Kira spähte vorsichtig durch eine relativ schmale Lücke, die sich zwischen mehreren zusammen gezwängten Leibern gebildet hatte. Eine der etlichen Menschenmassen hatte sich nahe der Bühne versammelt, wahrscheinlich hofften sie darauf, dass auf dieser, außer dem Spielen der Band, endlich etwas geschah. Das jedoch würde noch etwas auf sich warten lassen.
Ein hochgewachsener, gut gebauter Junge mit kurzem, pechschwarzem Haar stand etwas abseits des Geschehens, er unterhielt sich mit einer Frau, die ihm bis auf wenige, beträchtliche Dinge bemerkenswert ähnlich sah. "Also schön, Augen zu und durch. Der Verletzte hat jetzt Vorrang." Von diesem Gedanken etwas ermutigt, bahnte die Magierin sich einen Weg durch das Gedrängel, geradewegs zu der besagten Person hin.
"Tut mir Leid, aber ich benötige dringend deine Dienste." Ohne auf Cassandras überraschte Mimik zu achten, packte sie deren Sohn kurzerhand an einem Unterarm und zog ihn mit sich, diesmal allerdings nicht durch den Trubel, sondern in eine andere Richtung. Nach einigen Augenblicken Fußmarsch ließ sie sein Handgelenk schließlich in einem ruhigen Winkel der Lichtung los. "Was, bei allen guten Geistern, sollte das eben, Kira?" Damien blickte die Schwarzhaarige ein wenig perplex an, in seiner tiefen Stimme hörte man doch tatsächlich einen Anflug von Verwunderung. Yuki streifte sich die Jacke, die sie kurz vor Betreten der Menge ausgezogen hatte, wieder über. Der intensive Geruch von frischem und teils angetrocknetem Blut hatte ihr bereits während der Fahrt verraten, das ihr geliebtes Kleidungsstück unfreiwillig einen neuen Anstrich bekommen hatte.
"Ist das etwa-", begann Damien, doch die Neunzehnjährige unterbrach ihn. "Ja, ist es. Hör zu, ich brauche deine Hilfe bei... sagen wir, einem Problem. Ich hab nicht die nötige Zeit Cassy irgendwelche stundenlangen Erklärungen zu liefern, deshalb hab ich dich einfach mitgeschleift."
"Und worum genau geht es, wenn ich fragen darf?"
"Um einen Mann, er ist schwerverletzt. Bianka hat ihn scheinbar bewusstlos am Fuß eines Abhangs gefunden. Er liegt auf meinem – eigentlich Kaelies - Motorrad am Rand des Platzes, Bianka ist bei ihm." Yukira wusste, dass der Kristallmagier keine Bitte abschlagen konnte, besonders nicht, wenn es um einen verwundeten Menschen handelte. "Kann ich auf deine Heilkünste zählen, Damien?" Dieser nickte nur. Die Tatsache, dass jemand sich scheinbar in einem solch schlechten körperlichen Zustand befand, hatten ihm wohl die Worte geraubt. "Dann wollen wir mal. Folg mir."
Bereits drei Minuten später kam das Gefährt samt seiner "Bewachung" in nahe Sichtweite. Der Unbekannte stand wenige Schritte von dem Fahrzeug entfernt, vor ihm Bianka. Die Arme vor der Brust verschränkt und auf ihn einredend. "Hey!", rief die Schwarzhaarige um ihre Ankunft bekannt zu geben. Nicht einmal dreißig Sekunden waren vergangen, als beide die kleine Gruppe endgültig erreichten. Die Braunhaarige schenkte Kira einen Blick, der ihre Meinung zur Länge ihrer Abwesenheit mehr als offen kundtat. Diese ignorierte ihn schlichtweg.
