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Gewinner des. 16. Wettbewerbs - Saison 2012
Postapokalyptische Zukunft
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[tab='1. Platz']
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Wie die Sonne
Die Sonne scheint mir warm in mein Gesicht und der Wind spielt mit meinen blonden Haaren. Wenn ich die Augen schließe, ist es fast, als wäre es nie passiert; wäre da nicht dieser Gestank und…
Ein Erdbeben holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Wie ein übermächtiges Gewitter donnern die Kontinentalplatten aneinander. Ich schaue mich um. Es scheint, als wolle die Sonne nicht wahrhaben, auf was für einen trostlosen Planeten sie da scheint.
Ein Gong, lauter als jedes Beben, ertönt. „Zurück an die Arbeit, ihr faulen Säcke!“, dringt die raue Stimme an mein Ohr.
Seufzend beende ich die kleine Pause, um weiter die Straßen frei zu räumen. Als ob das irgendetwas bringen würde – die Autos können hier doch sowieso nicht mehr fahren. Ein Gutes hat unser Weltuntergang allerdings schon, urplötzlich sind sich alle Nationen einig – na ja, immerhin ist es ja auch nur noch eine große; geographisch gesehen. Die Arbeit ist hart und schweißtreibend, aber es ist die einzige Möglichkeit, jetzt noch etwas Essbares zu kommen. So räume ich brav mit den anderen den Dreck von den Straßen, um am Ende des Tages sogar einen warme Mahlzeit zu bekommen.
Ein weiteres Beben lässt einen großen Betonklumpen von einem Berg aus Schutt rutschen und gibt den Blick auf mehrere tote Körper frei. Auch wenn ich schon seit Tagen nichts anderes als zerfallene Häuser, verwüstete Wälder, abgemagerte oder eben tote Menschen zu Gesicht bekomme, muss ich wegsehen. Ich weiß nicht, wie man mit diesem Anblick jemals fertig werden kann.
Als der Donner des Bebens verebbt, hört man wieder die Stimme des „Bauleiters“, eines Mannes mittleren Alters, der zwar die Aufsicht hat und uns Befehle erteilen darf, selbst aber nie einen Finger rührt: „Bewegt euch! Oder habt ihr noch nie eine Leiche gesehen?“
Idiot.
Ich zwinge mich, tief durchzuatmen und auf den Haufen zuzugehen. Wie oft wünsche ich mir, dass auch ich diese Qualen nicht mehr durchmachen müsste…
„Darf ich behilflich sein, Ma’am?“
Bei diesem Worten drehte ich mich wieder um. Schräg hinter mir steht ein Mann, den ich etwa mein Alter, also Anfang zwanzig schätzte. Er hat dunkle, verstaubte Haare und sieht mich aus strahlenden, blauen Augen an. Wenn ich bei dem ganzen Weltuntergang nicht auch meine Verlobten verloren hätte, hätte ich ihn ganz süß finden können. Aber jetzt ist ohnehin so absolut nicht die richtige Zeit, um zu flirten. Er sieht mich immer noch an und wartet auf eine Antwort. Ich nicke stumm und sehe zu, wie er sich an meiner statt auf den Berg begibt, um die Leichen wegzuräumen. Vielleicht bin ich ja zu eigennützig, aber er hatte immerhin gefragt.
Ich beschließe, dass einfach rum zu stehen und einem fremden Typen bei der Arbeit zuzusehen, bei meinem Arbeitsgeber sicher nicht sonderlich gut ankommt, weshalb ich mich daran mache, kleinere Teile des Hauses, was dieser Schutthaufen wahrscheinlich einmal gewesen ist, wegzuräumen. Wie zufällig schweift mein Blick immer wieder zu dem dunkelhaarigen Mann, bis er irgendwann aus meinem Blickfeld verschwindet.
