lieder.
So macht sie sich auf, jetzt nach all diesen Jahren,
zum Wald und zum Stein, dessen Namen sie trägt.
Dort sitzt auf dem Felsen, mit grinsendem Munde,
ein Gengar, das in seine Fäuste sich schlägt.
So kommt es ihr näher und pflückt ihr das Leben,
da sie endlich reif war ihr Leben zu geben. -
Kleiner Erinnerungs-Push: ihr habt noch bis morgen Abend Zeit!
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Willkommen an Board :3
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Der Zauber wurde neu entfacht, als nächstes darf sich jemand bitte etwas Einzigartigem annehmen.
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Hallo meine Liebe,
Dann wollen wir die Feedbackkette mal fortsetzen und dein schönes Topic pushen. Ich werde mir nicht jedes einzelne Werk vornehmen, ich hoffe daher, dass es okay für dich ist, wenn ich mir einfach mal ein paar rauspicke.
Zu erst einmal möchte ich mich bedanken, für deine Danksagung. Die ist so niedlich! Es freut mich, wenn ich mit meinem Gequatsche was bewirke und wie man bei dir sieht, hat es sich gelohnt, Zeit in den Kommentar für ein junges Talent zu investieren ;) Dass du dein Topic ganz in deinem Stil hältst – das Grün, der Titel, alles so sensibel und zart und liebevoll wie du selbst- gefällt mir sehr gut. Warum du nicht mit Kommentaren überrannt wirst kann einfach nur daran liegen, dass keiner weiß, was er dazu noch sagen soll!Ver
Dem Rhythmus Problem stimme ich zu, aber inhaltlich gefällt es mir gut. Sofern ich das beurteilen kann gefällt mir der Bezug zum Frühling, wie du das Thema so luftig und leicht verarbeitest wie der Frühling selbst (und wie du, nicht wahr? ). Dafür, dass du dir dafür nicht viel Zeit genommen hast (ihr nicht viel Zeit hattet?) finde ich es auch nicht so schlecht, und der 6. Platz ist besser als nichts. Es freut mich, wenn du es selber gut findest, das ist die Hauptsache J Den Titel finde ich spannend, ich hab mich erst gewundert, was er bedeutet. Es ist immer zweischneidig: damit lockt man neugierige Leute (wie mich) sofort an, es ist aber immer gut, wenn man erklärt. (Was du ja dann auch getan hast).Teebeutel
Was ist das für ein süßer Titel. Ich hätte es spannender gefunden, wenn du (denn der Vergleich ist gar nicht schlecht!) das aus der Sicht des Teebeutels versucht hättest und nicht andersrum. (Sowas ist immer Ansichtssache. Ich finde das Ungewöhnliche immer super, während andere das nicht so sehen. Lass dich davon nicht beunruhigen, ich bin da manchmal echt die einzige.) Für dein erstes Drabble ist es gut, denn in so wenigen Worten irgendwas zu bewirken ist ja die Kunst dabei. Trotzdem hätte das Drabble mehr Pepp gehabt, wenn da noch irgendeine Wendung, irgendwas Spezielles dabeigewesen wäre (wie zB ein Gedankenwechsel, Sichtweisenwechsel, etc.). Wenn ich Drabbles richtig interpretiere, sind es ganz kurze Geschichten und deines widerspiegelt mehr den Gedanken, als eine Story. Aber wie gesagt, man hat ja auch kaum genug Worte um wirklich was zu erzählen. Zum Thema Herbst passt es aber und die wohlige Stimmung vermittelst du allemal!
Den Vergleich zu jemandem, der sich in eine Decke kuschelt finde ich sehr passend, so hab ich es nie gesehen. Den hast du auch vermittelt und wenn ich das nächste Mal Tee trinke, werde ich an deine Worte denken :D
~♥ -
Also bei mir landen die Verpackungen in ner Kiste unterm Bett o.Ä. und bei vielen wird das wohl denke ich ähnlich sein, da lohnt sich so ein Steelbook eigentlich so ziemlich überhaupt nicht, weil damit nur das gleiche passieren wird.
Geht mir auch so. ich finde sie rein optisch schön, aber da sie eh in einer Kiste landen, gebe ich nicht gern mehr Geld dafür aus, denn ich kaufe beide und das wäre mir dann doch zu teuer. Bzw Geld, das ich auch anders "investieren" kann- es geht (mir) ja um die Edition und nicht um die Verpackung. Aber ich finds schön, dass man noch welche nachbestellen kann, für alle die, die das unbedingt (noch) wollten.
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Die meisten Sprüche entstehen bei mir mit @Kyurama durch Autokorrektur (viel Liebe an der Stelle) oder wenn ich mal wieder was Falsches gelesen habe. Die üblichen Insider hat sie schon genannt, das sind definitiv die Besten :D
"Diese Kinder!" wie @Rusalka und @Cyndaquil und ich zu sagen pflegen, wenn etwas oder vorallem jemand nicht so will wie ich/wir. Entstanden ist das zwischen Cynda und mir, als Ausdruck der Entrüstung, die aber meistens eher scherzhaft als böse gemeint ist.
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Hallo ^^
... Die ich mit ein, zwei Fragen beginnen muss, haha. Und zwar betrifft das die Regelung »nicht mehr als 2500 Wörter und 40 Verse«. Ist damit gemeint, dass man weder die Wort- noch die Versbegrenzung überschreiten darf, oder dass das Werk auch mehr als 40 Verse haben darf, solange es nicht die 2500 Wörter überschreitet? Bei der Formulierung hört es sich nämlich wie letzteres an; sollte dem nicht so sein, würde eine »und/oder«-Formulierung weniger verwirrend sein. <(^___^"<)
Wir haben uns intern abgesprochen und beschlossen, dass wir die Versgrenze rausstreichen, so bleibt euch lediglich die Wortgrenze. So habt ihr zumindest gestalterisch mehr Freiheiten und wir hoffen, dass dieser Kompromiss für alle in Ordnung ist.
(und sollte diese "Kritik" in diesem Topic unangebracht, da fehlplatziert sein, sagt das bitte)
Absolut gerechtfertigt, keine Einwände, wenn du/ihr hier postet.