Uff, ist das wirklich schon 3 Monate her?^^° Naja, jetzt ist das neue Kapitel endlich fertig (8k, wtf? .-.) und damit ist es auch Zeit für eine ausführlichere Reaktion als den Like.
Ich hatte gehofft, ohne die Namen irgendwie die Distanz zu schaffen, die Okabe und Maho zu diesem Zeitpunkt noch haben. Naja, ich werde mir das noch einmal vornehmen - und hoffen, dass ich unterwegs nicht noch über ein paar Ungereimthalten stolpere. Passiert mir zu gerne bei dieser FF, dass ich mich selbst verwirre (obwohl ich mich zum Glück noch nicht selbst dabei verletzt habe xD)
Meine Erklärung zu dem kleinen Schubs, den Maho benötigt, ist größtenteils, dass 0Maho 6 Monate lang gezwungen war, ohne Kurisu weitermachen, während sie hier unverändert in ihrem Schatten steht. Ist ganz lustig, damit zu spielen^^
Ich hatte die Szene, in der Okabe Kurisus Pudding isst, obwohl sie ihren Namen darauf geschrieben hat, noch so gut im Kopf, dass ich unbedingt darauf anspielen musste. Und nein, ich kloppe die Anspielungen nicht auf Teufel komm raus rein, es passiert einfach (allerdings versuche ich auch nicht, es aufzuhalten. Also selbst schuld, schätze ich^^°). Ich hoffe, in diesem Kapitel gibt es auch wieder ein oder zwei Andeutungen, die dich zum Schmunzeln bringen. Ich hatte zumindest meinen Spaß beim Schreiben.
... Und das in einem Pokémon-Forum... Wie mein Vater zu sagen pflegt: Herr, wirf Hirn vom Himmel xD
Kapitel 15
Japans Hauptstadt war so voller Menschen, dass jede Individualität von der Masse verschluckt wurde, sobald man auf die Straße trat.
Zumindest hatte Maho das bis jetzt immer angenommen. Es erinnerte sie vage an die ersten Wochen in Amerika, in denen sie sich wie der berühmte Engländer in New York gefühlt hatte. Ihre buschigen Haare, ihre asiatischen Gesichtszüge, ihre geringe Größe… Mit jedem Schritt hatte sie mehr und mehr das Gefühl gehabt, als würde sie sich wie Öl durch Wasser bewegen. “Ich passe hier doch nie im Leben rein”, hatte sie gedacht. “Die beiden Kulturen sind einfach unrettbar unterschiedlich.”
Erst als sie ihr Studium begonnen und sich mit mehreren hundert Leuten in einen Hörsaal gequetscht hatte, war es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen: Es interessierte niemanden. Sie war bloß ein weiterer Statist im Leben ihrer Kommilitonen, den sie als besetzten Platz oder gesichtslose Wortmeldung wahrnahmen, bevor sie ihrer Wege gingen, als wären sie sich nie begegnet. Wie viele Menschen man wohl traf, die man gar nicht richtig bemerkte?
Tatsächlich hatte sie diese Frage so sehr interessiert, dass “Selektive Wahrnehmung und die Notwendigkeit des Vergessens” der Titel einer ihrer Hausarbeiten gewesen war. Vielleicht hätte sie in diese Richtung weiter geforscht, aber seit sie am Projekt Amadeus beteiligt war, hatte sie keine Zeit, um diesem fremdzugehen.
Auch jetzt hatte sie das Gefühl, dass der Lauf ihres Lebens nicht mehr in ihrer Hand lag, als sie ihren drei neuen Freunden durch die Straßen Akihabaras folgte. Seit sie vor drei Stunden vom Labor aus aufgebrochen waren, streiften sie nun schon durch die Straßen von Akihabara und drückten sich die Nasen an den Schaufenstern platt. Maho war immer noch fasziniert, wie sehr man einen Kult um die japanische Animationskunst aufbauen konnte. Digitale Anzeigen, so breit wie manche Hausfassade, priesen die neuesten Serien an, während unter ihnen in den Läden allerhand Kostüme, Figuren, Spiele und Merchandise angeboten wurde, von denen Maho nie gedacht hatte, dass es einen Markt dafür gab.
Für Mayuri waren die Straßen wie ein zweites Zuhause und obwohl sie so oft hier war, winselte sie wie ein kleiner Hund, wenn man sie von den Schaufenstern wegzog. Dass sie sich konstant darüber beklagte, zu wenig Geld in ihrem Portemonnaie zu haben, machte die Situation auch nicht besser. Mit ihrer kindlichen Art fand sie alle paar Meter etwas, das sie begeisterte.
Kurisu tat zwar so, als würde sie nur ihrer Freundin zu Liebe hinschauen, aber Maho war schon längst aufgefallen, dass auch ihre Kollegin ihren Blick kaum von manchen Figuren lösen konnte. Ob sie Zuhause wohl auch so etwas stehen hatte? Jetzt, wo sie darüber nachdachte, konnte Maho sich nicht daran erinnern, jemals Kurisus Studentenzimmer gesehen zu haben - nun, das beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit. Obwohl die beiden sich seit ihrer Zusammenarbeit mehr Nächte um die Ohren geschlagen hatten, als sie zählen wollten, war es immer auf einer beruflichen Ebene geblieben. Sollte dies allerdings der Fall sein, würde es Maho nicht wundern, wenn bereits ein beachtlicher Teil ihres Koffers für den Import dieser Schätze reserviert war.
“Es ist wirklich schön, dass die beiden sich so gut verstehen, oder?”, fragte Ruka sie mit einem Lächeln. Seinen Kommentaren nach zu urteilen, konnte er den Fanartikeln allenfalls die künstlerische Schönheit abgewinnen und wusste nicht viel mehr als Maho, was den Ursprung anbelangte.
“Ja”, sagte Maho nur, als sie die beiden jungen Frauen beobachtete, wie diese sich angeregt vor einem Schaufenster unterhielten und abwechselnd auf die verschiedensten Dinge zeigten. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, mitreden zu können, doch die rationale Seite ihres Selbsts wusste, dass sie keinen Spaß daran hätte, wenn sie sich dazu zwingen müsste. Stattdessen versuchte sie, sich so zu akzeptieren, wie sie war - was zugegeben nicht ganz einfach war, wenn man in einer Masse von Enthusiasten durch die Straßen trieb und nur die japanische Höflichkeit einen von unerwünschtem Körperkontakt bewahrte. Um ehrlich zu sein, war Maho auch sehr froh darüber, denn bei ihrer Größe befürchtete sie schon, hinfort getrieben zu werden wie ein Stück Treibholz in einer schnellen Strömung.