Fünf Stunden später wird es dunkel und wir müssen mit unserer Arbeit für diesen Tag aufhören. Lampen bzw. Strom im Allgemeinen ist eine Rarität geworden und so sind wir wie die Menschen früher auf das Sonnenlicht angewiesen. (Uhren funktionieren allerdings noch ganz gut, weshalb wir meist noch vor Sonnenaufgang geweckt werden, um ja kein Licht zu verschwenden.)
Während sich die anderen Arbeiter zur provisorischen und sogar einigermaßen erdbebensicheren Küche aufmachen, bleibe ich noch in der verwüsteten Landschaft stehen und sehe zu, wie die letzten Strahlen der Sonne verschwinden – eigentlich schon fast lebensmüde, da man in der Dunkelheit auf diesem Schlachtfeld viel zu leicht etwas übersehen kann. Trotzdem geben mir die Farben, die die Sonne an den Himmel malt, immer irgendeine Hoffnung. Wenn unser Stern den Planeten noch nicht aufgegeben hat, vielleicht sollten wir es dann auch nicht tun.
„Ein toller Anblick, oder?“, schreckt mich eine Stimme aus meinen Gedanken auf und ich sehe neben mir den Mann, der mir vorhin geholfen hatte.
„Ja“, beginne ich und mache eine Pause. Mit jeder Sekunde wird der Himmel dunkler. „Dankeschön“, setzte ich dann wieder an, „für die Hilfe…“ Ich komme mir äußerst unbeholfen vor, aber ganz theoretisch ist inzwischen auch alles egal.
„Kein Problem, es ist ja auch nicht gerade die beliebteste Arbeit, da kann es einen schon mal überkommen.“ Er lächelt mich an und ich spüre, wie ich rot werde. Hoffentlich ist es schon so dunkel, dass man das nicht mehr erkennt. „Ich bin Robert“, stellt er sich nun vor und reicht mir die Hand, als wäre die Welt um uns nicht dunkel und zusammengefallen, als hätten wir und gerade irgendwo – vielleicht in einem Einkaufzentrum – kennengelernt. Aber geschlossene Räume sind schon seit Längerem zu lebensgefährlichen Aufenthaltsmöglichkeiten geworden.
„Tamara“, bringe ich nach ein paar Sekunden heraus und schüttle seine Hand, „sehr erfreut.“ Fällt mir denn nichts Besseres ein?
Er lächelt mich wieder an. Anscheinend findet er es gar nicht so seltsam, hier in den Trümmern mit mir zu flirten.
Auch ich ringe mir ein Lächeln ab. So falsch ist es ja gar nicht: Immer das Positive sehen.
„Wir sollten mal zur Küche gehen“, meint er dann. „Wenn wir den Hindernisparcours dahin überleben, möchte ich ungern verhungern.“
Er lacht, wie er es wahrscheinlich auch vor einem Jahr getan hätte, und ich lasse mich anstecken. Was bringt es schon, immer nur Trübsal zu blasen, auch wenn ich den Schock immer noch nicht verdaut habe. Es kam schließlich alles viel zu plötzlich. Natürlich hatte man schon seit Jahren eine Annäherung der Kontinente aneinander feststellen können, aber dann…
Mit einem ohrenbetäubenden Donnergrollen fängt die Erde erneut an zu beben. Ich werde direkt aus meinen Gedanken gerissen und stolpere sofort. Viel zu schnell sehe ich die dunklen, harten Trümmer näher kommen, als mich zwei Hände mit festem Druck halten und nach oben ziehen.
„Alles in Ordnung?“, fragt Robert ernsthaft besorgt.
Vorsichtig nicke ich. Ich kann es nicht fassen; er hat mich schon wieder gerettet – und diesmal richtig.
Das Donnern verklingt, doch Robert greift nach meiner Hand, als hätte er Angst, dass ich noch einmal falle.
Ich muss einfach lächeln, während wir auf den einzigen noch beleuchteten Punkt in der kargen, wüsten Landschaft zugehen. Morgen früh wird die Sonne wieder aufgehen, so wie jeden Morgen; zumindest eine Beständigkeit in dieser Welt. Und ich werde es ihr gleichtun. Ich sehe Robert ins Gesicht, als wir in das Licht der Küche treten. Endlich spüre ich wieder richtige Hoffnung in mir aufkeimen. So schnell werde ich nicht mehr aufgeben; ich werde stetig weiter gehen. Wie die Sonne.