"Das ist er", erklärte sie, doch das war nicht wirklich von Nöten, da Damien bereits vor dem Rothaarigen stand und ihn eingehend musterte. Das Entsetzen über das Ausmaß der Wunden versuchte er vergebens zu verbergen. "Anhand der blutgetränkten Verbände, scheinen die Blessuren sehr tief zu sein, manche reichen vielleicht sogar bis zu den Knochen", spekulierte er kaum hörbar vor sich hin. Um eine eventuell abwehrende Reaktion des 'Patienten' zu verhindern, sprach er anschließend leise einen temporären, aber relativ starken Lähmungszauber aus, ehe er nach einer etwas lockeren Bandage griff und sie ein kleines Stück weit abwickelte. Was für ein Anblick sich darunter preisgab, konnte Yukira nicht erkennen, doch der Zwanzigjährige schien sich in seiner Theorie bestätigt. "Kein Zweifel, der Ursprung ist nicht gewöhnlich. Diese Wunden wurden mit Magie, möglicherweise sogar mit aggressiver, verursacht. Ich kann sie nicht heilen, dieses Kaliber liegt außerhalb meiner Fähigkeiten", verkündete er schließlich. "Das Einzige, was ich tun kann, ist ein Großteil des Blutes zu erneuern, das du – deinem kraftlosen wie blassen Anblick nach zu urteilen - verloren hast. Ohne dem Bandagierten eine Möglichkeit zur Antwort zu lassen, streckte Damien seine schlanken Finger aus und platzierte sie mit einigen Zentimetern Abstand vor dem Brustkorb. Keine Sekunde später, leuchtete ein kleiner bläulich grüner Runenzirkel auf und seine Hände begannen in einem schwach türkisfarbenen Licht zu schimmern.
Die Prozedur dauerte eine geschlagene halbe Stunde, ehe der Schwarzhaarige schließlich erläuterte, er habe nicht mehr genug Magie um den Rest ebenfalls zu regenerieren. "Mehr kann ich nicht tun", meinte er und ließ seine Hand in der Tasche seiner schwarzen Jeans verschwinden, um sie kurz darauf wieder auftauchen zu lassen. "Hier, die wirst du wohl brauchen. Ich habe sowas immer für den Notfall dabei, falls manche sich verletzen." Mit diesen Worten – und einem amüsierten Seitenblick auf Yuki – gab er dem Unbekannten einige Verbandsrollen. Der lähmende Zauber hatte seine Wirkung mittlerweile auch schon verloren.
Da dem Blutmagier keine andere Ausrede oder Lüge auf die Schnelle einfiel, zuckte er nur mit den Schultern. "Wenn du meinst... Für mich sind es nur ein paar Kratzer. Ein paar neue Verbände drüber und schon sieht es wieder ganz normal aus."
Inzwischen schien eine andere Frau in Begleitung eines jungen Mannes zu kommen, vermutlich die zuvor erwähnte Kameradin mit der Person, die ihm Verbände geben könnte. Leider schien der Mann vom Übereifer gepackt worden zu sein und begann Drake sofort zu untersuchen. In der Regel hätte es den Arzt den Kopf gekostet, jedoch schien dieser einen Lähmungszauber auf Blutregen gelegt zu haben, weshalb sich dieser nicht dagegen wehren konnte, dass der Mann ihm einen seiner Verbände am Arm abnahm. Letztendlich sah der Mann aber ein, dass er diese Wunden nicht heilen konnte und beschränkte sich, nach dem die Wunde wieder mit dem blutgetränkten Verband geschlossen hatte, auf die Erneuerung des Blutes, was Drake letztendlich auch übersich ergehen ließ. Nach dem ersten Schock über die Lähmung hätte er nämlich immer noch ein Projektil aus seinem Blut formen und somit den Arzt auch ohne eine körperliche Bewegung ausschalten können. Nach dem der Mann offenbar seine gesamte Magie darauf verwendet hatte, einen Teil des Blutes von Drake zu erneuern, gab er dem Blutmagier noch ein paar neue Verbände. "Du hättest mir auch gleich nur die Verbände geben können, das hätte auch gereicht und wir wären wesentlich schneller fertig gewesen...," meinte Drake nur, nun verärgert darüber, dass ihm wohl die Frau, die ihn zuvor schon nach seinen Wunden gefragt hatte, nicht mehr die Geschichte mit den Kratzern glauben würde.
In der Hoffnung, dass sie noch nicht gemerkt hatte, das der Heiler fertig war, wollte er sich Richtung Wald abwenden, um sich an einem ungestörten Platz die neuen Verbände anlegen zu können.