“Mayuri hat erzählt, dass du zusammen mit Kurisu in der Uni arbeitest. An was forscht ihr denn so?”
“Künstliche Intelligenz”, antwortete Maho. Sie wollte nicht zu tief in die technische Materie eindringen, obwohl es ihr unter den Nägeln brannte und sie Ruka stundenlang davon erzählen könnte. Das hatte sie bei ihren Eltern gemacht und obwohl diese wirklich stolz auf ihre Tochter waren, hieß es immer nur “Sie macht etwas mit Computern.” Bei der gängigen Internetgeschwindigkeit im ländlichen Okinawa war es allerdings nicht verwunderlich, dass Technologie nicht der Bereich waren, für den sie sich interessierten. Außerdem gehörten sie der Generation an, die Sätze wie “Zu meiner Zeit” benutzte und der Ansicht war, dass es für sie schon längst zu spät war, sich mit den Neuerungen zu befassen. Allein schon sie von der Notwendigkeit eines Handys zu überzeugen war ein Kampf gewesen, den Maho nicht noch einmal ausfechten wollte.
“Das klingt wirklich interessant”, sagte Ruka die Worte, die für gewöhnlich etwas wie “Ich habe keine Ahnung, was das genau bedeutet, aber ich will nicht negativ auffallen” verschwiegen. Maho musste aber zugeben, dass bisher keiner so ein freundliches Lächeln dabei getragen hatte wie er. Kein Wunder, dass Passanten sich nach ihm umdrehten und deren Freundinnen ihnen entgeisterte Blicke zuwarfen. Maho hatte mit ihm nicht einmal mehr Worte als gängige Höflichkeiten ausgetauscht und trotzdem das Gefühl gehabt, in angenehmer Gesellschaft zu sein.
Maho zuckte mit den Schultern. “Das ist es, aber wenn man sich die ganze Zeit damit befasst, wird es recht alltäglich. Also nicht, dass es langweilig wird oder so. Es gibt nur immer etwas Neues, das man erforschen muss. So viele Dinge, die einfach nicht funktionieren wollen - und wenn man ein Problem endlich gelöst hat, hat man auf dem Weg dahin schon drei neue gefunden.”
“Oh, ich verstehe. Das muss eine Menge Arbeit sein”, überlegte er laut.
Maho nickte stumm. “Ja, von außen sieht es so aus, als würden wir nur eine endlose Kette an Befehlen eingeben, aber das alles zu überblicken, ist wirklich nicht ohne. Manchmal verirre ich mich regelrecht darin. Es hat Tage gegeben, da hatte ich das Gefühl, dass Amadeus - also das Programm - sich besser mit seinem eigenen Code auskennt als ich. Ihre Fehlerberichte sind wirklich sinnvoll.”
“Wie wenn man einen Arzt als Patienten hat?”
“Tatsächlich, ja”, sagte Maho und machte sich eine geistige Notiz, diesen Vergleich bei zukünftigen Erklärungen zu nutzen. “Schätze, wenn wir das noch ein bisschen ausbauen und die nötigen Berechtigungen verteilen, kann Amadeus sich irgendwann selbst programmieren”, sagte sie mit versuchter Selbstironie. Eigentlich war der Gedanke gar nicht einmal so weit hergeholt. Künstliche Intelligenz war noch ein sehr junges Feld, aber wenn man bedachte, wie viele Fortschritte man in den letzten Jahren damit gemacht hatte, war es gar nicht so unwahrscheinlich, dass einige Befürchtungen wahr werden würden, die man momentan noch für Science Fiction hielt. Außerdem war schon jetzt zur Genüge bekannt, dass eine KI, die man richtig programmiert hatte, im Bereich Logik einem jeden Menschen in Schnelligkeit und Genauigkeit überlegen war. Was fehlte, war einzig etwas, das Laien als Kreativität betiteln würden, aber Maho wäre nicht überrascht, wenn auch dieses Feature in den nächsten Jahrzehnten implementiert werden würde. Sie lachte tonlos, als ihr das unausweichliche Resultat einfiel: Wieso sollte man einen menschlichen Programmierer einstellen, wenn es auch eine KI tat?
Sie merkte erst, dass sie zu lange in Gedanken versunken war, als Ruka erneut versuchte, ein Gespräch zum Laufen zu bringen. “Das hier ist einer von Mayuris Lieblingsstadtteilen. Wo gehst du gerne zum Einkaufen hin?”
Maho war sich nicht sicher, ob der Junge ernsthaft interessiert war oder nur Konversation betreiben wollte, aber er schien wirklich ehrlich und nett zu sein. Ein bisschen wie Mayuri, die keinem Menschen etwas Böses wünschen würde, wenn auch auf eine entspanntere, vernünftigere Art und Weise.
Maho überlegte einen Moment, bevor sie antwortete: “Eigentlich gehe ich gar nicht so oft shoppen. Unter der Woche habe ich wegen der Arbeit nicht so viel Zeit dafür und sonst sind es meistens auch nur die Dinge, die ich brauche, was Essen und Klamotten anbelangt.” Sie überlegte kurz, wann sie das letzte Mal für irgendetwas anderes Geld ausgegeben hatte, und kratzte sich verlegen am Kopf. “Aber ich fürchte, bei Videospielen werde ich vielleicht schwach. Und Bücher, aber ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal wirklich zum Lesen gekommen bin.”
Ruka kicherte, auf diese elegante, melodische Art von ihm. “Dann kannst du dich ja bestimmt gut mit Daru unterhalten.”
Maho hob beide Hände, als drohte man, sie zu erschießen. “Nein, ich glaube kaum, dass uns die gleichen Genres interessieren." Sie schauderte bei dem Gedanken, dahingehend mit ihm verglichen zu werden. “Was magst du denn so?”, fragte sie, wenn auch nur, um das Gespräch in eine andere Bahn zu lenken. Nach den Themen, die er beim Abendessen am Vortag angeschnitten hatte, wollte sie auf keinen Fall mit ihm in Verbindung gebracht werden.