[tab='2. Platz']
[subtab='Cyndaquil']
Am Tag danach
Im vollen Galopp fegte er durch den Schnee, der hinter ihm in einem feinen Nebel aus Eiskristallen aufgewirbelt wurde. Wie eine Fahne wehte sein heller Schweif hinter ihm her, die Mähne derselben Farbe flatterte im Wind. Er war nur ein dunkler, schwarzbrauner Punkt in der weißen Berglandschaft. Tiefe, graue Wolken bedeckten den Himmel und hüllten die Zinnen des hochaufragenden Gebirges ein. Es hatte gestern zu Schneien begonnen, ganz überraschend und mitten im Sommer. Er hatte schon den ganzen Tag ein komisches Gefühl gehabt, als man ihn nach getaner Arbeit zurück auf seine Weide geführt hatte. Aber wer erwartet Schnee im Juli?
Am frühen Abend wurde es plötzlich sehr dunkel, schneller als die Tage zuvor und die dunklen Wolken hatten sich bald grau und schwer am Himmel aufgetürmt. Die Temperaturen waren innerhalb weniger Stunden weit unter den Gefrierpunkt gesunken und schließlich hatte die weiße Pracht das Land bedeckt. Verwirrt hatte er sich untergestellt und dieses Wetterphänomen beobachtet. Er war nun auch schon neun Sommer alt und hatte schon viel erlebt, aber das war ihm absolut neu gewesen.
Er folgte dem Weg vor sich, den er aufgrund des hohen Schnees kaum noch erkennen konnte. Normalerweise wäre er um diese Uhrzeit schon längst unten im Dorf, vor den Karren gespannt um seinen Herren bei der Arbeit zu helfen. Aber es war heute früh niemand gekommen, um ihn zu holen. Er kannte schon lange eine Stelle auf seiner Koppel, wo er den Zaun problemlos überspringen konnte, nur bisher war das nie nötig gewesen, bis heute, denn er hielt es nicht mehr länger dort aus.
Der spitze Schrei eines Adlers durchschnitt die Stille, die sich über die Berge gelegt hatte und er blickte nach oben, konnte ihn aber nicht erkennen. Er ging in einen leichten Trab über, immer noch wachsam die Ohren gespitzt und das Maul in die Luft geregt. Der geflügelte Jäger tauchte an seiner rechten Seite auf, überholte ihn und kam dem Boden immer näher, als würde er sich anschicken zu landen. Schnaubend stoppte er einen Meter vor dem Adler, der gerade seine mächtigen Schwingen faltete und sich zu ihm umdrehte.
„Servus! Was treibt dich denn hierher, Pferd?”, begann der braungefiederte Vogel mit weiblicher Stimme zu sprechen.
Pferd? Er konnte ein verärgertes Schnauben nicht unterdrücken. Er war doch nicht irgendein dahergelaufener Gaul! Er war ein Noriker, eine bekannte Rasse in dieser Gegend.
„Grüß Gott, Frau Adler”, erwiderte er höflich und neigte seinen schweren Kopf. „Ich bin auf dem Weg ins Dorf.”
„Ins Dorf, ha? Was willst du denn dort?”, hakte sie nach und fixierte ihn mit ihren gelben Augen. „Heute ist nicht das beste Wetter für Ausflüge.”
„Ich weiß”, gab er zurück. Er hatte keine wirkliche Lust sich mit diesem Steinadler zu unterhalten.
„Ich bin mir nicht sicher, ob du tatsächlich wissen willst, was da grade im Dorf so los ist”, meinte sie beiläufig, während sie kurz den Schnee vor sich musterte. „Aber mir ist das auch recht wurscht. Du als Pferd hast da bestimmt mehr Ahnung als ich.”