Wieder bekam Bianka keine Antwort auf ihre Frage, was dem Mann passiert war. Es musste etwas gewesen sein, was man lieber nicht erzählen sollte. Bevor sie allerdings versuchen konnte, ihn weiter auszufragen, kam Yukira schon in Begleitung Damiens vorbei. Beim Anblick des Rothaarigen war Cassandras Sohn deutlich entsetzt. Nachdem er einen Lähmungszauber auf den Verletzten angewandt hatte, wickelte er ein Stück der Bandagen ab. Bei diesem Anblick weiteten sich Biankas Augen. Die freigelegte Stelle war voller Wunden und der Rest seines Körpers sah vermutlich genauso aus. "Kein Zweifel, der Ursprung ist nicht gewöhnlich. Diese Wunden wurden mit Magie, möglicherweise sogar mit aggressiver, verursacht. Ich kann sie nicht heilen, dieses Kaliber liegt außerhalb meiner Fähigkeiten", verkündete Damien und meinte daraufhin noch, dass er nur einen Großteil seines verlorenen Blutes erneuern könne. Ein Körper voller Magie verursachter Wunden, die selbst Damien nicht heilen konnte. Dieser Typ war definitiv nicht normal und es war gut möglich, dass sein Zustand etwas mit dem zu tun hatte, was ihm widerfahren war. Während Bianka grübelte, beendete Damien seine Behandlung und gab seinem 'Patienten' einige Bandagen. Die Braunhaarige bemerkte, dass er sich wohl in Richtung Wald abwenden wollte, um abzuhauen. "Hey, du willst uns doch nicht etwa schon verlassen, oder?", meinte Bianka mit ihrem typischem Grinsen auf dem Lippen. Sie würde schon noch herausfinden, was es mit diesem Kerl auf sich hatte.
"Ich geh nur in den Wald um meine Verbände zu wechseln. Wie ich mir vorstellen kann, willst du auch nicht unbedingt, dass ich mich vor euch ausziehe... Was ich danach mache, weiß ich noch nicht." Natürlich war es gelogen. Sobald Blutregen seine Verbände gewechselt hatte, würde er versuchen seinen zuvor gefassten Plan in die Tat umzusetzten und zu verschwinden. Würde er es sich aber anmerken lassen, könnte es aber gut sein, das ihn die drei nicht mehr so schnell alleine lassen würden und Drake somit keine wirkliche guten Chancen hätte, unbemerkt den Ort zu wechseln. "Aber was willst du überhaupt von mir? Ja, ich bin dir dankbar, das du mich aus dem Wald geholt hast, wenn du das hören willst," kam es nun von Drake, der auch mal in die Offensive bei dem Gespräch gehen wollte. Vielleicht könnte er es so schneller zu einem Ende bringen.
"Ach, dafür musst du doch nicht in den Wald gehen, das ist doch so...unhygienisch.", meinte Bianka und deutete auf ein verlassen wirkendes Zelt gleich neben ihnen. "Dort in dem Zelt kannst du das auch machen, ohne dich zu verdrecken. Da wird dich auch sicher niemand vorbei kommen, da stehen nur Ersatzstühle", fügte sie noch lächelnd hinzu. In ihrem Blickwinkel konnte die Braunhaarige dann Yukira erkennen und ihr fiel das Siegel ein, welches sie ja noch benutzen wollte, um ihr eine Lektion zu erteilen. Das Siegel leuchtete. Nun konnte sie mit ihr machen, was immer sie wollte. Bei dieser Vorstellung konnte Bianka sich einfach ein kleines Kichern nicht verkneifen. Ohne lang zu warten, nutzte die Braunhaarige diese Möglichkeit sofort aus. Und schon machte Yukira sich gegen ihren Willen auf eine schöne Matschpfütze zu. Kurzerhand ließ Bianka ihre Kameradin während sie lief, die Beine überkreuzen, weswegen sie mit ihrem Gesicht direkt in die Pfütze fiel. Aber anstatt sie gleich aufstehen zu lassen, ließ sie die Schwarzhaarige noch zehn Sekunden in dieser Position verharren, bevor sie das Siegel löste. "Ach Yukira, man sollte doch immer aufpassen, dass mach nicht auf die Schnauze fliegt!", meinte die Braunhaarige mit amüsiertem Unterton.