“Ich?”, wiederholte Ruka, so als hätte er gar nicht damit gerechnet, die Gegenfrage gestellt zu bekommen. “Also ich verbringe sehr viel Zeit damit, meinem Vater im Tempel auszuhelfen. Eigentlich gibt es da immer etwas zu tun, besonders zu den Feiertagen.”
Maho nickte langsam. “Ja, ich erinnere mich. Meine Eltern sind an den religiösen Feiertagen jedes Mal zu den Schreinen gegangen, um zu beten. Als Kind fand ich das wirklich toll, aber irgendwann war es dann nicht mehr so spannend.”
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, verzog sie das Gesicht. Vielleicht war es nicht das Schlauste, sowas zu jemandem zu sagen, der gerade offen zugegeben hatte, wie wichtig ihm seine Religion war.
Ruka allerdings sah nicht im Mindesten betrübt aus. Vielleicht hatte er die Fähigkeit, dass er innerlich so ruhig war, dass er tolerant gegenüber jeglichen Meinungen war, oder aber er wollte seinen Unmut nicht allzu offen zeigen. Was auch immer es war, er antwortete mit sanfter Stimme: “Ja, das höre ich oft. Abgesehen von den Feiertagen treffe ich selten Schüler aus meiner Klasse am Schrein, und selbst dann bleiben sie immer nur für ein kurzes Gebet.” Er zuckte mit den Schultern. “Aber ich schätze, so ist das einfach.”
“Da kann man nichts machen”, pflichtete Maho ihm bei, wenn auch weniger aus Mitgefühl, sondern weil sie selbst es so handhabte. Über die Jahre hinweg war ihr Religion immer unwichtiger geworden. Sicher hatte auch ihr Studium einen großen Teil dazu beigetragen. Wenn man seine Tage umgeben von Zahlen, Daten und Fakten verbrachte, blieb wenig Raum für Übersinnliches - obwohl ihnen schon mehrmals gesagt wurde, dass die Erschaffung von Amadeus einem Wunder gleichkam.
“Wenn du willst, kannst du gerne einmal bei uns im Tempel vorbeikommen. Ich könnte dich ein bisschen herumführen und dir alles zeigen. Gerade bei solch gutem Wetter ist es echt schön dort - auch wenn die Wärme das Stufensteigen recht anstrengend macht.”
Ruka hatte seine Ausführungen noch nicht einmal beendet, als Maho schon wusste, was sie antworten wollte: “Nicht doch, mach dir wegen mir keine Umstände. Du hast doch schon gesagt, dass du sehr viel zu tun hast.”
Ruka verschränkte seine Finger. “So hatte ich das nicht gemeint. Es ist nicht so, als müsste ich das alles sofort erledigen. Mein Vater ist sehr verständnisvoll, wenn ich mir dafür frei nehme. Er freut sich immer, wenn Freunde von mir zu Besuch kommen.”
Maho hatte ein plötzliches Flashback zu den letzten Jahren, bevor sie zu ihrem Auslandsstudium aufgebrochen war. Ihre Eltern hätten jeden Freund, der sie besuchen gekommen wäre, mit offenen Armen empfangen - hätte es doch bedeutet, dass ihre Tochter endlich aus ihrem Zimmer kommen würde, das sie sonst nur für die Schule und lebenserhaltende Maßnahmen verließ. Maho hatte solche Andeutungen gekonnt ignoriert. Es war doch ihre Sache, womit sie die Zeit vertrieb. Warum mussten Eltern sich immer in alles einmischen?!
Der Nachhall von Mahos Trauma musste sich in ihrem Gesicht abgezeichnet haben und sie wurde kurz darauf von einem “Geht es dir gut, Senpai?” aus ihren Gedanken gerissen.
“Jaja, alles bestens”, sagte sie schnell und bemühte sich um einen neutraleren Gesichtsausdruck, den man so deuten konnte, als hätte sie tatsächlich Spaß an der ganzen Sache und würde nicht nur mitgeschleift werden.
“Hast du vielleicht Hunger?”, fragte Mayuri und ein Knurren machte klar, dass sie lediglich ihre eigenen Gedanken projizierte. “Es wird langsam Zeit für’s Abendessen. Wollen wir irgendwo Essen gehen? Hier gibt es ganz tolle Läden”, sagte sie, und kaum dass Maho sich versah, hing Mayuri schon an ihrem Arm und versuchte, diesen mitsamt seiner Besitzerin mitzuziehen.
Kurisu seufzte. “Ich fürchte, ich hab heute schon genug Geld ausgegeben.” Tatsächlich hingen um ihr Handgelenk zwei verdächtig aussehende Papiertüten, deren farbenfrohes Äußeres auf Merchandise schließen ließ. “Geschenke. Für Bekannte daheim. Sollte ich mitbringen”, stellte sie klar mit so einer Vehemenz, dass sie selbst unter Folter nicht zugeben würde, was ihre eigentliche Bestimmung war. Maho hätte es nicht verwerflich gefunden, wenn Kurisu offen damit umgegangen wäre (Nun, vermutlich hätte sie ein paar Späße auf Kosten der Jüngeren gemacht, aber mit einem beachtlichen Stapel an Superhelden-Comics und -figuren auf dem Dachboden ihrer Eltern war sie nicht gerade in der Position, ihre Kohai auszulachen - nicht, dass sie diese jemals in ihre geheimen Leidenschaften einweihen würde!). "Mhm", antwortete sie nur mit einem wissenden Lächeln.
"Oh ja", sagte Mayuri und obwohl sie eben noch so energetisch gewesen war, nahm ein Blick in ihr Portemonnaie ihr den Wind aus den Segeln. "Das ist wirklich schade… Hey, ich hab's! Was wäre, wenn wir alle zusammenlegen, einkaufen gehen und dann wieder im Labor kochen. Das war so lustig gestern."
Bisher hatte Maho angenommen, dass es den berüchtigten Welpenblick nur bei Kindern oder Freundinnen gab, aber Mayuri sah aus, als würde sie einem die Welt zu Füßen legen, wenn man ihr nur diesen Wunsch erfüllte.
Kurisu nickte. "Klingt super."