„Jetzt hör mich mal zu, gell? Ich bin kein einfaches ‚Pferd’, ich bin ein Noriker und ich heiße Jona, wenn’s recht ist”, erwiderte er gereizt und mit angelegten Ohren.
„Schön dich zu treffen, ich bin Noomi”, entgegnete die geflügelte Jägerin, nachdem sie ruckartig den Kopf gehoben hatte, mit zufriedener Stimme.
Jona wunderte sich, beendete das Gespräch aber damit, dass er an ihr vorbei ging und weiter dem verschneiten Weg folgte.
„Scheint als würdest du nicht wissen wollen, wie’s im Dorf zugeht”, rief Noomi ihm hinterher und erhob sich mit kräftigen Flügelschlägen.
„Jedenfalls nicht von dir”, murmelte er und fiel in einen schnellen Galopp. Er wusste doch schon lange, wie die Wildtiere über ihn und seinesgleichen dachten. Wie oft hatte ihn schon irgendeine Gams schräg von der Seite angesprochen, nur weil er mit Menschen zusammenarbeitete. Wie oft hatte er sich von einem alten Steinbock anhören dürfen, wie gefährlich es war mit den Menschen. Was kümmerte ihn das? Er wollte wissen wie es ihnen geht.
„Gut, dann sage ich dir eben nicht, dass es gar kein Dorf mehr gibt.”
Abrupt stoppte er und wandte sich zu Noomi um, die gerade an ihm vorbeisegelte.
„Was hast du gesagt?!”
„Du hast mich schon richtig verstanden”, erwiderte sie und landete erneut vor ihm. „Es gibt kein Dorf mehr. Gestern ist eine Lawine niedergegangen. Es ging fast allen Menschensiedlungen hier so. Der Schnee gestern war zu viel und zu plötzlich. Niemand weiß, woher dieser Wetterumschwung plötzlich kam, aber das dort am Himmel, sind nicht nur Wolken. Da ist auch Asche.”
„Asche?”, wollte Jona verwundert wissen. Noch wollte er nicht akzeptieren, dass das Dorf nicht mehr existierte. Vielleicht hatte sie ein anderes gemeint, auch wenn es hier in der Nähe nur eines gab? Es musste einfach so sein!
„Ja, genau, Asche. Ich weiß nicht, woher sie kommt und kein anderer Jäger konnte mir diese Frage beantworten, Fakt ist jedoch, dass es die Sonne verdeckt und deshalb ist es hier so kalt geworden.”
„Das ist mir egal, ich gehe trotzdem ins Dorf.”
„Wenn es aber kein Dorf mehr gibt!”, sprach sie eindringlich auf ihn ein.
„Das interessiert mich nicht! Ich muss wissen, wie es meinen Herren geht!”
Er wartete nicht auf eine Erwiderung, sondern erhob sich auf die Hinterhufe. Mit einem entschlossenen Wiehern und in der Luft wirbelnden Vorderhufen, wurde er selbst der abgehärteten Noomi zu gefährlich und sie brachte sich kreischend mit wild flatternden Flügeln aus der Gefahrenzone, bevor Jona galoppierend seinen Weg fortsetzte.
„Was für ein Dickkopf!”, sagte sie zu sich. „Er kann froh sein, dass ich nicht so leicht locker lasse.” Sie stieg höher und folgte ihm.
Der Weg ins Tal war recht steil und so erhöhte sich von selbst seine Geschwindigkeit. Vor ihm war alles weiß und er dachte fast, er hätte sich verlaufen. Aber es gab doch nur einen Pfad, wie konnte er sich da verlaufen? Er müsste das Dorf jetzt eigentlich genau erkennen können , schließlich breitete sich das Tal vor ihm aus. Jona war nicht gewillt so schnell die Hoffnung zu verlieren und folgte weiter dem Weg, der sich jetzt wie eine Schlange hinabwand. In all dem Weiß was sich nun vor ihm erstreckte, erkannte er plötzlich etwas Schwarzes. Er blieb stehen und strengte seine Augen an, um zu erkennen, was es sein könnte, aber er war zu weit weg.