Das kurze Gespräch zwischen Bianka und dem Unbekannten verfolgte Kira nur mit einem halben Ohr. Ihre Aufmerksamkeit befand sich mittlerweile wieder an demselben Punkt, an dem sie vorhin unterbrochen worden war. "Woher kommt mir dieses Gesicht nur bekannt vor? Eine Verwechslung kann ich ausschließen, sein Äußeres ist dafür einfach zu auffällig. Vielleicht sollte ich-" Ein leises Kichern von Seiten der Kartenmagierin ließ sie alarmiert aus ihren Gedanken fahren. Die Art wie Bianka lachte, kannte der weibliche Dragon Slayer zu gut. Es verhieß tiefe Schadenfreude. "Oh nein, wehe sie hat...!" Doch ehe Yukira etwas unternehmen konnte, begannen sich ihre Füße bereits selbständig zu machen. Sie steuerten ungehalten einen relativ großflächigen, braunen Fleck auf dem Boden an – eine Matschpfütze. Während des Weges überkreuzten sich plötzlich ihre Beine und sie fiel der Länge nach hin, mit dem Gesicht geradewegs in die dreckige Brühe. Augenblicklich kochte die beinahe verflogene Wut wieder hoch. Fast eine Viertel Minute verging, ehe das Siegel sich auflöste und sie sich wieder bewegen konnte. "Du hast die Spaßgrenze soeben überschritten", dachte sie in gereiztem Ton, als sie sich aufrichtete.
Kaum stand die Schwarzhaarige, ging ein Ruck durch ihre Gestalt. Diese verwandelte sich im selben Moment zu Wasser und begann am gesamten Oberkörper schwach zu rotieren, bevor sie nach wenigen Sekunden wieder das normale Erscheinungsbild annahm. Klatschnass, aber gänzlich sauber blickte Yuki der Braunhaarigen mit ungewöhnlich neutraler Mimik ins Gesicht. Nur das einschüchternde Funkeln in ihren Augen, verriet die Erbitterung, die in ihr tobte. Die Flüssigkeit rann in unzähligen, breiten Rinnsalen ihren Körper hinab und bereits kurze Zeit später stand die Neunzehnjährige trocken in einer rötlich braunen Lache, die langsam in der Erde einer Grasnarbe versickerte.
Es herrschte für eine Weile Stille, ehe jäh Damiens Stimme ertönte. "Ich sehe schon, es kracht hier gleich wieder ordentlich. Wie kleine Kinder, schlimm mit euch beiden. Es würde mich nicht wundern, wenn es Clover irgendwann erwischt, sollte euer Gemetzel jemals ein neues Niveau erreichen. Genug Zerstörungskraft haben eure Magien dafür ja..." Ein lauter Seufzer entfuhr ihm. "Manchmal wünschte ich, Kleinkinder wie ihr dürftet keine Magie in solchem Ausmaß beherrschen, besonders was dich betrifft, Kira. Du hast schon oft genug immensen Schaden angerichtet mit deiner Dragon Slayer Magie." Bei diesem Satz schaute er sie an, wie ein Vater, der seiner jungen Tochter gerade eine gehörige Standpauke hielt, weil sie etwas getan hatte, dass sich nicht gehörte. "Ich verschwinde, bevor ich zwischen die Fronten eures Krieges komme." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich um und verschwand. Nicht einmal seinem 'Patienten' schenkte er ein letztes Augenmerk, was für ihn normalerweise unüblich war. Nur wenn Bianka und sie zu den Waffen griffen, zeigte sich seine genervte Seite.
Yukira beachtete den Jungen jedoch nicht, ihre Aufmerksamkeit galt der Frau, die sie spöttisch anschaute. Mit ruhigen Schritten trat sie näher an Bianka heran, ehe sie wenige Millimeter vor ihr stoppte, das Gesicht ruhte dicht vor dem ihres Gegenübers. Ihre gleichgültige Miene wich einem herzlichen Lächeln, als die Schwarzhaarige eine Hand hob und sie ein Stück weit über dem Kopf ihrer Kameradin platzierte. Unvermittelt ergossen sich zwei bis drei Liter Wasser, dessen Temperatur nur ein, zwei Grade höher als der Schmelzpunkt lag, über ihre Gestalt und durchnässte sie vollständig. Kira wies die Tropfen, die sie trafen mit ihrer Magie einfach ab. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie den Arm wieder senkte. "Du solltest vielleicht relativ schnell etwas gegen deine nassen Klamotten machen, wenn du nur mit einer dicken Erkältung davonkommen willst. Anderweitig kann es im schlimmsten Fall mit einer Lungenentzündung enden, wenn du Pech hast", meinte sie in amüsiert süffisantem Ton und als wolle er ihre Aussage unterstreichen, begann unerwartet ein kühler Wind zu wehen.
Auch wenn die Frau nicht auf seine Frage einging und somit Drake erfolgreich das Gespräch beendet hatte, gab es dennoch ein Problem: Sie bot ihm ein Zelt an, in dem er sich umziehen konnte. Diese Tatsache an sich war zwar kein Problem, so konnte er aber anschließend nicht einfach unbemerkt abhauen und vielleicht würde man ihn danach weiter ausquetschen. Um aber kein Aufsehen zu erregen, zuckte er nur mit den Schultern und verzog sich in das Zelt.