"Ich würde gerne mitkommen", sagte Ruka und es klang verdächtig so, als würde er sich nicht nur darüber freuen, sondern praktisch darum betteln.
Mayuri lächelte breit. "Die Mehrheit ist dafür und damit ist es abgemacht", verkündete sie und klatschte in die Hände, woraufhin ihre eigenen Tüten raschelten.
"Was ist mit dir, Senpai?", fragte Kurisu und Maho schaute verlegen drein.
"Ich muss langsam mal meine Eltern anrufen", sagte sie.
Kurisus Blick nach hätte sie ebenso das Füttern einer Katze vorschieben können. "Also nichts Dringendes", stellte sie fest und obwohl Maho unzufrieden das Gesicht verzog, konnte sie dem nichts entgegen setzen.
Es war ja nicht so, als wenn sie das Labor nicht mögen würde. Tatsächlich hatte ihr der gestrige Abend recht gut gefallen - aber was ihre soziale Batterie anging, war er ebenso kräftezehrend gewesen wie dieser Marsch für ihre Füße. Außerdem würde man ihr bestimmt wieder alle möglichen Fragen stellen. Nicht auf die höfliche, bedachte Art wie Ruka, sondern alles, was einem in den Sinn kam.
"Also Mayuri, was wollen wir einkaufen?", fragte Kurisu.
Die Worte reichten aus, um ihrer Senpai und Ruka die Schweißtropfen auf die Stirn zu bringen. Obwohl sie sich in ihren Köpfen das pure Grauen vorstellten, unterhielten sich die Mädchen angeregt über diverse Möglichkeiten, bei denen ein bitterer Beigeschmack noch das kleinste Übel sein würde.
Ruka neigte sich zu Maho. "Wir könnten schon mal losgehen und etwas mit den Sachen vorbereiten, die da sind", schlug er vor, was ein hübsch verpacktes "mit dem wir dann zumindest unser Überleben sichern können" war.
"Klingt super", antwortete Maho gerade hörbar. Sie war überaus dankbar für die Möglichkeit, sich so einfach aus der Affäre zu ziehen, ohne dabei die Grundsatzdiskussion vom Zaun zu brechen, dass Kurisu jegliches Essen in eine Mordwaffe verwandeln konnte.
"Wäre es in Ordnung, wenn wir schon mal vorgehen?", fragte er und hatte bereits einen 500 Yen Schein in der Hand, den er den Mädchen für seine Einkäufe reichte.
Maho hatte nur das doppelte oder so viel Kleingeld, dass man damit ein kleines Feuer entzünden konnte. "Passt so", ließ sie die beiden wissen, als sie ihnen die umgerechnet 10 Dollar überreichte. "Ich hab ja gestern auch schon umsonst mitgegessen." Sie bezweifelte, für 5 Dollar in dieser Stadt ein vernünftiges Abendessen zu bekommen, vor allem wenn man die Reste bedachte, die man ihr noch mitgegeben hatte. Diese hatte Maho gleich zum Frühstück verspeist, nachdem sie die eigentliche Mahlzeit dieser Unterkunft verschlafen hatte. Wieso machten Videospiele auch am meisten Spaß, wenn der neue Tag schon angebrochen war?
Mayuri schaute sie unschlüssig an, doch Kurisu steckte die Scheine ohne zu zögern in ihre Tasche. "Mach dir keine Sorgen. Die Lebensmittel kann man bestimmt irgendwie absetzen, wenn man das als Geschäftsreise deklariert."
Maho versuchte lieber nicht, ihr zu erklären, dass Steuern so nicht funktionierten (vor allem, weil sie da auch nicht so genau durchblickte). Stattdessen verabschiedeten sie sich und gingen jeweils paarweise ihrer Wege.
Wer noch immer anzweifelte, warum Okabe der Anführer des Future Gadget Laboratory's war, hatte wahrlich keine Ahnung, was sein Gründer alles opferte. Allein in diesem Moment balancierte er auf der schmalen Grenze zwischen Leben und Tod. Eine falsche Bewegung konnte einen verheerenden Absturz bedeuten. Trotzdem nahm er allen Mut zusammen und streckte seine Hand nach den Sternen aus. "Schau dir das an!", rief er und gestikulierte so wild, dass er tatsächlich fast den Halt verlor und sich am Fensterrahmen festhalten musste, um nicht als Matsch vor der Tür seines Vermieters zu landen.
"Stürz dich nicht raus", murmelte Daru, während seine Maus über den Bildschirm flitzte und die Kreise im Rhythmus zur lebensfrohen Anime-Musik jagte.
Okabe fasste sich ans Herz. Was für eine Ehre, dass seine rechte Hand solch eine Angst um sein Wohlergehen hatte!
"Ist nicht hoch genug. Außerdem kannst du dir nicht die Miete UND die Krankenhauskosten leisten."
Okabe murrte verstimmt, als er sich eingestehen musste, dass seine finanzielle Lage nicht so rosig aussah, wie er es gerne hätte. Allerdings konnte er es sich auch nicht leisten, sich für einen Hungerlohn von jemandem versklaven zu lassen. Er musste all seine Anstrengungen darin investieren, seinen Verstand zu schulen, um jedem seiner Widersacher überlegen zu sein!
Okabe schüttelte theatralisch den Kopf. "Du willst es einfach nicht verstehen, oder?", fragte er, während er mit einer Hand seine Augen abschirmte und sich krümmte, als wäre er tödlich getroffen worden.
"Niemand kann dich verstehen. Manchmal glaube ich, dass du dich nicht einmal selbst verstehst."
"Gyahahahaha!", lachte Okabe, so laut, dass das Flügelschlagen der Krähen zu hören war, deren friedlichen Abend er damit zerstört hatte. "Oh ja, mein Verbündeter bis zum letzten Tag, du hast vollkommen recht. Seit meiner Geburt war ich zu höherem bestimmt und egal wie sehr die Mächte der Welt versuchen werden, mich einzuschränken, werde ich sie alle in meinen Schatten stellen!"
