Beiträge von Kuraudo

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Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“

    Chloé wusste nicht, wie lange sie schon gelaufen waren, immer nur geradeaus. Oder im Kreis? Ihr Orientierungssinn war schon lange ausgefallen. Das Wetter war zunehmend schlechter geworden - es schneite, und, so gerne sie den Anblick auch genossen hätte, im Moment spürte sie nur eine tiefe Abneigung dem Schnee gegenüber. Es war ja nicht so, als würden die vier Jugendlichen nicht schon bis zu den Knien im Schnee stecken - Chloé aufgrund ihrer Größe sogar bis zu den Hüften. Noch immer hielt sie ihr Vulpix im Arm, das sich eng an ihre Brust gekuschelt hatte. Das kleine Herz unter seinem hellroten Fell pochte unregelmäßig und es zitterte. Ein Pokemoncenter, dachte Chloé verbittert. Es ist noch so jung, kaum ein paar Stunden alt, ich muss es sofort in ein Pokemoncenter bringen! Unbewusst sammelten sich Tränen in den Augen der Koordinatorin und ein heißes Gefühl der Trauer brannte in ihrer Brust. Sie spürte, wenn auch nur leicht, da sie ihren gesamten Körper kaum mehr wahrnahm, wie eine leise Träne ihre Wange hinablief. Fast hätte Chloé damit gerechnet, dass sie zu Eis erstarren würde, doch sie tat es nicht. Noch nicht. Die Träne tastete sich ihren Weg Chloés Wange hinab, und die Berührung kitzelte auf ihrer tauben Haut. Bis schließlich zu ihrem Kinn, bis sie dann in das weiche, aber etwas steif wirkende Fell des Vulpix tropfte.
    Doch Chloé wollte nicht weinen. Nicht jetzt, das alles setzte ihr schon genug zu. Da konnte sie keine Kopfschmerzen, hervorgerufen vom Weinen, gebrauchen. Tief atmete sie die eingefrorene Luft ein, die in ihrer Lunge anfing zu brennen, anstatt einen kühlen Kopf zu bringen. Aber noch kühler hätte er wohl nicht werden können. Sie schaute zu ihren Händen hinab, die schützend das Vulpix hielten, doch an den Fingerkuppen hatte sich schon eine silberne, aus Eis bestehende Schicht gebildet. Resigniert seufzte Chloé, was die Aufmerksamkeit eines Jungen auf sich zog.


    Jace stapfte durch den Schnee. Er spürte nur noch diese stechende Kälte überall an seinem Körper. Er zitterte und seine Zähne klapperten. Seine Augen nahmen nichts außer diesem endlosen Weiß war. Es schien aussichtslos. Nur Schnee, Schnee und noch mehr Schnee. Der junge Trainer sah auf seine leeren Hände. Sie waren blass und seine Fingernägel begannen sich voilett zu verfärben. Er sah zu seinen Begleitern.
    Garys Lippen hatten einen starken blauen Ton. Das gefrorene Wasser, dass sich in seinen Haaren gesammelt hatte, glitzerte. Lucia war mit Kussila beschäftigt. Sie hatte es an ihre Brust gedrückt und streichelte über das gelbe Haupt des Pokemon. Chloé hatte den Blick dem weißen Boden zugewand. Das kleine Vulpix war schon in einer dünnen Decke aus Schnee gewickelt. Chloés Finger krallten sich in das gefrorene Fell des Feuerpokemon. In unregelmäßigen Abständen stiegen kleine Dampfwölckchen aus dem Mund von Vulpix auf. Ein Seufzen ertönte. Ein Funkeln, dass Chloés Wange hinabrollte, stach in Jace´ Auge.
    Der junge Züchter ließ seinen Rucksack von seinen Schultern hinab gleiten. Dass ich darauf nicht eher gekommen bin. Jace versuchte den Reisverschluss zu öffnen, doch seine Finger waren versteift. Ein Grummeln entkam seiner Kehle. Als er es schaffte, wurde seine Hand von warmen, weichen Stoff begrüßt. Am liebsten wäre Jace in seinen Rucksack geklettert, um sich vor der erbarmungslosen Kälte zu verstecken. Seine vereisten Finger - Jace befürchtete, sie würden zerbrechen - umklammerten etwas flauschiges. Mit viel Mühe zog er einen schwarzen Pullover und eine dünne graue Strickjacke aus seinem Rucksack. Jace lenkte seine Schritte so, dass er schnell Chloé erreichte. Ohne ein Wort zu sagen legte er ihr die Jacke um die Schultern und wickelte Vulpix so fest in den Pullover ein, dass es sich nicht mehr bewegen konnte und nur sein Kopf herausragte. Vulpix wirkte wie ein riesiges schwarzes Wollknäul. "Jetzt sollte ihm etwas Wärmer sein."


    Das Auftauchen von Jace überrumpelte Chloé nicht nur ein wenig. Sie hatte allmählich angenommen, mit der eisigen Kälte wäre auch ihr Umfeld komplett eingefroren. Doch dem war nicht so. Anscheinend könnte die umliegende Temperatur niemals Jace' Herz erreichen.
    "Nein. Nein, nein, nein...Jace. Es ist...v..verdammt kalt. Nimm selber, wir kommen schon zurecht..." Chloé war überrascht, dass sie überhaupt zu sprechen im Stande war. Bei ihrem Glück hätte sie vermutet, dass ihre Stimmbänder zusammengefroren waren. Sie begutachtete Jace. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen, die dadurch noch mehr hervorstachen. Und selbst das Grün in ihnen schien von einer dünnen Eisschicht bedeckt. Doch diese dünne Eisschicht war fast unsichtbar durch die Wärme, die sein Blick ausstrahlte. Seine Haare, in denen einzelne Schneeflocken glitzerten wie Sterne, fielen ihm in die Stirn. Sein Geruch war von der erstarrten Luft fast verschwunden, doch dafür haftete dieser umso stärker an seiner Jacke, die er ihr einfach umgelegt hatte. Doch wie immer konnte Chloé ihn einfach nicht beschreiben. Sie sah wieder zu Jace. Seine Lippen waren beängstigend lila gefärbt, ebenso wie seine Fingernägel, was Chloé beunruhigte. Seine Wangenknochen stachen stark hervor, was ihn aber nicht weniger attraktiver machte. Aber es war unverkennbar, dass auch er zitterte, es jedoch im Zaum zu halten versuchte. Chloé schluckte schwer an einem Kloß in ihrem Hals vorbei, während sie auf eine Antwort wartete. Doch wie es aussah, ließ Jace nicht lange mit sich reden. Sein Kiefer verhärtete sich, womit er wohl verhindern wollte, mit den Zähnen zu klappern. "Chloé, nimm. Du siehst nicht gut aus. Also, natürlich, aber..." Seine viel zu blassen Wangen nahmen einen leichten Rotton an, jedenfalls einen Schimmer, wenn Chloé sich nicht täuschte. Und auch in ihr Gesicht schoss eine kleine Spur Wärme. Schnell blickte sie auf ihr Vulpix, das sich friedlich in Jace' Pullover gekuschelt hatte. Ein Lächeln schlich sich auf Chloés Lippen, was sie gar nicht gedacht hatte, ihrer Meinung nach waren ihre Lippen schon seit einer Weile zugefroren und sie konnte nicht anders, als wieder hinauf in Jace' Augen zu blicken. Sein Blick war erst verlegen zur Seite gewandert, doch als Chloé den Kopf gehoben hatte, schaute auch er ihr wieder ins Gesicht. Einen endlosen Moment schienen sie sich einfach nur anzusehen, bis Chloé den Mund öffnete, um ihm zu sagen, wie töricht seine Idee war. "Jace, bitte. Die Kälte setzt auch dir zu, das sehe ich doch. Wieso gibst du sie mir also?"


    Jace riss seine Augen auf. Wieso geb ich ihr die Jacke? Auf diese Frage würde es nicht ausreichen, eine oberflächliche Antwort zu geben. Jace überlegte und vergaß alles, was um ihn rum los war. Vergaß die Kälte, vergaß das Taubheitsgefühl in seinen Muskeln, vergaß die bedrohliche Lage, vergaß alles und dachte nur an Chloé. Für einen Augenblick schloss er die Augen und sog die eiskalte Luft ein. Als er sie wieder öffnete sah er in das Gesicht von Chloé. Sie sah ihn mit diesen grünen Augen an, die ihn schon so oft angesehen hatten. Immer wenn Jace in diese Augen sahen, durchströmte ihn ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Sein Herz schlug schneller. "Darf ich nicht?" grinste Jace und fügte mit gespielter Beleidigkeit hinzu: "Dann geb ich dir halt nicht mehr meine Jacken."
    "Nein! So mein ich das doch nicht!" Betrübt sah Chloé zu Boden.
    "Ach, Chloé. Egal was passiert, ich werde dir immer meine Jacke geben. Es ist so und du musst das so hinnehmen. Es wird sich nicht ändern"
    Die brünette Koordinatorin sah mit einem Lächeln im Gesicht wieder auf. "Du bist echt süß Jace."
    "Ach, ich bin nur ein Gentleman" schüchtern fuhr sich Jace durch die Haare.
    Plötzlich ertönte ein Schrei. Jace zuckte zusammen. Nach einem schnellen Rundblick begannen alle in die gleiche Richtung zu rennen.

    Absol stand auf einem Felsen über den Jugendlichen. Seine schwarzen Augen durchbohrten die Trainer. Dann blieb sein starrer Blick auf Chloé haften. Jace sah zu der Koordinatorin. Sie schien von Absol hypnotisiert und bewegte sich nicht. Plötzlich sprang das schneeweiße Pokemon hinab. Direkt auf das brünette Mädchen. "Chloé" rief Jace, packte die Koordinatorin am Handgelenck und zog sie Richtung Höhleneingang. Die Jugendlichen rannten so schnell sie konnten. Das Pokemon landete auf dem steinigen Untergrund und fauchte den Trainern hinterher. Jace sah zu Chloé, die eher vorwärts stolperte als rannte. Die Koordinatorin sah immernoch zu dem Unlicht-Pokemon. Bis die völlige Dunkelheit die kleine Gruppe verschlang.
    Plötzlich strahlte ein Licht durch die Höhle. Es war still, nur gelgentliches Tropfen von Wasser hallte von den Wänden. Ansonsten war es still. Zu still fand Jace. "Wieso hört man hier keine Pokemon?" fragte er in die Runde. Sie standen alle hinter einem Felsen in einiger Entfernung vom Höhleneingang.
    "Keine Ahnung. Das Absol war mir schon Zeichen genug. Lasst uns schnell von hier verschwinden!" antwortete Gary und die Gruppe machte sich wieder auf dem Weg.
    Jace´ Herz klopfte bis zum Hals. Der Schock und der plötzliche Sprint ließen ihn schwer Atmen. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Als er sich die feuchten Tropfen mit dem Handrücken weg streichen wollte, bemerkte er, dass er immer noch Chloés Handgelenk hielt. Er ließ sie los und fragte: "Ist alles ok bei dir?"
    "Jaja, alles ok" antwortete diese und sah kurz über ihre Schulter nach hinten.
    Plötzlich halte ein leises Pfiepen durch die Höhle. "Was war das?" sagte Gary und sah erschrocken durch die Reihe.


    Chloé wusste selbst nicht, was in sie gefahren war. Der Blick des Absol, so schwarz wie die Nacht selbst, hatte sie völlig in ihren Bann gezogen. Schon immer hatte sie sich gewünscht, ein Absol zu sehen - doch sie musste sich eingestehen, trotz der Anmut und Schönheit wirkte es bedrohlich. Sie hatte das Pokemon erst dann in eine hintere Ecke ihres Hirns verfrachten können, als sie sich keuchend auf die Knie beugte, Jace' warme Hand um ihr Handgelenk. Sie hatte kaum gemerkt, wie sie weggelaufen waren. Chloés Lungen brannten und verzweifelt versuchte sie, Sauerstoff hinein zu befördern. Mit einem letzten, tiefen Atemzug richtete sich das Mädchen auf und blickte durch einen Tränenschleier, ohne das sie wusste, wieso er überhaupt da war, auf ihre Freunde. Jace hielt sie immer noch fest, was sie erröten ließ. Auch er keuchte und sein Brustkorb hob und senkte sich verkrampft. Gary hatte sich ebenfalls auf seine Knie gestützt, schien aber nicht die Atemnot zu haben, die bei den anderen herrschte. Lucia hingegen hatte sich erstmal hingesetzt, war inzwischen aber wieder aufgestanden. Chloé blickte sich um - sie waren nicht lange gerannt, aber sie befanden sich schon inmitten des alles verschlingenden Berges. Chloé blinzelte ein paar Mal, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, doch alles was sie im trüben Licht erkennen konnte, waren undeutliche Umrisse von Steinen. Auch vom Absol war nichts mehr zu sehen, was Chloé ein Stück weit traurig machte. Doch sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie dieses Pfiepen vernahm, was sich schrill und unangenehm durch ihr Trommelfell fraß, mit der Zeit aber irgendwie wärmer und angenehmer wurde, was Chloé erstaunte. Und wenn sie sich nicht irrte, kam es aus ihrem Rucksack. Sofort machte ihr Herz einen Sprung, was nach dem plötzlichen Spurt nicht unbedingt gut war - der Koordinatorin wurde schwindelig, doch davon ließ sie sich nicht beirren. Sie stellte schnell ihren Rucksack ab, drehte sich und beugte sich hinab, und von der schnellen Bewegung stieg ihr Galle in den Mund, doch widerwillig schluckte sie es hinunter. Sie öffnete den Reißverschluss - und ein Leuchten, hell wie weißer Schnee in der Mittagssonne, erfasste die Dunkelheit, und Chloé hielt den Atem an. Ihr Blick schärfte sich durch das plötzlich eingetrende Adrenalin, und nachdem das Licht verblasst war, sah sie es: Ein hellrotes, flauschiges, kleines Knäul in ihrer Tasche, wo sich einst das Ei befunden hatte. Die Brünette hörte ihre Freunde scharf einatmen, und einzelne Sätze von Gary und Jace drangen an ihr Ohr. "Also, nach einem Unheil sieht mir das nicht aus!" und "Unfassbar, normalerweise brauchen Eier sonst viel länger..." Und dann noch Lucias Stimme, die schrill von den steinernen Wänden widerhallte. "Chloé, wie süüüüüüüüüüüüß! Ein..." "Vulpix..." flüsterte Chloé und nahm das in sich zusammengerollte Fellknäuel behutsam in die Hände. Sein Fell war sanfter als Voltilammwolle, dem war sich Chloé sicher. Es umstreichelte ihre Finger und kitzelte ihr Gesicht, als sie es sanft an sich drückte. Das Babypokemon gab ein kaum wahrnehmbares Quiken von sich, und öffnete die Augen, erst schwerfällig, dann aber ganz. Seine Augen strahlten Neugier aus, und Chloé hatte bei dem Anblick vergessen zu atmen. So sog sie leise, um das Vulpix nicht zu erschrecken, die Luft ein, die zu ihrem Erstaunen tatsächlich nach Neugeborenem roch, aber nicht aufdringlich und unangenehm, sondern so schwach und süßlich, dass es Chloé Tränen der Freude in die Augen trieb. Das Vulpix in ihren Händen gähnte herzhaft und drehte sich langsam, um anscheinend weiterzuschlafen. Ein mütterliches Lächeln schlich sich auf Chloés Gesicht. Doch der Moment der Freude sollte nicht von langer Dauer sein. Plötzlich hörte die Koordinatorin ein markerschütterndes Geräusch, als würden die Steine um sie herum bersten. Sie sah nur einen großen Schatten, konnte aber viel mehr nicht ausmachen. Denn sie konnte nur noch das Vulpix zärtlich an sich drücken und losrennen.


    Jace begutachtete das neugeborene Feuerpokemon. Es sah zwar sehr gesund aus, allerdings wirkte es etwas erschöpft. Bevor Jace sich weitere Gedanken machen konnte, ertönte das Geräusch von zerbrechendem Gestein. Aus dem Augenwinkel sah der junge Züchter, wie ein graues, großes Etwas aus der Wand herausbrach und auf die vier Jugendlichen zustürmte. Jace schrie: "Lauft!" Alle rannten dem jungen Züchter hinterher. Das gigantische Monster verfolgte die kleine Gruppe. Der grünäugige Trainer sah über seine Schulter und erblickte nur den silbern glänzenden Kopf des Ungeheuers. Winzige Augen fixierten sie. Der felsige Boden bekam Risse unter dem Gewicht des Monsters. Plötzlich ertönte erneut das Krachen von Felsen. Danach war es ruhig. Nur die schnellen Schritte der Jugendlichen hallten von den Wänden wieder.
    "Ich glaub es ist weg" sagte Gary und blieb keuchend stehen.
    "Was war das?" fragte Lucia.
    "Wichtiger ist erstmal: Wo ist der Ausgang?" sagte Jace, der verwirrte durch die Höhle blickte.
    "Sagt jetzt bloß nicht, wir haben uns verlaufen!" knurrte Gary. Alle sahen bedrübt nach Norden, Osten, Süden und Westen - jedenfalls dachten sie, dass es diese Richtungen sind. Doch bevor jemand noch etwas sagen konnte, schallte ein Kratzen durch den Tunnel. Alle zuckten zusammen und sahen zu der Geräuschquelle. Ein kleines maus-ähnliches Pokemon mit dunkelbraunen Stacheln auf dem Rücken wetzte seine Klauen an einem Stein.
    "Also, das dort drüben ist ein Sandamer" sagte Gary und atmete tief durch.
    Auf einmal erstarb das kratzende Geräusch und das Boden-Pokemon sah die Trainer an.
    "Ich hoffe, es will uns jetzt nicht auch noch angreifen" befürchtete Lucia.
    Doch dann hob es den Arm, machte eine winkende Bewegung und verschwand hinter einem Felsen.
    "Ich glaub, wir sollen ihm folgen" sagte Gary und ging zögerlich dem Pokemon nach.
    Die anderen wechselten kurze Blicke und liefen dann dem Professor hinterher.
    "Seid wann helfen Sandamer eigentlich Menschen?" fragte Jace etwas misstrauisch.
    "Frag mich nicht, ich hoffe nur, dass es uns wirklich zu einem Ausgang führt" antwortete Gary. Nach einigen Minuten oder Stunden, Jace konnte die Zeit nicht richtig einschätzen, wurde Sandamers Silhouette von Licht, das durch ein großes Loch vor ihnen fiel, beleuchtet. "Ein Ausgang" rief Gary und rannte auf das Boden-Pokemon zu. Doch plötzlich zerbrach die Wand zwischen Gary und Sandamer und das graue Monster versperrte ihnen den Weg in die Freiheit.


    Chloé wusste nicht, was ihr mehr zusetzte: Die beißende Angst, die alles in ihr betäubte, oder die Befürchtung, dass das noch nicht alles war. Das Vulpix in ihren Händen, nah an ihre Brust gedrückt, quengelte, schrie wie ein Baby, das unbedingt Milch brauchte. Es zerriss Chloé das Herz, sodass sich eine einsame Träne ihre Wange hinab schlich, die sogleich vom samtroten Fell des Babypokemon in ihren Armen aufgesogen wurde. Es war gerademal ein paar Minuten alt. Und musste schon so eine Hölle durchleben. Schuldgefühle fraßen sich in Chloés Herz, doch sie hatte einfach keine Zeit, weiter darüber nachzudenken - sie war viel zu abgelenkt damit, schnappend die Luft einzuatmen, versuchen, nicht vor Erschöpfung ohnmächtig zu werden, und wegzulaufen, obwohl ihre Beine jeden Moment unter ihr nachzugeben drohten. Der Wind, der bei ihrem ständigen Gerenne in ihr Gesicht peitschte, trieb ihr die Tränen in die Augen, doch sie rannte weiter - nicht für sich, sondern für ihr Vulpix, das sie sofort in ihr Herz geschlossen hatte. Und für Jace. Der Gedanke an ihn ließ ihr Herz nur noch mehr rasen und ließ sie das überstehen. Jedenfalls ein wenig. Das graue, metallische Pokemon hatte Chloé nach reichlich überlegen einordnen können: Stahlos, eines der furchterregensten Pokemon das sie kannte. Abgesehen von Gengar. Brrr, Gengar. Eine Gänsehaut machte sich auf ihrer Haut breit.
    Im Kraterberg war es laut. Entweder war die Luft erfüllt von den unverständlichen Rufen ihrer Freunde, dem Krachen und Brechen von Stein, den dröhnend lauten Rufen des Stahlos, dem Scharen anderer Pokemon und wenn das alles nicht zu hören war, mindestens das gehetzte Rennen der Jugendlichen. Unwillkührlich musste Chloé an das Absol denken. Es taucht nur auf, wenn eine Katastrophe bevorsteht. Chloé schluckte, und in dem Moment stolperte sie über einen Stein, konnte aber gerade noch verhindern, zu stürzen. Der Lärm des Stahlos war verschwunden, doch sie rannten immer noch - bis vor einem Ausgang das Pokemon wieder aufgetaucht war. Chloé war sich sicher, so viel Angst noch nie empfunden zu haben. Ihre Beine hatten sie nie lange oder schnell getragen - das war einfach nicht ihre Sache. Um so beeindruckender, das sie immer noch spürte, wie ihre Lungen sich mit jedem Schritt, den sie rannte, schmerzhaft zuzogen. Sie begann zu keuchen. Sie hatte solche Angst, unvorstellbar. Doch sie musste nur Jace ansehen, und es ging ihr, zumindest ein klein bisschen, besser. Doch dann sollte etwas passieren, zudem dieser Begriff wirklich fabelhaft passte: Katastrophe.


    Jace´ Herz blieb stehen, als das Stahlos seine weißen Zähne entblößte und einen dumpfen Schrei ausstieß. "Ich schätze, wir müssen wieder kämpfen" sagte Jace und hatte schon eine Hand an seinem Gürtel, wo seine Pokebälle hingen.
    "Endlich wieder ein wenig Aktion" stimmte Gary ein und hielt schon einen Pokeball in der Hand.
    Doch dann schallte eine eiskalte Stimme durch die Höhle: "Das würde ich besser lassen!" Die Jugendlichen wirbelten herum. Da stand er wieder. Der Typ im Anzug, mit glänzender Glatze und schwarzer Sonnenbrille. Hinter ihm standen wieder diese Leute mit den türkisen Topffrisuren, die auch schon die Pension überfallen hatten. Neben ihm knurrten Hundemon und Magnayen.
    Wut und Hass sammelten sich in Jace. Sein gesammter Körper verkrampfte sich und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Seine Kehle war staubtrocken. Er zog die Luft scharf ein. "Matze! Was machst du hier!" knurrte Jace.
    "Ich war eigentlich nur auf der Durchreise, aber wenn ich euch schonmal hier treffe, kann ich mir einen kleinen Bonus einsammeln." Bei seinen letzten Worten fixierte er Chloé mit einem lüsterndem Blick.
    Jace und Gary stellten sich beide vor die brünette Koordinatorin. "Wenn du denkst, wir lassen zu, dass du sie auch nur berührst hast du dich getäuscht!" schrie Gary.
    "Jungs, seht ihr nicht, dass ihr ein für alle mal in der Falle sitzt?" Matzes Gelächter schallte durch die Höhle. "Hallo? Hinter euch steht mein neuer Freund Stahlos und vor euch steh ich. Ihr habt also keine Chance! Ihr entkommt mir diesmal nicht!" Das Gesicht des Glatzkopfs wurde von einem hässlichen Grinsen geziert. Ein eiskalter Schauer lief Jace´ Rücken hinab. Matze hatte Recht. Sie saßen wie vier Mäuse vor einer Horde hungriger Katzen.

    Gary wälzte sich in seinem Bett hin und her. Die Sonne hatte ihn wach gekitzelt, doch der junge Trainer wollte noch nicht aufstehen. Etwas warmes, hartes berührte seine Wange und Gary schrak hoch. Das blaue Ei lag auf seinem Kissen. Es verhält sich immernoch wie ein Stein, dachte Gary und bemühte sich aufzustehen. Das Zimmer wurde von den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster schienen, hell erleuchtet. Der junge Trainer streckte sich ausgiebig und gähnte herzhaft. Dann sah er sich kurz in dem kleinen Raum um. Das andere Bett war leer, doch Jace' Rucksack lag noch auf dem Boden. Gary zog sich schnell ein paar Klamotten über, packte Taschenlampe und Notizbuch in die Hosentaschen, schnappte sich das Ei und verließ das Zimmer.
    In der Eingangshalle saßen Jace, Chloé und Lucia an einem Tisch, auf dem eine riesige Tüte mit Brötchen stand. Die anderen Jugendlichen quatschten und lachten. Gary näherte sich dem Tisch und rief: "Guten Morgen!"
    Die Anderen antworteten im Chor: "Guten Morgen!"
    "Na, gut geschlafen?" fragte Jace.
    "Ja hab ich. Ich erkunde mal die Stadt. Ich hab was interesantes entdeckt. Erzähl ich euch später" sagte Gary, schnappte sich zwei Brötchen und verschwand aus dem Pokemoncenter.
    Draußen wehte eine kühle Brise. Gary schlang die Brötchen hinunter und ging auf eine alte Dame zu, die vor einem Haus im Schaukelstuhl saß und strickte. "Guten Tag, verehrte Dame. Entschuldigen sie die Störung, aber kann ich sie etwas fragen?"


    Chloé kam das vorbereitete Frühstück im Pokemoncenter schon beinahe mickrig vor, wenn sie an das atemberaubende Buffet in der Pension dachte. Hier standen nur ein paar Teller bereit, in der Mitte des Tisches eine große Tüte mit Brötchen und ein paar Eier, fünf um genau zu sein. Aber das Pokemoncenter schien ja auch nicht viel besucht, so war das wohl okay. Chloé und Lucia waren fast zeitgleich aufgewacht, hatten sich schweigend angezogen und waren zu dem einzigen Tisch des Centers gegangen, wo Jace schon auf sie wartete. Die dunklen Ringe unter seinen Augen waren fast vollständig verschwunden, doch man sah Jace noch immer an, wie erschöpft er war, denn seine Haare fielen ihm matt ins Gesicht. Nachdem sich die Mädchen gesetzt hatten, hatten sie begonnen, das Frühstück zu verzehren. Chloé nahm sich ein trockenes Brötchen und belegte es mit einem Ei, da es viel mehr Auswahl auch nicht gab. Es zerging ihr auf der Zunge und abermals merkte sie erst jetzt, wie viel Hunger sie eigentlich gehabt hatte. Binnen einiger Minuten war das erste Brötchen in ihr verschwunden, und sie wollte sich gerade ein zweites nehmen, als Gary aus dem Zimmer geeilt kam und ihr ein Brötchen vor der Nase wegschnappte, sodass keines mehr übrig war. Toll, dachte Chloé und griff sich missmutig das letzte Ei, während Gary schon wieder aus dem Gebäude verschwunden war. Jace starrte ihm mit einer Mischung aus Verwunderung und etwas anderem hinterher, was Chloé nicht deuten konnte. "Der hat an den Ruinen da unten wohl einen Narren gefressen," stellte Jace zwar sachlich, aber dennoch mit einem Grinsen unterstrichen, fest, und die beiden Mädchen mussten gleichzeitig lachen. Lucias Stimme ertönte. "Naja, wir haben ja noch ein bisschen Zeit hier, soll er machen, was er will. Aber wir machen uns heute auch wieder auf den Weg, oder?" Fragend blickte die Blauhaarige in die Runde, und ihre Frage wurde von einem zögerlichen, aber dennoch einstimmigen Nicken beantwortet. Geistesabwesend sah Chloé aus dem Fenster und versuchte, ihren noch immer knurrenden Magen zu ignorieren. Dort draußen sah sie Gary, der sich in ein Haus nach dem anderem schlich. Chloé schmunzelte. "Seht mal, geht Gary jetzt unter die Einbrecher, oder was?" Die Frage ging letztlich in einem Lachen unter, und auch Jace und Lucia stimmten schallend mit ein.


