"Wasser, Check. Trockenfrüchte, Check. Zigaretten, Check. Taschen am Körper, 1, 2, 3, 4, 5, Check. Alles da", dachte der Junge in seinem Zimmer laut vor sich hin, während er seinen Körper abtastete. Die Rollos an seinem Fenster waren so eingestellt, dass die Abendsonne nur durch ein paar kleine Schlitze in den Raum fallen konnte. Sein Bett war zerwühlt. Auf dem Schreibtisch leuchtete der PC-Bildschirm, auf dem ein Youtubevideo lief und die Boxen warfen die tiefen Töne in den Raum.
Kain setzte sich auf seinen Bürostuhl. Ein paar Klicks mit der Maus und die Farben des Bildschirms erloschen. Der Schwarzhaarige erhob sich, warf sich seine Tasche über die Schulter und ging durch seine Tür. Aus dem Wohnzimmer hörte er leises Schluchzen. Er stellte sich in den Türrahmen und sah, wie seine Mutter an der Schulter seines Vaters lehnte. Tränen liefen ihre Wangen hinab. „Kain?“, kam es leise aus dem Mund seines Vaters. "Ich wollt' nur Bescheid sagen, ich geh' in den Wald." „Nimm dir die Zeit, die du brauchst, mein Junge“, antwortet der Mann auf der Couch. „Komm bitte heil nach Hause, Kain“, schluchzte seine Mutter. Der Schwarzhaarige nickte kurz und ging aus dem Haus.
„Ich hoffe, ihm passiert nichts“, flüsterte die Frau. „Ich habe ihm alles Wichtige gezeigt, Schatz. Er kommt klar. Gib ihm Ruhe und Zeit, nachzudenken, immerhin haben wir heute seinen Bruder beerdigt“, entgegnete Kains Vater.
Die Abendluft im Forst war frisch und rein. Kein Vergleich zur stickigen Stadtluft. Kain genoß jeden Atemzug, den er in seine Lungen sog. Der Waldboden knirschte leise unter seinen Schuhen. Leises Vogelzwitschern gesellte sich zu dem Knacken der Äste. Wie in Trance gelangte der junge Mann zu seiner Standardraststelle. Eine Lichtung in der Nähe eines Baches, dessen unaufhörliches Plätschern die beste Begleitmelodie für die Heilung der Seele war. Hier hatte Kain mit der Hilfe seines Vaters und seines Bruder schon vor langer Zeit ein Zelt aufgestellt. Dieser abgeschiedene Ort war sein Ruhepol, sein Rückzugsort, sein Nirvana. Er krabbelte durch einen Schlitz in den Plastikplanen, legte seinen Tasche ab und holte eine Decke hervor, um sich vor dem Zelt ins Gras zu legen und die Sterne zu beobachten. Schnell wiegte ihn die Symphonie der Natur in den Schlaf.
Die Morgensonne kitzelte Kain aus seinen Träumen. Der Tau auf dem Gras glitzerte im Schein des flammenden Himmelskörpers. Langsam rappelte sich der Teenager auf und streckte sich erstmal ausgiebig. Danach tauschte er wieder die Decke gegen seine Tasche und mit brennender Zigarette marschierte er Richtung Bach. Glasklares Wasser sprudelte das Kiesbett entlang. Der Schwarzhaarige kniete sich ans Ufer, formte mit den Händen eine Schale, die er mit Wasser füllte und spritzte sich die kalte Flüssigkeit ins Gesicht. Die nun nassen Strähnen, die an seiner Haut klebten, legte er hinter seine Ohren.
Kain richtete sich auf und wollte flussabwärts wandern.
Da stach ihm dieses pechschwarze Loch ins Auge.
Keinen Meter vor ihm lag diese alles bedeckende, kreisrunde Fläche. Ein grünes Gitternetz bedeckte sie und gab ihr ein dreidimensionales Aussehen. Vorsichtig näherte sich der Junge diesem Loch. Aus der Nähe betrachtet, sah Kain, wie blaue Schlieren hier und da an der schwarzen Oberfläche vorbeizogen. Vorsichtig versuchte er, dieses unnatürliche Gebilde mit dem Fuß zu berühren. Doch da war kein Widerstand.
Kain verlor das Gleichgewicht und fiel in das Loch. Jede Bemühung sich am Rand festzuhalten, scheiterte. Bäuchlings stürzte er. Er streckte instinktiv die Hände nach vorne, um seinen Sturz abzufangen. Doch anstatt scharfe Konturen zu sehen, wirkten sie verschwommen verzogen, wie der Schweif einer Sternschnuppe. Das Gefühl der Schwerelosigkeit machte sich in Kain breit. Er fiel und fiel und fiel, wie in einem ewigen kräftezehrenden Alptraum. Irgendwann schloss er die Augen...