"Ich glaube eher, du hast selber einen Schatten", entgegnete Daru, während er im letzten Höhepunkt des Liedes um sein Leben klickte, um danach die Hände in die Luft zu reißen und sich zufrieden in den Stuhl fallen zu lassen. "New High Score, Baby. Nimm das, Chú Chu-lame!", rief Daru zum Bildschirm und setzte sein bestes Bitch-Face auf, bei dem Okabe froh war, dass die Kamera überklebt war. Der Superhacka könnte gar nicht so schnell dagegen an tippen, wie es sich als Meme verbreiten würde. Okabe wollte zwar, dass sein Labor weltbekannt werden würde, aber vorzugsweise durch seine Taten und keine peinlichen Skandale.
Gerade als er zum 6. Mal an diesem Tag darüber nachdachte, was genau er dafür tun konnte, klopfte es verhalten an der Tür. "Wer könnte das sein?", rief Okabe aus und hob seine Arme in eine verteidigende Haltung. "Etwa die Mitglieder des Kerns der Materie, die unser Versteck herausgefunden haben und uns nun zu einem Stellvertreterkampf um die Weltherrschaft herausfordern wollen?!"
"So gerne ich auch sehen würde, wie man den Boden mit dir aufwischt, wo du dich schon sonst vor dem Putzen drückst: Böse Organisationen, die vorher klopfen? Dein Ernst?" Daru schaute zu seinem Freund, als wäre er unrettbar enttäuscht über diese Darbietung. Dann wandte er sich zur Tür. "Komm rein, ist offen."
Okabe rannte vor ihn und breitet die Arme aus wie ein Schwan, in dessen Territorium man eingedrungen war. "Daru, bist du wahnsinnig? Du kannst doch nicht einfach das potentielle personifizierte Böse zur Tür herein lassen!", rief Okabe, doch außer dass Daru sein zugewandtes Ohr abdeckte, erreichte der verrückte Wissenschaftler damit nichts. War seinem Freund die Gefahr, in der sie sich befanden, etwa nicht bewusst? Oder war es ihm so egal, dass er sie alle bereitwillig gefährdete? Hatte er sich so in seinem besten Freund getäuscht? Oder hatten die Mächte des Bösen ihn unrettbar korrumpiert?
Dabei hatte er Daru doch eigentlich die zahlreichen Gründe erzählt, warum es ratsamer war, die Tür abzuschließen, selbst wenn sie beide im Labor waren. Zugegeben, es mangelte vielleicht an dem letzten Fünkchen Überzeugungskraft, aber dieser war fast unmöglich aufzubringen. Die ultimative Gefahr war so einschüchternd, dass allein der Gedanke daran, sie auszusprechen, der Beschwörung dieses Dämons gleichkam. Er würde keinen Augenblick zögern und Moeka Kiryuu befallen, die von fremden Mächten verführt alles tun würde, was diese ihr befahlen, bis-
Die Tür schwang auf.
"Ich komme jetzt rein", hörte man es durch die kleine Wohnung hallen, obwohl die Stimme so leicht und zaghaft wie der Flug eines Schmetterlinges war. Und trotzdem gehörte sie zu einem Kerl.
Daru hatte, was dies anging, immer von einer regelrechten Verschwendung gesprochen, doch er drehte sich trotzdem nach ihm auf seinem Bürostuhl um, als Ruka durch die Tür kam. Die beiden jungen Männer runzelten die Stirn. Für gewöhnlich folgte Ruka einer freudig durch die Tür stürmenden Mayuri oder kam erst, wenn seine Schulfreundin bereits da war. Selbstredend würden die beiden nie etwas tun, was seine körperliche Unversehrtheit oder sein reines Wesen beflecken würde, aber sie schienen nicht die tief sitzende Nervosität beseitigen zu können, die Ruka davon abhielt, die Männerrunde zu ergänzen - nicht dass sie besonderen Wert darauf legten. Die Illusion des femininen Jungen hielt leider nur einen Blick lang, bevor die Realität sie einriss.
Dieser Tag sollte keine Ausnahme der Regel sein, denn hinter ihm betrat Kurisus Freundin das Labor. Daru und Okabe wechselten einen kurzen Blick über die freudige Wendung des Schicksales, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen. Während Daru ein Hochgefühl bei jeder weiblichen Person erlebte, die ins Labor kam, hatte Okabe sehr viel höhere Gründe für seine Vorfreude. Kaum hatte sie sich die Schuhe ausgezogen, stand der verrückte Wissenschaftler vor ihr, aufgebaut wie ein Zirkusdirektor. "Immer hereinspaziert, nur keine falsche Scheu."
"Sagt der Typ, der sie bis vorhin noch aussperren wollte", fügte Daru von den billigen Plätzen aus hinzu.
"Mein Freund, bitte fasse nicht solche komplexen Hintergründe in einem so leicht misszuverstehenden Satz zusammen. Ansonsten denken unsere Neuankömmlinge noch, dass sie hier nicht willkommen wären."
Tatsächlich war Maho nur einen Schritt davon entfernt, rückwärts wieder durch die Tür zu treten, während Ruka aussah, als wolle er sich in einer Ecke unsichtbar machen, um dort still und leise auf Mayuri zu warten.
"Tut mir wirklich leid. Es ist fast unmöglich, ihn an die Leine zu legen, nachdem er sich selbst eine Krone aufgesetzt hat", rief Daru ihnen zu und winkte sie zu sich, während er schnell ein paar Programme schloss. "Hast du Lust, dir was anzuschauen?"
Maho streckte sich. "Willst du mich an die Arbeit erinnern, damit ich nicht noch auf die Idee komme, dass meine Auslandsreise auch Spaß beinhalten könnte?" Trotz des Sarkasmus' in ihrer Stimme lehnte sie sich über Darus Schulter, um sich den Code, den er geöffnet hatte, näher anzusehen. “Sieht ja ganz nett aus”, sagte sie vor sich hin, als sie dabei war, den Code vor sich in seine Wirkung zu übersetzen. “Sieht mir nach einem Entscheidungs- und Konsequenzen-Verlauf aus, aber das ist sehr viel komplizierter als das, was man normalerweise sieht.”
“Kennst du diese Visual Novels und RPGs, bei denen man die Antwort für einen Dialog auswählen kann, der aber keinen Einfluss auf die Story hat? Nun, ich wollte mal etwas programmieren, wo jedes Gespräch nicht nur Auswirkungen auf die Beziehungspunkte des jeweiligen Charakters, sondern auch untereinander hat. In den meisten Spielen kann man sich während des Mainplots so nett oder antisozial sein, wie man will, die Charaktere nehmen es einem trotzdem nicht übel.”
