Ich habe für mein Seminar "Entwicklung und Sozialisation" eine Vorlesung vorbereiten müssen unter dem Thema "Moralische Entwicklung". Das Thema ist wirklich breit gefächert, sehr interessant und vor allem schwierig. Mein Schwerpunkt war Kohlbergs Studenmodell der Moralentwicklung und das Thema beschäftigt mich seit dem noch intensiver, da ich verschiedene Stufen von Moral kennen lernen durfte. Wenn es wen interessiert, kann ich gerne noch das Stufenmodell erklären. Aber nun zu meiner Antwort:
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[tab=Vorwort]
Ich finde es immer sehr schwierig sich in solche fiktiven Situationen reinzudenken. Bei einigen spüre ich, dass ich dazu tendieren würde anders zu handeln, als es meinen Vorstellunge entspricht. In anderen Situationen wiederrum, weiß ich, dass es auf andere wohl eiskalt wirkt, aber es ist nun mal meine Überzeugung, dass es so richtig ist.
Ich entscheide im Endeffekt so, wie ich am besten damit Leben kann. Ob das in einer "realen" derartigen Situation tatsächlich so ablaufen würde, kann man nie mit Sicherheit sagen. Aber ich versuche nach bestem Gewissen zu antworten ;)
[tab=Dilemma 1]
Hat Heinz das Medikament stehlen dürfen? Warum?
Dürfen nicht wirklich, aber ich hätte ihn bestimmt nicht abgehalten. Irgendwo war es seine Pflicht als Ehemann, als Mensch.
Was ist schlimmer: jemanden sterben zu lassen oder zu stehlen? Warum?
Natürlich jemanden sterben zu lassen. Materielle Dinge finden immer Ersatz, ein Menschenleben nicht.
Hätte ein Ehemann einen triftigen Grund zu stehlen, auch wenn er seine Frau nicht liebt?
Für einen Außenstehenden macht es wohl keinen Unterschied, ob er seine Frau nun liebt oder nicht. Ob er es trotzdem getan hätte, ist eine andere Frage. Seine Beweggründe waren wohl, die Frau, die er liebt zu retten. Liebe lässt nun mal alles andere nichtig erscheinen, genauso das Gesetz. Würde er sie also nicht lieben, würde er es übrhaupt stehlen? Wenn es aber seinen moralischen Vorstellungen entspricht, ein menschenleben zu schützen, egal unter welchen Umständen, dann ist es irrelevant.
Wäre es genauso gerechtfertigt, für einen Fremden wie für die eigene Frau zu stehlen? Warum?
Wie bereits erwähnt, sehe ich es so ähnlich wie alle anderen. Menschenleben steht über dem Eigentumsrecht.
Angenommen, Heinz stiehlt das Medikament für ein Haustier, das er gerne hat. Wäre es gerechtfertigt für ein solches Tier zu stehlen?
Ja, du kannst eine Sache wieder "herstellen", du kannst Schadensersatz leisten, aber du kannst kein Lebewesen mehr von den Toten auferstehen lassen.
Heinz stiehlt das Medikament und wird festgenommen: Soll der Richter ihn verurteilen? Warum?
Ja, natürlich. Stehlen ist gegen das Gesetz. Allerdings muss natürlich auf die Intention geachtet werden. Es reicht schon, wenn Heinz dazu verurteilt wird, das Medikament zu bezahlen + mögliche Schäden, die dem Apotheker durch den Diebstahl entstanden sind. Wie sehr Heinz auch ein Recht darauf hatte seine Frau zu retten, so hat auch der Apotheker ein Recht auf sein Eigentum. Ob der Apotheker ein Geizhals ohne moralische Werte ist, spielt hier keine Rolle.
Der Richter überlegt sich, Heinz ohne Strafe freizulassen. Was könnten Gründe sein?
Das Recht auf Leben sollte über anderen Gesetzen stehen. Schließlich sind Gesetze dazu da Ordnung zu halten, Menschen zu schützen und nicht um Menschen zu schaden. Gesetze als absolut anzusehen, wäre eine totale Missinterpretation selbiger.
Wenn man einmal daran denkt, dass alle in einer Gesellschaft zusammenleben, welche Gründe hätte der Richter dann, Heinz zu verurteilen?