„Was ist das?”
„Die Spitze des Kirchturms; das schwarze Metallkreuz”, antwortete Noomi unvermittelt und Jona machte einen erschrockenen Satz nach vorne. Sie saß plötzlich schräg hinter ihm, genau in seinem toten Winkel.
„Du schon wieder!”, keifte er das Adlerweibchen mit angelegten Ohren an. „Was willst du?!”
„Dich davor bewahren, dass du dich umbringst.”
„Pah! Was hat dich das zu interessieren?”
„Ich interessiere mich eben dafür. Außerdem habe ich das ungute Gefühl, dass wir zusammenhalten müssen. Ich weiß nicht warum oder wieso, aber es ist da”, gab Noomi zu. „Außerdem habe ich aus der Luft etwas gefunden, was dich interessieren könnte. Möchtest du, dass ich es dir zeige, jetzt da du weißt, dass das Dorf wirklich nicht mehr so existiert, wie du es in Erinnerung hast?”
Jona überlegte. Er war sich unsicher, ob der Absichten dieses Steinadlers und das Interesse an ihm war ihm irgendwie unheimlich. Andererseits hatte sie recht, die Dinge standen alles andere als gut. Dieser plötzliche Wetterumschwung war nicht natürlich und auf der Welt musste irgendwas passiert sein. Was, das entzog sich seinem Wissen, aber ihm war klar, dass es ungewöhnlich war.
„Zeig’s mir, bitte.”
Noomi nickte zufrieden und erhob sich in die Lüfte. Sie flog zu einem kleinen Waldstück in der Nähe, am Rand des Tals. Jona folgte ihr in einem schnellen Trab. Ihn fröstelte, auch wenn er nicht empfindlich gegenüber derartigen Wetterbedingungen war, so konnte er ja doch nicht so schnell sein Winterfell bekommen, wie er es sich gerade wünschen würde. Je näher sie der Ansammlung von dunklen Tannen kamen, desto mehr konnte der Noriker dort am Rande der Bäume mehrere dunkle Punkte im Schnee erkennen. Bald schon war klar, dass es sich um Menschen handeln musste. Überlebende?
Noomi landete am Anfang des Waldes, noch ein ganzes Stück entfernt von der Stelle, wo die Gruppe von Menschen stand in einem der unteren Äste einer Tanne.
„Es haben einige überlebt. Aber ich bin mir unsicher, ob du dich ihnen zeigen solltest.”
„Warum?”, erwiderte Jona verständnislos.
„Diese Leute dort haben nichts mehr, außer das was sie am Leibe tragen. Ich weiß nicht, wie sie vorhaben sich zu ernähren, ich weiß nicht, was sie als Nächstes tun werden. In meinen Augen, setzt du dein Leben auf’s Spiel, wenn du dich ihnen zeigst”, erklärte Noomi mit emotionsloser Stimme.
„Du meinst …” Der Hengst brach ab, er wollte den Gedanken lieber nicht in Worte fassen.
„Komm mit”, meinte das Adlerweibchen sanft, erhob sich von ihrem Ast und flog am Rand des Waldes entlang. Jona folgte ihr, unschlüssig über die Zukunft, die sich gerade vor ihm auftat. Eines war ihm jedoch klar geworden: was immer geschehen war, die Menschen würden nun nicht mehr seine Freunde sein.
[tab='3. Platz']
[subtab='Revie']
Wenn der Himmel weint
Erneut ging die Sonne über den Horizont auf, tauchte das umliegende Wasser in eine rot-goldene Farbe und verkündete den Beginn eines neuen Tages. Eines weiteren Tages, an dem ein erneuter Kampf ums nackte Überleben stattfinden würde. Wie oft hatte sich Cait bereits gewünscht, dass sie eines Morgens aufwachen würde und endlich wieder saftiges, grünes Gras erblicken könnte oder auch bloß einen kleinen Flecken Erde, welcher sie wieder daran erinnern könnte, wie sie sich früher immer darüber aufgeregt hatte, wenn ihr Shiba Inu an ihr hochgesprungen war, nachdem er sich in irgendeiner Schlammpfütze gewälzt hatte.