    "Sehr interassant. Vielen Dank" sagte Gary und schloss sein Notizbuch. Mit festem Schritt machte er sich wieder auf dem Weg zu den Ruinen. Als er wieder vor dem Eingang der Höhle stand, klappte er erneut sein Notizbuch auf und begann die Gravuren am Eingang abzuzeichnen. Das linke Bild betitelte er mit `Dialga`, während er über die Zeichnung der rechten Gravur `Palkia` schrieb. "Dialga, Palkia, Vesprit, Selfe und Tobutz. Welches Geheimniss bewahrt ihr?" flüsterte der zukünftige Professor vor sich hin.
    Als Gary sein Notizbuch schloss, zog er seine Taschenlampe hervor und betrat die Höhle. Erneut verschlang ihn die Dunkelheit. Allerdings war diesmal seine Taschenlampe nicht die einzige Lichtquelle. Eine weitere Lampe strahlte zwei behandschuhte Hände an, die mit Hammer und Meißel Löcher in die Wände schlugen. "Hey! Was machen sie da? Sie vernichten historisch wertvolle Objekte!" schrie Gary den Unbekannten an. Die zweite Lampe schwung von den Händen weg und blendete Gary. Der junge Trainer hielt sich die Hand vor die Augen, als eine raue Stimme von den Wänden wiederhallte.
    "Junge, in dieser Höhle gibt es nichts außer dieses eine Bild an der Wand. Obendrein grabe ich hier ganz legal. Ich habe den Ältesten in dem kleinen Dorf hier gefragt. Also spuck mal nicht so große Töne."
    Das Licht strahlte wieder die beiden Hände an. Gary hatte das Gefühl, dass es in der Höhle plötzlich noch dunkler war. Der Professor in spe umklammerte seine Lampe noch fester und strahlte den `Forscher` an. Der Mann trug einen Hut auf seinen schwarzen, zerzausten Haaren. Eine kleine, runde Brille saß auf seiner Nase und er hatte einen Drei-Tage-Bart. Seine braunen Klamotten waren mit Staub und Dreck bedeckt. "Und wonach graben sie hier?" fragte Gary, der nun doch etwas neugierig geworden war.
    "Nach allem was ich zu Geld machen kann. Das ist mein Beruf. Ich reise für das Museum in Erzelingen durch ganz Sinnoh und grabe nach Ausstellungsstücken. Und könntest du bitte woanders hinleuchten? Du behinderst meine Arbeit!" antwortete der Mann, der dabei noch nichteinmal aufsah.
    "Von dem Museum hab ich schon gehört. Dort kann man doch Fossilepokemon wieder zum Leben erwecken oder?" sagte Gary und leuchtete auf den Boden vor sich.
    "Ja, dafür musst du allerdings erstmal ein Fossil finden. Ah! Och, schon wieder eine Sphäre..." Der Forscher packte einen kleinen rot schimmernden Edelstein in seine Tasche und stand auf. "Willst du hier nur rumstehen oder warum bist du hier?" Erneut blendete das Licht des Forschers den jungen Trainer.
    "Ich wollte weitere Forschungen über diese Höhle anstellen. Woher wissen sie, dass es hier nur dieses Bild gibt?" antwortete Gary.
    Der fremde Mann stieß ein schallendes Lachen aus. "Denkst du, du bist der Erste der diese Höhle erforscht, Kleiner? Diese Höhle wurde schon vor Jahrhunderten tausendmal erforscht und hier wurde nur dieses Bild entdeckt mehr nicht. Also mach dir keine Hoffnungen und geh nach Hause."
    "Erstens: Nennen sie mich nie wieder Kleiner! Ich bin Gary Eich, der Enkel des berühmten Professor Samuel Eich aus Kanto! Und zweitens: Ich werde nicht nach Hause gehen. Ich werde ihnen helfen und ein Fossil für mein Team finden!" höhnte Gary.
    "Ganz schön große Worte für so einen Grünschnabel wie dich, aber wenn du unbedingt willst. Ich zeig dir, wie man buddelt und du darfst, falls wir überhaupt Fossile finden, eines behalten. Alles andere behalte ich, als Lohn für die Mühen, die du mir bereitest. Einverstanden?" bot der Forscher an und streckte Gary seine Hand aus.


    Nachdem die drei Trainer ihr kurzes Frühstück beendet hatten, war Jace mit den Mädchen auf ihr Zimmer gekommen, da es allen ziemlich sinnlos erschien, ihn auf ein bis auf ihn leeres Zimmer zu schicken. Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ließen sich Chloé und Lucia fast gleichzeitig auf ihre Betten sinken. Erwartungsvoll blickten sie zu Jace. Der wechselte seinen Blick zwischen den Mädchen und Chloé meinte zu erkennen, wie sich eine leichte Röte auf seinem Gesicht breit machte. In Chloé jedoch machte sich ein beklommenes Gefühl breit. Wenn er sich jetzt zu Lucia setzt, ging es der Koordinatorin durch den Kopf, dann hat Gary womöglich doch Recht... Ihr Magen begann sich zu drehen und mit einem Seitenblick begutachtete sie Lucia, der anscheinend das gleiche durch den Kopf ging, da sie versuchte, ihren Blick hinter ihren Haaren zu verstecken, der auf Chloé ruhte. Als hätte das eine Starre in Lucia gelöst, streckte sie gewollt ihren Oberkörper ein wenig nach vorne, räkelte sich spielerisch und sagte mit vor Unschuld triefender Stimme: "Jace, setz dich doch." Sie blinzelte ihn unter ihren vollen Wimpern hindurch an, und einen Moment lang wünschte sich Chloé auch einen so schönen Augenaufschlag, denn ihrer Meinung nach besaß sie fast durchsichtige Wimpern. Chloé biss die Zähne zusammen und ihr Blick traf wieder Jace. Der schaute, eine Augenbraue hochgezogen, auf Lucia, und wirkte skeptisch. Doch Chloé wusste, sobald sie sich anfing Hoffnungen zu machen, würde die Enttäuschung nur noch größer werden. So zog sie ihre Beine an ihre Brust, schlang die Arme herum und legte sich mit ihrem Kinn auf ihre Knie. Doch sie hatte nicht aufgehört, Jace anzusehen. Er erwiderte ihren Blick mit seinen Augen, grün wie Gift, doch wäre es wirklich Gift in ihnen, so hätte Chloé den giftigen Tod gerne in Kauf genommen. Und einen kurzen Moment sah es tatsächlich so aus, als würde sich Jace zu ihr setzen, und ihr Herz flatterte wie ein Smettbo. Doch dann hielt er in der Bewegung inne und sagte mit leiser, zögerlicher Stimme: "Wir wollen doch schnell weiter, oder? Am besten, wir packen unsere Sachen zusammen, sammeln Gary ein und gehen weiter nach...nach?" "Ewigenau!" antwortete Lucia wie aus der Pistole geschossen, und Chloé widmete ihr einen boshaften Blick. Die Blauhaarige sprach weiter. "Dann müssen wir zwar durch den Kraterberg, aber das ist ja kein Ding. Und Ewigenau liegt inmitten eines Waldes, jedenfalls so ziemlich, das ist bestimmt super schön da." Ihre Stimme überschlug sich fast, und sofort hatte sie sich wieder kerzengrade aufgesetzt. Ihr Augen glänzten, als würden Sonnenstrahlen auf einem tiefblauen See tanzen. Doch Jace schien diesen Glanz kaum wahrzunehmen und sprach, mehr zu sich selbst: "Okay, von mir aus. Ich geh dann und pack mein Zeug. Wir treffen uns in fünf Minuten vorne in der Eingangshalle, okay?" Doch er wartete nicht mehr auf die Zustimmung und drehte sich schnell um, um aus der Tür zu verschwinden. Zuvor hatte er noch Chloés Augen gestreift, und kurz hatte sie den Eindruck, als hätte er ihr zugezwinkert. Chloés Mundwinkel zuckten und bildeten ein zaghaftes Lächeln. Kaum war Jace aus der Tür verschwunden, sprang Chloé auf und packte vorsichtig und so sanft wie möglich ihr Ei wieder in ihren Rucksack. "Komm, Lucia," sagte Chloé gedankenverloren. "Wir sollten uns beeilen."


    Jace trat gerade aus der Tür des Mädchenzimmers, als er auch schon von Schwester Joy erblickt wurde. "Guten Tag. Ich hab eben einen Anruf von der Schwester Joy aus Trostu bekommen. Bist du nicht Jace, der die Pension von Marie und Jakob übernimmt?" Der Trainer mit den grünen Augen war so überrumpelt, dass er nur mit den Kopf nickte - was dazu führte, dass Kindwurm anfing zu quängeln. "Wir haben hier zwar keinen Supermarkt, aber ein altes Ehepaar verkauft sehr gesunde Kräuter für Pokemon. Vielleicht interessiert dich das. Ich wollte dir nur bescheid sagen" plapperte die Krankenschwester.
    "Ähm... Danke" antwortete Jace, drehte sich um und klopfte an die Tür, aus der er vor wenigen Sekunden herausgetreten war.
    Als aus dem Zimmer ein "Herein" ertönte, öffnete Jace die Tür und sagte: "Sorry, dass ich störe, aber sollten wir uns hier nicht ein bisschen umsehen, bevor wir weiter reisen? Gary will bestimmt auch seine `Forschungen` beenden."
    Beide Mädchen fingen an zu lächeln, als sie Jace sahen und stimmten zufrieden ein. "Ok, sollen wir dann direkt los?" fragte Jace.
    "Einen Moment!" sagte Chloé und zog ihr Ei wieder aus der Tasche. "Ok, von mir aus können wir." Nun hielt auch Lucia ihr Ei in den Armen und zu dritt verließen die Trainer das Pokemoncenter. Ein frischer Wind wehte durch die Stadt und die Sonne stand an ihrem Höhepunkt.
    Die kleine Gruppe lief an einigen bescheidenen Hütten vorbei, bis sie ein großes Haus erreichten. Das Gebäude war ebenfalls aus Holz und an der Tür hing ein Schild: Kräuterladen - frisch und gesund! "Lasst mal hier rein" sagte Jace und stieß, ohne eine Antwort abzuwarten die Tür auf. In dem großen Raum herrschte ein bitterer Geruch. In den unzähligen Regalen standen die verschiedenen Pflanzenteile. Alles war voll mit Wurzeln, Stielen, Blättern, Blüten und Rinde. Allerdings schien es nichts Frisches zu geben, denn alles war entweder getrocknet oder in einer trüben Flüssigkeit eingelegt. Eine ältere Dame stand hinter einem Tresen und lächelte sie freundlich an. "Guten Tag. Was kann ich für sie tun?"
    "Noch nichts. Wir sehen uns ersteinmal um" sagte Jace und verschwand zwischen zwei Regalen. Kindwurm, das es sich in Jace´ Haaren bequem gemacht hatte, hob den Kopf, schnupperte kurz und fing an zu quengeln. "Was ist den Kindwurm?" fragte Jace. Als antwort bekam er nur einen schrillen Schrei zu hören.


    Chloé sah sich beeindruckt in dem kleinen Gebäude um. Im ersten Moment hatte es Chloé an ein Hexenhäuschen erinnert: Eine alte, groteskt wirkende Frau begrüßte sie, und überall standen, lagen oder hingen Kräuter, von deren Existenz Chloé noch nie etwas geahnt hatte. Ein merkwürdiger Geruch lag über dem allen - eine Art bittere Medizin, die die Koordinatorin in ihrer Kindheit einnehmen musste, wenn sie die Grippe hatte. Nur roch es hier um einiges schlimmer, sodass Chloé würgen musste und den säuerlichen Geruch mit Mühe versuchte, hinunterzuschlucken. Als Jace aus ihrem Blickfeld verschwunden war, empfand sie ein seltsames Gefühl in ihrer Magengegend - eine Mischung aus Einsamkeit und Angst, dass sie in ein paar Minuten von einer Hexe gefressen werden würde. Sie fröstelte und ihre Nackenhärchen stellten sich auf. Sie drückte ihr hellrotes Ei vorsichtig an sich, und erneut spendete es ihr tröstende Wärme. Sie blickte sich zu Lucia um, die wohl ähnlich wie Chloé selbst empfand, und deshalb wohl absichtlich am Eingang verweilte. Ohne zu Zögern gesellte sich Chloé zu ihr, und trotz aller kleinen Streitigkeiten fühlte sie sich in Lucias Gegenwart etwas sicherer. Dann sah sie wieder Jace, der mit einem breiten Grinsen an den Tresen zu der Hexe - ich meine alte Dame natürlich, ermahnte sich Chloé, trat, mit einer gigantischen Fuhre Kräutern im Arm. Das Kindwurm auf seinem Kopf schien von dem Geruch so umnebelt zu werden, dass es ohnmächtig zu werden drohte - vielleicht überreagierte es aber extra. Stumm bezahlte Jace, und erstaunlicherweise waren die unzähligen Kräuter nicht halb so teuer, wie Chloé es für solch eine Anzahl vermutet hatte. Grinsend kam er auf die Mädchen zu, nachdem er die Gewächse zunächst in eine Tüte und dann in seinen Rucksack gesteckt hatte. "So, wir können weiter." Chloé grinste scheinheilig, da sie sich ehrlich bemühte, den stechenden Geruch, der aus Jace' Rucksack in ihre Nase drang, zu ignorieren, und so nickte sie nur. Jace öffnete die schwerfällige Tür, und der Duft von frischer, reiner Dorfluft überwältigte Chloé so, dass es ihren Verstand vernebelte und sie fast von den Füßen zu kippen drohte. Als sich der Nebel wieder aus ihrem Kopf verzogen hatte, sah sie eine Gestalt auf sie zukommen: Gary, mit einem strahlenden Lachen im Gesicht. Und unwillkührlich fragte sich Chloé, was nur alle an diesem kleinen, merkwürdigen Dorf so zum Lachen brachte.

    Jace´ Herz schlug bis zum Hals. Kalter Schweiß sammelte sich in seinen Handflächen. Seine Augen schweiften durch den Raum. Der Züchter wurde von allen angestarrt. Sein Blick war auf Jakob und Marie gerichtet, die ihn fragend und dennoch hoffnungsvoll ansahen. Diese Augen waren voller Hoffnung. "Wir sind uns sicher, du würdest diese Pension noch besser führen, als wir es momentan machen. Wenn es Probleme geben sollte, stehen wir dir immer zur Seite. Christ... Jace" sagte Jakob. Der junge Züchter atmete einmal tief durch und sah dann zu seinen Freunden. Gary grinste Jace zu. Das blaue Pokemonei hielt er fest in den Armen. Lucia hatte ein schwaches Lächeln aufgesetzt, doch den feuchten Schleier vor ihren Augen konnte sie nicht verbergen. Auch sie hielt das Ei fest umarmt. Dann kreuzte Jace´ Blick den von Chloé. Ihr Gesicht schien fröhlich, wahrscheinlich wegen diesem großen, roten Überraschungsei, doch das Grasgrün in ihren Augen war blass und rot umrandet. Jace wendete sich ab und sah auf seinen Daumen. Er lächelte und blickte zu dem Pensionspaar. "Marie, Jakob. Es tut mir leid, aber ich kann die Pension nicht übernehmen." Jace hörte, wie alle um ihn herum die Luft scharf einsogen.
    "Aber Jace!" begann Gary, doch der junge Züchter hob die Hand und Gary verstummte. Marie krallte sich in Jakobs Arm und blickte zu Boden. Jakob ballte die Hände zu Fäusten.
    Jace´ Lächeln wurde breiter und er fuhr fort: "Jedenfalls noch nicht."
    Die Pensionleiterin sah auf. Tränen rannten ihr über die faltigen Wangen. "Wie meinst du das?" schluchzte sie.
    "Ich werde meine Freunde begleiten. Irgendjemand muss doch darauf achten, dass sie die Eier gut behandeln und sie können ja nicht selber auf sich aufpassen. Sobald unsere Reise beendet ist, werde ich zurück kommen und die Pension übernehmen. Bis dahin hoffe ich, schafft ihr es auch noch ohne mich."


    Eine gebannte Spannung umfasste sie alle, schien schon immer in der Pension gehaftet zu haben, um in diesem Moment die gesamte Luft zu erfüllen. Und eine Stille, eine Stille, die ein leichtes Unbehagen in Chloé auslöste. Sie rammte ihre Fingernägel in ihre Faust, sodass es schmerzte, doch sie musste es um jeden Preis verhindern: Verhindern, dass sie schrie. Denn in dem Moment, in dem Jace verkündet hatte, er würde sie doch nachhause begleiten, hatte Chloé eine Welle von Erleichterung, Freude und Glück überschwemmt. Sie schien von ihr mitgerissen zu werden, wollte sich ihr einfach nur hingeben, doch sogleich bemerkte die Brünette, dass sich dieses erleichterte Gefühl auch in ihrer Kehle breitmachte. Und ein Schrei bahnte sich an, war schon so weit vorgedrungen, dass sie ihn kaum mehr verhindern konnte. Doch, ehe sie sich versah, war der erleichterte Aufschrei ihrer Kehle entrunnen und sie rannte auf Jace zu. Sie wollte ihn umarmen und tausendmal danken - dafür, dass er sie nicht alleine lassen würde. Als sie sich an das kostbare Ei in ihren Armen erinnerte, und sofort verlangsamte sich ihr Schritt und sie blieb wenige Zentimeter vor dem Züchter stehen, der die Arme schon ein wenig gehoben hatte, um sie anscheinend in eine Umarmung zu hüllen. Chloé spürte, wie ihr Gesicht kitzelte und rot wurde, und sie wollte zu Boden sehen, doch sein Blick fesselte sie. Ihre Augen hatten sich erneut mit Tränen gefüllt, doch diesmal vor Freude. Eine Träne lief ihr stumm die Wange hinab und löste sich langsam auf ihren zu einem Lächeln geformten Lippen auf. Sie schmeckte den salzigen Geschmack und schluckte, und dann hörte sie eine Stimme hinter sich, doch trotz des aufgebrachten Tonfalls drehte Chloé sich nicht um, sie konnte ihren Blick von Jace einfach nicht abwenden. "Ist das dein Ernst?", donnerte Gary. "Die Pension, das ist dein Traum! Du bist nur wegen ihr nach Sinnoh gekommen! Wieso gibst du das auf? Ich kann die beiden gerne alleine begleiten!" Das Wort alleine jagte Chloé einen kalten Schauer über den Rücken und sie war dankbar für die Wärme, die Jace trotz der Angespanntheit ausstrahlte. Jace wirkte gefasst, aber dennoch konnte Chloé in seinen Augen sehen, wie dünn das Band seiner Fassung wirklich war. "Gary, du hast Recht, die Pension ist mein Traum. Aber ich gebe diesen Traum nicht auf! Ich begleite die Mädchen bis nachhause, dann kehre ich hierher zurück und lebe diesen Traum." Sein Blick haftete auf Chloé, sanft und dennoch ziemlich weit entfernt, so schien es der Brünetten. Diese spürte, wie ein paar unausgesprochene Worte in der Luft hingen, doch Jace' Blick verriet ihr, dass sie es dabei belassen sollte. Gary war zum Schweigen gekommen, da er dem nichts mehr hinzuzufügen hatte. Jace sprach sichtbar ruhig weiter. "Aber mal ein anderes Thema. Ihr wollt nah Elyses?" Seine Augen brannten aus ihren dunklen Höhlen hervor, er benötigte wirklich wieder eine Mütze Schlaf. Lucia antwortete an Garys Stelle, der sich anscheinend zusammenreißen musste, um nicht laut loszubrüllen. "Ja, Jace, wir haben das schon vor einer Weile beschlossen. Der Wettbewerb hat noch lange Zeit, da können wir doch Sinnoh genießen, ihr habt ja auch noch nicht viel gesehen." An dem Punkt machten sich Schuldgefühle in Chloé breit, und sie schluckte. Jace hatte sich anscheinend beruhigt und wandte sich zum Pensionspaar. "Gut. Marie, Jakob, ich danke euch für alles. Ich werde wiederkommen, versprochen. Aber jetzt machen wir uns erstmal auf den Weg nach Elysis."


    Nach diesen Worten drehte Jace sich zur Tür um und wollte mit den anderen Jugendlichen gehen. Doch ein Fauchen ließ ihn zurückschrecken. "Jace, du willst doch nicht etwa Kindwurm hier zurücklassen, oder?" sagte Jakob. Jace drehte sich um. Das kleine Drachenpokemon stand schon vor Jace´ Füßen.
    "Ihr seid euch sicher, dass ich den kleinen einfach so mitnehmen darf?" fragte Jace.
    Jakob und Marie nickten synkron. "Du darfst unser Baby gerne mitnehmen. Bei dir ist er in guten Händen." Maries Stimme war zwar immer noch brüchig, aber sie schien ganz zufrieden mit Jace´ Entscheidung. Der junge Züchter hob Kindwurm hoch und legte ihn wieder auf seine Haare. "Pass gut auf dich auf. Wir vertrauen auf dein Wort. Bis bald" schluchzte Marie und brachte sogar ein Lächeln zustande.
    "Das werde ich. Bis bald." Daraufhin verließ Jace die Pension.
    Im Sonnenschein warteten schon seine Freunde mit ihren neuen Eiern. "Also ich hab es eindeutig besser als ihr. Ich muss Kindwurm nicht durchgehend im Arm halten. Haha" sagte Jace und ging mit festen Schritt auf das Pokemoncenter zu.
    "Na und? Ich wette, das Pokemon, das aus meinem Ei schlüpft ist viel stärker als dein Kindwurm" höhnte Gary.
    "Gary, Gary, Gary. Kindwurm ist ein Drache. Nichts kann einen wütenden Drachen aufhalten!" Als würde Kindwurm diese Aussage unterstreichen wollen, stellte es sich aufrecht hin, wedelte mit den Armen und fauchte. Der Professor in spe gab nur ein verächtliches Schnauben von sich und lief stur weiter.
    "Jaaaace? Würdest du mir mit dem Ei helfen?" fragte Lucia und sah den Züchter mit einem traurigen Hundeblick an.
    "Vielleicht! Sobald du schlecht zu dem Ei bist, nehm ich dir es aber weg" antwortete Jace und streckte der blauhaarigen Koordinatorin lachend die Zunge raus.
    "Du bist doof" sagte Lucia und schmollte gespielt vor sich hin.
    Jace sah zu Chloé, die in Gedanken versunken ihr Ei ansah. Plötzlich schaute die Brünette auf, lächelte und hielt Jace ihr Ei vor die Nase. "Was glaubst du schlüpft hier raus?"
    Der junge Züchter blinzelte ein paar mal und überlegte kurz. "Ich schätze ein süßes" sagte er und grinste.
    "Ich hoffe doch, dass es süß wird. Dann kann es mich bei den Wettbewerben unterstützen." Sanft glitt Chloés Hand über die harte Schale. Als die kleine Gruppe vor der Tür des Pokemoncenters standen, blickte Jace noch einmal zurück. Marie und Jakob kümmerten sich wieder um die Pokemon. Irgendwann wird das alles mir gehören, dachte Jace und betrat mit hochgezogenen Mundwinkeln die Eingangshalle.


    Von da an schien alles an Chloé vorbeizuziehen. Sie waren in die Eingangshalle des Pokemoncenters getreten, und ein blumiger, mit Gebäck verstärkter Geruch schlich sich in die Nase der Koordinatorin. Alles war sauber und aufgeräumt - wie immer also, und wirkte stark desinfiziert. Chloé bemerkte verschwommen das Chaneira, das die vier Jugendlichen mit einer Miene ansah, als hätte es sich längst an das ständige Kommen und Gehen dieser gewöhnt. Die vier gingen ohne Umschweife direkt die Treppe hoch, traten durch die Tür und jeder wandte sich seinen Sachen zu. Jace hatte nicht viel ausgepackt - so verstaute er nur eine Menge Beeren, von denen Chloé nicht wusste, dass er sie doch gepflückt hatte. Gary schien seinen gesamten Rucksackinhalt auf sein Bett verteilt zu haben, und das alles stopfte er wieder wahllos hinein. Lucia hatte nur ein paar Oberteile einzupacken. Chloé hingegen versucht die Teile in ihrem Beutel gewollt zu verschieben und klein zu drücken, in der Hoffnung, das Ei, das größer wirkte als sie es sich vorgestellt hatte, passte hinein. Und tatsächlich, das Ei schmiegte sich an die Kleidungsstücke, die es sanft umhüllten und vor den gröbsten Erschütterungen bewahrten. Zufrieden mit sich zog Chloé den Reisverschluss zu und ging zusammen mit den Anderen die Treppe zum letzten Mal hinunter. Schwester Joy musste gespürt haben, dass die vier weiterziehen wollen, denn sie stand einladend im Erdgeschoss, mit einem herzlichen Lachen auf den Lippen, und überreichte ihnen zum Abschied noch ein großzügiges Lunchpaket, was sie alle dankend annahmen. Dann traten sie hinaus, und das Sonnenlicht kitzelte sanft Chloés Haut. Die leichte Brise streichelte ihre Haare und kühlte sie wohltuend ab. Noch ein letztes Mal trat die Pension in Chloés Blickfeld, die so friedlich wirkte, als wäre niemals etwas mit ihr geschehen, und die Brünette bekam ein mulmiges Gefühl im Magen, wenn sie daran dachte, dass diese Pension, wohlgehütet im Herzen von Trostu, einmal Jace gehören würde. Und schon jetzt, auch wenn ihnen noch eine lange gemeinsame Zeit bevorstand, musste Chloé die aufkommenden Tränen mühsam hinunterschlucken, die von dem Gedanken hervorgerufen wurden, dass Jace sie früher oder später verlassen würde. Doch Chloé wusste, es dauerte noch, weswegen sie vorerst aufatmete. Sie schaute sich erneut um. Abgesehen von ihren Freunden, wirkte die Route 210, wie Chloé vermutete, sehr friedlich und harmonisch. Verschieden Pokemon tummelten sich in den Baumwipfeln, das Gras wippte sanft im Takt des Windes und gab beinahe knirschend unter den Fußsohlen der Trainer nach, und Chloé konnte bei genauerem Hinsehen einen schon platt getrampelten Weg erkennen, und auf dem hatte das zuvor sattgrüne Gras eine leicht braune Färbung angenommen. An den beiden Seiten des Weges prankten prunkvolle, in voller Blüte stehende Blumen in allen Farben, die Chloé bekannt waren. Sie leuchteten hell im untergehenden Sonnenlicht, und ihre Pollen schwebten wie Staubpartikel im Schein der Sonne. Diese Route war atemberaubend, Chloés Augen glänzten. Dann blickte sie hinüber zu ihren Freunden. Lucia blickte sich mit ebenso glänzenden Augen in der Gegend um, und schien genauso begeistert wie Chloé. Deren Blick streifte Gary, der sich kaum für seine Umgebung zu interessieren schien, denn er streichelte hingebungsvoll sein Ei, als wolle er so die Schale zum Schmelzen bringen, um sofort das geheimnisvolle, darin lauernde Pokemon in den Händen halten zu können. Nur wer geduldig ist, wird auch erfolgreich sein. Maries Worte hallten Chloé durch den Kopf und sie musste schmunzeln. Dann sah sie zu Jace und war wie schon des Öfteren von seiner Erscheinung fasziniert. Die Sonne befand sich hinter ihnen allen - weshalb Jace mehr denn je wie ein Engel aussah. Seine Haare glänzten im hellen Licht beinahe golden, caramellfarben. Seine Augen stachen wie so oft hervor, doch diesmal nicht wegen der Müdigkeit, sondern wegen der unnachlässigen Farbe, smaragdgrün, nicht minder glänzender als eben dieser Stein. Seine Umrisse waren in ein schwaches, weißes Licht getaucht, und selbst mit dem Kindwurm auf dem Kopf, das sehr zufrieden wirkte, sah er überhaupt nicht lächerlich aus. Ein Lächeln schlich sich auf Chloés Gesicht und ließ sie beinahe komplett vergessen, dass sie nur ein paar Stunden, oder Minuten, zuvor, hemmungslos geweint hatte. Dann richtete Chloé ihren Blick wieder nach vorne, und eine scharfe Abzweigung ließ sie aprupt stehen bleiben. Jace schien sich erschreckt zu haben, da er verwundert die klare Luft einsog, und sagte: "Chloé, geh weiter, es geht nur in eine Richtung, du kannst uns nicht falsch führen. Hinter der Abzweigung liegt glaub ich bald Elyses. Wir sind also bald da." Er grinste, das konnte die Brünette spüren, auch wenn sie ihn nicht direkt ansah, denn noch immer fesselte die bedrohlich wirkende Kurve ihren Blick. Doch sie vertraute Jace blind, so wie sie gesagt hatte. Entschlossenen Schrittes ging sie voran, und hinter der Abzweigung, die nun doch nicht so bedrohlich war, blieb Chloé erneut stehen, diesmal aus Erstaunen. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie schnell sie gegangen waren, wie rasant die Zeit vergangen war. Doch jetzt merkte Chloé plötzlich, dass es allmählich schon dämmerte, denn ein roter Schimmer legte sich bereits über die Sonne. Sie hatte also mal wieder zu viel Zeit in ihren Gedanken verbracht, na super. Denn jetzt konnte sie sie schon schwach erkennen - ein paar Häuser, schlicht, die meisten aus Holz, die einzeln um etwas kraterartiges herumstanden. Elyses. Gary jubelte auf und lachte schallend, und auch Lucia und Jace stimmten ein. "Wir sind da!", sagten alle im Chor. Chloé zog erfreut ihre Augenbrauen hoch. Immer größer wurden die Häuser, als sie alle gemeinsam auf sie zugingen. Und als sie Elyses betraten, verspürte Chloé zum einen Erleichterung, und zum anderen einen leichten Anflug von Trauer, dass sie Trostu hinter sich gelassen hatten.