Da Blutregen mit den Jahren viel Übung darin bekommen hatte, die Verbände zu wechseln, ging es auch relativ schnell, nur bei seinem Auge lies der Blutmagier sich mehr Zeit, da dies wohl die unschönste Wunde an seinem Körper war und nicht einmal die Augenklappe, die er unter dem Verband trug, diese komplett verdecken konnte.
"Manchmal wünschte ich, Kleinkinder wie ihr dürftet keine Magie in solchem Ausmaß beherrschen, besonders was dich betrifft, Kira. Du hast schon oft genug immensen Schaden angerichtet mit deiner Dragon Slayer Magie." Es war zwar eher ein Zufall, dass Drake diese Sätze des Arztes mit bekam, aber nun hatte die Entscheidung, im Zelt die Verbände zu welchseln, doch noch ihr Vorteile und der Magier wusste nun nicht nur dass ein Dragon Slayer in der Nähe war, sondern auch das es eine Person Namens Kira sein und der Arzt vermutlich mit ihr in Verbindung stehen musste.
Blutregen legte noch mal einen Zahn zu, um sicher zu gehen, dass er fertig war, bevor der Dragon Slayer verschwunden war und verließ wieder das Zelt. Die alten Bandagen hatte er dabei einfach wieder mitgenommen und würde sie später unbemerkt entsorgen, um dem Rat nicht noch eine Fährte zu legen. Der Blutmagier sah für seine Verhältnisse nun wieder relativ normal aus. Die Haut war zwar an manchen Stellen noch vom Blut rot gefärbt, aber das würde vermutlich weniger auffallen, als wenn auch die Verbände rot wären. "Ich habe von drinnen gehört, das es hier irgendwo einen Dragon Slayer geben soll... Wisst ihr wo ich ihn finden kann?" Dies war zwar sicherlich nicht die beste Methode an Informationen herran zu kommen, aber ihm viel nichts besseres auf die Schnelle ein.
Dass der Rothaarige sich während des Geschehens in das Zelt, in dem die (Kiras Meinung nach überflüssigen) Ersatzstühle gelagert wurden, zurückgezogen hatte, bemerkte sie erst als er aus diesem wieder heraustrat. Die frischen Verbände, die nun seinen Körper umhüllten, machten seine Erscheinung nicht wirklich weniger auffällig. Bei der Frage, ob einer der Beiden wüsste, wo er den eben von Damien genannten Dragon Slayer finden könnte, horchte die Schwarzhaarige auf. Ihr Misstrauen war geweckt und machte sich ziemlich schnell in ihr breit. Was wollte der Kerl von ihr? War die Tatsche, das sein Gesicht ihr bekannt vorkam, doch keine Einbildung? Mit dem Vorhaben der Sache näher auf den Grund zu gehen, entfernte sie sich von der wütenden wie durchnässten Bianka und begab sich in Richtung des Fremden, wobei sie einige Schritte Sicherheitsabstand hielt. "Weshalb möchtest du das wissen, wenn ich fragen darf?", erkundigte sie sich mit hochgezogener Augenbraue und verschränkten Armen.
Ein schwarzhaariges Mädchen schien sich von seiner Frage angesprochen zu fühlen, kam näher und wollte wissen, weshalb er danach fragte. Ihre Aktionen lassen leider nicht mit Sicherheit den Schluss zu, dass es sich bei der jungen Frau um den Dragon Slayer handelt, wobei es sehr wahrscheinlich ist. Sollte sie also nicht irgendeinen guten Grund vorbringen können, keiner zu sein, werde ich sie wohl testen müssen... Nein, besser nicht. Das würde nur Aufsehen erregen... - "Ich interessiere mich einfach für verlorene Magie..." Nach dieser recht knappen Aussage hoffte Drake, dass sie sich auch damit zufrieden geben würde. Mehr würde er höchstens dann sagen, wenn er sich sicher war, das sie auch ein Dragon Slayer war.