Doch ihr Wunsch blieb auch heute unerhört, noch immer breitere sich der endlose Ozean vor ihr aus, genauso betrübt wie sie es war. Hoffnung war ein Fremdwort geworden, niemand an Bord ihres kleinen Schiffes hatte überhaupt noch den Mut an Hoffnung oder Besserung zu glauben. Wie sollte man auch, wenn man nun schon mehrere Monate, vielleicht war es auch bereits ein Jahr, bloß auf dem Wasser herum trieb und davon lebte, was man mit anderen Menschen tauschen konnte, die man zufällig ab und zu trag?
Cait hätte niemals daran geglaubt, was aus ihrem Planeten einst werden konnte, wenn sie es nicht selbst miterlebt hätte. Angefangen mit kleinen Berichten in den Medien über Klimaerwärmung und Schmelzung der Polkappen, gefolgt von immer stärker werdenden Naturkatastrophen wie Hurrikans oder Tsunamis, doch nie hatte es sich wirklich so schlimm angehört, als würde das Ende der Welt vor der Tür stehen.
Doch dann war es da, nicht über mehrere Wochen oder Monate, sondern innert Tagen, in denen sich die Welt um ganze Ecken verändert hatte. Das wenige Land, welches nicht von den tosenden Fluten ertränkt worden war, diente heute nur noch als Schauplatz von blutigen Kämpfen von Gruppierungen, die sich um das letzte noch verbliebene Fleckchen Erde bekämpften, doch einen Sieger gab es nie. Zu viele Menschen strömten jeden Tag nach, in der Hoffnung natürlich, dass sie die Letzten wären, die zurück an Land kommen würden und somit bessere Chancen hatten, dieses für sich zu gewinnen.
Alle Menschen strömten zu den noch bekannten Plätzen, an denen sich Land befand, doch wer dort ankam, verließ es in der Regel auch nicht mehr. Doch wie er dort verweilte, war eine ganz andere Sache.
Gähnend erhob sich Cait von ihrem Schlafplatz, der bloß aus mehreren alten Fußmatten und einer Decke bestand, und machte sich auf den Weg nach oben zum Deck, um auch von dort aus das Wasser beobachten zu können, welches sie auch sonst jeden Morgen bereits von ihrem Fenster aus sah.
Die wenigen anderen Menschen, die mit ihr das Boot teilten, waren ebenfalls bereits auf den Beinen, arbeiteten am Schiff oder versuchten mit den verbliebenen Lebensmitteln etwas zu Essen auf den Tisch zu bringen. Insgesamt waren sie nur noch zu fünft, vor wenigen Tagen waren sie jedoch noch zehn und vor knapp 3 Wochen sogar noch das Dreifache ihrer Zahl. Doch das Essen war niemals genug für alle, auch das Trinkwasser nahm rapide ab und wer nicht verdurstete oder verhungerte, hatte meistens noch mit anderen Leiden wie Krankheit oder Verletzungen zu kämpfen, die sie schlussendlich ebenfalls noch dahin raffte. Auch Cait sah für sich keine bessere Zukunft, auch wenn sie die Jüngste an Bord war, wieso sollte sie überleben und alle anderen sterben? Sie war weder besonders stark, noch irgendwie gewandt in handwerklichen Aktivitäten und Verhandeln konnte sie erst recht nicht. Zu sehr hatte sie immer Mitleid mit anderen, die ihr Schicksal teilten und sie wusste, wenn sie alleine hier gewesen wäre, hätte sie bereits jegliche Lebensmittel an andere verloren, da sie sich niemals in ihrem Interesse durchsetzen konnte.
Sie hatte nur überlebt, aufgrund der anderen an Bord und wurde auch nur deswegen toleriert, weil sie die einzige war, die mehrere Sprachen auf einmal fließend beherrschte und demnach für Handel mit anderen Menschen kaum eintauschbar war.