    Jace stockte der Atem. Er hätte nie mit so einem Angebot gerechnet! Sein Herz raste. Was für Möglichkeiten würden sich bieten? Jace' Gedanken schweiften ab...
    Die Sonne schien auf die Wiese. Dutzende Pokemon tollten um den Züchter herum. Eine leichte Brise wirbelte Blätter auf. Jace ging zum See und warf eine Angel hinein. Auf der Wasseroberfläche huschten Geweiher umher. Ihre Bewegungen verwischten die Reflektionen des Lichtes. Ein Ruck ging durch Jace´ Köper. Er zog die Angel ein. Ein dicker, blauer Fisch mit langen Barthaaren lag am Ufer. Jace streichelte dem Welsar über den Rücken und holte ein kleines Fläschchen aus der Tasche. Das Fischpokemon öffnete sein Maul und Jace schüttete den Inhalt des Fläschchens hinein. "Braves Welsar. Und jetzt ab zurück ins Wasser" Jace tätschelte dem Welsar erneut den Rücken. Dieses sah den jungen Mann finster an. "Ach, hab ich ganz vergessen." Jace stand auf, pflückte eine pralle Amrenabeere und warf sie dem Welsar zu. Dieses sprang hoch, schnappte die Beere in der Luft und verschwand im Wasser. Der Züchter grinste und ging zurück ins Haus.
    Als er durch die Tür kam, ertönte eine feminine Stimme: "Und Schatz? Geht es dem Welsar besser?"
    Jace lächelte und rief: "Ja, es ist fast wieder kerngesund. Was gibt es zum Essen?"
    Eine junge Frau mit braunen Haaren und grünen Augen betrat den Raum und ging auf Jace zu. "Was willst du denn?" sagte diese und umarmte ihn.
    "Wie wäre es mit Pizza?" grinste Jace.
    "Schaaaatz? Nein! Ich hab schon Nudeln gekocht" antwortete Chloé, gab Jace einen Kuss und verschwand wieder im Nebenraum.

    Jace schrak aus seinen Tagträumen auf, als Maries Stimme ertönte: "Was ist Jonathan? Tut uns leid, wenn wir dich jetzt so überrumpelt haben, aber wir brauchen eine Antwort."
    Der junge Züchter sah erst zu dem Pensionspaar rüber, dann seine Begleiter. Einem nach dem anderen. Erst Gary, dessen Blick erst erschrocken wirkte, doch dann zierte ein Lächeln sein Gesicht. Danach Lucia, die ihn auch glücklich ansah. Zum Schluss Chloé. Sie lächelte zwar, doch die Koordinatorin wirkte abwesend. Sie sah Jace nicht an. Als sich ihre Blicke dann trafen, sprang Jace regelrecht vom Stuhl auf. "Ich bedanke mich sehr für dieses Angebot, aber... Ich brauche etwas Bedenkzeit. Entschuldigt mich bitte." Mit diesen Worten rannte Jace aus der Pension.


    Chloé konnte es nicht glauben. Es waren schon Sekunden seit der Frage verstrichen. Und sie war sich sicher, sie würde es auch in Tagen nicht verkraftet haben, jedenfalls nicht solange, bis Jace eine Antwort gegeben hatte. Und auch das konnte Chloé nicht mit Bestimmtheit sagen. Sie wusste, sie würde erst wieder aufatmen können, sobald er sagen würde: Ich will die Pension nicht übernehmen, ich begleite meine Freunde.
    Traurig lächelte die Koordinatorin vor sich hin. Das durfte sie doch nicht von Jace verlangen, schließlich wusste sie, wie sehr er die Arbeit in der Pension liebte. Und während sich die Gedanken in ihrem Kopf drehten, schweifte sie immer weiter ab...
    Doch sie schrak auf, als Jace hinausstürmte. Die Koordinatorin hatte gar nicht bemerkt, wie er aufgestanden war. Kurz bevor er aus der Pension stürmte, hatten sich noch ihre Blicke getroffen, und Chloé war sich sicher, niemals einen so zerrissenen Blick gesehen zu haben. Seine Augen lagen tief in ihren Höhlen und seine Augen hatten den wundervollen Glanz verloren, den Chloé so sehr liebte. Sie macht sich mehr als nur Sorgen und sprang, nur kurz nach Jace, ebenfalls auf, mit der Stirn in Falten gelegt. Ein Rauschen machte sich in ihren Ohren breit und nur aus den Augenwinkeln konnte sie die Reaktionen von Gary und Lucia beobachten. Auf Garys Gesicht spiegelte sich ein Lächeln, was in Chloés Augen so hinterhältig wirkte wie das einer Schlange, die gerade sein Opfer ausgesucht hatte. Sie wusste nicht, wieso er so lächelte, schließlich waren die beiden extra für einen gemeinsamen Urlaub hierhergekommen, und das wollte er einfach belächeln und aufgeben? Lucia hingegen sprang ebenfalls auf, schien dann jedoch bemerkt zu haben, was sie da tat und setzte sich schleunigst wieder stillschweigend hin. Sie lächelte schwach und dennoch wirkte ihr Blick weit weg, und Chloé fragte sich, ob sie vorhin genauso ausgesehen hatte: So friedlich und dennoch verloren zugleich. Die Brünette schärfte ihren Blick und meinte sogar zu erkennen, wie sich Tränen in den Augen der Blauhaarigen sammelten. Hatte Chloé etwa doch Recht mit ihrer Vermutung? Ein Kloß sammelte sich in ihrem Hals, er schien so schwer zu sein wie Blei, und er raubte der Koordinatorin förmlich den Atem. Scharf und bewusst atmete sie ein, um ihre Lungen wieder mit kalter, erfrischender Luft zu füllen. Erst da merkte sie, wie viel Zeit eigentlich vergangen war. Chloé blinzelte ein paar Mal, und erstaunt stellte sie fest, dass sich ebenfalls in ihren Wimpern Tränen abgesetzt hatten, die aus dieser Perspektive merkwürdigerweise wunderschön schimmerten. Ein Blick zum alten Pensionpaar verriet ihr, dass nicht nur sie bestürzt über Jace' Flucht zu sein schien. Marie hatte eine Hand vor ihren Mund gelegt, und mit ein paar Schluchzern zitterten ihre feinen Fältchen im Takt ihres Atems. Jakob streichelte beruhigend mit seiner Hand über ihren Rücken, und sie hob und senkte sich mit den Schluchzern seiner Frau. Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, sprach sie mit zittriger Stimme: "Es tut mir Leid, ich wollte ihn nicht so verschrecken." Sie verstummte und schluckte schwer. Sie tat Chloé aufrichtig Leid. Mit flatterndem Herzen sagte sie, mehr zu sich selbst: "Ich red mit ihm.", und war sogleich aus der Pension verschwunden.


    Jace spürte den kühlen Vormittagswind über seine Haut streichen. Er wirkte sehr beruhigend. Die Sonne war schon komplett aufgegangen und ließ den Morgentau silbern glänzen. Der junge Züchter stand am Zaun der Pension. Langsam standen auch die Pokemon auf und fingen an herum zu tollen. Es schien, als wäre nichts in der letzten Nacht passiert. Ein paar Bidiza wälzten sich auf der Wiese. Sie schienen so unbeschwert, so friedlich. Jace fragte sich, ob sie überhaupt mitbekommen haben, was letzte Nacht passiert war. Zu den Bidiza gesellte sich ein Pichu. Der junge Züchter musste schmunzeln, als er daran dachte, wie der Rüpel geschockt wurde. Dann erinnerte sich Jace an das Pichu, das sich an Chloé gekuschelt hatte. Und erneut waren seine Gedanken bei diesem einem Mädchen. Dieses Mädchen mit den braunen Haaren. Dieses Mädchen mit den grünen Augen. Dieses Mädchen mit dem süßen Geruch. Dieses Mädchen mit dem bezaubernden Lächeln. Dieses Mädchen, das so quitschende Geräusche von sich gab, wenn sie etwas Süßes erblickte. Dieses Mädchen, das sein Herz zum rasen brachte. Dieses Mädchen, das ihn in seinen Träumen begleitete. Jace sah zum Himmel empor. Dort oben kreisten ein paar Pokemon. Manchmal wünschte sich Jace, er könnte auch fliegen. Einfach davon fliegen. Jace seufzte. Plötzlich stand Chloé neben ihm. Bubum. Jace schrak zurück. Bubum. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Bubum. "Was machst du hier?" fragte Jace.
    Chloé lächelte. "Ich... ähm... fandest du das Frühstück auch so super?"
    "Ach! Hör mich auf damit! Du willst mich fragen, warum ich abgehauen bin. Stimmts?" Jace konnte der Koordinatorin nicht in die Augen sehen. Sein Blick verlief über die Wiese ins Nichts. "Soll ich dir was sagen? Ich weiß nicht, ob ich dieses Angebot annehmen kann... So viel Verantwortung. Bin ich überhaupt dafür bereit?"


    Chloé zitterte. Und wenn sie es nicht sichtbar tat, dann in ihrem Inneren, denn dort schien alles zu vibrieren. Sie war immer ein schüchternes Mädchen gewesen, solang sie denken konnte. In ihrer Kindheit hatte sie sich immer hinter ihrer Mutter versteckt, sobald sie auf Fremde gestoßen waren. So konnte sie sich nicht erklären, woher sie diesen Mut nahm, sich einfach so neben Jace zu stellen. Doch irgendwie überkam sie deshalb ein Gefühl des Stolzes. Sie amtete tief ein, um sich zu Beruhigen, doch ihr schien es, als könnte sie dieses Ziel in Jace' Anwesenheit einfach nicht erreichen. Sie musterte den Jungen, dessen braune Haare so sanft wie flüssige Schokolade im Wind wehten. Und erst jetzt bemerkte Chloé, dass sie so nah bei ihm stand, das eine seiner Strähnen ihre Wange kitzelte. Das Mädchen lief dunkelrot an und versuchte, die eine Haarsträhne mit den ihren zu verdecken. Sie lehnte sich über den Zaun, sodass sie einen guten Blick auf die Pokemon auf der Wiese erhaschen konnte, und als sie das Pichu erblickte, zuckten ihre Mundwinkel und daraus entstand sogleich ein Lächeln. Der Wind wurde stärker und blies ihr ins Gesicht, als sie den aufgebrachten Ton von Jace vernahm, der sie zusammenzucken ließ. Sie hatte seine Stimme selten so scharf vernommen, so schneidend, schärfer als die Krallen eines Magnayen. Unwillkührlich musste Chloé an die letzte Nacht denken und daran, wie müde sie eigentlich war, und dass sich diese Müdigkeit auch in Jace' Gesichtszügen abzeichnete. Ein paar seiner Strähnen fielen ihm trotz der Brise schlaff ins Gesicht, seine Augen wirkten zwar aufgebracht, blickten aber dennoch trübe in die Ferne. Chloé sog die Luft ein und es erleichterte ihre Lungen ungemein, sodass sie antworten konnte. Mit Bedacht wählte sie ihre Worte. "Jace...du bist der begabteste, unglaublichste Junge, den ich kenne. Deine Fähigkeiten als Züchter sind...beindruckend." Sie schluckte. Chloé wusste, jedes Wort, was sie herausbrachte, konnte ein Fehler sein. "Ich würde dir meine Pokemon blind anvertrauen. Jace, wenn es jemanden gibt, der dafür bereit wäre, dann du." Ein unglaublicher Druck schien ihr von der Seele gefallen zu sein, doch ebenso schien sich Chloé gerade ihr eigenes Grab zu schaufeln. Doch er sollte glücklich sein, das hatte er sich verdient. Vorsichtig blickte Chloé zu Jace hinüber, der sie mit einer Mischung aus Trübsinn und Stolz ansah. Ihre Blicke trafen sich, doch Chloé spürte, wie sich unter seinem musterndem Blick die Luft aus ihren Lungen zog. So wich sie seinem Blick aus und starrte auf ihre Hände, die sich eilig ineinander vergruben. Dann hörte sie wieder die engelsgleiche Stimme von Jace: "Danke Chloé. Das hilft mir." Kurz schien er zu überlegen, was er sagen wollte, dann lächelte er schief, aber irgendwie schien noch immer Skepsis seine Gesichtszüge zu zieren. "Wenn du sagst, du würdest mir deine Pokemon blind anvertrauen, nun...vertraust du mir? Würdest du dich mir blind anvertrauen?" Chloé war hellhörig geworden und auch wenn sie nicht hinsah, so konnte sie genau spüren, wie er sie ansah. Doch sie konnte einfach nicht mehr wiederstehen, und so trafen sich erneut ihre Blicke, doch diesesmal wich Chloé nicht zurück. Seine vollen Wimpern umspielten seine Augen, in die der ursprüngliche Glanz zurückgekehrt war. Sein Blick war glasklar und zärtlich zugleich. Ohne Worte, da ihre Kehle so trocken war, nickte Chloé und leckte sich über die spröden Lippen. Jace' Blick wanderte kurz zu ihren Lippen, und schien sich von ihnen gar nicht mehr lösen zu wollen. Doch als Chloé langsam antwortete, sah er sie wieder direkt an. "Jace...ich würde dir alles anvertrauen. Aber bitte, sag mir: Bleibst du bei mi...uns...oder kümmerst du dich um die Pension?"


    Gary saß immernoch am Tisch mit Lucia, Marie und Jakob. "Es ist nicht ihre Schuld. Jace musste noch nie so eine schwere Entscheidung treffen", erklärte der Professor in spe. "Selbst die Entscheidung welches sein erstes Pokemon sein sollte, ist ihm buchstäblich zugelaufen."
    "Wie meinst du das, Gary?" fragte Lucia, die plötzlich hellhörig geworden war.
    "Als er sie entscheiden sollte, ließ er alle zur Verfügung stehenden aus ihren Bällen, um sie zu begutachten. Dann sprang ihn das Fukano an und leckte ihm das Gesicht ab. Tja jetzt ist es ein Arkani, das schneller ist als ein Blitz" erklärte Gary.
    "Das ist ja knuffig" kicherte die blauhaarige Koordinatorin.
    "Trotzdem. Für Jace ist es schwer Entscheidungen zu treffen" wiederholte Gary.
    Sowohl Lucias Augen, als auch Maries Augen fingen an zu tränen. "Ich wusste davon nichts. Es tut mir so leid. Ich hätte ihn nicht so überfallen sollen" schluchzte Marie.
    "Es ist ja nicht ihre Schuld. Sie müssen Jace nur etwas Bedenkzeit geben. Ich verspreche ihnen heute Abend haben sie seine Antwort" versuchte Gary die Pensionsleiterin zu beruhigen.
    "Wenn du dir da sicher bist. Gary, Lucia, bitte redet mit Christopher. Es wäre eine Schande diese Pension jemandem zu geben, der nicht so ist wie Jace. So behutsam, so zielgerichtet, so begeistert, ach ich finde einfach keine passenden Worte. Kommt doch später wieder vorbei, wir würden euch gerne für eure Hilfe belohnen. Marie es wird Zeit, dass wir die Pokemon füttern," sagte Jakob, erhob sich und ging mit Marie aus dem Zimmer.
    "Und was machen wir jetzt?" fragte Lucia.
    "Wir gehen raus und reden mit Jace. Er wird diese Pension nehmen und wenn ich ihm dafür in den Hintern treten muss!" antwortete Gary. grinste schief und marschierte aus der Pension.
    "Warte doch auf mich!" schrie Lucia und lief dem jungen Trainer hinterher.
    Als sie draußen von der frischen Brise empfangen wurden, erblickten sie sofort Jace und Chloé, die am Zaun standen.
    "Hey! Was macht ihr hier?" rief Gary. Jace und Chloé drehten sich erschrocken um.
    "Ach, ihr seid es" sagte Jace und drehte sich wieder um.
    Gary knurrte beleidigt. "Kleiner! Du weißt hoffentlich, was für eine Chance du dir hier erhälst, oder?"
    "Ja! Und jetzt lass mich in Ruhe!" bellte Jace.
    "Du bist ein Vollidiot, wenn du dir diese Gelegenheit durch die Lappen gehen lässt!" Gary ging auf den jungen Züchter zu und packte ihn an der Schulter. "Junge, es war doch immer dein Traum und jetzt willst du ihn einfach aufgeben?"
    "Lass. Mich. In. Ruhe!" fauchte Jace.
    "Weißt du was? Heul doch rum wie ein Baby. Heute abend musst du dich entschieden haben! Wir gehen jetzt" antwortete Gary, packte die Mädchen am Handgelenk und zerrte sie zum Pokemoncenter.
    "Gary! Was soll das!" schrie Chloé, als die Tür sich hinter ihnen schloss.
    "Ich kenn Jace länger als ihr. Unter Druck trifft er die besten Entscheidungen. Wir sollten uns jetzt ausruhen und warten bis er hier erscheint" sagte Gary in einem sehr ruhigen Tonfall.


    Chloé war erschreckt zusammengefahren, als sie die Stimme von Gary vernommen hatte. Eine Zeit lang war es ihr doch tatsächlich so vorkommen, als würde es nur sie und Jace geben, und das eine Ewigkeit lang. Doch dann war Gary hereingeplatzt und hatte sie einfach weggezogen. Lass ihn in Ruhe, Gary. Ich will bei ihm bleiben, hätte die Brünette gerne gerufen, doch irgendwie schien ihre Kehle ausgetrocknet, sodass die Worte nur unausgesprochene Gedanken blieben. Im Pokemoncenter angekommen, war Chloé völlig aufgebracht. Wenn Jace sich so schwer entscheiden konnte, könnte er sonst was tun, um sich seiner Entscheidung bewusst zu werden; Chloé verspürte eine eigentlich völlig unbegründete Angst, wenn sie daran dachte, dass Jace manchmal ohne Nachzudenken handelte. Doch es schien Gary egal, und auch Lucia hatte sich anscheinend wieder gefangen. Die Blauhaarige schob sich eine einzelne Strähne hinter ihr Ohr, gab dann einen verzweifelten Laut von sich und sagte: "Ich geh dann mal duschen, ich hab das Gefühl, ich hätte das seit Tagen nicht gemacht." Sie schmunzelte und verzog sich ohne ein weiteres Wort in Richtung des Zimmers. Na toll. Jetzt war Chloé wieder mit Gary alleine. Sie schluckte und ging mechanisch ein paar Schritte auf einen Tisch zu, wo die drei zuvor genüsslich gegessen hatten. Zu Chloés Entsetzen folgte ihr Gary, der einen Ausdruck im Gesicht hatte, der sehr zufrieden wirkte, und ein spitzbübisches Grinsen zierte seine Lippen. Mit den Händen in den Hosentaschen setzte er sich neben Chloé, die sich unbemerkt auf einen Stuhl sinken gelassen hatte. Der Braunhaarige drehte seinen Stuhl um und benutzte die Lehne zum Abstützen. Dann schüttelte er übertrieben mit dem Kopf, sodass seine Haare ihm um sein kantiges Gesicht flogen. Chloé sah ihn direkt an und spürte, dass er etwas zu sagen hatte, worüber er sich jedoch noch das Hirn zu zerbrechen schien. Als dann die Worte nur noch so aus ihm heraussprudelten, wäre Chloé am liebsten zusammengebrochen.


    Garys Herz machte einen Hüpfer, als er endlich mit Chloé allein war. Er setzte sich lässig auf einen Stuhl um möglichst nah bei ihr zu sein. Jetzt brauch ich nur noch die richtigen Worte, dachte Gary und grinste hämisch. "Du Chloé? Kann ich dir was anvertrauen?" sagte er dann laut, wobei er die brünette Koordinatorin aus dem Augenwinkel ansah. Das Mädchen zuckte zusammen, sah den Profesor in spe etwas ängstlich an und nickte zögernd.
    "Ich weiß, warum es Jace so schwer fällt, sich zu entscheiden. Er ist in Lucia verliebt" Gary fing Chloés ungläubigen, geschockten und traurigen Blick auf. Was sie wohl gerade denkt? grübelte der braunhaarige Trainer.
    "Aber, aber, aber, aber, aber..." begann Chloé zu stottern.
    Doch Gary unterbrach sie: "Das ist Jace´... hm wie sag ich es am besten... Masche. Erst macht er einen auf abweisend und nicht interessiert. So ist Jace halt. Ich kenn ihn schon seid dem Kindergarten. Du kannst mir vertrauen. Obendrein macht diese ´Ich bin unerreichbar für dich´-Masche die Mädchen noch wilder auf unseren angehenden Züchter. Er steht voll auf unseren Blauschopf." Nun fixierte er die Brünette mit seinen braunen Augen. Ein schiefes Grinsen zierte sein Gesicht. Doch der Blick der Koordinatorin verschwand im Nichts. Och die Arme. Ich tröste sie mal, dachte Gary selbstzufrieden und strich Chloé über die Schulter. "Hey, was hast du denn? Es wird doch alles gut. Jace übernimmt die Pension und ich bring euch nach Hause. Sind wir halt nur noch zu dritt, na und?" Gary grinste leicht. Doch Chloé blickte immer noch apatisch vor sich hin. Gary streichelte immer noch ihren Rücken, nahm ihr Kinn in die andere Hand und drehte ihr Gesicht zu sich hin. Tränen sammelten sich in Chloés Augen. "Wir dürfen Jace nicht daran hindern, seinen Traum zu erfüllen. Es wäre unfair ihm gegenüber und sehr egoistisch von uns" setzte Gary fort und sah zu, wie die Tränen Chloés Wange hinunterrollten. Der Professor in spe wischte sie mit seinem Daumen weg.
    Plötzlich ertönte eine Stimme. "Hier seid ihr also! Chloé, was ist los mit dir, Süße?" Lucia stand vor ihrem Tisch. Als Chloé erschrocken hochsah, sprang sie auf und rannte weg. "Was hast du angestellt, Gary?" fauchte Lucia und funkelte Gary finster an.


    Noch immer prickelte die Berührung von Garys Daumen auf Chloés Wange, doch die Wärme wurde unaufhörlich von ihren Tränen weggespült. Ein paar ihrer brünetten Strähnen klebten von der Flüssigkeit in ihrem Gesicht, und Chloé konnte einfach nicht aufhören zu schluchzen. Eine Welt schien über ihr zusammengebrochen zu sein, und ihr Herz zersprang mit jedem Schritt in immer winzigere Splitter. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Gary hatte sie angelogen, ganz bestimmt! Doch sobald die Koordinatorin an den ernsten Tonfall in seiner Stimme dachte, blieb ihr das Herz stehen und weitere Tränen liefen die bereits vorhandenen Spuren hinunter. Erst als sie aus der Tür des Pokemoncenters getreten war, merkte sie, wem sie da in die Arme lief: Jace. Doch wenn sie es sich selbst eingestand, wollte sie sich jetzt einfach nur in seine warme Umarmung sinken lassen. Doch ob er das wollte? Sie kannte ihn inzwischen doch gut. Die Situation im Zimmer, die unzähligen anderen...sie mussten doch etwas bedeutet haben, oder war er wirklich so ein Aufreißer? Chloé spürte die salzige Flüssigkeit ihrer Tränen auf ihren Lippen und leckte sich diese ab. Plötzlich sah die verschwommen durch ihren Tränenschleier die Person, vor der sie im Moment am meisten Angst hatte. Jace stand noch immer am Zaun, den Rücken ihr zugewandt. Chloé blieb aprupt stehen und sog scharf die Luft ein. Ihre Tränen hielten einen Moment lang inne, doch dann wurde die Stille von einem verräterischen Schluchzen durchbrochen, und zu Chloés Entsetzen drehte sich der Junge vor ihr um. Soweit es die Brünette erkennen konnte, wandelte sich sein Blick von Gereiztheit zu Freude und anschließend zu großer überraschter Sorge. "Chloé?" wisperte er. Dieses Wort wurde von einem Windhauch zu Chloés Ohren getragen. Wie er es aussprach, so zärtlich. Weitere Tränen verließen ihre Augen, und sie konnte nichts weiter tun, als ihn anzusehen. Und bei seinem Anblick schienen die Tränen nur so aus ihr herauszusprudeln, und sie konnte es nicht verhindern. Sie dachte an Garys Worte, und ein erneuter Messerstich in ihr Herz setzte ihr zu. Schwach vernahm sie die Stimme von Jace, die von Besorgnis durchtränkt war. Oder von gespielter Besorgnis, Chloé wusste nicht mehr, was wahr und was gelogen war. "Chloé, was ist los? Wieso weinst du? Hat Gary irgendwas...?" Doch unerwarteterweise hörte sie ihre eigene Stimme, die die Worte von Jace unterbrach, doch ihre ohnehin leise Stimme war von Trauer und Schluchzern nur so durchzogen. "Ich...pack jetzt meine Sachen. Wir machen uns nach dem Mittagessen auf den Weg nach Elysis." Und plötzlich schienen sich ihre Beine wieder verfestigt zu haben, denn sie drehte sich um und rannte weinend zurück zum Pokemoncenter, ohne dass sie Jace' letzte Worte hören konnte.