Maho nickte langsam. “Verstehe. Du willst also versuchen, möglichst originalgetreu die zwischenmenschlichen Interaktionen abzubilden, die normalerweise zu Gunsten der Machbarkeit stark vereinfacht dargestellt werden… Funktioniert es?"
Daru schnaubte. "Schön wär's. Beim letzten Probespiel ist es an dieser Stelle abgestürzt."
Okabe runzelte die Stirn über den einzigen Teil, den er verstanden hatte. Obwohl Daru mehrere Stunden am Tag vor seinem Rechner hier hockte und ab und zu tatsächlich etwas tat, das auch seinem Studium diente, hätte Okabe mehr verstanden, wenn sein bester Freund Chinesisch geschrieben hätte. Allerdings verfügte der verrückte Wissenschaftler über eine solch tiefgehende Menschenkenntnis, dass er den Widerspruch in dieser Annahme sofort aufdecken konnte: “Maho, ich-”
“Ich kann mich nicht daran erinnern, dir erlaubt zu haben, mich mit Vornamen anzusprechen!”, kam es sofort von ihr.
Okabe seufzte. Warum mussten Frauen immer so eigen sein? Aber nun, wenn jemand die Wichtigkeit des korrekten Namens verstand, dann doch wohl er, Hououin Kyouma! “Also gut, Hiyajosephine-”
“Das ist ja noch schlimmer!”, rief sie ihm mit einer Mischung aus Entsetzen und Frustration entgegen.
“Seinen Namen kann man sich nun einmal nicht aussuchen”, belehrte Okabe sie mit seiner altklugen Stimme.
Maho rieb sich die Schläfen, als könne sie die Erinnerung daran aus ihrem Gehirn reiben, wenn sie nur fest genug dagegen drückte.
“Wie dem auch sei”, fuhr Okabe ungerührt fort, “vermutlich ist es dir noch nicht aufgefallen, weil es erst dein zweites Mal in diesen heiligen Hallen ist und du unseren Superhacka-”
“Superhacker!”
Okabe räusperte sich. “Wenn ich jetzt bitte einmal ungestört diese elementare Wichtigkeit verkünden dürfte: Daru ist nur an längerwierigen sozialen Interaktionen interessiert, wenn sie mit Charakteren hinter einem Bildschirm stattfinden.”
“Oder wenn Menschen eine 2D-Seele haben”, warf dieser ein, was seinen Ruf noch mehr festigte.
Maho schien nicht sonderlich schockiert. “Passt zum Gesamtbild”, fasste sie nur knapp zusammen. “Kein Wunder, dass ich mir die Finger wund getippt habe, anstatt dass wir einmal miteinander gesprochen hätten.”
“Schien dir ganz recht zu sein.”
Sie zuckte mit den Schultern. “Tatsächlich ja. Ist einfacher. Vor allem wegen der Zeitzonen. Und dem Planen.”
“Sag mal, Hiyajosephine”, begann Okabe und ließ den Satz bedeutungsschwer in der Luft hängen, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
Keiner der beiden Computerverliebten reagierte. Sie waren nicht mal mehr in ein Gespräch vertieft, sondern hatten nur noch Augen für die Masse an kryptischen Befehlen, deren Länge es mit einer Kurzgeschichte aufnehmen konnte.
Okabe räusperte sich. Es mochte ja sein, dass es ganz interessant war (auch wenn er sich das nicht vorstellen konnte), aber sein Unterfangen war von viel größerer Wichtigkeit. “Dürfte ich um einen kleinen Moment Ihrer Aufmerksamkeit bitten, werte Dame?”
Maho warf den Kopf in den Nacken, erkennend, dass sie aus dieser Sache wohl nicht mehr herauskommen würde. “Was ist denn?”, fragte sie durch zusammengebissene Zähne und wandte ihren Blick gerade so lange vom Bildschirm ab, um Okabes Reaktion abzuwarten.
Ein selbstgefälliges Grinsen trat auf sein Gesicht. Er wusste doch genau, wie er Frauen um seinen Finger wickelte - nicht, dass er mit ihren Gefühlen spielen wollte oder so. Eine so schillernde Persönlichkeit konnte sich eben nicht retten, wenn die Menschen von ihm angezogen wurden wie Motten vom Licht. “Ich habe eine Frage zu deiner Zusammenarbeit mit Christina.”
Maho runzelte die Stirn, als sie angestrengt nachdachte, doch als sie darauf kam, dass es nur ein weiterer Spitzname war, schüttelte sie den Kopf. “Geht nicht. Ist alles klassifiziert”, antwortete sie knapp und wandte sich wieder dem vermeintlich Wichtigeren zu.
Okabe schnaubte. Sie hatte ja nicht einmal versucht, eine Möglichkeit zu finden, ihm trotzdem Auskunft zu geben! Lag es daran, dass sie an einer streng geheimen Sache forschten? War es immer noch Amadeus oder hatten sie ein Projekt am Laufen, das man vor ihm geheim gehalten hatte?
Plötzlich war seine Neugier geweckt, obwohl die Inhalte ihrer Arbeit eigentlich gar nicht das waren, was ihn interessiert hatte. Aber nun, er hatte sich schon immer vorgestellt, wie es sein würde, das Schachspiel gegen ein Mitglied einer anderen verdeckt arbeitenden Organisation zu führen. Er würde schon noch an die Informationen kommen, die er haben wollte. Für einen verrückten Wissenschaftler war die Kunst der Rhetorik essentiell. Wie sonst hätte er seinem Vermieter weismachen können, dass er mit der Monatsmiete nur im Verzug war, weil die Studiengebühren fällig geworden waren, und nicht, weil er sich unbedingt noch einen dritten Ventilator hatte kaufen müssen?
“Ich würde auch aufhören, dich mit deinem Spitznamen anzusprechen”, stellte er ihr in Aussicht.
“Wenn du nicht damit angefangen hättest, hätte ich dieses Problem gar nicht”, antwortete Maho seufzend und drehte sich zu ihm um. “Also, schieß los. Dann sind wir schneller durch”, sagte sie mit verschränkten Armen.
