Ich steckte das Fahrrad weg, ehe ich das andere Ende der Brücke erreichte. Wie der Mann gesagt hatte, fiel es in sich zusammen, sobald ich den Schalter am Rahmen betätigte, und Rotom verschwand wieder in meiner Tasche. Fasziniert betrachtete ich die neue Form des Rades, ehe ich versuchte, sie vorsichtig anzuheben. Erstaunt stellte ich fest, wie leicht es war. Und das obwohl ein Motor darin verbaut war. Kopfschüttelnd verstaute ich das Fahrrad in meinem Rucksack. Ich hatte dringendere Dinge zu klären, als mich über die Gegebenheiten dieses Geräts zu wundern. Vielleicht würde ich den Mann ja irgendwann wiedertreffen und ihn dazu befragen können.
Kurz durchzuckte mich ein Gedanke, der mir gar nicht gefiel: Was, wenn dieses Fahrrad nur ein weiteres Spionagegerät von Cosma war? Doch ich scheuchte ihn schnell beiseite. Cosma, so grausam er auch war, war bisher immer offen und ehrlich gewesen. Ich wusste nicht, was sein Plan war, sehr wohl aber, wie er sich meinen Part darin vorstellte. Es gab keinen Grund, warum er sein Vorgehen jetzt ändern sollte.
Noch immer in Gedanken ging ich den Rest der Brücke entlang. Eigentlich hatte ich diesen Spaziergang nutzen wollen, um mich zu sammeln, ehe ich zur nächsten Arena kam, doch inzwischen war ich mir nicht mehr sicher, ob das auch tatsächlich funktionierte.
Plötzlich erblickte ich ein paar Meter vor mir eine bekannte Gestalt.
„Milli! Kommst du auch endlich?“, rief Hop mir entgegen.
„Wartest du etwa auf mich?“, stellte ich die Gegenfrage, als ich nahe genug kam, um ihn nicht anschreien zu müssen.
„Als du gestern nicht in Keelton auftauchtest, dachte ich mir, du musst hier heute durch“, entgegnete er mit einem Achselzucken, doch ich sah das Glitzern in seinen Augen. Und es verhieß nichts Gutes.
„Ich hab mir Zeit gelassen“, sagte ich mit einem Achselzucken und hoffte, er würde mich einfach nur nach Keelton begleiten. „Ein bisschen trainiert“, fügte ich hinzu und merkte im selben Moment, dass es ein Fehler war.
„Du hast also auch Lust auf einen Kampf?“, fragte Hop.
Nein, so überhaupt nicht, antwortete ich ihm in Gedanken, aber jetzt konnte ich ihn eh nicht mehr aufhalten. Er hätte mein Zögern sowieso nicht bemerkt.
„Jetzt, wo wir beide den Pflanzen-Orden haben, sind wir keine Anfänger mehr. Da wird’s höchste Eisenbahn, dass wir beim Training auch einen Gang höher schalten. Na komm schon! Drei gegen drei! Wolly, du bist dran!“
Wie sehr wünschte ich mir einen weniger kampffreudigen Freund. Aber genau das hatte ich erwartet. Nur deshalb hatte ich den ganzen Weg nach Keelton nur trainiert. Jetzt würde ich definitiv gewinnen. Hoffte ich zumindest. „Himbeere, los!“
Hop nahm eine Kampfhaltung ein, als wollte er selbst an der Seite seines Pokémon in den Kampf ziehen. „Dann zeig doch mal, ob du dir deinen Orden wirklich verdient hast!“
Während er noch damit beschäftigt war, große Reden zu schwingen, befahl ich Himbeere einen Mogelhieb. Das Mauzi bewegte sich so flink, wie man es kaum von ihm erwartet hätte, und traf Wolly bevor Pokémon oder Trainer reagieren konnten. Als Himbeere zurück kam, merkte ich, dass allein diese Attacke dem Schafspokémon stark zugesetzt hatte. Vielleicht war ich doch überlevelter als ich gedacht hatte.