    Chloé war erstarrt. Völlig. Sie hatte sich nicht mehr bewegen können, seitdem Jace sie berührt hatte. Seine Finger waren sanft über ihre Haut gefahren, so sanft, dass es beinahe nicht als Berührung durchgegangen wäre. Seine Worte, seine schmeichelnden Worte hatten ihre Haut gekitzelt, und sein Atem hatte süßlich gerochen. Jace hatte es geschafft, selbst den Schmerz in ihrem inzwischen blutigen Knie vergessen zu lassen, wofür sie ihm sehr dankbar war. Doch Chloé wusste mittlerweile, kein Moment war für immer, auch wenn es ihr manchmal so vorkam. Ruckartig hatte sich Jace umgedreht, und mit zurückgekehrter Angst musste Chloé beobachten, wie Matze wieder aufgestanden war und seine Pokemon gerufen hatte - Magnayen und Hundemon. Die Augen der beiden Hunde glitzerten bedrohlich im Mondlicht, und sie knurrten gnadenlos. Chloé begann zu zittern, und auch wenn sie sich vorhin nicht wegen der Anspannung bewegen hatte können, dann war die Anspannung jetzt der Angst gewichen.
    Jace war aufgesprungen. Chloé hätte es auch gern getan, doch neben der Angst machte ihr ihr Knie zu schaffen, das Blut sickerte inzwischen schon in das trockene Gras, das in der Dunkelheit nunmehr tiefschwarz wirkte. Chloé konnte einfach nur zusehen. Kurz überlegte sie, ein paar ihrer Pokemon zu schicken, doch da hörte sie gedämpft die angespannte Stimme von Jace, der ihr zuvor kam. "Du solltest allmählich wissen, dass du uns in Ruhe lassen solltest. Besonders sie -" Chloé merkte, wie er sich leicht zu ihr drehte und sie aus dem Augenwinkel betrachtete. Das Mädchen errötete leicht und war der Dunkelheit dankbar. Dann fuhr Jace fort. "Also muss ich dir wohl ein für alle Mal eine Lektion erteilen. Dragonir - " Mit diesen Worten warf er einen Ball hoch in die Luft, und ein roter Lichtblitz erhellte die Nacht. Unmittelbar danach trohnte eine riesige, geschmeidige Schlange im Gras, die im Mondlicht nicht minder bedrohlich wirkte als die Hunde. Neben das schöne Dragonir, von dem Chloé ganz begeistert war, gesellte sich das Kindwurm, das entschlossener wirkte, als es sich Chloé vorstellen konnte. Ohne große Anfangsrede begann der Kampf, doch er war zu schnell für die Koordniatorin, um ihn zu verfolgen. Sie versuchte ihren Blick zu schärfen, und als sie das tat, blieb ihr der Atem stehen als sie sah, wie grausam die Hunde angriffen.


    Matzes Gegacker hallte durch die Nacht. Jace hatte seine Hände zu Fäusten geballt. Adrenalin durchströmte seinen Körper. Die Sterne, den Mond, den Wind. All das nahm er kaum noch war. Seine Gedanken kreisten um zwei Dinge. Matze endlich das zu geben, was er verdiente und sie zu beschützen. Chloé zu beschützen. Die Höllenhunde rannten auf ihn zu. Die Zähne gefletscht. Sie sprangen und ihre Mäuler waren weit aufgerissen. Dragonir stellte sich ihnen in den Weg. Ein einzelner, hoher Schmerzensschrei durchbrach die Nacht. Die Kiefer der Unlichtpokemon umschlossen die blaue Haut von Dragonir. Kleine Rinsale Blut liefen über den schlangenförmigen Körper. Jace Augen weiteten sich. Die wolfsähnlichen Pokemon schüttelten ihre Köpfe hin und her. Dragonir schrie lauter. "Du elendiges Monster!" schrie Jace.
    "Was denn, du Bengel? Kannst du kein Blut sehen?" Erneut lachte Matze auf.
    Jace fing an zu zittern. Hass und Wut. Das einzige das er momentan fühlte. "Kindwurm" presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Das kleine Drachenpokemon rannte auf Dragonir zu. Es sprang und rammte seinen steinernen Schädel gegen Hundemons Kopf. Dieses lies Dragonir los und taumelte ein paar Schritte zurück. Das Feuer, das zwischen Kindwurms Kiefer aufflackerte, brannte sich in das Fell von Magnayen. Das schwarz-graue Wolfpokemon jaulte schmerzerfüllt. Dragonir rappelte sich auf. In den Augen des schlangenförmigen Pokemon funkelte Rache. Es hob den Kopf.
    Kindwurm hing immer noch in Magnayens Fell. Das Unlichtpokemon sprang auf und ab, in der Hoffnung, den Parasit abzuschütteln. Hundemon schlug das kleine Drachenpokemon herunter und begrub es unter seiner Pfote. Der Höllenhund fauchte. Kindwurm schrie. Eine blaue Kugel fegte über den Boden und schleuderte Hundemon durch die Luft.
    Kindwurm rappelte sich auf und rannte zu Dragonir, das den Kopf gen Himmel richtete.
    Hundemon humpelte zu Magnayen. Die Höllenhunde fauchten bedrohlich. Der gehörnte Hund riss das Maul auf und ließ einen geballten Strahl Energie auf Dragonir und Kindwurm niederfahren.


    Chloé erschauderte bei jeder Attacke, die ausgeführt wurde. Als sie das Blut, das Dragonir vergossen hatte, sah, drehte sich ihr der Magen um. Sie konnte sowieso kein Blut sehen, weder ihr eigenes, noch das anderer. Doch die Koordinatorin war sich sicher, noch nie hatte sie das unschuldige Blut eines Pokemon fließen sehen. Chloé kämpfte mit einem Würgereiz, der sie wegsehen ließ. Sie hasste Gewalt. Deshalb war sie Koordinatorin geworden, sie liebte es, die Schöhnheit ihrer Pokemon zu präsentieren und alles aus ihnen rauszuholen. Wenn sie sich hingegen die blutigen Kämpfe ansah, die Matze jedes Mal vollführte, bekam sie eine unangenehme Gänsehaut. Sie spürte einen bitteren Geschmack in ihrer Kehle, die sie ächzend versuchte, hinunterzuschlucken. Ihre Augen wanderten zu ihren Händen und erstaunt stellte Chloé fest, dass sie mit getrocknetem Blut übersäht waren und zudem noch zitterten. Das Blut musste von ihr stammen - sie hatte schließlich kein kämpfendes Pokemon berührt. Es handelte sich wahrscheinlich um das Blut aus ihrem Knie, und sie fragte sich, wie eine einzelne Wunde so viel Blut verlieren konnte. Doch plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper, der sie hochfahren ließ. Ihr Körper begann zu vibrieren, und von der Erschütterung wurde Chloé so schöagartig übel, das sie zu würgen begann. Hinter einem Tränenschleier sah sie auf, konnte jedoch nichts erkennen außer Stab, der sich sofort in ihrer Kehle und in ihren Lungen festsetzte und sie zum Husten verleitete. Die Staubwolke war nicht allzu dicht - man konnte noch die Umrisse von den Kämpfenden wahrnehmen. Doch dann ertönte die vor Angst getränkte Stimme von Jace: "Nein, nicht!" Aber es schien zu spät. Chloé kniff unbewusst die Augen zusammen, ehe ihre Ohren dröhnten. Eine gewaltige Explosion donnerte über dem Platz nieder, und Chloés Herz schien bei dem Lärm in die Hose zu rutschen. Von der enormen Wucht wurde sie zurückgeschleudert. Sie versuchte die Augen zu öffnen, doch alles, was sie sah, war eine Staubwolke, so dick und undurchdringbar, dass Chloé fürchtete, Jace wäre in ihr untergegangen.


    Der Staub kroch Jace in die Atemwege. Er konnte nichts sehen und musste Husten. Ein schrilles Pfeifen klang in seinen Ohren. Dennoch hörte er Matzes schreckliches Gegacker. Diese hässliche Kombination aus Grunzen und Lachen, die einem den Magen zuschnürrte.
    Langsam legte sich der Rauch. Jace hustete. Ein tiefer Krater lag vor ihm. Am Rand lagen die beiden Drachenpokemon. Dragonir zuckte und versuchte sich aufzurappeln. Während Kindwurm flach am Boden lag und sich nicht mehr bewegte. Leicht hob sich seine Brust und senkte sich. Es lebte, aber weiterkämpfen würde es jetzt bestimmt nicht mehr. Matzes Lachen hallte immernoch durch die Dunkelheit. "Tja, diesmal hab ich gewonnen und du hast verloren! Ich hab deine Pokemon dem Erdboden gleich gemacht! Hahaha!" Ein kalter Schauer lief dem jungen Züchter über den Rücken. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Seine Haare fielen ihm ins Gesicht und verdeckten seine Augen. Sein Blick war zu Boden Gerichtet. Ein Knurren verließ seine Kehle. Ein gequältes Geräusch erklang in der Finsternis. Jace sah auf und erblickte Dragonir. Es stand aufrecht. Seine Haut war mit Blessuren übersäht. Der Mond spiegelte sich in den hasserfüllten Augen des Drachenpokemon. Dragonir stieß einen Kampfschrei aus und begann hell zu leuchten. Das grelle Licht verleitete Jace dazu, die Augen zu zukneifen und diese mit der Hand zu bedecken. Dieser Anblick musste selbst Matze die Sprache verschlagen haben, denn es war totenstill. Jace hörte noch nicht einmal das Rascheln der Blätter. Nichts und niemand gab ein Geräusch von sich. Bis plötzlich ein tiefes Brüllen diese unheimliche Stille durchbrach. Jace sah zu Dragonir. Doch dort wo eben noch das schlangenförmige, blaue Drachenpokemon stand, war nun ein großer, braun-oranger Drache mit Armen, Beinen und zwei kleinen, blauen Flügeln.
    Jace sah ungläubig zu seinem Pokemon. Dann zierte ein schiefes Grinsen sein Gesicht. Ein einziger Satz. Noch nicht einmal ein Satz. Nur zwei Worte, die das komplette Kampfgeschehen änderten, verließen seinen Mund: "Dragoran, Drachenpuls!"
    Ein tiefblauer Strahl verließ das Maul des frisch entwickelten Drachen. Die Höllenhunde jaulten laut auf, als der Drachenpuls sie traf. Erneut stieg eine rießige Rauchwolke auf und verdeckte alle Pokemon. Erneut herrschte Totenstille. Jace wagte es nicht zu atmen.



    Chloé war zwar ohnehin eines dieser Mädchen, das an Märchen, Mythen und Wunder glaubte. Doch selbst ihr schien es unglaublich, was da geschah: Jace' Dragonir hatte sich entwickelt. Einfach so, wo es doch so aussichtslos schien. Sie selbst verspürte eine so enorme Genugtuung bei dem entsetzten Blick von Matze, das es ihr den Atem raubte. Ohne, dass sie wusste, was sie tat, begann Chloé, schallend zu lachen. Ihr Lachen ging jedoch in dem Drachenpuls, der wunderschön und bedrohlich zugleich in der Dunkelheit glänzte, völlig unter. Bis auf's Äußerste angespannt sah sie zu den Pokemon. Der markerschütternde Schrei dre beiden Pokemon ließ Chloé eine Gänsehaut bekommen, und sie zuckte zusammen. Doch ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihrem Magen breit, ähnlich wie eine Mischung aus Vorahnung und Wissen. Er hatte verloren. Der elendige Mitskerl hatte endgültig verloren. Chloé schärfte ihren Blick, sodass sie es erkennen konnte, und ein erleichterter Schrei ihre Kehle verließ. Hundemon und Magnayen lagen am Boden. Platt, völlig fertig. Das Mädchen atmete scharf aus und sie hatte gar nicht wahrgenommen, wie sie die Luft angehalten hatte. Sie konnte einen so entstellten Blick auf dem Gesicht von Matze erkennen, dass ein schwaches Grinsen auf ihrem Gesicht verblieb. Doch plötzlich lächelte der großgebaute Mann ebenfalls, und Chloé erstarrte, sie befürchtete, dass es noch nicht vorbei war. Und diesmal merkte sie, wie sie die Luft anhielt. Matze gab ein bedrohliches Glucksen von sich, es erklang nur kurz, doch es war da. Und dann sprach er unter so gepresster Stimme, dass Chloé befürchten musste, er würde gleich auf irgendetwas einschlagen. "Ich sehe, ich hab verloren." Er atmete ein, als wollte er noch etwas sagen, doch sein Kopf drehte sich in Richtung des Pokemoncenters. Chloé folgte seinem Blick, und einer ihrer Mundwinkel zuckte in freudiger Erwartung. Denn sie sah deutlich die Silhoutten ihrer beiden Freunde. Lucia und Gary kamen geradewegs auf sie zu, wenn auch etwas müde wirkend. Chloé musste blinzeln. Sie bemerkte es erst jetzt, doch der Himmel schien schon eine hellgraue Farbe angenommen zu haben, die auf die Morgendämmerung hinwies.
    Lucia und Gary waren inzwischen stehengeblieben, ihre schockierten Blicke schienen zwischen Jace' Dragoran und Matze hin- und herzuwandern. Doch es sollte Matze nicht noch mehr aus der Fassung bringen. Man sah zwar seinen angespannten Kiefer, doch er bemühte sich, seine gefasst wirkende Fassade zu bewahren, doch Chloé besaß Menschenkenntnis genug, um das zu durchschauen. Dann ertönte wieder seine kalte, tonlose Stimme. "Jaja, ist ja gut. Ihr habt mich besiegt, ich werde mich rächen, blabla. Das kennen wir doch." Sein Blick hinter seiner Sonnebrille schweifte kurz zu Chloé, das konnte diese spüren. Dann fügte er noch ein "Sayounara, ihr Nieten!", hinzu, und eine weitere Staubwolke kam auf. Chloé hatte mittlerweile genug von Staubwolken und Explosionen. Sie waren beide so laut und unschön. Der dicke Staub setzte sich auf ihren Wimpern ab, und als sie ihre tränenden Augen öffnete, war Matze mit seinen Pokemon spurlos verschwunden.


    Jace hatte einen unruhigen Schlaf. Er wälzte sich im Bett hin und her. Ihm ging das kleine Hippopotas nicht aus dem Kopf und die Worte von Jakob...
    Jace setzte sich auf die Bettkante und rieb sich die Augen. Er lauschte in die Stille. Gary schnarchte und die Mädchen atmeten rythmisch und ruhig. Langsam richtete sich Jace auf und schlich zur Tür. Er versuchte die Tür so leise wie möglich zu öffnen und zu schließen. Die komplette Etage war totenstill und fast so finster wie die Höhle. Ein Grinsen schlich sich auf das Gesicht des jungen Trainers bei dem Gedanken an die Höhle. Langsam ging er die Treppe runter, bedacht darauf, so leise wie möglich zu sein. Als er in der Eingangshalle des Pokemoncenters ankam, schrak er zurück. Die Lampen leuchteten schwach und Chaneira stand hinter dem Tresen. Als das Pokemon den Trainer sah, wollte es schon laut rufen, doch Jace hob den Zeigefinger vor seine Lippen und gab dem Pokemon zu verstehen, dass es ruhig sein soll. Dieses nickte kurz und arbeitete weiter.
    Jace trat in die Nacht. Es war kalt, ein eisiger Wind wehte über das Dorf. Der Himmel war tief dunkelblau und von Millionen kleiner, leuchtender Flecken bedeckt. Mit festem, schnellem Schritt machte er sich auf dem Weg. Bald erreichte er sein Ziel. Die Tür war nicht abgeschlossen und Jace trat ein. Das Zimmer war hell erleuchtet und mehrere Personen standen im Raum. Er wurde schon erwartet.
    "Ah! Guten Tag, was machst du den hier?" ertönte eine männliche Stimme, die Jace mehr als bekannt war.


    Chloé wurde sofort mulmig und sie bekam ein schlechtes Gefühl im Magen, als sie aus dem vertrauten Pokemoncenter in die Kälte der Nacht hinaustrat. Beunruhigt sah sie sich um, und ihrer Meinung nach war es schon fast zu still. Nichts bewegte sich, die Zeit schien komplett eingefroren. Die Blätter an den waldgrünen, satten Bäumen wagten sich nichtmal in der sanften Brise zu bewegen, die auftrat. Doch, selbst als sich Chloés grüne Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie nichts erkennen, nur die schwachen Umrisse der umliegenden Häuser in Trostu. Sie bewegte ihren Kopf weiter, bis sie ein etwas größeres Gebäude vernahm. Sie konnte es sogleich als Pension identifizieren, und schon beim Gedanken daran, dass sich Jace in dem Haus befand, schlug ihr Herz wieder einen Takt schneller. Plötzlich fröstelte das Mädchen. Mitten in der Nacht rauszugehen war wohl doch keine gute Idee gewesen, zusätzlich war sie stark übermüdet. Doch sowas passiert eben, wenn man mitten in der Nacht aufwacht und ohne eine bestimmte Person nicht weiterschlafen kann, dachte sich die Brünette. Also setzte sie ihren Blick direkt auf die Pension. Sie musste unwillkührlich lächeln, wenn sie daran dachte, wie sich in ihr Jace befand, die Pokemon und deren Unterlagen studierte und gar nicht mitbekam, dass es schon weit nach Mitternacht war. Was er wohl zu Chloés unangemeldeten Besuch sagen würde? Schnellen Schrittes, die Arme um ihre Brust geschlungen, ging Chloé direkt in die Richtung, aus der der kalte Wind zu kommen schien. Und obwohl Trostu im Gegensatz zu anderen Städten ein wirkliches Dorf war, kam ihr der Gang ungewöhnlich lang vor. Sie musste schlucken, und befeuchtete sogleich mit ihrer Zunge ihre spröde gewordenen Lippen. Plötzlich vernahm sie ein leises Geräusch, doch in der unheimlichen Stille ließ es sie aufschrecken. Ihre Sinne waren bis aufs Äußerste geschärft, und ihre Augen suchten gespannt erneut die Gegend ab. Diesmal jedoch, im Gegensatz zum ersten Male, konnte das Mädchen eine Silhoutte erkennen, die man in der Dunkelheit kaum einordnen konnte. Chloés Herz machte einen Sprung. Konnte es Jace sein? Jedenfalls schien er aus der Richtung der Pension zu kommen. Chloé begann zu grinsen und verdrängte beinahe schon den Gedanken, das es auch nur jemand anders gewesen sein könnte. Erfreut rief sie, ohne groß weiter darüber nachzudenken, seinen Namen. "Jaaaace!" Der Umriss des Menschen blieb aprupt stehen. Chloé tat es ihm gleich. Plötzlich fühlte sie sich gar nicht mehr wohl. Im Gegenteil. Sie verfluchte sich, dass sie diesen Fehler begangen hatte.


    Jace hielt den Atem an. Seine Hand wanderte schon zu seinem Gürtel, wo seine Pokemon kampfbereit warteten. "Was machst du hier?" sagte der junge Trainer mit purer Wut in der Stimme.
    "Darf ich nicht auch mal Urlaub machen?" antwortete der Mann. Ein schreckliches Lachen erfüllte den Raum.
    "Du solltest besser verschwinden und deine trotteligen Freunde gleich mitnehmen!" Jace' Augen funkelten vor Anspannung. Er hielt schon den ersten Ball in der geballten Faust.
    "Was fällt dir ein, mir vorzuschreiben, was ich tun soll? Nur weil ihr am See in der Überzahl ward? Junge, diesmal sind wir in der Überzahl!" antwortete Matze. Nach diesen Worten wurde Jace von sechs Männern mit türkisen Topffrisuren umzingelt. Der junge Züchter knurrte und wollte gerade seinen Pokeball werfen, als die eiskalte Stimme von Matze ertönte: "Das würde ich lieber lassen, sonst passiert den Alten hier was." Der Glatzkopf mit der Sonnenbrille machte einen Schritt zur Seite.
    Jace´ Herz blieb stehen. Jakob und Marie waren gefesselt und geknebelt. "Du elendiger Bastard!" fauchte Jace. Ein fallender Schmerz durchzog seine Wange. Der junge Trainer spürte, wie seine linke Gesichtshälfte rot anlief. Wut und Verzweiflung duchströmten seinen Körper. Jace sah in dieses hässliche, glatte Gesicht. Direkt in diese, durch die Sonnenbrille verdeckten, Augen. Hass, purer Hass überwältigte Jace und er schlug zu. Einen Sekundenbruchteil später wurde er von zwei Rüpeln zu Boden gedrückt.
    "Du kleiner Wurm!" schrie Matze, "Was fällt dir ein, mich zu schlagen! Fesselt ihn und schmeißt ihn zu den anderen!"
    "Jawohl, Sir!" antworteten die Rüpel.
    Als Jace ebenfalls gefesselt und geknebelt neben dem Betreuerpärchen saß, hockte sich Matze vor ihn und sagte "Du unwichtige Amöbe! Weißt du, was ich jetzt mache? Da du hier bist, wird die süße Kleine auch hier irgendwo sein. Also werde ich sie jetzt suchen und ein wenig Spaß mit ihr haben." Erneut erfüllte teuflisches Lachen den Raum.
    Matze machte sich auf den Weg zur Tür, doch ein Rüpel hielt ihn auf: "Sir, sollen wir mit der Mission vorfahren?"
    "Ja, sollt ihr. Sammelt die Pokemon ein und fackelt danach hier alles ab" Matze sah kurz zu Jace, "Ich wünsche dir einen schönen Feuertot." Er lachte wieder und verließ die Pension.


    Ein paar Sekunden verstrichen. Wenn überhaupt. Und Chloé konnte schon allein an den Umrissen der Person erkennen, dass es niemals Jace gewesen sein konnte. Jace' Züge waren weich, so weich, dass Chloé gerne darauf einzuschlafen vermochte. Doch diese waren hart. Und dem Mädchen wurde bewusst, dass sie diese Härte gut genug kannte. Und ihr Herz blieb stehen. Ihr Atem schien nicht mehr zu existieren, sonst hätte sie weitergeatmet. Doch sie war komplett zugefroren, was sicher nicht nur an der Kälte lag, die binnen weniger Sekunden noch stärker aufgezogen war. Chloé versuchte den aufsteigenden Kloß der Angst hinunterzuschlucken, doch es gelang ihr nicht. Tränen sammelten sich in ihren Augen, und sie biss die Zähne zusammen. Dann sah sie ein Grinsen im schwach einfallenden Mondlicht glitzern, es hätte das eines Gengar sein können. Doch ein Gengar war süß. Als Chloé die Stimme hörte, die von einem eisigen Windzug zu ihr hinüber getragen wurde, erstarrte sie erneut. Der Tod war sicher nicht halb so schlimm wie diese Situation. "Ach, du bist es wieder, Kleine. Tut mir Leid, Jace ist nicht hier." Der Klang seiner kalten Stimme war von Sarkasmus nur so durchtränkt, und triefte vor überspielten Hass. Chloé lief eine lautlose, einsame Träne über die Wange. Die Tatsache, das er Recht hatte, das Jace nicht da war, wollte Chloé einerseits nicht wahrhaben, doch andererseits wusste sie, wie Recht er hatte. Matze. Wieso musste sie ihm immer wieder begegnen? Und vorzugsweise noch allein? Ihr Herz raste vor Wut und Angst. Sie konnte nichts weiter tun, als seiner obzösen Stimme zu lauschen - diese wäre der Eisberg gewesen, an dem Chloé untergegangen wäre. "Hier sind nur ich und du. Und, wie schön, wieder alleine. Leider wurde ich das letzte Mal ja wieder von deinen kleinen Aufpassern gestört. Wie heißen sie doch gleich? Gary und Jace? Süße Namen für zwei kleine vorpubertärende Giftzwerge. Aber jetzt sind sie nicht da. Wieso gehst du kleines Mädchen auch alleine, mitten in der Nacht vor die Tür? Sie sollten allmählich wissen, dass es dein Verderben sein könnte." Er stoppte, und atmete scharf ein. Anscheinend hatte er eine gewaltige Ansammlung dieser Ansagen im Ärmel. Chloé konnte durch ihren Tränenschleier sehen, dass er ein paar Schritte auf sie zukam. Das zitternde Mädchen erstarrte augenblicklich. Sogleich war er nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt. Sie schwor sich, es kühlte sich dramatisch ab, und wie schon so oft fragte sie sich, wie ein einziger Mann solch eine Kälte ausstrahlen konnte.


    Jace, Marie und Jakob konnten nur zusehen, wie die sechs Rüpel versuchten alle Pokemon einzufangen. Einerseits ein sehr trauriger, andererseits ein sehr amüsanter Anblick. Es war nicht schwer zu sagen, wer schlauer war. Die Pokemon veräppelten die Rüpel nach Strich und Faden. Jace hörte immer wieder, wie die Rüpel fluchten. Irgendwann versammelten sich die Rüpel im Raum.
    "Diese Viecher sind echt gerissen!" sagte einer.
    "Es sind blöde Pokemon! Wir brauchen nur einen Plan, wie wir sie einfangen!" entgegnette ein anderer.
    "Und wie?" sagte ein dritter.
    "Das überleg ich mir noch!"
    "Wozu sollen wir diese schwachen Pokemon überhaupt einfangen?" fragte der erste Rüppel wieder.
    "Das gehört zum geheimen Plan des Bosses" antwortete ein anderer.
    "Wofür brauchen wir dutzende kleine Pokemon? Sobald wir Dialga und Palkia haben, gehört uns die ganze Welt!" entgegnete der erste Rüpel wieder.
    "Vielleicht werden sie als Futter benutzt oder was weiß ich! Wir sollen sie einfangen und fertig!" sprach der zweite Rüpel, "Ich sammel die Eier ein und ihr fangt die restlichen Pokemon ein." Grummelnd zogen die anderen Rüpel ab und der zurückgebliebene fing an die bunten Eier in einen Karton zu stecken.
    Jace hörte, wie Marie unter dem Seil anfing zu schluchzen. Er sah kurz zu dem Pensionspaar. Marie lehnte an Jakobs Schulter. Der Blick des Pensionsleiters spiegelte Hass und Wut, dennoch sah Jace ein kleines Glitzern in ihnen. Dann erinnerte sich Jace wieder an die Worte von Jakob. Als Jace und Jakob sich um das verletzte Hippopotas gekümmert hatten, hatte Jakob ihm von den Eier erzählt, die nicht abgeholt werden und was mit den Pokemon passiert, die daraus schlüpfen. Und er hatte gesagt, dass bald wieder ein kleines Babypokemon schlüpfen würde, und zwar heute Nacht.