Okabe ließ sich extra Zeit, um ihr die Wichtigkeit seiner Frage deutlich zu machen - und ganz sicher nicht, weil er erst noch überlegen musste, was genau er sagen wollte! “Also, da du und Christina euch sehr nahe steht, habe ich gedacht-”
“Tun wir das?”, fragte Maho, wenn auch weniger patzig als zuvor.
Okabe runzelte die Stirn, als könne dies selbst ein Blinder im Dunkeln sehen. “Nun, ihr arbeitet jeden Tag zusammen, unterhaltet euch viel und auch so kann man sehen, dass ihr euch sehr gut versteht.”
Maho hatte ihre Hände so tief in ihren Taschen vergraben, dass sich die Umrisse ihrer Fäuste abzeichneten. “Ist das so?”, fragte sie, als wäre ihr dieser Gedanke nie gekommen.
“Etwa nicht?” Es sollte neckend klingen, aber es schwang trotzdem ein Teil seiner Verunsicherung mit. Maho würde darin nicht mehr sehen als die falsche Einschätzung eines Außenstehenden, der die kleine Wissenschaftlerin erst seit 24 Stunden kannte. Sie konnte nicht ahnen, dass er sie genau vor sich sah, wie sie ihm mit Tränen der Verzweiflung von der letzten Möglichkeit erzählte, Kurisu nach ihrem Ableben wenigstens teilweise in dieser Welt zu behalten. Die Maho von damals hatte den Finger auf Pandoras Box gelegt, als sie mit dem Gedanken gespielt hatte, Kurisus Laptop entschlüsseln zu lassen. Okabe fragte sich noch heute, wie eine Weltlinie aussehen würde, in der man Darus Versteck nicht ausfindig gemacht hätte. Was auch immer durch ein Passwort geschützt worden war, es wäre für diesen Okabe und diese Maho mit all ihrer Trauer und ihrem Verlust so bedeutsam gewesen, dass es sogar die Divergenz verändert hätte.
"Ich glaube, du bist wirklich nicht so schlau, wie du denkst", entgegnete Maho.
Hinter ihr schüttelte Daru seine Hand, als hätte er sich an etwas verbrannt, während er sich das schadenfrohe Grinsen nicht verkniff.
Okabe zeigte sich nicht im Mindesten angegriffen. Die Welt hatte ihm schon viel Schlimmeres entgegen geworfen, als dass er bei einer solche Bemerkung bereits einknicken würde. Seit Anbeginn der Zeit wurden geniale Wissenschaftler als verrückt abgetempelt, da ihre Denkweisen sich nicht mit denen der gemeinen Bevölkerung vereinen ließen. Er hatte sich bereitwillig diesen Deckmantel übergestreift, um seine Feinde in die Irre zu führen. Wenn sie ihn erst einmal unterschätzten, war es für ihn ein Kinderspiel, die Überhand zu gewinnen! Dass diese Scharade sogar bei seinen Verbündeten funktionierte, zeigte nur, wie nah er an der Perfektion dieser Methode dran war.
Also warf er seinen Kopf in den Nacken und gab seine beste Imitation der bösen Lache jenes Wissenschaftlers zum Besten, mit dem damals alles begonnen hatte. "Oh du arme Unwissende, wie sehr du dich doch verschätzt. Glaube mir, ich weiß aus sicheren Quellen, dass ihr beide eine Freundschaft pflegt, die über eine bloße Zweckgemeinschaft hinaus geht."
"Hat Kurisu dir das erzählt?", fragte Maho vorsichtig.
Okabe musste seine Lippen zusammen pressen, um sein Grinsen zurückzuhalten. Wie einfach das doch war. Er müsste nur Ja sagen und sie würde jedem Wort lauschen, das aus seinem Mund kam.
So verlockend diese Lüge auch war, wurde ihr potentieller Nutzen mit einer ebenso großen Gefahr aufgewogen: Wenn Kurisu rausfinden sollte, was er über ihr Privatleben erzählte, war stundenlanges auf den Knien Sitzen gerade einmal ein Vorspiel zur Folter.
Also benutzte er die Fangfrage, die seit seiner Kindheit erprobt war: "Und wenn es so wäre?"
Maho schnaubte. "Ich glaube dir kein Wort", sagte sie, verschränkte die Arme und drehte sich zurück zu Darus Projekt. Sie hatte ihren Kopf zum Bildschirm gedreht, doch ihr abwesender Blick verriet ihm, dass ihre Gedanken gerade überall sonst als bei der Fehlersuche waren.
Okabe ließ sich nicht beirren. "Oh, ich wette, ihr kennt euch viel besser, als du vorgibst. Du hast sogar mal den Tee mitgebracht, den sie gerne trinkt. Jasmintee, wenn ich mich nicht irre.” Natürlich irrte er sich nicht. Okabe hatte zwar erwartet, dass all die Eindrücke der verschiedenen Weltlinien irgendwann nur noch zu einer grauen Masse in seinem Kopf verschmelzen würden, doch an viele der Details erinnerte er sich so gestochen scharf wie bei geliebten Filmszenen.
Dabei hatte Kurisu dieses Detail einfach so bedenkenlos in den Raum geworfen wie einen weiteren wissenschaftlichen Fakt, wenn sie über ein Thema referierte, in dem sie sich auskannte. Sie konnte stundenlang über etwas erzählen, vor allem wenn sie von einem Thema zum nächsten sprang wie er über Weltlinien. Sie dachte laut über so vieles nach, was ihr noch unbekannt war, dass sie am Ende gar nicht mehr wusste, worüber sie eigentlich geredet hatte. Für gewöhnlich folgte Okabe ihren Erläuterungen mit der Intention, weil er sie gar nicht schnell genug unterbrechen konnte, doch jenes Mal hatte er neben ihr in dieser Bahn gestanden und sich nach jedem ihrer Worte verzehrt. Ein halbes Jahr war nichts im Vergleich zum bevorstehenden Rest seines Lebens ohne sie gewesen, doch diese Begegnung hatte ihm voll bittersüßem Schmerz gezeigt, was durch sein Versagen für immer darin fehlen würde.
Ob Kurisu ebenfalls so weit gehen würde, einen wahrhaft gestörten Wissenschaftler aus seiner Verbannung zu befreien, um ein Leben zu retten? Und wenn ja, dann nur, weil sie daran glaubte, dass es mit ihrem Verstand möglich war? Oder weil sie wusste, dass sie es schon einmal getan hatte?