"Schlichtes Interesse an verlorener Magie?" Yukira blickte dem Fremden skeptisch in das nicht bandagierte Auge. Sie machte sich nicht im Ansatz die Mühe, ihr Misstrauen zu verbergen. "Und was genau möchtest du von einem Lost Magic Nutzer? Wohl kaum ein Interview mit Fragen über diese Magie halten, oder?" Während sie sprach, klang aus ihrer Stimme die typische kühle Ruhe, die sich immer dann zeigte, wenn sie mehr oder weniger unfreiwillig mit Fremden sprach. "Wenn schon jemand nach mir sucht, wüsste ich gern mit wem ich es zu tun habe und was man von mir will." Die junge Frau löste die Verschränkung ihrer Arme und musterte den Rothaarigen erstmals richtig. Anhand der vielen Verbände, die er trug, konnte man ihn fast als wandelnde Mumie ansehen, fand sie. "Es würde mich nicht wundern, wenn er selbst verlorene Magie verwendet. Nur welche Art? Wegen seiner Wunden würde ich ganz spontan auf Blutmagie tippen. Aber sie ist vor Ewigkeiten verboten worden, wegen der ungeheuren Gefahr, die sie birgt. Wer sie beherrscht, kann unter anderem Lebewesen sofort umbringen oder anderweitig kontrollieren. Sollte irgendjemand auch nur versuchen, sich diese Kunst anzueignen, wird er vom Rat sofort unter Arrest gestellt, sobald die in Era Wind davon bekommen, was normalerweise sehr schnell passiert, egal worum es geht oder wie gut man es zu verbergen versucht. Es ist daher also recht unwahrscheinlich, dass ein Blutmagier frei herumläuft. Gegen eine oder gar mehrere Divisionen des neuen Rates kann einer allein kaum etwas ausrichten. Außer...außer, er beherrscht die Manipulation von Blut vollständig und kann die Rune Knights so problemlos reihenweise töten... Kira kniff ihre Augen ein wenig zusammen, so wie sie es immer tat, wenn sie etwas intensiv beschäftigte. Nein, das ist mehr als unwahrscheinlich. Meine lebhafte Fantasie geht wieder mal mit mir durch, das ist alles.
Doch trotz der letztendlichen Schlussfolgerung, ihr Vorstellungsvermögen spinne sich wieder irgendetwas zusammen, beschloss sie auf der Hut zu bleiben. Vielleicht war der Mann am Ende doch keine Person, die einfaches Interesse an der Lost Magic gefunden hatte.
Auch wenn Blutregens Gegenüber noch immer misstrauisch und vorsichtig war, so wusste der Blutmagier nun aber zumindest, dass es sich um einen Dragon Slayer handelte. "Stimmt, ich hab mich noch nicht vorgestellt... Mein Name ist Drake. Es stimmt zwar auch, dass ich dich nicht unbedingt interviewen möchte, aber ein paar Fragen hätte ich trotzdem..." Der Magier schielte kurz zu der anderen jungen Frau hinüber. Ein Gespräch unter vier Augen wird wohl hier nicht möglich sein und auch sonst ist mir diese Frau immer noch suspekt. Wäre nicht gerade der Rat in meiner unmittelbaren Nähe und ein Dragon Slayer anwesend, würde ich sie einfach umbringen, aber das ist jetzt zu gefährlich. Auch muss ich mir überlegen, wie ich jetzt wohl am besten das Gespräch weiterführe... - "Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir uns an einen etwas ruhigeren Ort zurückziehen?"
"Drake, hm? Ich bin Yukira", erwiderte die Schwarzhaarige kurz angebunden. Sie wusste nicht so recht, was sie von dem Verhalten des Rothaarigen halten sollte. Einen wirklich seriösen Eindruck machte dieser nämlich nicht. Um genau zu sein, erschien er der Magierin sogar die Art von Mensch zu sein, der man so ziemlich alles zutrauen konnte, was in den Bereich des Unmoralischen ging. Diesen Gedanken versuchte sie sich jedoch nicht anmerken zu lassen. "Ich werde aus dem Ganzen nicht wirklich schlau. Bianka findet einen abstrus wirkenden Schwerverletzten, dessen Gesicht ich meine, schon einmal gesehen zu haben und der kurz nach dem Wiedererlangen seines Bewusstsein mich wegen irgendetwas fragen will, und das scheinbar nur, weil ich ein Dragon Slayer bin. Seh einer einen Sinn in der Sache, ich jedenfalls nicht."