„Interessante Strategie, aber davon lassen wir uns auch nicht beeindrucken“, kommentierte Hop. „Wolly, setz Tackle ein!“
Ich ließ das gegnerische Pokémon näher kommen und reagierte, als es in Reichweite war: „Metallklaue!“
Die scharfen Krallen von Himbeere durchtrennten Wollys Fell wie Butter und fügten ihm schlimmen Schaden zu. Statt weiter auf Himbeere zuzulaufen, begann es zu schwanken und landete schließlich auf dem Boden.
Hop knirschte mit den Zähnen, während er sein erstes Pokémon zurückrief. „Na gut, also wenn du es so willst“, meinte er und schickte als nächstes Kickerlo in den Kampf. Sein Starter hatte sich also auch schon entwickelt. Und er war ein gefährlicher Gegner für Himbeere.
„Das Spiel kann ich auch spielen“, kommentierte ich, als ich Himbeere zurückrief und stattdessen Perle in den Kampf schickte. Zwar machten mir Wechsel immer etwas Sorgen, weil ich und mein Pokémon einen Moment unaufmerksam waren und dem Gegner eine Möglichkeit zum Angreifen verschafften, aber ich konnte unmöglich mein Stahlpokémon im Kampf lassen.
Wie ich befürchtet hatte, begrüßte Kickerlo Perle mit einem gekonnten Doppelkick. Mit schnellen Bewegungen sprang es gegen seinen Gegner, ehe es den Schwung nutzte, sich wieder außer Reichweite möglicher Attacken zu bringen.
Nicht weit genug, dachte ich und sagte: „Perle, zeig ihm deine Aquawelle!“ Kaum hatte ich das Wort beendet, stand bereits die Brücke unter Wasser, als hätte Perle schon erraten, was ich tun wollte. Kickerlo hingegen konnte bei Weitem nicht so schnell reagieren und versank in den Fluten. Die sehr effektive Attacke hatte es mit einem Schlag umgehauen.
Ich sah, wie Hop tief durchatmete, als er schließlich sein Kranoviz in den Kampf schickte. „Mein letztes Pokémon, aber ich darf jetzt nicht in Panik geraten!“
Ich beschloss auch das Flugpokémon mit Perle zu bekämpfen, da ich eh keine sehr effektiven Attacken dagegen hatte.
„Perle, auch dem zeigen wir’s!“ Dieser eine Satz reichte, dass Perle verstand und eine zweite Aquawelle über die Brücke schickte.
Aber dieses Mal war Hop vorbereitet. „Flieg hoch und dann Furienschlag!“, befahl er seinem Pokémon. Zwar traf das Wasser auch Kranoviz, aber mit erstaunlicher Geschwindigkeit war es bei Perle angekommen und attackierte ihn mit seinem Schnabel. Einmal, zweimal, beim dritten Mal wusste ich, was zu tun war.
„Klaps!“ Mit ungeheurer Kraft, ließ Perle seine Zunge hervorschnellen und schleuderte das gegnerische Pokémon quer übers Kampffeld, direkt vor Hops Füße.
„Glaub nicht, dass ich es dir so einfach mache“, sagte er und zauberte einen Supertrank aus seiner Tasche.
Ich nutzte diesen Moment, um durchzuatmen und noch einmal die Lage zu überblicken. Wir hatten Kranoviz bereits schwer getroffen. Ich war mir sicher, mit nur einer weiteren Aquawelle würden wir siegen. Es durfte nur nicht ausweichen.
Als Kranoviz sich wieder in die Luft erhob, kam mir die Idee: „Perle, schieß mit deiner Aquawelle nach oben!“
Perle reagierte wie immer sofort und warf seine Wassermaßen dem Himmel entgegen. Es dauerte nur einen Moment, in dem ich Hops überraschtes Gesicht wahrnahm, ehe die Schwerkraft ihr Übriges tat und das Flugpokémon meines Freundes unter dem Gewicht des Wassers begrub.