„Cait, mach dass du dich nach oben bewegst und dich nützlich machst! Wir nehmen Kurs auf Hope“, hörte sie einer der Männer rufen, unverkennbar die Stimme von Charlie, nach neben ihr einer der jüngsten auf dem Schiff. Trotz seines Alters war er ein geborener Anführer und Kapitän, regelte jeden Tag aufs Neue wie viel sie Essen durften und wohin sie segeln mussten und übernahm auch die meisten Verhandlungen mit anderen Menschen.
Der Film Waterworld war ein Mist im Gegensatz zu ihrem Alltag hier und anders als in diesem Spielfilm, wussten die Menschen ganz genau, wo sich Land befand. Und dieses Land, wurde von allen bloß Hope genannt, die Hoffnung auf ein besseres und vor allem überlebbares Leben.
„Ich dachte wir halten uns vom Land fern. Du weißt doch was passiert, wenn wir in die Nähe davon kommen! In einem Kampf würden wir den Kürzeren ziehen, das weißt du doch“, protestierte Cait verwirrt und sprang auch bereits nach oben zu dem jungen Mann. „Das mag sein… doch wir haben seit Tagen keine anderen Schiffe mehr gesehen, mit denen wir hätten handeln können. Unser Wasser reich vielleicht noch für 3 Tage, danach ist Schluss. Ob wir verdursten oder versuchen uns etwas Land zu erkämpfen, kommt etwa auf das Gleiche heraus, doch wenigstens haben wir noch versucht unsere Haut zu retten. Also stell keine Fragen und tu was ich sage!“
Solche harsche Antworten waren nicht ungewöhnlich, weswegen sie Cait auch nicht wirklich beeindruckten. Doch sie konnte auch nichts dagegen tun, sie hatten bereits Kurs auf Hope genommen und schon bald würden sie sicher die Geräusche des Gemetzels hören können, welches dort vor sich ging.
Zwei Tage vergingen wie im Flug. Niemand sprach viel, jede Kursänderung wurde mit Sorgfalt und Bedacht getätigt, damit ja keine unnötige Aufmerksamkeit erregt wurde. Doch ihre Vorsicht war überflüssig, denn niemand war dort, als sie endlich am besagten Land ankamen. Schiffwracks, zerstörte Häuser und gefällte Bäume war alles, was sie dort fangen. Hope brachte keine Hoffnung mit sich, es gab noch nicht einmal Menschen mit denen man sich um irgendetwas bekämpfen konnte, denn es gab nichts mehr, was man hier hätte holen können. Weder Wasser, noch andere Lebensmittel waren hier zu holen, die Menschen die vor ihnen hier gewesen waren, hatten durch ihre Kämpfe noch das zerstört, was ihnen auf dieser Welt zum Überleben verholfen hätte.
Trübselig starrte Cait auf das kahle Land und sank zu Boden, hilflos anfangend in der Erde mit ihren Fingern herumzustochern, bevor sie hoch in den Himmel starrte. Doch ein einziges, kurzes Gefühl, veränderte alles in ihr. Ein flüchtiger Hauch von Kälte auf ihrer Wange, die nichts mit dem Wind oder der Temperatur der Luft zu tun hatte. Sie führte ihre Hand zu ihrem Gesicht, zeichnete die Linie nach, welche von der Kälte vorgegeben war, nur um festzustellen, dass sie seit Monaten, den ersten Regentropfen auf ihrer Haut spüren konnte. Sie waren nun hier, sie hatten das Land erreicht, doch war es zerstört und vielleicht sogar unfruchtbar. Doch wie der Name des Landes schon sagt, es braucht nur ein kleiner Funken, der die Hoffnung neu entfalten kann. Ein kleiner Funken oder in diesem Falle, ein einzelner Tropfen, der die Botschaft von Süßwasser mit sich brachte.
