Holla werderfan,
dann widme ich mal meinen ersten Kaffee an diesem "Tag der Arbeit" deinem Thread. Dein gewünschtes Tut braucht noch etwas, das Thema ist ... recht komplex und es kostet Nerven, das alles zu vertexten und verbildlichen. Aber ich arbeite dran und ich denke mal so Mitte Mai ist's dann auch endlich fertig (ich hoffe, man sieht dann auch, warum es so lange gedauert hat *hüstel*). Folgerichtig sollte ich aber sicherlich schonmal was zu deiner Skizze tippen können. Zu Misty:
Daumen hoch für den Versuch mit Menschen! Die gehören einfach ins zeichnerische Repertoire. Bei deiner Skizze zu Misty klappt das auch schon recht gut. Auf den ersten Blick sind die Längen gefunden und scheinen zu sitzen. Anatomisch gibt es noch Schwächen, d.h. in dem Verständnis von Anatomie und Körper in Bewegung. Das ist vor allem auffällig an Misty rechtem Ellbogen (vBa links), der so definitiv nicht stimmt - was sich leicht an einem Spiegel überprüfen lässt, insofern brauche ich nicht zu schreiben, was richtig wäre, das findest du schnell selbst heraus.
Die Pose selbst ist so lala~ Was nicht damit zusammenhängt, dass sie nicht anatomisch funktionieren würde und damit an sich gelungen wäre. Es gibt zwei Momente, die diese Pose "schief" werden lassen. Das ist zum einen der sehr wichtige Punkt der Balance und zum zweiten die Aussage der Körpersprache. Kurz zu letzterem: die Körpersprache ist ungenau. Der Torso, bzw. alles überhalb der Hüfte weist eine geschlossene Haltung auf — mit verschränkten Armen, leicht eingedrehter Schulter, dem Kippen zur Seite. Dann haben wir entweder eine aggressive Pose, im Sinne von "Ash, du hörst nie auf meine Meinung, auch wenn du weißt, dass es die richtige ist!". Eine ablehnende, wütende Haltung, der nach links gewandte kopf als Zeichen einer wütenden Erwiderung, der Köper schon ablehnend vom Gesprächspartner weggedreht. Oder aber wir haben eine Schutzhaltung - "Ihr habt mir wehgetan. Ich will für mich allein sein. Ich bin traurig, oder verletzt."
Während man letzteres mit "Weglaufen" kombinieren kann, fordert die erste Variante einen stabilen Stand. Die Diskrepanz liegt nun zwischen dem Oberköper und der Bewegung der Beine - Hüfte abwärts - die mit den voreinander gesetzten Füßen, der engen, überschneidenden Bewegung der Oberschenkel und der gekippten Hüfte, alle Zeichen eines "sexy Walks" aufweist. Wo oben noch "sauer" oder "verletzt" ausgesagt wird, macht sich unten gerade das "Topmodel" selbstständig. Insofern wirkt die Körpersprache befremdlich - und das ganz ab davon, dass die Pose recht unbequem ist, wenn man sie statisch einnimmt und unmöglich zu halten, wenn man sie in Bewegung bringt: ausprobieren! Womit wir bei der Balance wären.
Die Figur ist nicht in Balance - eine Figur, die nicht in Balance ist, ist grundsätzlich in Bewegung, bis sie einen Standpunkt findet, in dem sie in Balance sein kann (<= logisch?). Diesen Balance-Zustand kann deine Figur nur erreichen, wenn sie ihren linken Fuß (v.B.a. rechts) neben ihren rechten in den sicheren Stand bringt. Sonst würde die Figur unweigerlich nach links (v.B.a. rechts) umkippen, da der Körperschwerpunkt (eine gedachte, senkrechte Linie) nebem ihrem rechten Fuß befindet — anstatt über dem rechten Fuß zu sein, der hier das gesamte Gewicht trägt. Die "Schwerpunktlinie" ist kein Hokus-Pokus, sondern ein einfachstes Hilfsmittel zur Posenüberprüfung. Dabei muss auch angemerkt werden, dass dir dieses "Kunststück" fast gelungen wäre, denn den Schwerpunkt eines menschlichen Köpers, setzt man normalerweise mit einem Punkt in Höhe des Bauchnabels gleich - dies Funtioniert in dem Fall nur nicht, da die fehlende Stabilität durch das in Bewegung befindliche linke Bein, den Schwerpunkt weiter nach links (v.B.a. rechts) verschiebt ... (was ein verschwurbelter Absatz)
Genug kryptisches Balance-Geschwalle. Die Sache mit der Körpersprache ist nochmal erwähnenswert. Ein erfolgreicher Zeicher schrieb mal, dass man immer darauf achten sollte, dass der ganze Körper die Grundaussage der Figur zeigen sollte und der Gesichtsausdruck nur noch das "Tüpfelchen" auf dem "i" ist, um Klarheit zu schaffen. Insofern stellt sich natürlich die Frage, welchen Gesichtsausdruck du Misty geben solltest ... Ich weiß es nicht.