Als das Wasser schließlich verschwand, lag Hops Kranoviz besiegt am Boden. Ich hatte tatsächlich gewonnen. Trotz allem Training, durchfloss mich noch immer mit jedem Sieg eine ungeheure Erleichterung.
Hop hingegen schien weniger glücklich. „Wie kannst du stärker sein als ich?! Ich hab doch den Pflanzen-Orden, genau wie du!“
Kurz war ich versucht, ihm zu sagen, wie viel Zeit ich ins Training gesteckt hatte. Wie ich jede Minute nutzte, um stärker zu werden. Ich wollte meinem besten Freund helfen. Aber ich biss mir auf die Zunge. Ich durfte ihm nicht helfen. Nicht, wenn ich meine Pokémon nicht verlieren wollte.
Glücklicherweise fing Hop sich auch so wieder und bekam von meinem inneren Konflikt nichts mit. In gewisser Weise konnte ich froh sein, dass er schon immer so auf seine Pokémonreise fixiert war, dass er manchmal die Welt um sich herum ausblendete. „Du wirst immer besser, Milli“, lobte er mich. „Aber ich lass nicht locker und trainiere weiter!“
„Ja, tu das“, stimmte ich ihm zu, um mein Gewissen zu beruhigen. Und weil ich ihn eh nicht davon abbringen könnte.
„Als Nächstes knöpf ich mir Kate vor, die Wasser-Arenaleiterin!“
„Erinner mich nicht dran“, murmelte ich, als mir wieder in den Sinn kam, wie wenig gute Antworten ich auf Wasserpokémon hatte.
„Was?“, fragte Hop.
„Ach nichts.“
Kurz sah er mich fragend an, schien dann aber zu beschließen, meiner Aussage zu glauben. „Du bist doch auch auf dem Weg nach Keelton. Meinst du, du kannst mit mir mithalten?“
„Wenn du nicht wieder wie ein Irrer durch die Gegend rennst.“
„Ich garantiere für nichts!“
Mir entwich ein aufrichtiges Lachen. Nachdem wir den Kampf aus dem Weg geräumt hatten, tat es gut, wie früher einfach mit Hop Spaß zu haben.
Wir ‚schlenderten‘ die Brücke entlang – auch wenn Hops Definition von ‚schlendern‘ eher schnellem Gehen entsprach (wenigstens war er nicht losgelaufen) –, als mir mit einem Mal ein Cottomi ins Gesicht flog. Als wollte es mich veräppeln, weil ich es nicht fangen konnte. Zum Glück wusste Glöckchen, wie man mit den Pflanzenpokémon kurzen Prozess machte.
Wir nähern uns dem nächsten Loch. Ich hab ein bisschen Angst, dass das wieder ewig dauert. Ich muss mich einfach hinsetzen und weiterschreiben! Ich schaff das schon.
Erstmal haben wir hier aber einen kleinen Kampf. Ich bin mir nicht mehr sicher, wie überlevelt ich tatsächlich war, aber ich habe versucht, ihn trotz der Einseitigkeit ein wenig interessant zu gestalten. Aber obwohl es eine Nuzlocke-Beschreibung ist, hatte ich nie das Gefühl, der Fokus liege besonders auf Kämpfen.
Danke an Rusalka für die Anregung; ich hab da selbst absolut nicht über den Tellerrand hinausgeschaut und wäre so auch nicht auf die Idee mit der Werbung gekommen, auch wenn sie quasi vor der Nase liegt. Was Emilias Persönlichkeit angeht ... ich weiß nicht, ob sie so viel darüber nachdenkt. Ich selbst habe immer Angst, dass ich sie in den vorgegebenen Dialogen und der aufgezwungenen Motivation verliere. Aber ich glaube, irgendwann fiel es ihr auch auf, dass sie gerne anders gehandelt hätte. Ich weiß nur gerade nicht mehr auswendig, wann das war. Ansonsten ist es schön, dass du noch immer dabei bist und so tolle Kommentare schreibst!
Also bis zum nächsten Kapitel!