Ihre Hand gegen den Himmel streckend, spürte sie wie mehr und mehr Tropfen auf ihre Haut trafen und mit jedem weiteren, trat ein neuer Hoffnungsschimmer am Horizont auf. Wasser war da, es regnete seit Monaten zum ersten Mal wieder, also musste es irgendwo auch Pflanzen geben.
Mit Wasser, wurde ihr altes Leben beendet… doch mit Wasser würde ein neues Leben auch wieder beginnen… und Cait’s Leben, würde von nun an vielleicht wieder neu beginnen. An dem Tag, an dem der Himmel zum ersten Mal wieder weinte.
[subtab='Nightmares']
the ship to eternity
Schaum quoll aus der sündhaft teuren Sektflasche, als sich der Korken mit einem lauten Knall löste. Gläser klangen. Gelächter erfüllte die verglaste Festhalle. Ausgelassen wurden die ersten Minuten des kommenden Jahres 2115 gefeiert. Doch war die Aussicht auf weitere zwölf Monate in dieser Welt wirklich ein Segen oder doch nur die Fortsetzung eines nicht enden wollenden Alptraums. Einer neuen Epoche, die bei Weitem nicht so perfekt war, wie sie nun von Allen dargestellt wurde. Ewigkeiten, vielleicht aber auch nur wenige Jahre waren vergangen, seit sich alles geändert hatte.
Immer weiter, immer schneller war das Wasser angestiegen. Zunächst unbedeutende Küstenregionen. Dann einzelne Länder. Und schließlich ganze Kontinente. Einfach alles verschwand in den tosenden Fluten der nicht aufzuhaltenden Wassermassen. Gewaltige Evakuierungsmaßnahmen scheiterten und gnadenlos verschlang der gewaltige Ozean nahezu die gesamte Weltbevölkerung. Unter Hochdruck wurde an einer Lösung gearbeitet, die wahrscheinlich viel zu spät sein würde. Angst. Panik. Entsetzen. Langsam zerfraßen sie die Verbliebenen. Mehr als die Hälfte beging Selbstmord. Ein, in Anbetracht des qualvollen Todes in den schäumenden Wellen des blauen Ungetüms, durchaus nachvollziehbarer Schritt. Alles deutete auf das Ende der menschlichen Ära hin und doch gelang den nur noch wenigen Tausend Erdenbewohnern in letzter Sekunde die Abwendung des vorzeitigen Untergangs. Zumindest für den Moment.
NovaTerra, eine gewaltige schwimmende Stadt war fertiggestellt. Ausgestattet mit einem unabhängigen Ökosystem, einer sonnenbetriebenen Wasseraufbereitungsanlage sowie durchaus luxuriösen Appartments versprach es Hoffnung auf einen Neubeginn. Geschunden. Verängstigt. Von Alpträumen geplagt bezogen die Menschen ihre neue Zuflucht. Und dann geschah es, das Unglaubliche. Bereits wenige Monate, wenn nicht sogar Wochen später, war Alltag eingekehrt. All das Vergangene war wie ausgelöscht. Die zahlreichen Parties zu allen möglichen Anlässen spielten dabei sicherlich keine unbeduetende Rolle. Ausreichend alkoholische Spezialitäten halfen die Realität zu beschönigen. Und so sollte es auch bei diesem Fest wieder der Fall sein. Ein sinnloses Saufgelage anlässlich des vermeintlichen Beginns eines neuen Jahres.
Niemand realisierte, dass es keine sorgenfreie Zukunft gab. Nein, voller Freude wurde gefeiert, um dann in letzter Sekunde aufzuwachen und die Ausweglosigkeit zu erkennen. Ein plötzlicher Defekt an der Wasseraufbereitungsanlage, eine Epidemie oder auch nur ein unbemerktes Lack. Alles könnte NovaTerra innerhalb von kurzer Zeit in eine tödliche Falle verwandeln. Das gewaltige Schiff war schließlich doch nur ein kurzfristiger Aufschub des endgültigen Endes. Eine schwimmende Stadt mit Kurs aufs Jenseits.
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