Kira fiel der rasche Seitenblick auf, den Drake der Einundzwanzigjährigen zuwarf. Dass diese ihm scheinbar nicht normal erschien, konnte sie nur zu gut verstehen. Selbst nach den vier Jahren Bekanntschaft fragte sie sich manchmal, ob man Biankas Persönlichkeit überhaupt als gewöhnlich bezeichnen konnte. "Schenk ihr einfach keine Beachtung, dieses zickige Weib kommt sogar ihrem nahen Umfeld gelegentlich suspekt vor. So ist Bianka eben. Und bezüglich deiner Frage, nein, es macht mir nichts aus." Der letzte Satz entsprach nicht ganz der Wahrheit. Es alamierte sie aus irgendeinem Grund, dass der Mann mit ihr unter vier Augen sprechen wollte, gleichzeitig war sie allerdings auch neugierig darauf, was er von ihr wollte. "Rechne lieber mit allem, das erspart dir möglicherweise diverse Probleme."
Diese Frau heißt also Bianka... kommt mir nicht wirklich bekannt vor, aber von so vielen Ratsmitgliedern weiß ich auch nicht die Namen und es kann ein Deckname sein. Da sie aber auch hier den Leuten suspekt vorkommt, sollte ich wohl doch aufpassen, was ich vor ihr sage und was nicht. Auch wenn sie nach ihren bisherigen Handlungen nicht zu Rat gehören dürfte, weiß man nie was die noch so planen... Dies überlegte sich Drake, während er mit Yukira zusammen ein Stück in den Wald ging. In der Menschenmenge des Festes könnten sich irgendwelche Leute vom Rat befinden und wäre er in ein Zelt gegangen, könnte jemand lauschen, ohne dass sie es mitbekamen. Vielleicht war diese Vorsicht übertrieben, aber Blutregen wollte kein unnötiges Risiko eingehen, nur um später tot oder für immer gefangen zu sein.
Schließlich waren die Geräusche des Festes nur noch leise zu hören, Drake hatte aber Bianka noch gut im Blick und würde somit wohl kein all zu großes Risiko eingehen von irgendjemandem belauscht zu werden. Natürlich konnte dieser Waldabschnitt mit Abhörmagie oder ähnlichem behandelt worden sein, aber da er selbst diesen Ort ausgesucht hatte wäre es mehr als unwahrschlich. "Wie du es dir vielleicht schon gedacht hast, beherrsche auch ich eine verlorene Magie." Nach dies,em Eröffnungssatz, der hoffentlich etwas die Anspannung in seinem Gegenüberlösen würde, was es Drake wiederum leichter machen würde, an Informationen zu gelangen, überlegte er sich kurz wie er wohl am besten fortfahren sollte. Leider zeigte sich hier, dass er nicht sonderlich in Gesprächen geübt war, da er die letzten Jahre eigentlich ausschließlich seine Magie zur Kommunikation genutzt hat und seine Gesprächspartner nicht sehr lange mit ihm kommuniziert hatten. "Hast oder hattest du vielleicht ab und zu gewisse Probleme mit der Magie?"
Dass Drake für das Gespräch ausgerechnet in den Wald wollte, missfiel Yukira ein wenig. Geschützt vor den Augen anderer könnte man problemlos spezielle Tätigkeiten ausführen und anschließend ohne Mühe einfach verschwinden. "Übertreib es nicht gleich! Nur weil er dank seiner Erscheinung zwielichtig wirkt und aus irgendeinem unbekannten Grund mit dir ungestört sprechen will, heißt das nicht, dass er gleich ein blutgieriger Psychopath ist!" Dennoch sagte ihr ein drückendes Gefühl in der Magengrube, dass bei dieser Person äußerste Vorsicht geboten war. Notfalls konnte sie sich zwar verteidigen, sollte es zu physischen Auseinandersetzungen kommen, da unter anderem kaum ein Magier, egal ob Anfänger oder „Profi“, mit ihrer Angriffsgeschwindigkeit mithalten konnte, trotzdem wünschte sie sich, dass es nicht soweit kam, egal weshalb.