Wie verständlich Heinzs Fall auch ist, so sollte klar gemacht werden, dass Diebstahl trotzdem nicht geduldet wird. Wir wollen ja nicht, dass plötzlich überall Diebstähle aus weniger plausiblen Gründen begangen werden, nur weil jeder das als Präzidenzfall nimmt. Wichtig ist halt nur, dass man die Absichten, die hinter diesem Diebstahl steckten, bei der Verurteilung mit einbezieht. Heinz wird mit Sicherheit kein Wiederholungstäter, er hat nicht gestohlen um sich selber zu bereichern und er hat zuerst versucht genug Geld zusammen zu kriegen. Dementsprechend sollte die Strafe auch höchstens aus Schadensersatz bestehen.
[tab=Dilemma 2]
Was soll sie tun?
Schwierig. Dass das nicht erlaubt ist, hat schon seine Gründe. Ich würde nicht wollen, dass man mich ohne Erlaubnis auseinander nimmt, nur weil ich tot bin. Gut, ich persönlich hab eh einen Organspendeausweis, aber wenn ich nicht wollen würde, dann möchte ich auch bitte, dass man meinen Wunsch nach dem Tode respektiert. Verliert der Mensch seine Würde, wenn er stirbt? Wenn ja, warum schmeißen wir dann nicht alle Leichen auf einen Berg und verbrennen sie? Wäre platzsparender, als diese breitflächigen Friedhöfe... Also, ich hoffe man sieht, was ich sagen möchte. So einfach ist die Sache nun doch nicht. Also, was soll unsere Ärztin machen? Na das, womit sie selber am besten Leben kann. Ich würde den Notfall-Patienten retten. Ich denke, die aktuelle Notlage ist die treibendere Kraft. Da liegt eienr im Sterben und hat Schmerzen, während der Tote schon alles hinter sich hat. Aber ich glaube, ich würde nächtelang danach noch beten, dass mir die Seele des Toten verzeihen möge.
Bei dem Notfall-Patienten handelt es sich um ein Kind. Ändert das etwas an der Lage?
Bei dem Notfall-Patienten handelt es sich um eine(n) RentnerIn. Ändert das etwas an der Lage?
Der Notfall-Patient hat den Unfall selber aufgrund übermässigen Alkoholkonsums verschuldet. Ändert das etwas an der Lage?
Nein, in keiner dieser Fälle würde ich meine Meinung irgendwie ändern. Kann nur sein, dass das Kind emotional zu einem schnelleren Entschluss verhelfen würde. Aber im Endeffekt geht es ja nur darum, das Menschenleben zu retten. Um alles andere kann man sich im Nachinein Gedanken machen.
Der Notfall-Patient hat den Unfall selber aufgrund übermässigen Alkoholkonsums verschuldet und bei dem Unfall ist ein Grundschulkind ums Leben gekommen. Ändert das etwas an der Lage?
Das ist einfach nicht meine Aufgabe als Arzt zu urteilen. Der Patient gehört gerettet und dann der Polizei übergeben. Dem verstorbenen Kind zuliebe würde ich mir schon extra Mühe geben... Nur damit der Patient aufwacht und ihm bewusst wird, was er getan hat. Reue kann schlimmer sein als der Tod. Vor allem, wenn der Patient betrunken war, kann man wohl davon ausgehen, dass er nüchtern Reue empfinden wird. Ansonsten gehört er halt angemessen bestraft und wie, ist die Entscheidung von Richtern.
Der Verstorbene, dem die Haut abgenommen werden soll, hat keine Hinterbliebenen. Ändert das etwas an der Lage?
Das würde es offiziell einfacher machen, da man sich vor keinem mehr rechtfertigen muss. Ich denke aber nicht, dass meine moralischen Bedenken dadurch verschwinden würden. Schließlich fühl ich mich dem Toten gegenüber schuldig, nicht seinen Hinterbliebenen.
Macht es einen Unterschied, ob der Verstorbene eine Erd- oder Feuerbestattung wollte?
Macht die Entscheidung wieder etwas einfacher, weil ich mir denke "Wenn der Tote eh vollkommen verbrannt werden wollte, dann wird ihm das auch weniger etwas ausmachen".