    Chloé schluckte. Sie spürte seinen kalten, wollenden Atem auf ihrer Haut, und langsam bewegte er seine Hand auf ihr Kinn zu. Ehe sich Chloé versah, ruhte seine starre Hand an ihrem Kinn und drückte ihren Kopf unsanft hoch, sodass sie gezwungen wurde, ihn anzusehen. Das hatte sie bisher immer relativ gut vermeiden können, doch jetzt musste sie ihm direkt ins Gesicht sehen. Es trieb Erinnerungen an ihr erstes Aufeinandertreffen in ihren Kopf, und sie vergoss weitere Tränen. Sie begann zu hyperventillieren, und zitterte noch mehr. Sie wollte ihren Blick abwenden, doch er hatte sie fest in seinem stählernen Griff. Seine kalte Stimme ertönte abermals. "Nicht weinen, dazu hast du gar keinen Grund. Niemand ist hier, so können die beiden Nervensägen nicht sehen, wie wir unseren Spaß haben. So brauchst du dich nicht bei ihnen zu rechtfertigen. Komm einfach mit und tu was ich dir sag, dann brauchst du keine Angst zu haben. Und es wird kaum wehtun." Hinter seiner Sonnenbrille konnte Chloé den lüsternden Blick erahnen, der da auf ihr ruhte. Sie hatte die Worte noch nicht realisiert, und wollte es auch gar nicht. Sie wollte nur weg. Doch sie wusste, dass ihre Beine nachgeben würden. Da würde er ihr erst Recht wehtun. Sie schluckte abermals schwer, doch sie hatte zu nichts mehr Kraft. Sie wollte zu Jace. Er sollte sie nur in den Arm nehmen und sie vor diesem Bastard beschützen. Ihre Tränen wollten gar nicht aufhören zu fließen. Sie ballte ihre zitternden Händen zu Fäusten. Ihr war bewusst, dass sie eigentlich keinerlei Chance hatte. Er war über einen Kopf größer und bestimmt tausendmal stärker als sie. Sie spürte noch, wie seine andere Hand an ihren Rücken griff. Und weiter hinunter sank. Chloé erschauderte unter der grausamen Berührung, und ihr Gehirn setzte aus. So merkte sie kaum mehr, wie sie unter dem plötzlich eingetretenden Adrenalin den Namen rief, von dem Jungen, den sie jetzt sehen, spüren, hören, riechen, und auch gehören wollte. "Jaaaaaaaaaaaace!" Voller Angst schrie sie den Namen, er musste es gehört haben. Er musste einfach. Doch dann passierte auf eine Art genau das, was Chloé befürchtet hatte. Matzes Griff wurde härter, seine Finger gruben sich schmerzend in ihre Haut, und seine Miene wurde hart. Man sah, wie sich sein Kiefer anspannte. Auf eine ganz andere Art passierte etwas, womit das Mädchen nicht gerechnet hatte. Er blieb stehen. Zog sie nicht in einen Busch um seinen Gelüsten nachzugehen und sich an ihr zu vergreifen. Er blieb einfach steif stehen. Doch es trieb Chloé nur noch weitere Tränen in die Augen, als sie verstand. "Sei schön leise, meine Kleine. Jace wird nicht kommen. Er ist doch in der Pension. Doch, naja, die wird in wenigen Minuten nicht mehr existieren."

    "Ohh, interessant! Du kümmerst dich sehr gut um deine Pokemon" sagte Jakob, seine Stimme war erfüllt von Freude. "Das Fell deines Arkani glänzt förmlich. Dein Aquana ist sehr gut trainiert. Und was mir am meisten auffällt ist die Kugel am Hals von Dragonir. Würdest du es schlecht behandeln, wäre sie trüb, aber diese ist glasklar. Das beweist, dass du es sehr gut behandelst. Sehr bemerkenswert" lobte der alte Mann. Auf Jace Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
    "Vielen Dank. Ich bin sehr stolz auf meine Pokemon" prahlte der Züchter in spe und tätschelte den Kopf seines Arkanis.
    "Ich denke, jemanden wie dir können wir unsere Schützlinge anvertrauen" sagte Jakob.
    "Yeah!" Jace machte einen Freudensprung und riss die Arme in die Luft. "Vielen Dank!"
    "Momentan haben wir allerdings nichts zu tun und du siehst sehr erschöpft aus. Besorg dir ein Zimmer im Pokemoncenter und komm morgen wieder. Dann kannst du zeigen , was du kannst" sagte Marie. Jace fröhlicher Gesichtsausdruck zerfiel in einen etwas Enttäuschten.
    Der junge Trainer rief seine Pokemon zurück, nickte eifrig und sagte: "Um ein Zimmer muss ich mich nicht mehr kümmern, meine Freunde haben das schon erledigt."
    "Ach, du bist nicht allein hier? Vielleicht haben sie ja Lust uns Morgen ebenfalls zu helfen?" fragte Marie.
    "Ich frag sie gleich mal. Wir sehen uns dann morgen. Bis dann" antwortete Jace und eilte zum Pokemoncenter.


    Kaum nachdem Jace vor den anderen Trainern zum Stehen gekommen war, atmete er schnell ein und aus und Chloé war gefesselt von seinen Gesichstzügen, die Freude beinhalteten und noch unzählige andere Emotionen. Noch nie war ihr ein Junge wie Jace begegnet. Sie lächelte, stand auf und hörte, wie es ihr Lucia und Gary gleichtaten, ehe sich alle zu Jace gesellten. Sein aufgeregter Atem stoppte kurz, als wollte er etwas sagen, dann blieb sein glasklarer Blick an etwas hinter Chloé haften, seine Wangen plusterten sich empört auf und er sagte mit noch etwas zitternder Stimme: "Ihr habt einfach so ohne mich gegessen?" Seine Augen sprühten vor gespielter Wut und ein herzliches Lachen seinerseits folgte. Dann blickte er aber sofort wieder ernst drein. "Nein, mal im Ernst. Ihr wisst doch, was für einen Hunger ich hab. Wie könnt ihr nur?" Nacheinander schweifte sein Blick erst Lucia, dann Gary, und verharrte dann ein paar Sekundenbruchteile länger auf Chloé, die Jace, unbemerkt der anderen, noch zart anlächelte. Chloé erwiderte das Lächeln schüchtern und streifte sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. Hinter ihr hörte sie die Stimme von Lucia. "Die halbe Waffel von Chloé ist noch übrig, und mein Latte Machiatto ist auch noch halb voll. Gary hat noch ein paar Pommes auf seinem Teller." "Aber die wollte ich doch noch -" unterbrach Gary sie, doch Lucia hielt ihm spielerisch die Hand vor den Mund, sodass der angehende Professor sogleich zum Schweigen gebracht wurde. Gereizt blickte er Lucia an, die unbefangen lachte. Jace Augen glänzten bei dem Vorschlag der Koordinatorin, und sofort begab er sich schnellen Schrittes an den kleinen Tisch neben dem Fester. Herzhaft biss er in ein großes Stück der Waffel, und ihm schien es nicht im Geringstens zu stören, dass die hälfte der Waffel aus purem Zucker bestand. Nachdem er einen kräftigen Schluck des Latte Machiatto genommen hatte, begann er zu erzählen, wie es in der Pension so war.
    Inzwischen waren die Lichter im Pokemoncenter angesprungen und draußen war es bereits dunkel. Es war Chloé so vorgekommen, als hätte Jace niemals mit seinen Erzählungen enden wollen. Die ganze Zeit über hatte er verträumt durch die Gegend geschaut, mit glänzenden Augen, und seine Stimme hatte sich des Öfteren beinahe überschlagen, so aufgeregt war er. Durchgehend hatten Lucia, Gary und Chloé ihn interessiert angesehen, seinen Erzählungen in ihren Phantasien Farbe verliehen und immer mehr Gefallen an der Idee gefunden, mit in die Pension zu kommen. Nach mehreren Fragen war es entschieden, und die Vorfreude konnte niemanden mehr auf den Sitzen halten. Chloé lächelte. Jace war so begeistert, er war der ideale Züchter. Ihr wurde warm ums Herz und sie konnte Jace nur ansehen. Er hatte es tatsächlich geschafft, die ganzen Reste komplett aufzuessen, ohne eine nennenswerte Pause. Nachdem Jace nach Atem ringend geendet hatte, gab Chloé ein herzhaftes Gähnen von sich. Lucia tat es ihr gleich und grinste entschuldigend. "Es war eine sehr anstrengende Reise. Lasst uns schlafen gehen." "Ach ja, ihr habt ja Zimmer bestellt. Komm Gary, wir gehen auf unser's und dann - " "Ähm," unterbrach Lucia fast beabsichtigt. Alle wechselten einen etwas nüchternen Blick. Dann sprach Gary es aus. "Sorry Kleiner, es gab nur noch ein Zimmer mit vier Betten. Damit müssen wir leben." Und dann stellte er sich näher zu Jace und flüsterte, nur für ihn hörbar: "Aber halb so schlimm. Vielleicht können wir ja Blick erhaschen." Gary zwinkerte, und Jace wirkte erst perplex, knuffte Gary dann aber freundschaftlich neckend in die Schulter. Von all dem hatte Chloé nichts mitbekommen, so hörte sie nur Jace' Stimme, die sie aus ihren Tagträumen riss. "Okay, dann eben so, nicht schlimm. Lasst uns gehen, morgen werden wir in neuer Frische und völlig ausgeschlafen erwartet." Er ging voran, dicht gefolgt von seinen Freunden. Oben angekommen schlossen sie die Tür auf, sodass der Blick auf zwei Hochbetten freiwurde. Sowohl von Gary als auch von Lucia war ein energisches "Ich schlafe oben!" zu hören, sodass diese Angelegenheit schnell beschlossen war. Im Raum herrschte eine merkwürdige, ruhige Atmosphäre, die sofort schläfrig machte. Nocheinmal lächelte Chloé Jace zu, bevor sie sich ins Bett unter Lucias legte, ohne sich die Mühe zu machen sich umzuziehen. Und mit Jace als letzten Gedanken, schlief sie friedlich und lächelnd ein.


    Durch das grelle Sonnenlicht, das durch ein Fenster in den Raum fiel, wurde Jace aus einem sehr tiefen, traumlosen Schlaf geweckt. Er streckte sich ausgiebig und setzte sich auf die Bettkante. Sein Blick schweifte durch den Raum. Die Anderen waren noch am träumen und Gary schnarchte laut, sehr laut. Leise schlich sich Jace ins Bad und stieg unter die Dusche.
    Das heiße Wasser prasselte auf seine geschundene Haut. Es war ein schönes Gefühl den Kopf unter das fließende Nass zu stecken und einmal alles auszublenden. Die Flüssigkeit spülte den Dreck der letzten Tage weg. Erfrischt und hellwach trat er aus der Kabine und sah in das erstarrte Gesicht von Chloé.
    Chloé kniff die Augen zu und stotterte: "Tu-tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du duschst. Sorry!" Sie schlug die Tür zu und Jace stand noch tropfend allein im Raum.
    Nach ein paar Augenblicken schloss er die Tür ab und begann sich abzutrocknen. Als er gehüllt in ein rotes T-Shirt und einer dunklen Jeans aus dem Badezimmer kam, warteten die anderen schon auf ihn. Gary und Lucia schienen noch sehr verschlafen, aber Chloé hockte mit angezogenen Knie auf ihrem Bett und verbarg ihr Gesicht darin. "Na endlich, was hast du so lange dadrin gemacht?" spottete Gary.
    "Naja, wenigstens sehen meine Haare nicht so aus, als hätten ein Dutzend Taubsis darin genistet" konterte Jace. Daraufhin fuhr sich Gary durch die Haare und funkelte Jace böse an. "Wer will als nächstes ins Bad? Chloé?"


    Als Chloé die Stimme von Jace vernahm, schreckte sie entsetzt hoch. Mit hochrotem Kopf sah sie den Jungen an, der gerade noch nackt im Bad gestanden hatte. Nackt...am liebsten hätte die Koordinatorin wieder den Kopf in ihren Knien versteckt. Und das für immer. Das einzige was einen noch ahnen ließ, dass Jace geduscht hatte, waren seine nassen, braunen Haare, die wild auf seinem Kopf prankten. Jace blickte Chloé mit einer Mischung aus Belustigung und Unbehagen an, die die Koordinatorin sogleich aufspringen ließ. Ohne was zu sagen, da ihre Stimme wahrscheinlich total zittirg und aufgeregt geklungen hätte, wenn sie denn überhaupt ein Wort rausgebracht hätte, huschte sie lautlos ins Bad. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete die Brünette erleichtert auf. Auf der anderen Seite der Tür konnte sie die leise Stimme von Gary hören: "Was für einen Geist hat die denn gesehen?" Mit immer noch hochrotem Kopf drehte Chloé mit schwitzigen Händen den Schlüssel, der im Schloss steckte, streifte ihre von der Nacht zerknitterten Klamotten vom Leib und stieg unter die Dusche. Gerade als sie anfangen wollte, das nasse Element, das auf ihrer Haut angenehm prasselte, zu genießen, musste sie unwillkührlich daran denken, dass nur wenige Minuten zuvor Jace hier gestanden hatte. Nackt. Und die Entspannung wurde zusammen mit Chloés Würde von den Wassertropfen hinfortgetragen.
    Das Duschen hatte nicht lange gedauert, es hatte ja doch keinen Sinn, sagte Chloé sich. Nachdem sie sich die gleichen Klamotten wieder angezogen hatte, war sie hinausgegangen, wo alle auf ihren Betten saßen. Lucia und Gary hatten beschlossen, nicht duschen zu gehen, da es schon weit nach 10 Uhr war und sie unbedingt endlich in die Pension wollten. Damit waren die beiden anderen sofort einverstanden, Jace, weil er es kaum erwarten konnte, den Alltag der Penion kennenzulernen, und Chloé, weil sie jede unangenehme Situation vermeiden wollte, was am besten in der Gruppe gelang. Ohne zu frühstücken machten sich die Jugendlichen auf den kurzen Weg zur Pension, auf dem nicht geredet wurde. Chloé beobachtete Jace, der mit jedem Schritt glücklicher wirkte. Als sie vor dem gemütlichen Haus stehen blieben, machte Jace mit gestrafften Schultern die Tür auf. Chloé traute ihren Augen nicht. "Ooooooooooh! Nein, wie süß. Babypokemon!"


    "Ah, Jonathan! Wir haben uns schon gefragt, wann du kommst" ertönte eine feminine Stimme. Marie, die gerade damit beschäftigt war die Pflanzen zu gießen, kam langsam auf die Jugendlichen zu.
    "Jonathan?" fragte Lucia mit einem unterdrückten Lachen. Jace warf ihr nur einen finsteren Blick zu.
    "Guten Tag Marie. Wo ist Jakob?" antwortete Jace.
    "Mein lieber Mann kümmert sich gerade um die Pokemon in der Höhle. Sind das deine Freunde?" fragte Marie.
    "Ja, darf ich vorstellen. Chloé, Lucia und Gary." Mit den genannten Namen deutete er auf die jeweilige Person.
    "Guten Tag" sagten die anderen im Chor.
    "Guten Tag. Ich freu mich eure Bekantschaft zu machen. Wenn ihr wollt, könnt ihr eure Pokemon gerne frei rumlaufen lassen" antwortete die alte Pensionleiterin. Aufs Komando ließen alle ihre Pokemon frei. "Och, ihr habt wirklich süße Pokemon" grinste die Frau.
    Ein quitschendes Geräusch ließ alle Beteiligten zusammen zucken. "Aaawwww! WIE SÜß!" schrie Chloé als ein Pichu sich an ihr Bein schmiegte und ein überglückliches "Pichuuu" von sich gab. Chloé konnte nicht mehr und gab sehr hohe Geräusche von sich und flatterte mit den Armen. Jace musste bei diesem Anblick lachen. Er fand Chloés Reaktion bezaubernder, als das kleine Elektropokemon. Die Koordinatorin hob das Pokemon hoch und drückte es an ihre Brust. "Du bist soooooooooooooo süß" quitschte sie. Doch dann schlüpfte das kleine Pokemon aus ihren Armen und lief davon. "Ohhh" Chloé formte mit ihren Lippen einen Schmollmund, der bei allen Beobachtern einen Lachanfall auslöste.
    "Also, wie können wir helfen?" fragte Jace, als er sich wieder halbwegs eingekriegt hatte.
    "Die Mädchen kommen mit mir und ihr Jungs geht zu Jakob" antwortete Marie.
    Nach einem einvernehmlichen Nicken teilten sich die Jugendlichen auf. Jace und Gary gingen in Richtung des großen Felsens im Wüstengebiet. Als sie am Eingang ankamen, rief Jace: "Jakob? Bist du hier?" Der Schrei prallte von den Wänden ab und das Echo war laut in der Höhle zu hören.
    Nach ein paar Augenblicken erklang das Echo von Jakobs Stimme: "Christopher, komm rein!" Gary sah Jace belustigt an, während der Züchter seinen Freund nur entnervt anstarrte. Festen Schrittes traten die beiden Jungs in die Dunkelheit.

    Schon wieder empfand Chloé leichte Messerstiche im Herzen, als sie sah, wie Lucia Jace am Handgelenk anfasste und wegzog. Doch im Prinzip war es ja ihr gutes Recht, schließlich gehörte Jace Chloé nicht, sie waren ja nicht zusammen. Ein Kloß machte sich in ihrer Kehle breit. Die Wahrheit machte sie traurig, auch wenn sie nicht wusste wieso. Ihre Hände zitterten, und ihre Knöchel traten weiß hervor. Sie musste nur daran denken, wie er sie angesehen hatte, wie seine Augen zu flüssigen Smaragden geworden waren, wie warm er gewesen war. Ein wohliger Schauer lief ihr bei dem Gedanken über den Rücken, und ihr Herzschlag ging schneller. Doch viel Zeit über den Moment nachzudenken, der ihr förmlich den Atem raubte, blieb der Koordinatorin nicht, denn Lucia hatte, mit Jace im Schlepptau, ein ordentliches Tempo drauf. So musste sich Chloé ranhalten, dicht neben ihr Gary. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie er sie anblickte, in seinem Blick spiegelte sich Misstrauen und noch mehr, was Chloé jedoch in dem Moment nicht einschätzen konnte. Plötzlich blieben die beiden vor ihnen stehen, und das geschah so aprupt, dass Chloé fast über Lucia stolperte, doch sie konnte sich mit viel Mühe noch halten. Die Jugendlichen waren vor der Theke des Pokemoncenters stehengeblieben, und Lucias Hände ruhten nun auf dieser, und Chloé konnte beobachten, wie Jace sich unauffällig einige kleine Schritte von der Blauhaarigen entfernte und sich dabei, sich sichtlich unwohl fühlend, das Handgelenk rieb, wo Lucia ihn festgehalten hatte. Dabei blickte er ziemlich nüchtern zu Chloé hinüber, die bei der ganzen Situation Genugtuung empfand und zufrieden lächelte. Plötzlich riss Lucia die Brünette aus ihren Gedanken. "Wir möchten unsere Pokemon abholen, wir haben es ziemlich eilig!" Nur ein paar Sekunden später war schon Schwester Joy vor den Trainern aufgetaucht und übergab mit ihren freundlichen Gesichtszügen die gesamten Pokebälle Lucia, diese verteilte die jeweiligen Pokemon den Trainern, die sie gehörten. Noch ehe alle ihre Bälle verstaut hatten, hatte Lucia schon wieder den Arm von Jace ergriffen, der dabei nicht gerade glücklich wirkte, und zog ihn in Richtung Tür. Chloé biss sich auf die Zunge und ihr Kiefer spannte sich an. Doch sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn ohne Vorwarnung hatte Gary seine Finger mit ihren verschränkt und lief, mit dem Blick starr auf die Tür gerichtet, den beiden anderen nach. Chloé wollte sich wundern - doch es würde eh nichts bringen. So keuchte sie bald vor Anstrengung, als die vier endlich auf der Route angekommen waren und ihren Schritt endlich verlangsamten.


    Der Wind zerzauste seine braunen Haare. Sein Handgelenk schmerzte und er wünschte sich, dass der Blauschopf ihn eindlich los lassen würde. Auf dem Weg zur Route 215 versuchte Jace seine Gedanken ein wenig abschweifen zu lassen. Seine smaragdgrünen Augen huschten über die Stadt. Sie war sehr kantig, steinig und alles andere als gemütlich. Wie konnten hier nur Menschen leben, fragte sich Jace. Für Jungesellenabschiede könnte diese Stadt eventuell ganz ok sein. Das Casino und das Kaufhaus lockten wahrscheinlich viele Touristen an, aber wer hier wohnen will muss schon einen Dachschaden haben. Es herrschte eine merkwürdige, bedrückende Atmosphäre, als würde eine dicke Wolke das Atmen erschweren. Dem jungen Züchter fielen noch zwei Sachen ins Auge. Erstens die vielen Krater im Osten der Stadt und zweitens das riesige Gebäude, dass aussah, als wäre es aus einem Sciensfiction-Film entsprungen. Es hatte große Stacheln an den Seiten, es wirkte wie ein gigantisches, quadratisches Baldorfisch. Dazu war es noch mit unzähligen Satelittenschüssel bestückt. Es war eindeutig unheimlich in dieser Stadt und Jace war froh, als sie das Stadttor erreichten und endlich auf dem Weg nach Trostu waren.
    Der grünäugige Züchter wollte gerade auf seine Uhr schauen, als er wieder diesen Druck auf seinem Handgelenk vernahm und ein leichter Schmerz ihn zusammenzucken ließ. "Oh, hab ich dir wehgetan?" fragte Lucia und sah ihn traurig mit ihren tiefblauen Augen an.
    "Ja, hast du" antwortete Jace schroff und riss sich aus Lucias Klammergriff los.
    "Das tut mir leid" sagte die Koordinatorin betrübt, ergriff Jace Handgelenk zärtlich, führte es zu ihren Lippen und küsste sanft die gereizte Haut.
    "Lass das!" beschwerte sich der Züchter und entzog sich erneut dem Griff von Lucia.
    Jace machte schnell einen Schritt zur Seite um einer wiederholten Berührung der Koordinatorin zu entgehen. Er rieb sich das Handgelenk und sah wärendessen über seine Schulter zu Chloé. Doch was er sah, ließ sein Herz still stehen. Seine grünen Augen waren weit aufgerissen, seine Hände ballte er zu Fäusten. Wieso tat sie ihm das an? Hatte sie die Sache im Pokemoncenter schon fast vergessen? Er konnte ihr einfach nicht in die Augen sehen und wendete seinen Blick direkt wieder ab. Er starrte apathisch auf den Boden vor seinen Füßen. Warum empfand er diesen Schmerz in seiner Brust? Chloé war ja nicht seine feste Freundin, weshalb dieser Schmerz unbegründet war. Dennoch war der Gedanke, jemand anderes in Chloés Nähe zu sehen, unerträglich für ihn. Sein Atem ging unregelmäßig.
    Plötzlich spürte er eine Berührung an seinem Oberarm. Jace zuckte zusammen und sah dann in die blauen Augen von Lucia, die ihn besorgt ansah. "Ist alles ok bei dir?" fragte diese.
    "Jaja, alles prima. Ich... ich brauch nur eine kurze Pause." antwortete er und sah weiter den Boden an.


    Als hätte Chloé die Szene, diese Vertrautheit zwischen Lucia und Jace nicht gesehen. Klar, Zufriedenheit hatte sie ein weiteres Mal überströmt, als er sich ihrem zuckersüßen Kuss entzogen hatte, doch sogleich war ihr Herz wie eingefroren, als Jace sie erst entschuldigend und dann enttäuscht angesehen hatte. Ihr Lippen waren staubtrocken und schienen wie zusammengewachsen. Es war doch nicht ihre Schuld, dass Gary sie in seinem festen Griff gefangen hielt. Betreten tat sie das was Jace tat - sie blickte still zu Boden, ihre Schuldgefühle fraßen sie beinahe auf, obwohl dies völlig unbegründet war. Sie versuchte, ihre Lippen zu öffnen, was ihr nur mit großer Mühe gelang, um diese dann mit ihrer Zunge zu befeuchten. Vorsichtig versuchte sie, sich Garys Griff zu entziehen, ihm unmissverständlich aber dennoch unbemerkt klarzumachen, dass sie das nicht wollte. So widmete sie ihm einen Blick, der Unwohlsein signalisierte, und dann versuchte sie sich durch Bewegungen ihrer Hand, die sich in Garys angespannt schlängelte, frei zu kommen. Als sie ihren sowieso schon lockeren Griff weiterhin lockerte, zog Gary fragend eine Augenbraue hoch, verfestigte dann jedoch seine Umklammerung. Als Chloé verzweifelt und spielerisch melancholisch seufzte, atmete der Junge verkrampft ein und ließ mit einer harten Bewegung Chloés Hand los, die noch eine Weile die Wärme beibehielt, aber dennoch unruhig pulsierte. Dann blinzelte das Mädchen überrascht, als sie schwach die Worte von Jace vernahm, dass er eine Pause bräuchte. Ihr Herz schlug aufgeregt, vielleicht konnte sie das jetzt klären. Doch sofort war Lucia wieder an seiner Seite. Chloé schluckte schweren Herzens. Doch ehe sie sich versah, setzte sich Jace auf einen großen, festen Baumstamm, die Arme auf die Knie gestützt und den Kopf hängen. Chloé traten Tränen in die Augen. Hatte sie das angerichtet? Ihre Brust vibrierte vor aufkommenden Schluchzern. Sie wollte sich neben Jace setzen, doch Lucia kam ihr zuvor. Doch Chloés Hoffnung sollte nicht ganz ersterben, als Jace kurzerhand aufstand und seinen Blick sanft auf die Brünette gerichtet hatte.


    Jace hasste Lucias Berührungen. Selbst wenn diese sanft und zärtlich waren, blieben ihre Hände irgendwie kalt, hart und unpassend. Er setzte sich kurz auf einen Baumstamm um Lucia für nur eine Minute los zu sein. Er atmete zweimal tief durch um einen klaren Kopf zu bekommen und da war es wieder. Diese eisige Berührung. Er hatte nichts gegen Lucia, sie war eigentlich ganz nett, aber sie sollte bloß ihre Finger von ihm lassen. Also sprang er auf und rief in die Runde: "Ich wäre jetzt für eine Pause."
    "Ok, wenn du schon schlapp machst, Kleiner" spottete Gary, doch ein lautes Knurren seines Bauches ließ in erröten und beschämt zu Boden schauen.
    "Also, dass heißt wohl, dass du auch eine Pause willst" konterte Jace und streckte seine Zunge raus. "Wie sieht es mit euch aus? Chloé? Lucia?" richtete er sich nun an die Mädchen.
    "Ich kann eine Pause gut gebrauchen. Mir tun schon die Füße weh" meldete sich Lucia zu Wort.
    "Ein wenig Erholung kann nicht schaden" sagte Chloé.
    "Also ist es einstimmig beschlossen. Ich such in der Nähe etwas zu essen. Ihr kümmert euch um den Rest" sagte Jace und verschwand hinter einem Busch.


