Dieser Post ist quasi ein paralleles Universum zum Alola-RPG. Spezifisch ein "Was wäre, wenn Rachel nicht gewesen wäre". Hier findet man, was tatsächlich passiert ist. Wie Rachel kam und half, Sandrine zu beruhigen, wodurch sie Karls Rede nicht gehört hat. Ich wusste aber sofort, als ich sie las, dass sie Sandrine zum Explodieren bringen würde. Und das wollte ich gerne schreiben. Herausfinden, wie ihre Gedanken sind. Das wird sicher auch für den weiteren Verlauf des RPGs helfen. Also habe ich den ersten Absatz aus dem verlinkten Post genommen und von da aus weitergemacht, als gäbe es Rachel nicht. Und weil Karls Rede so wichtig für den Post ist, habe ich sie zum Verständnis auch in dem kursiven Absatz hierher übertragen. Viel Spaß mit einer wütend-verzeifelten Sandrine.^^'
Sandrine hatte irgendwann mal gehört, dass weinen helfen sollte. Dass man sich besser fühlen würde, wenn man seine Gefühle rausgelassen hatte. Und vielleicht hatte es mal eine Zeit gegeben, in der das auch auf sie zutraf, aber hier am Strand fühlte sie sich einfach nur leer. Sie konnte nicht mehr denken, nicht mehr fühlen, selbst atmen fiel ihr schwer mit all dem Schnodder in der Nase. Und sie war sich sicher, dass aufstehen erst recht unmöglich war. Ihre Beine würden ihr sicher nicht mehr gehorchen. Wenn sie denn überhaupt die Kraft aufbringen könnte, ihnen einen Befehl zu geben.
Und dennoch, hierzubleiben wäre eine noch viel schlechtere Idee. Wo war ihr Fluchtinstinkt plötzlich hinverschwunden? War es allein Rosies Anwesenheit, die ihr die relative Sicherheit gebracht hatte, hier am Strand zusammenzubrechen?
Die Gedankenfetzen wirbelten durch Sandrines Kopf, ohne dass sie einen davon hätte festhalten können. Nur eins zeigte sich mit immer deutlicherer Sicherheit: Sie wollte nicht bleiben. Sie wollte einfach nur so schnell es geht, von hier verschwinden. Sie hatte eh nicht herkommen wollen.
Mit einem leichten Schulterzucken gab sie Niki zu verstehen, dass sie jetzt doch versuchen wollte, sich wieder aufzurichten und ihr Nincada verstand, da es bereitwillig in den weichen Sand sprang.
Wie erwartet zitterten Sandrines Bein, während sie sich vorsichtig erhob und Rosie blieb an ihrer Seite, um sie zu stützen. Als Sandrine endlich halbwegs sicher stand, fiel ihr Blick auf Rocara. Ihr Rocara. Das Pokémon, das sie heute so viel unterstützt hatte und das sie nun einfach ignoriert hatte, sobald sie ihre anderen beiden Pokémon erblickt hatte. Peinlich berührt sah sie zwischen Rocara, Rosie und Niki hin und her. Als sie das erste Mal den Mund öffnete, um die Situation zu erklären, kam kaum mehr als ein Krächzen heraus, also räusperte sie sich und versuchte es erneut: "Rosie, Niki, das ist Rocara. Es gehört jetzt zu unserem Team. Und es hat mir sehr geholfen." Bei den letzten Worten blickte Sandrine zu Rocara, damit es hoffentlich erkannte, wie dankbar sie ihm war.
Ihre Pokémon beäugten sich einen Moment. Und obwohl keines einen Freudensprung oder so etwas machte, schienen sie zumindest nichts gegen die neue Situation zu haben. Niki machte sogar ein paar Schritte auf das Rocara zu und rief eine Begrüßung entgegen, die verhalten, aber freundlich erwidert wurde. Soweit Sandrine das verstand. Rosie nickte dem neuen Teammitglied einfach zu und bedachte dann Sandrine mit einem Blick, den sie nicht ganz verstand. Was vielleicht aber auch an ihrem aktuellen Gefühlschaos lag.
Nachdem Sandrine nun sicher war, dass ihre Beine sie vorerst wieder tragen würden, wandte sie sich in die Richtung, aus der ihre Pokémon eben gekommen waren. Das musste also der Strand sein, an dem sie heute morgen angekommen waren. Und tatsächlich entdeckte sie kurze Zeit später die Hütte, vor der inzwischen ein Lagerfeuer brannte. Karl stand daneben und ließ es sich nicht nehmen, die ankommenden Guardians zu begrüßen.
"Herzlich willkommen zurück! Und damit auch Glückwunsch zum bestandenem Teambuilding! Es freut mich sehr, dass ihr es heil zurück geschafft und dabei auch noch neue Partner gefunden habt. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr viele Fragen habt, aber lasst mich vorher noch ein paar kurze Dinge sagen. Zuerst solltet ihr eure neuen Pokémon untersuchen lassen. Dies könnt ihr entweder in der Foundation machen, oder in der Hütte hier am Strand. [...] Wie ihr seht, müsst ihr euch auch keine Sorgen um eure Kameraden machen, welche ihr auf dem Weg verloren habt. Wir hatten immer ein Auge auf euch und haben die Verlorenen eingesammelt. Nach einer kurzen Untersuchung wurden sie zusammen mit ihren Pokémon zurück zur Foundation geschickt. Es geht allen den Umständen entsprechend gut. [...] Ihr habt jetzt die Wahl. Ihr könnt eine Weile hier bleiben und wir genießen gemeinsam frisches Grillgut oder ihr nehmt euch eines der Lapras und reitet vor zur Foundation. Es sind genug Lapras für alle da und ihr könnt sie euch jederzeit nehmen. Vielleicht erkennt der Ein oder Andere die Lapras ja auch."