Für den Kopf kann ich dir nur folgende Hinweise geben, die sicher nicht der Wahrheit letzter Schluss sind, aber für mich immer zu recht guten Ergebnissen geführt haben:
1.) er ist, wenn man von den Radierspuren ausgeht, zu klein. Die Größe kannst du überprüfen, in dem du in etwa die Länge des Oberarmes anlegst - minus der Dicke des Unterames. Das ist Pseudo-Mathe und etwas ungenau, führt aber zu recht ansehlichen Ergebnissen.
2.) Nutze ein stilisiertes Comic-Gesicht (Pünktchen, Pünktchen, Komme, Strich) um die Lage der Gesichtsmerkmale festzulegen. Wenn du mit zwei Punkten (für die Augen) und einem Strich für den Mund, den Eindruck eines angenehm proportionierten Gesichtes erreicht hast, kannst du die einzelnen Merkmale immer noch ausarbeiten.
3.) Wenn das dein erster Ausflug in den Bereich Manga ist - lass es! - versuche lieber realistisch zu bleiben. Man neigt am Anfang dazu Manga zu karikieren und die Ergebnisse sind meist sehr unschön. Der Mangastil folgt gewissen Regeln, die man sich nach und nach erarbeiten kann, bzw. muss. Die mit dem ersten Versuch schon in Perspektive (3/4-Profil) und Ausdruck anzulegen, geht schnell in die Hose. (und endet meist im wahllosen zusammenkopieren von Merkmalen, die man für richtig hält).
Eine realistische Herangehensweise gibt die eine Basis zum Verständnis von Gesichtern, von Gesichtsproportionen und lässt sich mit diesem verständnis später immer noch zu einer stilisierten Manga- oder Comicfassung abwandeln. Ich schreibe das auch deshalb, da man sich wunderbar in "Manga" verennen kann. Eine gute Freundin von mir, Mangaka, hat jetzt, nachdem sie sich ca. 10 Jahre lang nur mit dieser Stilrichtung beschäftigt hat, enorme Probleme ein naturalistisches Gesicht zu zeichnen, ohne dass es irgendwie immer noch nach "Manga" aussieht. "Der" Manga-Stil ist keine Sackgasse, aber der Weg durch sie woanders hin ist meist recht beschwerlich. Umgekehrt ist es leichter - sofern man das denn dann noch will. Zuletzt darf man sich auch nicht überschätzen: Manga braucht einen sehr klaren, feinen und sicheren Strich, der ist zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht da.
Die Idee, einen realistischen Ansatz mit Manga zu kombinieren, begrüße ich dennoch - da ich selbst auf dieser Grundlage arbeite, bzw. arbeiten möchte. Auf deine Ergebnisse bin ich dahingehend schon sehr gespannt. Man muss auch noch hinzufügen, dass sich ein "mangaprportionierter" Körper, d.h. schlank, mit langen Beinen, sehr grazil sich wunderbar mit unserer Rezeption von "realistischen" Köpern verträgt, aka "Modelmaße" oder "Werbeproportionen". Es ist sicher nicht der sozialkritischte Ansatz, wird aber immer als sehr ästhetisch empfunden werden. ;)
Soviel dazu. Kurz in einem Fazit zusammengefasst: deine Übung ist bis hierhin erfolgreich. Die Proportionen stimmen in etwa, sie sind definitv weiblich und durchaus bedingt realistisch. Baustellen sind, wie oben formuliert, die Bewegung und zum Teil noch die Anatomie, wie im Bereich Ellbogen oder der allenfalls sehr (!) kategorischen Hand. Ersteres ist allerdings leicht zu überprüfen und zu korrigieren - letzteres ein mehr oder minder verzeihlicher Fehler, der vermutlich auch sehr viel mehr von der Tagesform und dem zeichnersichen Repertoire des Zeichners abhängt, als vom anatomischen Wissen. Mit der Zeit wirst du dir hier vermutlich eher eine imaginäre Bibliothek an Handhaltungen, die funktionieren, erarbeiten, als dass du dir die Hände jedes mal anatomisch richtig konstruierst. Dennoch ist es der richtige Ansatz, die Hände so häufig es geht mitzuzeichnen (bloß nicht mit irgendwelchen Posen anfangen, welche die Hände verstecken).
Daumen hoch! Weiter so! Ob die Proportionen wirklich sicher sitzen, werden erst die nächsten Bilder zeigen, hier machen sie jedenfalls schonmal einen soliden Eindruck. Und falls das mit dem Gesicht aus eigenem Antrieb nix werden sollte, einfach nochmal nachfragen, hier gibt es ja genügend erfahrene Zeichner.
mandel