    Chloé konnte nicht anders, ihre Füße schienen ihr ohnehin nicht mehr gehorchen zu wollen. Schnellen Schrittes ging sie Jace hinterher, dem Jungen, der sich nicht von Lucia unterkriegen zu lassen schien, was Chloé durchaus gefiel. Sie lächelte, doch wusste sie, dass das Lächeln ersterben würde, sobald Jace mit ihr reden würde. Sie hatte die Sache im Pokecenter nicht vergessen - wie konnte sie auch, es war wunderbar gewesen, ihr Herz hatte nie so schnell geschlagen, dem war sie sich sicher. Sie stampfte weiter, bis ein Busch ihren Weg kreuzte, und einzelne Äste verfingen sich in ihren Haaren, sodass sich ihre Hochsteckfrisur langsam auflöste. Doch das war Chloé egal. Als sie Jace sah, der am Boden kniete, verspürte das Mädchen erst Erleichterung, dann jedoch Furcht. Wie würde er reagieren? Bevor sie zum ihm ging, blickte sie sich noch einmal kurz um, um sicher zu gehen, dass ihr auch ja niemand folgte. Als sie Stille vernahm und die beiden anderen ruhig auf dem Baumstamm quatschen sah, nahm sie einmal tief Luft und ging langsam auf Jace zu.
    Er drehte sich um, nachdem sie anscheinend ein ihr unbemerktes Geräusch gemacht hatte. Sein Blick war unschwer zu deuten - Freude aber dennoch Misstrauen. Er hielt ein paar Beeren in der Hand, gelb und rund, unten spitz zulaufend. Das intensive Gelb der Beere stach sich mit den unglaublich grünen Augen von Jace. Seine Stimme ertönte leise, er wollte wohl auch nicht, das jemand das Gespräch mitbekam. "Labrusbeeren." Sein Blick senkte sich auf die Beeren in seiner Hand, und ein Lächeln umspielte seine vollen Lippen. "Süß, trocken und sauer. Perfekt für eine Stärkung zwischendurch." Er sah wieder zu Chloé, sein Blick wirkte distanziert, aber dennoch neugierig. "Was denn? Willst du mir sagen, was das gerade war? Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, ist ja nicht deine Schuld, ich kenne Gary gut genug, aber - " "Jace," Chloé ließ den angehenden Züchter nicht ausreden. Sie hatte ihren Blick gesenkt und ihre Hände zu Fäusten geballt, die zitterten und ungemein feucht waren vor Aufregung. Sie schien die Kontrolle zu verlieren, doch sie musste das jetzt einfach klarstellen. "Ich hab nicht vor mich zu rechtfertigen. Ich will nur dass du weißt, er hat meine Hand ergriffen, ob du's mir glaubst, ist deine Sache. Und du? Lucia klebt förmlich an dir, das passt mir auch nicht gerade, aber was soll ich schon sagen, schließlich sind wir ja nicht..." Erschrocken stockte sie. Sie riss ihre Augen weit auf und biss sich auf die Zunge. 'Zusammen', echote es in ihrem Kopf. Tränen stiegen in ihre Augen, und sie spürte Jace' Blick auf ihr ruhen. Ihre zuvor vor Aufregung erregte Stimme wurde ruhiger, und es war kaum mehr ein Flüstern, was sie herausbrachte. "Wie dem auch sei. Ich...ich will einfach, dass du mir glaubst. Ich hätte lieber deine Hand gehalten, als Garys." Sie schluckte schwer. Ihr Herz raste, es musste kilometerweit zu hören sein. Plötzlich spürte sie, wie jemand ihre pulsierende Hand ergriff und sie zärtlich mit dem Daumen streichelte. Es ließ sie tief durchatmen. Sie blickte auf und sah in die flüssigen Smaragde, die man geläufig als Jace' Augen bezeichnete. Er lächelte sanft. Der Druck seiner Hand wurde fester, aber nicht unangenehmer. Dann geschah das, was Chloé bei Gary nicht als gut empfunden hatte: Er verschränkte seine Finger mit ihren. Ihre Haut wurde von dem Punkt aus warm und es kribbelte überall. Ihr Atem verlief in unregelmäßigen Stößen. Jace lächeln wurde breiter und er sah sie liebevoll an. "Besser?" fragte er mit zärtlicher Stimme. Benommen, nicht in der Lage zu antworten, nickte Chloé glücklich. Zum Glück übernahm Jace das Reden. "Jetzt ist ja alles wieder gut, und ich glaube dir. Pass auf, ich steck die Beeren ein, sag den anderen, ich hätte nichts gefunden, und dann beeilen wir uns und gehen nach Trostu, in Ordnung?" Zu Chloés Enttäuschung ließ er ihre Hand los, stand auf und packte seine Beeren sogleich in die Tasche. Als wäre seine Hand eine Blockade ihrer Stimme gewesen, atmete Chloé tief ein, nickte und sagte: "Okay. Ab nach Trostu." Die beiden gingen nacheinander durch den Busch und erregten so Lucias und Garys Aufmerksamkeit. Sogleich ergriff der Züchter das Wort. "Wir haben leider nichts essbares gefunden. Lasst uns schnellstmöglich nach Trostu gehen, da können wir uns immer noch ausruhen." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren standen Lucia und Gary auf und folgten Jace und Chloé. Und mit großen Schritten näherten sie sich immer weiter dem kleinen, ruhigen Dorf.


    "Ähm... also..." Jace, das ´Uhrwerk´, fing an zu stottern und blieb starr stehen. Sein Gesicht färbte sich rot und beschämt blickte er zu Boden. "Sollen wir uns umziehen?"
    "Ja, mir wird langsam kalt" antwortete Chloé. Jace konnte die Koordinatorin nicht ansehen, er schämte sich noch immer etwas für die Sache am See. Sein Herz schlug schneller, als er daran zurück dachte. Er schüttelte sanft den Kopf um diese Gedanken wieder zu verscheuchen. Der Züchter schloss die Augen und atmete ein paar mal tief ein und wieder aus. Als er seine Lider wieder öffnete, bemerkte er Chloés Blick auf sich ruhen. Sie schaute zwar etwas verwirrt und sehr schüchtern, dennoch wirkten ihre grünen Augen warm und er fühlte sich geborgen. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Dann spürte er eine sanfte Berührung an seinem Handgelenk. Auch Chloés süße Gesichtszüge wurden von einem putzigen Grinsen geschmückt. Dieser Anblick ließ Jace noch mehr lächeln. Dann zog die Koordinatorin den Züchter in Richtung der Trainerräume. In schnellem Schritt gingen sie an einigen Türen vorbei, bis Chloé vor einer Tür stehen blieb. Jace hätte die Koordinatorin fast umgerannt, aber er konnte rechtzeitig bremsen und hielt sich an Chloés Hüfte fest. Die beiden Jugendlichen sahen sich tief in die Augen.
    "Chloé" flüsterte Jace. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
    "Jace" wisperte Chloé. Ihre Augen funkelten. Plötzlich ging eine Tür hinter ihnen auf und sie schraken zusammen. Jace ließ die Koordinatorin los. "Ich geh ins Zimmer und zieh mich um" sagte diese und wandte sich ab um in den Raum zu gehen vor dem sie stehen geblieben waren. Jace blieb im Türrahmen stehen und schaute dieses Mädchen sehnsüchtig an.


    Chloé wusste nicht, warum. Warum er das tat, warum er so war, warum es sie so überwältigte. Ihr war ganz heiß, ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, sodass sie befürchten musste, dass der Junge, der atemberaubende Junge vor ihr, es hören würde. Und selbst wenn er das nicht würde, so konnte er das an ihrer gewandelten Gesichtsfarbe erkennen: Ein schönes, kräftiges Rot. Ihre Stimme war verdammt trocken gewesen, als sie gesagt, viel mehr gekrächzt hatte, dass sie sich umziehen wollte. Sofort hatte sie sich von Jace abgewandt, jedoch nur um zu verbergen, wie peinlich ihr diese Situation war, aber nicht, dass sie sie nicht schön fand. Im Gegenteil. Ihr Atem ging unvermeidbar schnell bei dem Gedanken an den Jungen, der sie da von hinten ansah mit den weichesten, grünsten Augen die das Mädchen kannte. Kaum war sie in der Mitte des Zimmers angelangt, beugte Chloé ihre Arme, sodass sie ihren Rücken streichelten. Ein paar Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht, sodass sie das Lächeln, was aufgekommen war, gut verstecken konnte. Sie suchte fieberhaft nach dem Verschluss, der ihre Wäsche beisammen hielt, und knibbelte mit ihren Fingernägeln, die ihrer Meinung nach viel zu kurz waren, daran rum. Bis das Mädchen, was sich eigentlich nur umziehen wollte, ein sehnsüchtiges, unerwartetes Seufzen vernahm. Schnell drehte sie sich um, ihre Haarsträhnen kitzelten ihr Gesicht, und Jace trat erneut in ihr Blickfeld, er stand noch immer im Türrahmen. Perplex blieb Chloé stehen und verweilte so wie zuvor. Haarsträhen, die ihr im Gesicht klebten, die Hände am Verschluss ihrer Wäsche. Und ihr Herz blieb stehen. Sie leckte sich kurz über die Lippen, um ihrer Stimme Sicherheit zu geben. Was ihr anscheinend besser gelang, als sie vermutet hatte. "Willst du nicht in ein anderes Zimmer?" Chloé setzte ihre Stirn in Falten und zog ihre Augenbrauen hoch. Erneut spürte sie Hitze in ihr Gesicht steigen. Auch Jace wurde zunehmend röter und stotterte völlig überrascht: "Ähm...äh...klar, ich...sorry..." Er wuschelte sich spielerisch durch die braunen, sowie schon zerzausten Haare und wandte sich zum Gehen, als seine Augen größer wurden und fast heraustraten. Chloé wollte schon zu ihm hingehen, als sie eine bekannte Jungenstimme vernahm. "Na, wie geht es meinem Nachtara?"


    Gary stand in der Tür des Pokemoncenters und sah wie Jace von Chloé weg gezogen wurde. Der Professor in spe gab ein verächtliches Schnauben von sich. "Was ist denn mit den Beiden los?" grummelte Lucia verärgert.
    "Keine Ahnung, ist mir auch egal!" sagte Gary und ballte seine Hände zu Fäusten.
    "Komm lass uns die beiden mal ein bisschen ausspionieren!" hauchte Lucia und schlich Jace und Chloé ein Stück hinterher.
    Gary schnaubte erneut und ging der blauhaarigen Koordinatorin hinterher.
    "Was zur Hölle tun sie da? Die schauen sich nur an!" flüsterte Gary.
    Lucia schluckte und wisperte: "Die sind doch süß." Gary hörte wie dieser Satz regelrecht vor Sarkasmus triefte.
    Als ein junger Trainer mit roter Cap und schwarzem T-Shirt aus einem anderen Zimmer erschien schreckten die beiden möchtegern Spione zusammen. Nachdem der Junge vorbei gegangen war und ihnen einen komischen Blick zugeworfen hatte, richteten Gary und Lucia ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Ziel, doch sie konnten nur noch den Rücken von Jace sehen. "Strippt Chloé jetzt für Jace oder was ist hier los?" sagte Gary und kaum dass er den Satz beendet hatte, schlug Lucia ihm auf die Schulter.
    "Chloé macht sowas nicht!" fauchte die Blauhaarige.
    Der braunäugige Trainer starrte das Mädchen erst böse an, sprang auf und ging los.


    Lucia hätte nicht gedacht, dass Gary ohne Vorwarnung einfach aufspringen und zu Jace gehen würde. Sein Gang war stark, zielstrebig, aber auch voller Wut und Angespanntheit. Nervös schluckte Lucia und begab sich dann doch mit wackeligen Beinen auf den Weg hinter dem angehenden Professor her. Ihr Herz raste. Wie würden die beiden reagieren? Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Das Mädchen begann zu zittern und ihr Atem kam mit keuchenden Stößen aus ihren Lippen hervor. Und schon war sie bei ihm angelangt. Bei Jace. Und Gary. Der Hass in Garys Blick war unübersehbar, man hätte ihn beinahe mit den Händen greifen können. Er funkelte Jace grimmig an, sodass man den Eindruck hatte, dass sich Funken in der dicken Luft gebildet hatten. Jace sah überrascht, aber dennoch konfliktbereit zurück. Lucia reckte sich ein bisschen und stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Blick auf Chloé erhaschen zu können. Diese wirkte wie erstarrt. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Lippen schienen ungemein trocken. Steif stand sie da, mit Angst im Blick. Man konnte den Kloß in ihrem Hals unter der dünnen Haut ausmachen. Irgendwie empfand Lucia Genugtuung, als sich ihr dieser Anblick bot. Sie mussten immer noch nach Herzhofen, und das so schnell wie möglich. Garys Nachtara und auch am besten gleich alle Pokemon mussten behandelt werden. Und die beiden hatten immer noch Zeit für andere Sachen. Da tat ihnen dieser Schock doch ganz gut. Plötzlich breitete sich ein Kloß in ihrem Hals aus. In ihrem Kopf machten sich zwei Tatsachen breit. Die erste: Wäre sie in Chloés Situation, so hätte sie genauso reagiert. Bei einem Jungen wie Jace konnte man einfach nicht anders. Und die zweite Tatsache: Es machte sie tierisch eifersüchtig. Doch wieso? Sie kannte weder Jace noch Gary nicht lange. Deshalb sollte, deshalb durfte diese Freundschaft, diese jahrelange Freundschaft der beiden Mädchen nicht zugrunde gehen. Tränen sammelten sich in Lucias blauen Augen, die sie jedoch gekonnt wegblinzelte. Erneut sah sie zu Gary und Jace. Es herrschte eine Spannung in ihrem Blickaustausch, die gigantisch war. Beide Kiefer waren bis aufs Äußerste angespannt, die vier Hände der Jungen zu Fäusten geballt, sodass sie Knöchel weiß heraustraten. Aus dem Augenwinkel konnte Lucia erkennen, wie Chloé ihre Sprache suchte, doch sofort wurde die unangenehme Stille unterbrochen, von der aufgeregten Stimme von Schwester Joy. "Nachtara, ihr müsst euch Nachtara ansehen!"

    Geschockt blickte sich Chloé auf der noch ziemlich verrauchten Lichtung um. Sie war leer. Komplett leer, bis auf sie, Lucia und die Jungs. Als wäre nie etwas gewesen. Keine blinkenden Maschinen mehr, keine Jupiter, keine Topffrisuren, kein gar nichts. Der See wirkte ruhig wie immer, sachte fegte eine sanfte Windböe über das sattgrüne Gras. Und doch war alles anders. Auch wenn Chloé den Seenwächter vorher nie zu Gesicht bekommen hatte, so fühlte sie doch die Leere am Wasser, die Tobutz mit seiner Entführung hinterlassen hatte. Tränen sammelten sich in den Augen der Koordinatorin. Wieso war sie so schwach gewesen? Sie hätte doch etwas tun können! Betreten schlich sich eine leise Träne auf ihre Wange, diese wurde jedoch sogleich vom stärker werdenden Wind getrocknet. Dann spürte sie, wie sich eine kleine, zaghafte Hand um ihre legte, und sofort musste das Mädchen unwillkührlich an Jace denken. Bis ihr bewusst wurde, wie absurd dieser Gedanke war - der Junge stand schließlich am Ufer, nicht auf der Insel, wo Chloé und Lucia verweilten. Ohne Aufzusehen vernahm die Brünette die traurige Stimme ihrer besten Freundin. "Lass uns rüberschwimmen, es hat keinen Zweck, hier herumzustehen. Wir müssen weiter." Ohne zu zögern befolgte Chloé den Vorschlag und stieg ohne großartig darüber nachzudenken in das kühlende Wasser, das das Mädchen sofort abreagierte. Auch nach dem Unfall konnte sich Chloé dem Wasser völlig hingeben. Sie vertraute dem Element blind. Chloé atmete die frische Seeluft ein, schloss für einen Moment die Augen und begann mit den rythmischen Schwimmbewegungen. Und ehe sie sich versah, hatte sie das Ufer auch schon erreicht, wo Jace und Gary schon auf sie warteten.
    "Chloé! Geht es dir gut? Haben sie dir was angetan?" Jace war so voller Sorge um die brünette Koordinatorin, dass er vollkommen vergaß, dass auch noch Lucia da war.
    "UNS geht es gut!" antwortete das blauhaarige Mädchen leicht keifend.
    "OK, Lucy geht es anscheinend prächtig. Chloé ist bei dir alles ok?" fragte nun Gary nach.
    "Ähm... ja mir geht es gut und euch? Wie geht es Aquana und Nachtara?" sagte Chloé. Jace hörte in ihrer Stimme Angst, Trauer und dennoch Erleichterung.
    "Aquana geht es gut", antortete Jace und strich dem blauen Vierbeiner sanft über den Kopf, "Du hast sehr gut gekämpft." Jace richtete seinen Blick auf seinen Freund und stetigen Begleiter: "Gary, wie geht es Nachtara?"
    Der Professor in spe hockte bei seinem Pokemon. Sein Gesicht war in Falten gelegt. "Es sieht nicht gut aus. Der Kampf war zu anstrengend und dieses Mistvieh hat Nachtara vergiftet" seine Stimme war wackelig. Er streichelte sanft das schwarze Pokemon über dessen Fell. Nachtara leuchtete kurz violett auf und jaulte. "Jace!" Gary sah verzweifelt zu dem grünäugigen Trainer rüber. "Kannst du Nachtara nicht helfen?"
    "Ich schau was ich tun kann" Jace rannte zu seinem "Patienten" und begutachtete es bis es erneut aufjaulte. "Verdammt... Chloé! Bringst du mir schnell meinen Rucksack?"


    Das ließ sich Chloé nicht zweimal sagen. Sie nahm ihre Beine in die Hand und stolperte hinüber zu dem erwähnten Rucksack. Sofort wurde das Mädchen ganz nervös, da sie nicht wusste, was sie alles in dem Rucksack finden würde. Und kaum hatte sie das gedacht, schüttelte sie ihre noch ziemlich nassen Locken, die sanft ihr Gesicht streichelten. Eine Strähne verweilte in ihrem Gesicht und kitzelte ihre Wange. Mit zitternden Händen ergriff sie den kleinen, grauen Reißverschluss und zog ihn die Spur entlang, die extra dafür vorgesehen war. Kaum war der Rucksack vollständig geöffnet, stockte Chloé der Atem. Jace war tatsächlich der Vorzeigezüchter schlechthin. Unzählige Tränke gegen jegliche Art von Krankheit. Beeren über Beeren. Und dann noch ein paar Klamotten, und Bandagen und Verbände. Kaum hatte Chloé das realisiert, griff sie sich die Schnalle der Tasche und rannte zurück zu dem Rest ihrer Gruppe. Im Rausch der Geschwindigkeit meinte das Mädchen, dass sich Tränen in Garys Augen abzeichneten, doch sie konnte sich auch irren. Der Junge blickte betreten hinab zu seinem am Boden liegenden Pokemon, das sich in Jace' Arme fallen gelassen hatte und schwer atmete. Ab und zu überstrich ein violetter Schimmer sein Fell, und Nachtara jaulte qualvoll. Es tat Chloé unvorstellbar leid. Und, auch wenn sie sich irgendwie wünschte an Nachtaras Platz zu sein, also in Jace' Armen zu liegen, so musste sie einsehen, dass es ein verdammt schlechter Zeitpunkt für solcherlei Vorstellungen war. Sie schluckte und übergab Jace den Rucksack. Dieser brauchte kaum zwei Sekunden, um die passende Beere, klein, rosa und herzförmig, herauszusuchen. Ohne groß darüber nachzudenken, schob er die weiche Beere in das Maul des Pokemon. Dieses brauchte eine Weile zum Kauen, weil es so schwach war, und Chloé konnte erkennen, wie sich Schweißperlen auf der Stirn des Züchters sammelten. Ein gespanntes Schweigen lag in der Luft. Alle Augen waren auf Nachtara gerichtet, dass in Chloés Augen schon um einiges gesünder aussah. Doch sie sollte sich irren. Plötzlich durchbrach ein Aufschrei die Stille. Die aufgeregte Stimme von Jace ließ einen Schreck durch Chloés Körper fahren. "Wir müssen in das nächste Pokemoncenter. Die Beere wirkt nicht, jedenfalls nicht gut. Schnell, wo ist das nächste - ?" "Schleiede.", unterbrach Lucia den aufgeregten Trainer, der total in seiner Rolle aufzugehen schien. Er war so besorgt, so fürsorglich...Chloé hätte in seiner Gegenwart hinwegschmelzen können. Bis sie erneut den Ernst der Lage erfasste. Kaum war der Name der Stadt über Lucias Lippen gekommen, sprang Jace auf, Nachtara in den Armen, und alle rannten ihm hinterher. Keuchend sprinteten die Jugendlichen der Sonne entgegen, bis sie die Umrisse der Stadt, Schleiede, sehen konnten.

    Aquana wich einem Schlag von der rießigen Fledermaus aus, der den Boden leicht aufriss. Ein dunkler Ball schoss auf Skorgro los. Eine Rauchwolke fegte über das Ufer. Das violette Pokemon glitt sanft durch die Luft.
    "Dieses Vieh ist verdammt schnell" raunte Gary.
    "Es kann doch gar nicht sein, dass wir zu zweit dieses Drecksding nicht platt machen können!" grummelte Jace.
    "Hahaha, ich hab euch doch gesagt ihr könnt mich nicht besiegen und jetzt geht mir aus dem Weg!" lachte Matze.
    "Niemals" brüllten die jungen Trainer gleichzeitig und ihre Pokemon unterstrichen dies mit einem lauten Kampfschrei.
    Als Skorgro landete, flog ein weiterer Spukball auf es zu. Doch dieser verfehlte erneut, da die Fledermaus hoch sprang. Allerdings raste die geisterhafte Kugel auf Aquana zu. Dieses umhüllte seinen Schweif in Wasser und vollführte einen Rückwärtssalto. Der Nassschweif schleuderte den Spukball in Richtung Himmel. Das feindliche Pokemon wirkte perplex, doch ein Windstoß wehte es aus der Schussbahn. Matze lachte auf: "Ich sagte doch ihr habt keine Chance! Skorgro! Kreuzschere!" Die violette Fledermaus formte mit seinen Scheren ein X, seine Augen waren zu Schlitzen verengt und es stürzte auf Aquana herab. Ein verstohlenes Grinsen schlich sich auf Garys Gesicht. Der Spukball traf den Feind von hinten und schleuderte ihn zu Boden. Leichtfüßig landete Nachtara am Ufer, seine Route glänzte im Sonnenlicht wie Edelstahl.


    Chloés Augen wechselten stetig den Blickwinkel. Zum einen war sie vom Kampf gefesselt, den Gary und Jace da ganz souverän meisterten, und das ganz alleine. Chloé staunte nicht schlecht über die Kampfkünste und die Stärke der beiden Jungen und deren Pokemon. Ständig überkam das Mädchen ein Gefühl von Geborgen- und Sicherheit, wenn sie die gekonnten Bewegungen der Trainer und ihrer Pokemon vernahm. Sie spürte für ein paar Sekunden den Schutz der Jungen, so als ob ihr niemand etwas anhaben könnte, solang die Jungen dabei waren. Chloés Wangen gewannen wieder ein wenig an Farbe, wenn sie daran dachte, dass die beiden Trainer anscheinend alles für sie tun würden, um sie zu beschützen. Doch dann wich diese Farbe genauso schnell, wie sie gekommen war. Wenn sich ihr Blick wieder dem See zuwandte. Und sie noch immer die vielen Menschen sah, mit den türkisen Topffrisuren, die da nacheinander in den See stiegen. Ein paar hielten verschiedene Maschinen in den Händen, die Chloé nicht einschätzen konnte. Zuerst hatte sie gedacht, die Maschinen würden implodieren oder zumindest knistern. Doch nichts dergleichen geschah. Sie schienen wohl doch schlauer zu sein. Team Galaktik. Allein als die Koordinatorin an den Namen des bedrohlichen Teams dachte, wurde ihr mulmig im Magen und sie bekam Kopfschmerzen. Tränen sammelten sich in ihren Augen vor Angst, und durch den Schleier konnte sie neben den hellblauen Farbtupfern auch einen einzelnen, lilanen Punkt ausmachen. Sofort rief sie sich einen Namen ins Gedächtnis, den sie schon des Öfteren gehört hatte. Jupiter. Und sogleich erinnerte sie sich daran, dass sie zur Befreiung von Matze beigetragen hatte. Chloé ballte ihre Hände zu Fäusten und begann zu zittern. Schon wollte sie aufstehen, ihren Unterschlupf verlassen, ihre eigene Unsicherheit und Schwäche vergessen, als sie aus der Richtung des aktuellen Kampfes ein lautes Knallen vernahm.


    Matze gab ein verstimmtes Knurren von sich. Gary, Jace und ihre Pokemon lächelten triumphierend. Der Rauch verzog sich langsam und Matzes Pokemon stand auf seinem Schweif in einem Krater. Es starrte hasserfüllt die beiden Evoli-Entwicklungen an. Das siegessichere Grinsen der Jugendlichen wich einem überraschten, verärgerten Blick. Skorgro stürzte sich auf Nachtara, wobei seine Zähne violett aufleuchteten. Das Mondschein-Pokemon jaulte vor Schmerz auf, als die Zähne des Zahnskorpi-Pokemons sich in Nachtaras Seite bohrten. Aquana attackierte den Angreifer mit seinem in Wasser gehülten Schwanz, doch bevor das Blubbblasen-Pokemon das Ziel erreichte, ließ Skorgro schon von Nachtara ab und kreuzte seine Scheren. Die beiden Attacken prallten mit voller Wucht aufeinander. Eine Explosion, gefolgt von einer erneuten Staubwolke versperrte die Sicht auf den Kampf.
    Jace und Gary waren vor Sorge um ihre Pokemon völlig erstarrt. Die kleinen Partikel schienen in der Luft wie eingefroren. Dem Züchter in spe klingelten die Ohren von der Explosion. Seine Gedanken und sein Herz rasten um die Wette. Aquana, Matze, Chloé... was würde passieren wenn sie verlieren würden? Plötzlich wich dem Piepen in seinen Ohren ein schriller Schrei.

    Chloé war nicht bewusst, ob sie schon wieder nur träumte oder sich tatsächlich in der Realität befand, als sie zum wiederholten Male die Augen öffnete. Sie vermutete sich wieder in einem Traum, denn Jace befand sich nur wenige Zentimeter über ihr und sah sie mit seinen durchdringenden, grünen Augen besorgt an. Chloé verschlug der Anblick die Sprache, doch sie hätte sowieso nichts sagen können - das eingeatmete Wasser sprudelte in Form von Husten nur so aus ihr heraus. Sie prustete ununterbrochen, und das Wasser schien gar kein Ende mehr zu nehmen. Allmählich tat dem Mädchen der Hals ganz schön weh, sodass sie ihre Hand dorthin wandern und ihre Kehle fest umschlingen ließ. Nach einer gefühlten qualvollen Ewigkeit schwellte der ekelige Husten ab, und Chloé legte sich wieder auf's Gras, die Hustattacke hatte sie ganz schön erschöpft. Dann blinzelte sie ein paar Mal, damit die entstandenen Tränen vollständig aus ihrem Blick verschwinden konnten. Dann atmete das Mädchen noch ein paar Mal unregelmäßig ein und aus, bis sie neben dem Geräusch ihres viel zu schnell schlagenden Herzens auch die Stimme ihres Gegenübers vernahm. "Chloé, Gott sei dank. Geht es dir gut?" Jace blickte sie mit großer Sorge an, und seine Stirn zog sich in Falten. Chloé spürte sofort, dass der Junge unschuldig war, sein Aquana hatte sie schließlich vor dem sicheren Tod bewahrt. Bevor sie antwortete blickte sie sich noch um. Lucia und Gary standen ein paar Meter entfernt und schauten Chloé entschuldigend an. Als ihre Blicke den der Brünetten trafen, schauten beide gleichzeitig betrübt zu Boden. Chloé richtete ihren Blick wieder auf Jace, der weiterhin ruhig auf eine Antwort wartete. Das Mädchen schluckte und sagte mit heiserer Stimme: "Gut? Wie ich das sehe kann ich froh sein, dass ich noch lebe, und dass wir wenigstens einen Menschen in der Gruppe haben, der vernünftig genug ist, um mich nicht völlig ertrinken zu lassen." Das alles war mehr ein wispern als ein sagen gewesen, und Chloé lächelte Jace dankbar an. Dieser erwiderte die Geste. Dann wandte das Mädchen erneut den Blick auf die beiden Menschen, die mit hängenden Schultern dastanden. "Tut uns Leid..." sagten sie im Chor. Chloé lächelte verbittert. "Schon okay. Jetzt bin ich wenigstens -" Doch ihre Antwort wurde durch ein weiteres abruptes Husten unterbrochen. Jace stützte das Mädchen, indem er ihr seine Hand schützend an den Hinterkopf hielt. Als Chloé wieder zu Luft gelangte, fragte sie: "Und was machen wir jetzt?"