Bei dem Verstorbenen handelt es sich um ein Model, das immer sehr stolz auf ihren Körper war. Ändert das etwas an der Lage?
Hier kommt wieder die Würde eines Menschen dazu... Wenn das Model so perfekt, wie es zu Lebzeiten war, auch begraben werden wollte, dann hat man eigentlich kein Recht so etwas zu tun. Es ist nicht meine Aufgabe darüber zu urteilen, ob sie egoistisch war oder nicht. Andererseits würde wohl wieder die Notlage überwiegen und das Verlangen ein Menschenleben zu retten, das noch zu retten ist. Wohl fühlen, würde ich mich dabei ganz bestimmt nicht.
[tab=Dilemma 3]
Was würdest du tun?
Ja, Weichen umstellen. Fünf Leben für eines... Klar, es ist grausam da nach Menge zu zählen, aber das sind trotzdem fünf Leben gegen eines.
Was wäre, wenn einer der fünf Gleisarbeiter ein Mensch ist, den du liebst( Eltern, Freund, Geschwister usw.)
Macht es natürlich "einfacher". Aber der grundgedanke wäre noch immer der selbe.
Was wäre, wenn der eine Gleisarbeiter ein Mensch ist, den du liebst?
Zögern, klar. Aber im Endeffekt Weichen umstellen. Die emotionale Tragweite, die diese moralische Handlung für mich persönlich hat, würde wohl erst im Nachinein klar werden. Aber, es sind noch immer fünf Leben für eines.
Was wäre, wenn der eine Mensch auf dem anderen Gleis, ein spielendes Kind ist?
Da würd ich wohl auch zuerst zögern. Kinder erwecken in mir den Drang sie zu beschützen. Vor allem wäre der Gedanke da "Das Kind hat noch sein ganzes Leben vor sich". Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich das Kind sterben lassen würde... Höchstwahrscheinlich so lange zögern, bis es eh zu spät ist.
Was wäre, wenn es ein Tier ist? Oder dein geliebtes Haustier?
Nun, ich liebe Tiere, aber hier gilt das Prinzip "Mensch über Tier". Selbst wenn fünf meiner Katzen auf dem Gleis hocken würden. An jedem einzelnen dieser Menschenleben, hängen viele andere Menschen, die furchtbar leiden würden. Und ein Tier hat auch ein kürzeres Leben, deswegen würde einfach der Wert des Menschen überwiegen.
Was wäre, wenn du weißt, dass die fünf Gleisarbeiter Sexualverbrecher auf Bewährung sind? Der eine Gleisarbeiter hingegen ein rechtschaffender Bürger.
Es sind noch immer fünf Leben gegen eines. Ich würde die Weichen umstellen. Es liegt nicht an mir, darüber zu urteilen, ob diese Menschen es verdienen zu leben. Aber genau das würde ich tun, wenn ich, nur weil sie Sexualstraftäter sind, die Weichen nicht umstelle.
[tab= Dilemma 4]
Was würdest du tun?
Als man mich das erste Mal mit dieser Situation konfrontierte, war meine spontane Antwort "Selber springen". Ich ertrage weder den Gedanken untätig zuzusehen, wie Menschen sterben, noch einen Tod zu verschulden (auch wenn ich viele dadurch rette). Aber diese Antwort ist leider keine Option gewesen... Also, was würde ich tun. Gar nichts. Ehrlich gesagt würde ich niemals überhaupt auf den Gedanken kommen, den Mann neben mir runterzuschubsen. Ich würde überlegen, wie ich die Gleisarbeiter retten kann, aber auf so eine Lösung würde ich einfach nicht kommen.
Was wäre, wenn einer der fünf Gleisarbeiter ein Mensch ist, den du liebst( Eltern, Freund, Geschwister usw.)
Ich würde verdammt noch mal selber runterspringen Gilt natürlich das selbe, wie vorher. Mir würde es gar nicht in den Sinn kommen, den anderen Menschen da mit reinzuziehen.
Was wäre, wenn der Mensch neben dir, dir ein verhasster Mensch ist?
Das wäre mir wohl in dem Moment ziemlich egal, wie ich zu dem Menschen neben mir stehe XD Gleiche Antwort, wie beim Rest.
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