Sandrine blinzelte mehrmals in die Richtung des Aufsichtsführenden Guardians. "Wie bitte?", entfuhr es ihr, auch wenn sie sich sicher war, dass er sie nicht gehört hatte. Noch schien Roxas mit ihm zu reden, doch in Sandrine war eine Sicherung durchgebrannt. Ihr Zusammenbruch hatte ihre letzte Zurückhaltung weggespühlt. Jetzt war eh alles egal. Nichts an diesem gesamten Tag ergab auch nur irgendeinen Sinn! Sie waren auf eine Teambuilding-Mission geschickt worden, die nicht ein bisschen zum Teambuilding beigetragen hatte, da sie eigentlich hauptsächlich um ihr Überleben kämpften. Bzw. rannten. Sandrine selbst hatte am heutigen Tag definitiv nicht mehr mit ihren Kollegen und Kolleginnen gesprochen als bei den anderen Missionen. Vermutlich sogar weniger, bedachte man ihren nervlichen Zustand, seit sie von ihren Pokémon getrennt und ohne ein Wort in eine gefährliche Höhle teleportiert worden waren. Und jetzt besaß Karl auch noch allen Ernstes die Dreistigkeit zu erklären, dass verschiedene Guardians bereits mit ihren Pokémon vereint in Sicherheit waren, wo doch ausdrücklich verlangt war, dass sie sich nicht trennen sollten? Wenn Sandrine die Foundation bereits nach den letzten Missionen hinterfragt hatte, so brachte dieses absolut unzureichende "Teambuilding", das in jedweder Hinsicht seinen Sinn verfehlt hatte, das Fass zum Überlaufen.
"Ist das dein Ernst?", fuhr sie Karl an, nachdem Roxas sich abgewandt hatte. "Ein Teambuilding ohne Team? In dem erst wir ohne Vorwarnung verschwinden und dann kommentarlos unser Team auseinandergerissen wird, indem manche aus dieser Hölle gerettet wurden?" Sandrine spürte mal wieder Feuchtigkeit in ihre Augen steigen, obwohl sie langsam nicht mehr wusste, woher sie noch kommen sollte. Viel interessanter war jedoch die Tatsache, dass sie ebenfalls nicht wusste, ob die Tränen durch Wut oder Verzweiflung kamen. Vermutlich durch beides.
"Ich hab keine Ahnung, was die Foundation für Methoden anwendet, aber mit jedem Tag als ausgebildete Guardian hinterfrage ich sie mehr. Und es sind erst drei Tage!" Sandrine merkte selbst, dass ihre letzten Worte etwas hysterisch klangen, also zwang sie sich dazu, die nächsten wieder etwas ruhiger zu sagen. "Ich dachte, wir sind hier, um Pokémon zu helfen, um Alola zu schützen. Und auch wenn wir es vielleicht irgendwie hinkriegen, ist es doch nicht sehr effektiv. Immer und immer und immer wieder sind es Menschen, die das Problem darstellen. Farmer, die Tauros freilassen, Steinsammler, denen wilde Pokémon egal sind, Guardians, die mitten in fremde Territorien teleportiert werden. Was davon hilft der Region? Wir bekämpfen allerhöchstens Symptome, wenn wir nicht selbst welche sind. Ich weiß nicht, ob ich ..." Sandrine stoppte. So weit hatte sie noch nie gedacht. Doch nun, da ihre Rage wieder nachließ, traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. "Ich weiß nicht, ob ich so weitermachen kann", flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu Karl.
Dann wandte sie sich um und setzte sich ans Lagerfeuer, um ihre Gedanken zu sortieren. Wenn Karl ihr antworten wollte, könnte er zu ihr kommen, doch sie war sich nicht sicher, ob sie seine Antwort hören wollte. Die Leere von vorhin war dem Gewicht ihrer letzten Worte gewichen und sie begann, ihre Lebensentscheidung zu hinterfragen. Das Leben als ausgebildete Guardian war so überhaupt nicht das, was sie erwartet hatte. Natürlich wusste sie, dass das Leben nicht immer einfach war und sie konnte das aushalten; solange sie einen Grund dafür sah. Doch in den letzten Tagen hatte die Foundation ihr nicht einen gegeben. Nichts fühlte sich richtig an.
Erst einige Momente später bemerkte Sandrine, dass Rosie und Niki sich an sie geschmiegt hatten. Und auch Rocara schwebte ganz in ihrer Nähe, wie um rechtzeitig eingreifen zu können. Ein winziges Lächeln stahl sich auf Sandrines Gesicht. Wenigstens ein Gutes hatte ihre Arbeit als Guardian gehabt. Nun gut, zwei. Ohne die Ausbildung und diese Missionen wäre sie niemals Niki oder Rocara begegnet. Und wenigstens dafür sollte sie dankbar sein. Über alles andere würde sie nachdenken, wenn sie weniger fertig war. Vermutlich morgen, wenn dieser Tag nur noch eine schreckliche Erinnerung war.