    Jace war froh, dass es Chloé halbwegs gut ging. Auf ihre Frage allerdings wusste er keine richtige Antwort. Er wollte sie einfach nur beobachten. Nicht nur um zu schauen, ob es ihr wirklich gut ging, auch weil sie so schön war, dass er sie einfach nur anschauen wollte.
    "Wie wärs, wenn du deinen Bikini anziehst und wir schwimmen gehen" meinte Gary wieder frech grinsend.
    "Wie wärs, wenn wir Chloé erstmal Zeit lassen, um zu trocknen und sich von diesem Schock zu erholen!" entgegnete Jace.
    "Ach, mir gehts gut und wenn wir e schwimmen gehen, brauch ich ja nicht zu trocknen" sagte das fast ertrunkene Mädchen und lächelte sanft, "obendrein kannst du dann auch mein Barschwa bewundern" fügte sie noch an und streckte ihre Zunge heraus.
    Jace musste schmunzeln. "Wenn du schon dein Barschwa raus holen musst, dann können wir gleich alle Pokemon raus holen. Ich wette, ihnen wird es hier sehr gefallen."
    "Gute Idee, Kleiner!" rief Gary und warf drei rot-weiße Bälle in die Luft. Turtok, Elektek und Nachtara gaben freudige Geräusche von sich und machten es sich im See und im Schatten der Bäume bei Arkani bequem.
    "Ey! Dann darf ich aber auch!" rief Lucia und ließ Plinfa und Haspiror neben Ambidiffel erscheinen. Der kleine Pinguin und der Hase sprangen direkt auf das im Wasser liegende Turtok und tobten auf dessen Panzer herum, während sich der Affe mit den zwei Schweifen neben den anderen Pokemon im Schatten breit machte.
    "Ok, dann wollen wir doch Dragonir auch mal eine Freude machen!" sagte Jace und der blaue, schlangenförmige Drache erschien im See. "Jetzt zeig mal, wer dich begleitet" richtete sich der Züchter an Chloé. Die Koordinatorin richtete sich auf und gab Blitza, Kirlia und Barschwa frei.


    Kaum waren die drei Pokemon vor ihrer brünetthaarigen Trainerin erschienen, ging es dieser deutlich besser. Ihr Blitza schmiegte schon gleich seinen Kopf an Chloés Beine, das Kirlia tanzte geschmeidig über die sattgrüne Wiese und das Barschwa planschte einfach in dem See. Ein Lächeln machte sich auf Chloés Gesicht breit. "Da gehts mir gleich viel besser.", sagte das Mädchen verträumt. Man sah ihr kaum mehr an, dass sie vor wenigen Minuten noch fast ertrunken war. Nachdem sie ein paar Minuten verträumt ihre Pokemon beobachtet hatte, richtete sie ihren Blick fröhlich auf Jace und die anderen und sagte mit heiterem Gemüt: "So. Also, von mir aus kanns losgehen!" Sie sah auf die beiden Jungs, abwechselnd grüne, dann braune Augen, die das Mädchen eindringlich musterten. Die Kinnladen der beiden Jungs standen weit auf, und Chloé dachte sogar, Gary sabbern zu sehen. Unter diesen lüsternden Blicken schaute sie schnell an sich hinab, und wurde augenblicklich purpurrot. Es war also doch keine gute Idee gewesen, einen schwarzen BH unter einem weißen Tshirt zu tragen. Das ertappte Mädchen schluckte, wollte sich ihre Peinlichkeit aber nicht anmerken lassen, und so kam ihr spontan eine Idee. Egal wie peinlich es werden würde, viel peinlicher konnte es ohnehin nicht mehr werden. Also grinste sie einmal kurz breit, erfasste den unteren Teil ihres durchnässten Tshirts und zog es sich über den Kopf. Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren, zog sie auch ihren Rock schnell aus, sodass sie nur noch in Unterwäsche dastand. Sie wollte ihre Tat nicht hinterfragen, schließlich war sie von Grund auf total schüchtern. Aber als sie die weit aufgerissenen Augen der Jungs erblickte, musste sie verspielt kichern. Sie warf ihre tropfenden Sachen auf die Wiese zu einem sonnigen Fleck und sagte laut, aber dennoch etwas heiser: "Das war schließlich eh schon durchgeweicht, da kann ich das auch zum schwimmen benutzen. Ist doch eh fast das selbe." Ihre Aussage wurde von einem Lachen unterstrichen, und Chloé rannte auf das kristallklare Wasser zu, ohne weiter auf die Gesichtsausdrücke der Jungs zu achten. Sie vernahm noch das Lachen von Lucia, die hinter ihr her rannte. Und dann hatten die Mädchen auch schon das Wasser erreicht. Und Chloé hatte wieder Spaß an ihrem Element.


    Jace glaubte seinen Augen kaum. Chloé zog sich einfach bis auf die Unterwäsche aus und sprang ins Wasser! "Kleiner, wir sollten diesen Moment genießen" holte Garys Stimme den Züchter in spe aus seinen Gedanken. Jace konnte nicht antworten, denn sein Verstand war in seine Hose gerutscht. "Bist du noch geistig anwesend?" fragte der zukünftige Professor. Jace nickte nur und starrte mit immer noch geöffnetem Mund auf den See. Die beiden vollbusigen Mädchen plantschten im Wasser und bespritzten sich gegenseitig. Jace Augen gingen nur auf und ab. "Wer zuletzt im Wasser ist, ist ein stinkendes Sleima!" rief Gary und war schon fast im Wasser. Jace schüttelte kurz den Kopf. Sein Verstand war wieder an Ort und Stelle. Jace sprintete zum See und mit einem gekonnten Hechtsprung flog der Grünäugige an seine Kollegen vorbei.
    Als Jace wieder auftauchte, kicherten die Mädchen. Der Trainer wartete, bis der letzte Kopf aus dem Wasser ragte und sagte zu Gary: "Wer ist jetzt ein Sleima?"
    Gary sah den zukünftigen Züchter nur finster an. Die beiden Koordinatorinnen waren immer noch am kichern. "Was ist denn mit euch beiden los?" fragte Jace.
    "Nichts ist los" sagte Lucia und fing noch lauter an zu lachen.
    "Jetzt spuck schon aus. Was ist so lustig?" hackte Gary nach.
    "Wie gesagt, es ist nichts" leugnete Chloé.


    Chloé konnte sich vor Kichern kaum mehr halten. Sie wusste zwar nicht, ob sie sich von der Situation geschmeichtelt fühlen oder beleidigt sein sollte, aber dafür gab es keinerlei Grund. Es war zwar total dreist, aber es war ja ihre Idee gewesen und die Jungs konnten schließlich auch nichts dafür. Dann sagte Lucia unter lautem Kichern: "Naja, wisst ihr, es geht nicht an uns vorbei, was für eine gute Schlangenbeschwörerin Chloé doch ist!" Danach brach sie in erneutes Lachen aus, und nicht nur Chloé lief zum erneuten Mal rot an. Die Jungs wechselten einen Blick, den Chloé nicht deuten konnte, und dann brachen auch sie in ein Lachen aus, aber das wirkte sehr gestellt. Irgendwann hatten sich alle wieder eingekriegt und schwammen und planschten im See der Kühnheit. Es war seit langem wieder unbeschwert, und Chloé fühlte sich wirklich gut. Die Sonne kitzelte ihre Haut und brachte das Wasser zum Glänzen. Es hätte alles so perfekt sein können. So perfekt sein sollen. Doch so wollte es das Schicksal anscheinend nicht. Chloé sah sich das Ufer des Sees an. Neben den Pokemon raschelte es in einem Busch. Zuerst vermutete Chloé ein Pokemon. Doch dieser Verdacht verschwand sogleich. Und Chloé hörte kurz auf zu atmen. Denn ihr Herz setzte kurz aus und das Mädchen wisperte: "Das kann nicht wahr sein!"

    Etwas schüttelte dem schlafenden Trainer immer heftiger an der Schulter. "Lass mich noch 10Minuten schlafen!" jammerte Gary.
    "Nein! Du musst aufstehen. Die drei Stunden sind um und die Sonne geht jeden Augenblick auf und ich will auch noch schlafen!" sagte Jace.
    "Maaaaaaan" missmutig stand Gary auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. "Dann schlaf mal schön, du Nachteule." Gary ging zum schon fast abgebrannten Feuer und kraulte sein Nachtara hinter den Ohren. Ein Lächeln stahl sich in das Gesicht des zukünftigen Professors, als er sah, wie Chloé sich, nur ein paar Meter von ihm entfernt, hinsetzte, mit ihrem Blitza im Arm. "Na, gut geschlafen?" fragte Gary.
    Chloé antwortete nach einem lauten Gähnen: "Es geht, nur zu kurz, und du?"
    "Ebenfalls zu kurz, aber für so ein hübsches Mädchen schlaf ich gerne wenig" antwortete der braunhaarige Junge und rückte ein kleines Stück näher zu Chloé.
    "Ach, es war wirklich nicht nötig, dass ihr uns begleitet. Aber trotzem vielen Dank."
    "Doch es war und ist sehr nötig. Ich muss doch auf dich aufpassen"
    "Ich kann auf mich selber aufpassen!"
    "Anscheinend ja nicht"
    "Doch, das kann ich!"
    "Nein, kannst du nicht!"
    "Doch!"
    "Nein!"
    "Doch und jetzt Themawechsel."
    "OK, dann schlag ein Thema vor" sagte Gary und sah Chloé tief in die Augen.
    "Mir fällt keins ein. Schlag du was vor" antwortete Chloé und wich Garys Blick aus.
    "Hm... sie mal! Sind Jace und Lucia nicht süß?" sagte der Trainer und zeigte auf die beiden, angeblich schlafenden Jugendlichen, die in ihre Schläfsäcke gekuschelt direkt nebeneinander lagen. Lucia schlief mit einem Lächeln im Gesicht und einen Arm um Jace.


    Chloé begutachtete die Szene, auf die Gary sie hingewiesen hatte. Ein Kloß entstand in ihrem Hals und das Schlucken fiel ihr schwer. Wie sie dalagen. So friedlich. Für diesen einen Moment war Chloé ziemlich sauer auf Lucia. Natürlich hatte sie das Gespräch zwischen den beiden nicht mehr mitbekommen, da sie sofort eingeschlafen war, doch so wie es jetzt aussah, so konnte es nur zu Lucias Gunsten verlaufen sein. Hmpf. Ihre Augen wanderten zu Jace. Er räkelte sich sehr oft, drehte sich mal zur einen, mal zur anderen Seite, und gab ab und zu ein Seufzen von sich, dass ziemlich angenervt klang. Nebenbei hatte es den Anschein, dass er den Arm am liebsten abgeschüttelt hätte. Chloé konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, obwohl sie immer noch Bauchschmerzen bekam, wenn sie die Anhänglichkeit von Lucia sah. Diese lächelte noch immer im Schlaf. Da Chloé das nicht weiter mitansehen wollte, wandte sie den Kopf und blickte geradewegs in die Flammen. Diese tanzten bunt und zauberhaft in der Dunkelheit, und Chloé war begeistert von der Schönheit, obwohl das Feuer nur noch minimal brannte. Die Lichtreflexe spiegelten sich in den grünen Augen des brünetthaarigen Mädchens, das geistesabwesend da saß. Doch Garys Stimme ganz dicht neben ihr holte sie wieder zurück in die Realität. "Also, süß, oder?" Dabei schmunzelte er. Chloé schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und sagte leise, ohne aufzublicken: "Ja. Total." Ihr war egal, ob man den sarkastischen Unterton in ihrer Stimme bemerkt hatte. Dann merkte sie, wie Gary ein erneutes Mal näher rückte. Ihre Hüften berührten sich schon und Chloé konnte nicht sagen ob die plötzlich eingetretene Wärme von Gary oder doch vom Feuer stammte. Noch immer blickte sie nicht auf und beobachtete das Lichterspiel. Gary versuchte abermals ein Gespräch aufzubauen. "Schön, das Feuer, oder?" Chloé nickte. Sie war mal wieder überhaupt nicht gesprächig. Sie riskierte einen Seitenblick auf den Trainer neben ihr. Er schaute sie eindringlich an, seine braunen Augen ruhten sanft aber dennoch entschlossen auf ihr, und auf seinen Lippen lag ein verschmitztes Lächeln. Wie konnte man einem wie ihm schon widerstehen?, fragte sich Chloé und überwand sich schließlich doch, ihn anzusehen. Dieser eindringliche Blick, irgendwie jagte er Chloé Angst ein. Sie bekam zum widerholtem Male eine Gänsehaut, die Gary einen erneuten Grund für ein Gespräch dar bot. "Ist dir wieder kalt?" Anstatt auf eine Antwort zu warten, die sowieso ein Kopfschütteln geworden wäre, rückte er die letzten paar Millimeter zu Chloé und legte, anscheinend besorgt, einen Arm um ihre Hüfte. Sein Griff war zwar nicht zu fest, aber es machte auch nicht den Anschein, dass er sie so schnell wieder loslassen wollte. Chloé spürte ihr Gesicht heißer werden und wusste nicht so Recht, wie sie reagieren sollte. Diese Wärme, die Gary ausstrahlte, war unglaublich. Dann sah sie nochmals in sein Gesicht. Es war dem Ihren so nah. Sie konnte seinen Atem spüren, er kitzelte ihre Haut. Seine Augen blickten sie zart an, aber auch mit einer Spur Sieg in ihnen. Chloé hielt die Luft an. Gary verstärkte den Griff um ihre Hüfte. Er bewegte sein Gesicht immer weiter auf Chloés zu. "Gary..", versuchte sie sich zu sträuben und ihr Gesicht zu entziehen, aber Garys war schon zu nah. Immer näher. Es waren nur noch ein paar Millimeter zwischen ihren Lippen. Und gerade als er die Augen schließen wollte, hörten die beiden ein Geräusch und schreckten zurück.


    Jace konnte nicht schlafen. Lucia war zwar nett, aber so anhänglich. Was fiel ihr eigentlich ein sich so nah zu ihm zu legen? Ihre Ausrede, von wegen sie hätte Angst und könnte alleine nicht schlafen, war von Jace sofort als Vorwand zum Kuscheln enttarnt worden, aber er war ein Gentelman und sagte zu. Jedoch wusste er nicht, dass sie so anhänglich war und so warm. Jace wunderte sich, dass das ihre normale Temperatur war. Er versuchte sich immer wieder durch drehen und räckeln aus ihrem stählernen Griff zu befreien, aber es gelang ihm nicht. Dazu kam noch das Gequatsche von Gary und Chloé. Gerade als es Jace zu bunt wurde, kam Lucias Plinfa vorbei. "Perfektes Timing, Kleiner" lachte Jace leise und schnappte sich das Plinfa, welches ein lautes Quiken von sich gab. "Pssst, sei doch leise, du weckst noch deine Trainerin!" Vorsichtig hob Jace Lucias Arm hoch und legte den kleinen Pinguin darunter. Endlich befreit, sprang der Junge auf und streckte sich erstmal ausgiebig. "Tagchen, Leute. Ich hoffe, ich hab euch nicht erschreckt" sagte Jace zu den Beiden am Lagerfeuer und setzte sich neben Chloé. "Arkani, komm mal bitte kurz her" rief er noch sein Pokemon, dass sich darauf direkt hinter seinem Trainer legte. "Perfekt, ohhh du bist sooo kühl, Arkani!" stöhnte der Junge erleichtert, als er sich an sein Pokemon kuschelte. Jace spürte einen hasserfüllten Blick auf sich ruhen. "Gary, was ist los?"
    "Nichts! Schlaf jetzt einfach!" antwortete dieser.
    Jace zuckte mit den Schultern und sah dann Chloés erleichterten Blick auf ihn gerichtet. "Was ist Chloé? Ist dir kalt? Wo ist meine Jacke?" fragte der Trainer das hübsche Mädchen.
    "Nein, mir ist nicht kalt. Deine Jacke ist in meinem Schlafsack" antwortete die Brünette, "möchtest du sie wieder haben?" sagte sie noch und war schon aufgesprungen, um die Jacke zu holen.
    "Nein, du kannst sie ruhig noch eine Weile behalten" sagte Jace noch, als Chloé schon mit der Jacke vor ihm stand. "Willst du dich auch an mein Arkani legen? Es ist für mich jetzt richtig kühl nach Lucias Hitze, aber für dich sollte es angenehm warm sein" fuhr er lächelnd fort.


    Chloé konnte gar nicht in Worte fassen, wie unglaublich dankbar sie Jace in gerade diesem Moment gewesen war. Wäre er nicht gekommen...Chloé fuhr ein kalter Schauer über den Rücken und blickte zu Gary zurück. Er saß da ziemlich sauer, aber auch Trauer zeichnete sich in seinen Gesichtszügen ab. Die Brünette bekam sofort ein schlechtes Gewissen, obwohl sie sehr froh war, jetzt vor Jace zu stehen, der sie herzlich anlächelte. Das Angebot klang mehr als verlockend, denn auch sie könnte eine Abkühlung gebrauchen, denn Schweiß hatte sich während des missglückten Versuches von Gary auf Chloés Stirn abgelagert. "Ja, das klingt sehr gut. Und mir ist ehrlich nicht kalt. Im Gegenteil. Am Feuer wurde es...sehr warm." Sie wollte gar nicht wissen, wie Gary sie gerade anstarrte, aber seinen Blick spürte sie sehr deutlich. Jace' Lächeln wurde breiter. "Gut, dann mach es dir bequem." Gesagt, getan. Chloé ließ sich sanft in das flauschige Fell des Arkani fallen, und sie war begeistert von der angenehmen Kühle. Es war total weich, ihr Voltilammkissen war nichts dagegen. Sie hätte sogleich wieder einschlafen können, wie Jace, der neben ihr lag und schon leise angefangen hatte zu schnarchen. Chloé musste lächeln. Dann drehte sie ihren Kopf und begutachtete Gary. Er sah sie an. Viele Emotionen spiegelten sich in seinen Augen. Trauer, Wut, Sehsucht, und Chloé glaubte sogar eine Art Entschuldigung in ihnen lesen zu können. Aufgrund dieses Verdachtes lächelte die Trainerin und Gary erwiderte diese Geste. Chloé wandte den Blick gen Sternenhimmel, und merkte nichtmal mehr, wie sie wieder eingeschlafen war.


    Diesmal spürte Jace ein heftiges Rütteln an seiner Schulter. "Jace, du Schlafmütze! Wach auf! Deine drei Stunden Schönheitsschlaf sind vorbei!" sagte Gary und Jace konnte immernoch Wut in seiner Stimme hören. Nach einem herzhaften Gähnen merkte der zukünftige Züchter ein leichtes Gewicht auf der anderen Schulter. Er blickte in das Gesicht der noch schlafenden Chloé, die ihren Kopf auf seine Schulter gelegt hatte. Jace musste grinsen. Das war wirklich ein süßer Anblick. "Süße, aufstehen. Wir müssen weiter" flüsterte er ihr ins Ohr. Als Chloé sich ein wenig bewegte, realisierte der Grünäugige erst, was er eben gesagt hatte.
    "Was hast du gerade gesagt?" fragte die noch schlaftrunkene Koordinatorin.
    "Ich sagte ... ähm... dass du aufstehen musst. Ich weiß, Arkani ist sehr flauschig, aber wir müssen los" redete Jace sich raus.
    "Ohhh, kann Arkani mich nicht tragen, damit ich weiterschlafen kann?" fragte Chloé und blickte Jace flehend an.
    "Erst musst du deine Sachen packen und dann musst du Arkani fragen" antwortete der Trainer.
    "Och, na gut. Ich beeil mich!" Chloé sprang hoch und lief zu ihren Sachen. Jace sah sich im Lager um. Gary hatte gerade Lucia geweckt, die soeben bemerkte, dass statt Jace Plinfa mit ihr gekuschelt hatte und den Züchter in spe jetzt traurig anfunkelte.
    Jace lächelte, rieb sich den Kopf und ging zu ihr um seinen Schlafsack zu holen. "Tut mir leid, aber du warst viel zu heiß. Ich konnte nicht ruhig schlafen" versuchte der Junge mit den grünen Augen die enttäuschte Koordinatorin zu besänftigen. Er schnappte sich seine Sachen und ging zurück zu seinem Arkani. Sanft strich er dem großen Hund übers Fell.
    "So ich bin fertig guuuaaah..." hörte er eine feminine Stimme.
    "Ok, Arkani wärst du bereit Chloé eine Weile zu tragen, bitte?" sagte Jace und zwinkerte seinem Begleiter zu, ohne dass die Koordinatorin es bemerkte. Das Pokemon verstand das Zeichen seines Trainers und nickte mit dem Kopf. "Danke, Großer. Ok, Chloé spring auf."
    Der Trainer half dem Mädchen noch aufzusteigen und fragte dann in die Runde: "Seid ihr schon fertig? Wir warten hier nur auf euch!"
    Kaum eine Minute später waren die vier Jugendlichen auf dem Wag nach Schleiede.

    Jace stand in der Eingangshalle des Pokemoncenters. Zum Glück hatte er seine Sachen noch nicht ausgepackt, er war ja darauf vorbereitet bald wieder abzureisen, aber nicht so bald! Der zukünftige Züchter hatte seine Reisekleidung angezogen: Gemütliche und dennoch wetterfeste, schwarze Sneaker, eine lange dunkelblaue Jeans, ein weißes T-Shirt, eine schwarz-weiß gestreifte Jacke und einen Rucksack mit Blättermuster. Ihm gegenüber war Gary, der halb schlafend in seinem schwarzen T-Shirt mit V-Ausschnitt und seiner violetten Hose auf einem Sofa lag und seinen grauen Rucksack als Kopfkissen missbrauchte.
    Jace war zu aufgeregt um jetzt schlafen zu können. In Gedanken ging er immer wieder die wichtigsten Items durch: je 5 Poke-, Super- und Hyperbälle, 10Hypertränke und 5Hyperheiler, seine Beerenbox war fast voll, je 5 Amrena-, Maron-, Pirsif-, Fragia-, Wilbir-, Jonago-, Sinel-, Persim- und Prunusbeeren reihten sich sorgfältig nebeneinander. Dazu hatte noch unendlich viel Kleidung Platz in seinem Rucksack. Jace fragte sich manchmal, ob nicht ein schwarzes Loch in seinem Gepäckträger drin war.
    Jace sah auf die Uhr: 1:30Uhr. Er hörte Schritte und wendete seinen Blick zu der Geräuschquelle.


    "Hast du alles?", fragte Lucia das brünnethaarige Mädchen. Chloé ging nervös in dem gemeinsamen Zimmer auf und ab. Ihre eigenen Schritte machten sie nur noch unruhiger, während sie sich die gefühlten tausend Klamotten griff und sie geistesabwesend in ihre Tasche packte. Ihre Hände waren feucht, allein schon wenn sie an den glatzköpfigen Typen dachte drehte sich ihr der Magen um. Doch sie musste sich jetzt auf die restlichen Sachen konzentrieren. "Ja, ich dürfte sofort alles haben." sagte sie, es war beinahe nur ein Flüstern, und dann fand sie vor sich auf dem Boden ein kleines, knappes Spitzenhöschen. Und für wenige Sekunden versank sie in ein leises Kichern und verdrängte die Erinnerung an den Glatztypen. "Lucia, wem wolltest du denn damit eine Freude machen?" Ihr Kichern hallte laut im Zimmer wieder, und sie konnte erkennen, dass Lucia ein Spur Röte ins Gesicht schoss, sie dann aber ebenfalls in ein Lachen versank. "Hahaha, ey, man kann ja nie wissen. Vielleicht den beiden Jungs, die uns begleiten werden." Dabei kicherte die Blauhaarige noch immer, aber Chloé konnte hinter dem scheinheiligen Lachen dennoch eine kleine, bittende Wahrheit erkennen. Sie musste unwillkührlich schlucken, und sogleich war es wieder muchsmäuschenstill im Zimmer. Es war schon eine fast unangenehme Stille, die Chloé unbedingt unterbrechen wollte. "Also...", fing sie an, doch so richtig wollte ihr kein vernünftiger Gesprächsstoff einfallen. Folglich musste sie improvisieren. Toll. Darin war sie ja eine Weltmeisterin. "Ehm...also die Jungs...wie findest du sie eigentlich..?" "Chloé, das ist jetzt echt ein doofer Zeitpunkt. Ja sie sind wirklich lieb und auf ihn hab ich schon so mein Auge geworfen, aber wir müssen jetzt wirklich los. Komm schon, es geht hier vorallem um deine Sicherheit!" Sogleich vernahm Chloé noch das Geräusch eines Reisverschlusses, spürte Lucias Hand um ihr Handgelenk und die beiden Mädchen polterten die Treppe hinunter. Am Treppenansatz konnte Chloé schon einen braunen Haarschopf erkennen. Dann kam ihr die Aussage von Lucia wieder in den Kopf. Sie hatte ein Auge auf ihn geworfen. Ihr Kopf begann sich zu drehen und sie konnte nur schwer schlucken. Auf wen denn jetzt? Gary oder Jace? Präziser hätte sie es aber auch nicht ausdrücken können. Missmutig sprang sie auch noch die letzten paar Treppenstufen hinab, und ein Bild tauchte in ihrem Blickfeld auf, das für die Uhrzeit echt nicht zu toppen war und ihre düsteren Gedanken zum Verschwinden brachte. Unten stand Jace, Gesicht und Oberkörper zu den Mädchen gerichtet, und er empfing sie mit einem herzlichen Lächeln, auch wenn Müdigkeit seine Züge zierte. Welch ein Glück, dass er sich dazu bereit erklärt hatte. Dann hielt sie nach Gary ausschau, ebenso wie Lucia. Dieser lag bis dato ruhig auf dem Sofa und schien eingeschlafen. Kaum als das Poltern auf der Treppe zu vernehmen gewesen war, war er hochgeschreckt und hatte sich völlig schlaftrunken aufgesetzt und ebenfalls versucht aufzustehen. Zu spät jedoch, die Coolness die er hatte ausstrahlen wollen, war nicht da. Gar nicht. So stand er wankend neben Jace und versuchte sich ebenfalls an einem Lächeln, wobei es mehr danach aussah, er schlafe im stehen als das er wartete. Chloé musste lächeln. Gary schien es wie eine Erwiderung seines Lächeln zu sehen und grinste triumphierend, woraufhin Jace' Miene noch ein wenig trüber wurde. Um fast 2 Uhr morgens war die Stimmung halt doch ein wenig anders als am helligsten Tage.