Langsam hoben sich Kains Lider. Er blickte hinab auf eine immer noch schwarze Oberfläche. Doch das Gitternetz war verschwunden. Stattdessen fand sich ein silberner Bogen vor ihm, der sich hinter ihm zu einem Kreis schloss. Nach einigem Blinzeln bemerkte Kain, dass seine Hände und Beine eine feste Unterlage berührten. Der Fall schien vorbei. Der Junge brachte sich in die Schneidersitzposition und schaute sich erstmal um. Er schien nicht allein in diesem grauen Raum zu sein. Mehrere andere Personen, die meisten in seinem Alter, waren ebenfalls mit ihm hier und unterhielten sich rege. Doch Kain verstand fast nichts, außer ein paar Fetzen auf Englisch. In diesem Moment wünschte er, dass sein Bruder da wäre. Abel hätte hier alles verstehen und die Leute hier fragen können, was genau hier los war und wo er sich befand. Resigniert ließ der junge Mann den Kopf hängen und starrte seine Jeans an. Erinnerungen an seinen Bruder vernebelten seine Sinne…
Ungeduldig zog das orangene Irrlicht seine Kreise über den anderen wartenden Digimon. Ein leises genervtes Summen drang durch seine zugenähten Lippen. "Manno! Mir ist langweilig! Wann geht es hier weiter?", heulte die Flamme rum. Um die leere Zeit in diesem grauen Raum zu füllen, begann es mit seinem Mund kleine, heiße Seifenblasen zu produzieren. Langsam schwebten sie im Raum herum. Demimeramon jagte seine eigenen Blasen und stubste sie durch den Raum, dabei schwebte es an einem anderen Demimeramon vorbei, dass in das Fangenspiel mit einstieg. Schnell waren nicht mehr die Blasen das Ziel der Jagd, sondern sie verfolgten sich gegenseitig. Ihr Gekicher und noch mehr Blasen schwebten durch den Raum
Leider wurde ihr Vergnügen durch den aufleuchtenden Bildschirm und Datamons Stimme unterbrochen. "Organische Lebensformen, aha, sehr interessant", dachte das Digimon, ohne ein Wort zu verstehen. Es beobachtete erstmal nur das Bild und hörte, wie eine kleine türkise Echse und ein weißes Kissen mit Beinen, langen Ohren und Zähnen, anfingen, laut zu denken. "Tokomon, putz dir die Augen. Die sehen alle total anders aus!", fauchte die Flamme von oben. "Aber hab ich da eben was von Feuer gehört? Babydmon, sag mal, wer da Feuer machen will!" Die Flammen, aus denen Demimeramons Körper bestand, züngelten freudig. "Aber Orgamon klingt doof. Es sind doch keine Digimon. Datamon nannte sie organische Lebensformen, also würde doch OrgaLebfor besser zu ihnen passen", erwiderte das Ausbildungsdigimon hochnäsig. "Huch. Schaut mal, da ist ja noch einer", bemerkte Demimeramon, als sich eine schwarze Gestalt auf dem Bildschirm bewegte.
Das Wort „Feuer“ drang an Kains Ohr und ließ ihn aus seinem Schwermut aufschrecken. Er bemerkte, dass sich die anderen Anwesenden rege unterhielten. Die einen eher ruhiger, die anderen ziemlich gereizt. Streit war das letzte, worauf der Schwarzhaarige jetzt Lust hatte. Langsam erinnerte sich Kain wieder, was passiert war. Alle möglichen Fragen schwirrten ihm durch den Kopf. Wo war er? Wer war dafür verantwortlich? Wer waren diese Menschen? Woher kamen sie? Wie kam er hier hin? Warum war er hier? Wie lange war er weg? Wann würde er wieder nach Hause kommen? Allmählich bekam der Schüler Kopfschmerzen.
Er entschied sich, zu ihnen zu gehen. Aber er hatte wenig Hoffnung, von ihnen Antworten zu bekommen. Ohne ein Wort von sich zu geben, stellte er sich etwa einen Meter hinter einen Jungen mit schwarzen Haaren, der gerade einen blonden Mann anschaute, der zwei mal sagte, dass er Informationen sammeln will und dabei auf einem Minilaptop rumtippte. "Ohje, mit was für Spinnern bin ich den hier gelandet… Ich hoffe, der hat nicht so einen Wiederholungskomplex und quasselt alles doppelt aus", dachte Kain resignierend und zog sich seine Kaputze ins Gesicht.
Doch Kains Aufmerksamkeit wurde woanders hingelenkt, als dann plötzlich ein kleines Mädchen anfing, wie ein Kind rumzuschreien. Auf diese Schimpftirade seufzte Kain nur und wünschte, er wäre wieder zuhause.
OT: Hallo ^^ der Naturbursche ist ein wenig schüchtern, also nicht von der Pseudosensenmann-Erscheinung täuschen lassen xD (Weil schwarzer Umhang mit Kaputze und so)
Van_Clif: Ja ich steh hinter Sam und ja ich mach mit beim Geschlechterspielchen xD Sie scheint da so einsam rumzustehen, nachdem Lexa weg gegangen ist ^^ (ich hoffe ich hab es richtig verstanden TwT)
Edit: Kleine Änderung bei Demimeramon ^^ jetzt ist die Wartezeit viel kürzer und der Raum wärmer ^^ Natürlich mit Absprache des anderen Demimeramon (Bzw. ihre Idee ^^)