Doch zu ihrer Beruhigung blieb ihre Begleitung in dem Radius stehen, in dem Bianka und sie einander noch sehen konnten. "Wie du es dir vielleicht schon gedacht hast, beherrsche auch ich eine verlorene Magie", eröffnete Drake unvermittelt das Gespräch. Dieses "Geständnis" überraschte den weiblichen Dragon Slayer nicht, sie nahm es mit neutraler Miene zur Kenntnis. "Sieh an, vielleicht ist er ja doch ein Blutmagier", schoss es ihr spontan durch den Kopf. Seine darauffolgende Frage zerstörte ihre Ruhe allerdings. Unwillkürlich musste sie an das Ereignis denken, dass ihr zwar die Freiheit wieder geschenkt, ihr unter Umständen friedliches Leben als freier Magier jedoch schon geraubt hatte, bevor es überhaupt hatte anfangen können. "Ist er möglicherweise vom Rat? Haben sie meinen Aufenthaltsort seit dem Zusammentreffen gestern etwa schon herausgefunden? Wenn ja, habe ich ein wirklich riesiges Problem. Ihn auf eine falsche Fährte locken, ist die einzige Möglichkeit. Verschwindet er spurlos, würde das nur ein ganzes Regiment Rune Knights hier auftauchen lassen." Die Unruhe, die sich in ihr auszubreiten begann, versteckte sie gekonnt hinter einer fragenden Mimik sowie einer gleichgültigen Körperhaltung. "Probleme mit meiner Magie? Inwiefern denn, wenn ich fragen darf?"
Vielleicht hätte Blutregen etwas aus ihrer Körperhaltung lesen können, wenn er öfters in Gesellschaft gewesen wäre, so sagte sie ihm jedoch nicht wirklich etwas, auch wenn er es eigentlich ausschließen konnte, dass es sich bei Yukira um ein Ratsmitglied handelte. "Nun ja, ich habe diesbezüglich nur einiges gehört und es sollen zum Beispiel Momente geben, in denen ein Magier die Kontrolle über seine Magie verliert oder etwas in dieser Richtung..." Dies war natürlich eine Lüge und er hoffe, dass er sie gut genug verstecken konnte. Würde man dahinter kommen, dass Drake selber solche Probleme hatte, könnte es gut möglich sein, dass der Rat ihm noch schneller wieder auf die Spur kommen würde als er es eh schon tun würde, wenn der Blutmagier nicht bald den Ort wechseln könnte. Besonders wenn das Mädchen nicht ihren Mund halten könnte, da ein vorzeitiger Tod leider zur Zeit außer Frage stand. Nun hoffte aber Drake wieder, das sich die schwarzhaarige Frau mit seiner Ausrede zufrieden gab und nicht noch weiter nach hakte, da es sonst für Drake gefährlich werde könnte.
Dem angeblichen Grund, weshalb er sie nach Problemen bei der Anwendung verlorener Magie fragte, schenkte Yukira keine Sekunde lang Glauben. Die Antwort war alles andere als überzeugend formuliert. "Ich hatte mit meiner Magie bisher nie Schwierigkeiten jeglicher Art. Es gibt allerdings Lost Magic-Typen, die wegen ihrer immensen Kraft außer Kontrolle geraten können, wenn ihr Anwender nicht die nötige Menge an Energie aufbringen kann, um mögliche Ausbrüche zu unterdrücken – wie zum Beispiel bei der verbotenen Magie Arc of Blood." Während sie das sagte, beobachtete sie Drake eindringlich. Seine Reaktion könnte ihre Vermutungen entweder bestärken oder zunichte machen. Gerade deswegen hatte sie auch Blutmanipulation als Veranschaulichung angeführt. An seinem Verhalten konnte sie herausfinden, ob er wirklich eine so gefährliche Fähigkeit beherrschte. Sollte dies der Fall sein, wusste sie wenigstens wie dünn das Eis war, auf dem sie sich gezwungenermaßen bewegte. Ihn an den Rat ausliefern, stand jedoch nicht zur Debatte. Dessen ungeachtet, dass diese verhasste Gemeinschaft von hinterhältigen Gesäßen mit Visagen seit knapp fünf Jahren nach ihr suchte, entsprach grundloser Verrat nicht ihrer Ethik. Nur weil jemand Spaß daran hatte, sich eine untersagte Magie anzueignen, war das kein Anlass, ihm eine Freikarte für einen lebenslangen Aufenthalt hinter Gittern zu spendieren. "Aber erklär mir doch, weshalb es dich so sehr interessiert, ob Magier die Kontrolle über ihre eigene Magie verlieren können. Betrifft sowas etwa jemandem in deinem Umfeld oder gar dich selbst, Drake?" Wohl wissend, dass die letzte Frage ein ungeheuer hohes Risiko barg, wenn ihre Annahmen der Wahrheit entsprachen, schenkte sie ihm ein kaum merkliches, unschuldiges Lächeln. Dass ihr Körper sich in Alarmbereitschaft befand, davon erkannte man nichts.
OT: Zweiter Teil :3 Nach knappen zweieinhalb Wochen Arbeit endlich fertig xD