    "Ihr seid ziemlich spät" sagte Gary und gähnte herzhaft.
    Sein Gähnen wirkte ansteckend, denn nach ihm gab auch Lucia ein lautes Guuaaaahhh von sich und sagte:" Sorry, aber wir sind halt Mädchen und müssen viele Sachen packen" dabei streckte sie ihm noch die Zunge heraus.
    "Hauptsache ihr habt nix vergessen und wir können aufbrechen. Ich hoffe, die kühle Nachtluft hält uns 'ne Weile wach" sagte Jace und machte seiner Müdigkeit ebenfalls mit einem lauten Geräusch Ausdruck. Er drehte sich zum Ausgang und wollte schon gehen, als Garys Stimme ertönte: "Warte mal kurz, weißt du denn überhaupt wo wir lang müssen?" Erst sah der Proffessor in spe Jace an, danach wanderte sein fragender Blick zu den beiden Mädchen.
    "Also erst wollten wir nach Herzhofen wegen dem Wettbewerb" antwortete Chloé.
    Gary holte eine Karte aus seinem Rucksack, während Jace wieder an die Gruppe heran trat. "Wenn ich das richtig sehe, müssen wir durch Schleiede, an Trostu vorbei und dann sind wir auch schon da" stellte der Junge mit den braunen Augen fest.
    "Können wir einen Abstecher in Trostu machen? Da ist eine Pension, die wollte ich mir anschauen" fragte Jace.
    "Wenn wir genug Zeit haben bestimmt" sagte Lucia und lächelte.
    "Ok, also jetzt kenne ich den Weg, können wir jetzt bitte aufbrechen?" fragte Jace.
    "Jap, jetzt ist alles geregelt! Hophop Ladies, wir müssen in die böse Dunkelheit um euch zu beschützen" versuchte Gary den Koordinatorinnen Angst zu machen und kicherte dabei.
    "Du bist so ein Arsch, Gary!" schnauzte Chloé ihn an.
    "Ich bin kein Arsch, ich bin ein Kavaillier" antwortete dieser und zwinkerte.
    "Wohl eher ein möchtegern Charmeur" gab die Brünette zurück und streckte ihm die Zunge heraus.
    Die Gruppe betrat die finstere Nacht. Gary hatte das Gefühl von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Ein kühler Wind umspielte ihre Körper. Die Sterne funkelten am schwarzen Himmel. Es herrschte völlige Stille, die nur vom Rascheln von Blättern und dem sanften Rauschen des Meeres unterbrochen wurde.

    "Wo Chloé wohl ist..?" , fragte sich das Mädchen mit dem schwarzen Pailettenkleidchen und den dunkelblauen Haaren. Gewiss hatte sie ein schlechtes Gewissen, dass sie sie alleine in der großen Menge hat stehen lassen, aber Lucia wurde eben von der guten Laune der Partywütigen angesteckt. Inzwischen hatte sie ihren zweiten Drink in der Hand, süßlich angehaucht , im Abgang war der Alkohol jedoch deutlich zu schmecken. Um sie herum herrschte ein wahsinnig lauter Geräuschpegel, der jeden mit der guten Laune ansteckte, was zum Teil auch an der Musik lag. Es roch nach Schweiß, Alkohol und der salzigen Meeresluft. All dies änderte jedoch nichts daran, wie schlecht sich Lucia fühlte, weil sie Chloé allein gelassen hatte. Sie blickte sich um. Nur tanzende und trinkende Leute. Von Chloé, aber ebenfalls von den beiden süßen Jungs Jace und Gary, keinerlei Spur. Lucia schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Sie hatte dabei ein ganz schlechtes Gefühl. Dann nahm sie sich ein Herz und trank schnell den letzten Schluck ihres Getränkes, warf den Becher ungeachtet in den Sand und schlängelte sich zwischen der Menge hindurch zu dem etwas abgelegenen Strandteil. Inzwischen war die einzige Lichtquelle der helle Mond. Und Lucia machte sich auf die Suche nach ihrer besten Freundin.


    "So, und was jetzt" fragte Gary.
    "Wenn ich das wüsste. Wir können diesen Typen nicht einfach laufen lassen!" antwortete Jace.
    "Dann muss jemand Officer Rocky holen und Lucia sollten wir auch noch irgendwo finden" sagte Gary.
    "Und wer geht auf die Suche?" Es herrschte eine kurze Pause der Überlegungen. Beide Jungs blickten auf das ohnmächtige Mädchen.
    "Ich bleib bei ihr!" sagten beide Trainer im Chor. "Nein, du musst gehen und Hilfe holen, ich bleibe hier!" kam es erneut synkron aus ihnen heraus. "Wir sollten aufhören gleichzeitig das gleiche zu sagen!" zum wiederholtenmal im absoluten Gleichklang. Die beiden Jungs funkelten sich gegenseitig böse an.
    "Ich hab eine Idee!" sagte Jace, diesmal allein, und holte zwei Pokebälle hervor. "Los, Dragonir und Arkani!" Ein blauer Schlangendrache und ein riesiger rot-brauner Wolf erschienen aus zwei kleinen Kugeln. Sie begrüßten ihren Trainer mit freudigen Lauten. "Dragonir, wickel diesen Typen ein!" Der Drache löste Gary ab, dieser kniete nun auch neben Chloé.
    "Guter Einfall, Kleiner, aber wer macht sich jetzt auf den Weg?" fragte Gary und sah Jace herausfordernd an.
    "Ich hatte die Idee, du steigst auf Arkani und holst Hilfe" antwortete dieser triumphierend.
    "Aber es ist dein Arkani, du wärst schneller" gab braunäugige Junge grinsend zurück.
    "Du hast doch etwa keine Angst vor meinem kleinen Arkani, oder? Obendrein haben wir genug Zeit, Dragonir hält den Spasten in schach und schnürt ihn noch fester zu, wenn er sich wehrt. Also hob hob, auf auf und davon Gary"
    "Erstens hab ich selber ein Arkani und keine Angst vor deinem Pimpf-" in diesem Moment knurrte das Feuerpokemon und Gary schreckte zusammen. "-aber es scheint mich nicht sehr zu mögen. Ich denke Chloé braucht schnell hilfe also mach du dich auf den Weg, Kleiner!" drängte der Professor in spe "oder willst du sie nicht allein bei dem bösen Gary lassen, weil du dich -"
    "Ach, sei still ich geh ja schon du Angsthase!" Jace legte Chloé sanft auf den weichen Sand und sprang gekonnt auf sein Pokemon. "Pass gut auf sie auf, Großer!" rief er noch, bevor Arkani davon brauste.


    Schwach drangen ein paar ihr bekannte Stimmen an Chloés Ohr. Gary und Jace. Sie musste lächeln, obgleich sie nicht wusste, ob sie es tatsächlich tat oder nicht. Denn ihr Gesicht war taub, und sosehr sie ihre Augen auch öffnen wollte, so gelang es ihr nicht. Generell konnte sie sich nicht rühren. Also konzentrierte sie sich verstärkt auf ihr Gehör, welches zwar auch gerade nicht das beste war, aber mehr konnte sie nicht tun. Hören und Fühlen. Sie fühlte den kühlen, weichen Sand unter ihrer Haut, der sie sanft zu umschlingen schien. Ebenfalls spürte sie ein paar vor Schmerz pochende Stellen an ihrem Körper, wo dieser abartige Kerl sie so hart angepackt hatte, undzwar an ihrem Handgelenk und ihrer Schulter. Sogleich zuckte das Mädchen zusammen, weil es an besagter Stelle, ihrem Handgelenk, berührt wurde. Sie hatte Angst, dass es der Kerl war, aber schon an der Art der Berührung konnte sie den Unterschied spüren. Wärme und Sanftheit. Ganz vorsichtig wurde ihr Arm von weichen Fingern umschlossen, und Chloé spürte, wie sie allmählich stärker zu werden schien. Ihr Gehör wurde wieder klarer, aber noch war es unmöglich, die Augen zu öffnen. Wenigstens redete er mit ihr. Gary. " Dieser Abartige! Was hat er dir nur angetan? Das ist ein ganz schöner Bluterguss..." Seine Stimme verlor sich in sanften Gemurmel. Dann ließ er ihr Handgelenk los und hob Chloés Kopf zwar unerwartet, aber dennoch sanftmütig hoch und legte ihn anscheinend auf seinem Schoß. Das Mädchen konnte die Situation in ihrem Zustand nicht wirklich einschätzen, aber hätte sie es nicht besser gewusst, so vermutete sie, dass sie rot geworden war. Dann spürte sie die warme Hand von Gary über ihr Haar streichen. Auch wenn Jace es vorhin ebenso getan hat, so war es diesesmal grundlegend anders. Wie anders genau, konnte Chloé nicht sagen. Einfach anders eben. Seine Hand begann zu wandern, ohne die Zärtlichkeit zu verlieren. Nun strich er über ihre Wange. Er flüsterte ein paar Sachen, die Chloé nicht verstehen konnte. Das wurde ihr eindeutig zu viel. Schlagartig riss sie ihre Augen auf, und im ersten Moment sah sie nur einen unscharfen Umriss. Als sich ihre Sehstärke wieder normalisiert hatte, sah sie genau über sich braune, zerzauste Haare, schokoladig braune Augen und einen überraschten Gesichtsausdruck. Seine Hand jedoch verblieb auf Chloés Wange. Gary sagte perplex: "Du...du bist wach." Chloé war noch zu schwach um zu reden, also nickte sie nur schwach. Garys Blick wurde sanft. "Gut. Geht es dir entsprechend? Er hat dich...naja...übel zugerichtet klingt so hart, aber..." "Mein Handgelenk tut weh," brachte Chloé mit wackeliger Stimme heraus. "Bluterguss. Ich weiß schon. Wie lange ist Jace schon weg?" Sie wunderte sich selbst über ihre Stimme, dass sie schon wieder ganze Sätze reden konnte. Garys Blick jedoch wurde hart und er zog seine Hand schnell zurück. "Ich kümmer mich hier um dich, setz mein Leben auf's Spiel für dich, und du denkst nur an...Jace?" Er sprach den Namen sehr traurig aus, und Chloé bekam ein schlechtes Gewissen. Das alles mussten sie nur für sie tun. Wie peinlich, sie kannte sie doch kaum. Doch sie versuchte sich trotzdem zu entschuldigen. "Gary, ich...ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich dir danke, aber -" Aber sie wurde unterbrochen. Von den nahenden Schritten eines großen Pokemon. Und den Rufen zweier lieber Menschen.


    Schneidend peitschte der salzige Wind gegen die zusammengekniffenen Gesichtszüge von Lucia. Welch ein Glück, dass Jace vor ihr saß und das meiste abschirmte. Welch ein größeres Glück noch, dass er sie aufgeschnappt hatte und die ganze Geschichte mit Chloé erzählt hatte. Na gut, Glück konnte sie das nicht mehr nennen, im Gegenteil, Tränen hatten sich in ihren Augen gesammelt und unglaubliche Schuldgefühle und 'Was wäre wenn?' - Fragen kamen bei dem blauhaarigen Mädchen auf. Nun sprinteten die beiden durch die Nacht. Lucia klammerte sich ganz fest an den Reiter des großen Arkani und konnte seine Muskeln spüren. Sie musste sich ein erfreutes Kichern verkneifen und lief ein wenig rot an, was in der Dunkelheit zum Glück nicht zu sehen war. Vorhin hatte sie noch Officer Rocky von ihrem Handy aus angerufen. Vielleicht war sie ja schon am Tatort, um diesen Scheißkerl festzunehmen. Lucia würde ihn am liebsten an einen Ort treten, wo die Sonne niemals hinschien. Undzwar richtig fest treten. Während sie diese Gedankengänge verfolgte, verlangsamte Arkani und Lucia richtete ihren Blick auf und schaute an Jace' schönen Haaren vorbei.Dort bot sich ihr ein absolut verwirrender Anblick. Auf dem Boden saß einmal Gary mit ausgestreckten Beinen, auf seinem Schoß Chloé. Er streichelte ihr Gesicht, so sah es jedenfalls von Weitem aus. Lucia verspürte einen Stich in ihrer Brust, den sie nicht deuten konnte. 'Ach was, er kümmert sich nur um sie, schließlich wäre ihr fast etwas Schreckliches widerfahren.', redete sie sich ein. Dann schweifte ihr Blick ab zu dem Dragonir, welches einen Typen sehr eng umschlungen hatte, entkommen unmöglich. Lucia grinste. Sie näherten sich weiter den beiden am Boden liegenden. Kaum hatte Arkani seinen Stillstand erreicht, sprang Lucia ab und fiel fast 2 Meter auf den Boden, aber das war ihr egal, zum einen, weil der weiche Sand ihren Sturz abfederte, und zum anderen, weil für sie jetzt nur zählte, ihre Freundin in die Arme zu schließen. "Chloe!" rief sie laut auf, und die liegende Trainerin blickte glücklich auf. Sie versuchte sich aufzusetzen, als Lucia schon bei ihr war und sie in die Arme schloss. "Oh mein Gott Chloé, das tut mir unglaublich Leid, ich hätte dich niemals alleine lassen dürfen! Hätte er das getan, das hätte ich mir niemals verzeihen können! Es tut mir so Leid Süße!" Und Lucia brach in Tränen aus und schluchzte, und ihre Freundin tat es ihr gleich. Unter dem Wimmern brachte Chloé heraus: "Lucia, ist schon gut, ich hätte dir einfach folgen sollen. Es ist alles okay. Alles guuhuuhuuut..." Mehr konnte sie nicht sagen zwischen ihren Tränen. So lagen sie sich eine ganze Weile in den Armen, und Lucia spürte die staunenden Blicke von Gary und Jace. Dann ließen die beiden Mädchen voneinander ab. Und Chloés Blick wanderte zu Jace.


    Jace saß immernoch auf Arkani. Das Bild von Gary und Chloé bereitete ihm schon von weitem Bauchschmerzen. Als der Züchter in spe den Blick des Mädchen auf sich spürte, musste er ein leichtes Lächeln unterdrücken. Er sprang von seinem Pokemon und ging langsam auf das Knäul aus zwei sich umarmenden und weinenden Mädchen zu. "Hey, alles ok bei dir?" fragte er die Grünäugige.
    Diese brachte unter Tränen hervor: "Es geht, ich werd ein paar Blauflecken als Erinnerung behalten müssen. Ich muss dir danken. Wer weiß, was passiert wäre, wenn du nicht gekommen wärst. Ich hätte weit mehr davon getragen als diese paar blauen Flecken. Jace...ich danke dir so sehr...wie kann ich das nur wieder gut machen?" Ein Lächeln drang durch die Tränen hervor.
    Jace steckte ein Kloß im Hals und seine Augen waren weit aufgerissen. "Du...brauchst gar nix zu tun... ich bin ein Gentelman und helfe Frauen in Not ohne Belohnung"
    Gary versuchte ein Lachen zu unterdrücken: "Ich bin ein Gentelman! Du willst doch bestimmt eine Kleinigkeit" zwinckerte der Braunäugige.
    "Nein, ich brauch nix!" sagt Jace und wurde rot.
    Chloé sah zwischen den beiden Jungs perplex hin und her. Plötzlich ertönten von weitem Sirenen. "Da kommt Officer Rocky" rief Lucia und schon stand die Polizistin vor den vier Jugendlichen.
    "So, hier bin ich. Wo ist der Verbrecher?" sagte Rocky.
    "Der wird da drüben von meinem Dragonir festgehalten, nehmen sie ihn mit und sperren sie ihn für eine Ewigkeit weg!" antwortete Jace.
    "OK, mir genügt die Aussage von Lucia. Wenn noch irgendwas ist ruf ich euch an."
    Keine fünf Minuten später war der Mistkerl abgeführt, die Pokemon in ihren Bällen und die Vier saßen im Kreis am Strand, Lucia und Chloé hielten sich immer noch im Arm.
    "Ich denke mal, die Party fällt hiermit für uns aus" sagte Gary ein wenig betrübt, aber dennoch froh darüber, dass es den Mädchen gut ging.
    "Ja, das tut sie" antwortete Lucia.
    "Ich denke, wir sollten euch zum Pokemoncenter zurück begleiten. Ihr verdaut den Schock und schlaft schön aus und morgen Mittag gehen wir alle zusammen essen" schlug Jace vor. Die beiden Mädchen tauschten einen traurigen Blick aus. "Was ist los?" fragte der Züchter in spe.
    "Wir müssen morgen abreisen" antwortete Chloé leicht verzweifelt.

    "So, das ist euer Zimmer. Ihr habt Glück gehabt, es ist das letzte freie Zimmer." sagte Schwester Joy freundlich, als sie den beiden Jungs ihr Nachtquatier zeigte.
    "Vielen Dank" antworteten die Trainer und sahen sich erstmal in ihrer Unterkunft um. Zwei Einzelbetten befanden sich an der Wand. Gary machte es sich erstmal bequem und schloß die Augen. Die Schränke, die den Betten gegenüber standen, wurden von Jace gemustert. Durch ein großes Fenster fiel Sonnenlicht in den großen Raum. Eine hölzerne Tür führte zum hellen und dennoch kühlen Badezimmer. Jace wühlte in seinem Rucksack und holte sein Partyoutfit raus. Es bestand aus einer lockeren Jeans, einem roten T-Shirt und einem blau-weiß kariertem Hemd. Doch bevor er sich in Schale warf, sah er auf die Uhr. "8Uhr, noch genügend Zeit" dachte Jace und stelte sich ans Fenster. Die Aussicht war fantastisch! Jace sah direkt auf den Strand und das Meer. Langsam wich die Flut und gab genügend Platz für viele Partysüchtige frei und dennoch konnte man nie sicher sein, dass die Füße trocken blieben. Langsam verschwand die Sonne hinterm Horizont und verwandelte das sanfte Meer in glühende Lava. Plötzlich hörte Jace das Geräusch von prasselndem Wasser. Er blickte auf die beiden leeren Betten und rief: "Gary, du Arsch!" Der Trainer sah erneut auf die Uhr. "20 vor 9?!?! Gary, beeil dich mit dem Duschen!!" Jace beobachtete die Vorbereitungen für die Strandfete vom Fenster aus...


    "Luciaaaaaa, hau rein, ich muss auch gleich ins Bad!" Keine Antwort. Chloé klopfte ungeduldig an die Tür des gemeinsamen Bades. Die hölzerne Tür gab ein stumpfes Geräusch wieder, sonst hörte man keinen Laut außer die impulsiven Atemzüge des Mädchens. Halb 9. Wie sollte sie in dieser halben Stunde etwas zum Anziehen finden und sich fertig machen?! Glücklicherweise hatte sie schon vorher geduscht. Trotzdem. Viel zu wenig Zeit nach Chloés Geschmack. Nach schier einer Ewigkeit öffnete sich die Badezimmertür und das blauhaarige Mädchen stand mit nassen Haaren in der Tür, einzig ein Handtuch schmiegte sich an ihren Körper. "Mach mal kein Stress, ich hab halt etwas länger gebraucht" Sie zwinkerte Chloé ungeniert zu und forderte sie mit einer schnellen Handbewegung auf, in das Bad zu kommen. "Du hast ja schon vorhin geduscht. Also musst du dir nur noch die Haare machen, dich schminken und was zum Anziehen raus -" "Ooooh, was soll ich nur anziehen?" Verzweiflung spiegelte sich in Chloés Blick. 'Ich will ihm doch gefallen...', fügte sie in Gedanken noch hinzu, aber Lucia sollte das nicht unbedingt hören. "Süße, komm runter, du findest schon was, notfalls Bikini, ist immerhin 'ne Strandparty. Hihi!" Lucia lachte sich wieder ins Fäustchen, was das grünäugige Mädchen gar nicht witzig fand. "Chloé, schmink dich erstmal, Klamotten suchen wir gleich raus." Dies tat Chloé dann auch. Sie stellte sich vor den großen Spiegel und begutachtete sich. Ihre Haare fielen mit ein paar Locken sanft über ihre Schultern, ihre grünen Augen glänzten voller Aufregung, ein liebliches Lächeln umspielte ihren Mund, und eine Strähne fiel ihr in die Stirn. Sie blickte auf den Waschbeckenrand und schnappte sich einen Mascara, mit dem sie ihren dünnen Wimpern mehr Volumen verlieh. Da sie sowieso nicht eine von denen war, die immer Kilo's an Schminke verbrauchten, benutzte sie anschließend nur noch Make-up. Danach kämmte sie ihre Haare. Nein, sie versuchte es, denn inzwischen wusste sie, dass ihre Mähne nicht zu bändigen war. Egal, dachte Chloé sich, ich geh gleich eh in den Wind. Abermals sah sie in den Spiegel. Sie war ganz zufrieden mit sich und lächelte selbstzufrieden. Ihr Blick wanderte zu Lucia, die sich ebenfalls geschminkt hatte, jedoch etwas mehr als sie selbst. "Bald kann's losgehen, Süße.", wisperte Lucia, wie als würde sie zu sich selbst reden. "Ja." antwortete Chloé. "Das kann es wirklich..."


    Endlich stand Jace unter der Dusche. Das warme Wasser perlte seinen Körper hinab. Es war ein wunderbares Gefühl. Die Duschkammer war schnell mit Nebel gefüllt. Nachdem das Wasser den restlichen Schaum beseitigt hatte, fielen die letzten Tropfen aus der Brause und der Nebel schlich aus der Kabinentür. Schnell trocknette der Trainer sich ab, befestigte das Handtuch um seine Hüfte und starrte sein Spiegelbild an. Einige nasse Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, mit einer gekonnten Bewegung flogen diese zur Seite, um dann direkt wieder in ihre Ausgangsposition zu fallen. Verzweifelt griff Jace zum Handtuch, schrubbte seine Haarpracht trocken und griff dann zu seinem liebsten und einzigen Stylingmittel, Gel. Mit wenigen Handgriffen war die Frisur perfekt. Ein siegreiches Lächeln umspielte Jace´ Gesicht. Die Klamotten waren schnell übergestreift und Jace war party-bereit. Der Trainer trat durch die Tür und erblickte Gary, der auf seinem Bett saß und seine Pokebälle pollierte.
    "Oh, du bist schon fertig? Denkst du, dass die Mädels dich mit deiner neuen Frisur erkennen? Du siehst aus, als würde ein Feurigel auf deinem Kopf sitzen" lachte der Professor in spe.
    "Ach, du bist doch nur neidisch, weil ich einfach Top aussehe!" sagte Jace und blickte erst beleidigt zur Seite, um dann ebenfalls in lautem Gelächter auszubrechen.
    "Ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell einen Urlaubsflirt finden" sagte Gary und zwinkerte seinem Freund zu.
    Jace stellte sich ans Fenster, nahm sich ein Tuch und begann ebenfalls seine Pokebälle zu pollieren. "Ja, die beiden sind schon sehr süß" stimmte der künftige Züchter zu. Sein Grinsen wich einem entsetzten Blick, als er sah, was gerade am Strand passierte...

    Guten Tag
    Ich bin Kuraudo und freu mich sehr mit meiner Freundin (Onee-Chan) diese FF zu schreiben. Ich hoffe ihr habt beim Lesen so viel Spaß, wie wir beim Schreiben. ;)
    viel spaß hier kommt der Prolog:


    Prolog


    Die Sonne spiegelte sich in den sanften Wellen des Meeres. Die M.S. Aqua steuerte gerade auf den Hafen von Sonnewik zu. Der salzige Wind wehte den jungen Trainern um die Nase. Jace und Gary standen an Deck und genossen den Ausblick. Ihre Reise war lang und ereignislos, doch bald waren sie am Ziel: Sinnoh.
    Aquana und Nachtara schmiegten sich an die Beine ihrer Trainer. Nicht nur sie waren froh endlich angekommen zu sein, Vorfreude spiegelte sich in den Gesichtern der Jungen.
    "Endlich sind wir da, die dumme Fahrt hat lange genug gedauert!" lachte Gary.
    "Ja, ich hoffe nur, dass wir diese Reise nicht umsonst tun" antwortete Jace.
    "Ach, sei doch nicht so eine Spaßbremse. Wir werden nicht nur viele neue Pokemon sehen, wahrscheinlich werden wir auch noch einigen hübschen Mädchen über den Weg laufen" sagte der Weiberheld und zwinkerte seinem Sandkastenfreund zu.
    "Du kleiner Schwerenöter, du! Denkst immer nur ans Eine!" lachte der Züchter und schlug seinem Kollegen leicht auf die Schulter. "Naja, jedenfalls sollte es eine coole Erfahrung werden, einmal raus aus dem langweiligen Kanto."
    "Ich denk nicht immer nur an das Eine. Manchmal denk ich auch an die Zwei und gerade sehe ich Zwei mal Zwei. Schau mal da rüber, Kleiner" kicherte Gary, der ein paar Zentimeter kleiner war als Jace, und zeigte auf den näherrückenden Strand. Zwei hübsche Mädchen in Bikinis lagen auf dem hellen Sand.
    "Du bist unglaublich!" lachte Jace.
    "Komm, Kleiner, wir laden die Beiden ein um unsere Ankunft hier gebührend zu feiern!" grinste der Möchtegern-Professor.
    Jace wusste nix was dagegen sprechen würde, denn er hatte schon ein Auge auf eines der beiden Mädchen geworfen. Ein hellblauer Bikini umschmiegte ihre Kurven und sie hatte lange hellbraune Haare. Plötzlich näherte sich ein Aquana dem Mädchen. Sie empfang es freudestrahlend.
    Der Züchter grinste und sagte zu seinem Aquana: "Schau mal, da hast du eine Freundin zum spielen...WHAAAA!" Da bemerkte Jace, dass sein Aquana verschwunden war. "Aquana! Komm sofort wieder her!" Während Jace auf Deck rumbrüllte, konnte Gary sich vor Lachen kaum mehr einkriegen.


    Chloé hatte gerade erst angefangen, die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut zu genießen, als sie bei ihrer Entspannung schon wieder gestört wurde. Sie kniff verwundert die Augen vor der grellen Sonne zusammen, als sie nasse Tropfen auf ihrer zarten Haut spürte. Während sich ihre Augen langsam an die Helligkeit gewöhnten, konnte sie erstauntes Gelächter vernehmen, das von ihrer besten Freunde stammte. Lucia schien überaus belustigt über die Situation, die Chloé selbst noch nicht einmal einschätzen konnte. Nachdem sie es schließlich endlich geschafft hatte, ihre Lider zu öffnen, erkannte sie den Schatten eines ihr gut bekannten Pokemon, das sie schon lange hatte sehen wollen. Das Wasserpokemon sprang freudig auf und ab, als es das Mädchen mit den hellbraunen Haaren nass machte, und gab ein erfreutes Geräusch von sich. "Aquana...?!" Chloé konnte sich noch immer nicht erklären, woher dieses ihr nicht gehörende Pokemon so plötzlich kam. Lucia neben ihr mischte sich ein, die anscheinend auch ein wenig nass geworden war. "Ist ja interessant, kommt es einfach so aus dem Meer auf dich zu, vielleicht will es ja zu dir gehören!" Sie streichte mit einer Hand über die schuppige Haut von Aquana, dies ließ das Pokemon jedoch völlig kalt, weil es Chloé weiterhin mit ruhigen Augen ansah. "Ich kann es doch nicht behalten, Lucia. Es gehört vielleicht jemandem, und er muss ja noch in der Nähe sein, also warten wir." "Spielverderberin.", beschwerte sich Lucia und strich mit der vorhin angewandten Hand über ihre dunkelblauen Haare. Chloés Blick wanderte den Strand auf und ab, auf der Suche nach einem Trainer, der so aussah, als würde er ein Pokemon vermissen, jedoch blieb ihre oberflächliche Suche erfolglos. Nur sich sonnende Leute, Mädchen, die im Meer Wasserball spielten, und das immer näher kommende Schiff M.S. Aqua . Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder zurück auf das Aquana, das immer noch ruhig dastand und das Mädchen anblickte. "Na gut. Kannst erstmal hier - " "Aquanaaaaaaa!" Sie vernahm den lauten Ausruf, der ihr einen Schock durch die Glieder fahren ließ, woraufhin sie laut aufquikte und herumfuhr. Und in ihr Blickfeld traten zwei Jungs, die auf die beiden Koordinatorinnen zugerannt kamen.