Maho drehte sich schlussendlich doch zu ihm um, als wäre die Erwähnung dieses Details so etwas wie ein geheimes Codewort. “Ihr scheint ja wirklich mehr miteinander zu reden, als euch nur gegenseitig anzuschreien.”
“Nah”, machte Daru nur. “Es vergeht keine Viertelstunde, bis die beiden sich nicht wegen irgendwas in die Haare bekommen. Erinnerst du dich an die Pudding-Sache von gestern? Stell dir das bei einer wissenschaftlichen Diskussion vor, die nicht einmal dann endet, wenn das Publikum schon lange den Raum verlassen hat.”
Okabe stemmte die Hände auf die Hüften. “Daru, ich habe dir schon tausendmal gesagt, von was für einer immensen Bedeutung ein wissenschaftlicher Diskurs ist. So viele Erfindungen und Entdeckungen gründen darauf, dass das Gehirn im richtigen Zeitpunkt stimuliert wird und über seine normalen Begrenzungen hinaus denkt.”
“Ihr habt euch über die potentielle Zellveränderung von Bananen in einer Mikrowelle unterhalten - und keiner von euch hat irgendwas in Richtung pflanzlicher Biologie studiert. Himmel, ich hab nicht einmal mehr etwas Zweideutiges herauslesen können, und ich habe es noch nie so ernsthaft versucht!”, winselte Daru und zum ersten Mal erntete er für seine Veranlagung tatsächlich so etwas wie Mitleid.
“Vielleicht würde es euch helfen, wenn ihr euch einfach einmal aussprechen würdet”, kam es von Ruka, der sich den Rest des Gespräches wie ein braver Junge im Hintergrund gehalten hatte, wohl wissend, dass er nicht viel Sinnvolles zu der Situation hätte beisteuern können. “Es gibt so viele Streitereien, die auf Missverständnissen beruhen, oder weil die Leute nicht sagen, was sie wirklich denken und fühlen. Vielleicht geht es bei diesen Streitereien ja um mehr, als ihr tatsächlich aussprechen wollt.”
Okabe setzte zu einem detaillierten Monolog der Rechtfertigung an, doch Abhilfe kam ausgerechnet in der Form einer kichernden Maho. “Oh ja. Wenn Kurisu sich erst einmal in etwas verrannt hat, dann lässt sie so schnell nicht mehr davon ab. Da kann man wirklich nur darauf warten, dass sie irgendwann müde wird und es von selbst aufgibt.”
“Hmpf”, machte Okabe nur. “Erfahrungsgemäß verliert meine Assistentin jegliches Maß, wenn es darum geht, eine Debatte zu gewinnen. Sie kramt sogar die exotischsten Studien hervor, nur um damit anzugeben, und konstruiert dann eine hanebüchene Theorie, die man nicht entkräften kann, weil sie auf einer Materie gründet, auf der sich außer ihr vielleicht gerade einmal fünf weitere Leute auskennen!”
“Hast du gerade zugegeben, dass du einfach nur neidisch bist, weil du auf einem dieser Gebiete nicht annähernd das Wissen hast, um ihr das Wasser zu reichen?”, fragte Daru und schaute mit ein wenig Stolz dabei zu, wie Okabes Gesichtsfarbe von Weiß zu tiefem Rot wechselte, als der Satz ihm im Hals stecken blieb und es eine Gegenwehr gekonnt verhinderte.
“Zugegeben, sie hat wirklich ein paar interessante Fachgebiete. Ich weiß gar nicht, auf wie viele Themen wir in der Uni zufällig zu sprechen gekommen sind, zu denen sie sich stundenlang ausgelassen hat. Wir haben uns sogar mal so lange über das chinesische Zimmer unterhalten, dass Amadeus eine Identitätskrise bekommen hat.”
“Das Chinesische Zimmer? Wie in Feng Shui?”, fragte Ruka verwirrt.
Okabe legte den Kopf schief. “Ich wusste gar nicht, dass ihr euch so für Inneneinrichtung interessiert.”
“Tun wir auch nicht. Das Chinesische Zimmer ist ein Gedankenexperiment, das jeder Programmierer kennen sollte. Wie hat Searle das noch mal formuliert? ‘Ich dachte, die ganze Idee der starken KI ist, dass wir nicht wissen müssen, wie das Gehirn funktioniert, um zu wissen, wie der Verstand funktioniert’. Anders ausgedrückt, es stellt die Frage, ob KIs wirklich in der Lage sind, zu verstehen, oder ob sie nur die Prinzipien befolgen, die man ihnen einprogrammiert hat.”
“Äh, jaaa. Und was hat das Ganze jetzt mit den Chinesen zu tun? Haben sie so ein Experiment in einem Zimmer durchgeführt?”, fragte Okabe und in seinem Kopf begannen sich schon die ersten 3 Verschwörungstheorien zu bilden, was diese Nation für einen Nutzen von hoch entwickelter KI haben würde. Nicht auszuschließen, dass neben SERN und DURPA auch andere Länder in anderen Weltlinien es auf die Technologie einer Zeitmaschine oder von Amadeus abgesehen haben könnten-
Okabe kniff die Augen zusammen und ballte die Hände so fest, dass sich Halbmonde in seinem Fleisch abzeichneten. Nicht jetzt. Nicht irgendwann. Nicht in einer Welt, wo all diese Gefahren nicht mehr real waren.
“Das chinesische Zimmer”, fuhr Maho fort, “hat folgenden Versuchsaufbau…”
“Halt halt halt, ich komm nicht mehr mit”, sagte Daru und fasste sich an den Kopf, als würde ihm schwindelig werden. “Du meinst also, dass diese KI die Fragen sinnvoll beantworten kann, obwohl sie die Bedeutung nicht kennt?”
Maho nickte. “Das ist, als hättest du einfach die Antworten auf das 1x1 auswendig gelernt, ohne den Sinn einer Multiplikation verstanden zu haben. Du würdest jedes Mal die richtige Antwort geben, aber nicht, weil du weißt, wie es funktioniert.”
“Also hat man gar keine KI programmiert, die Chinesisch kann, sondern eine, die nur so tut, als ob?”
Okabe täuschte Entsetzen vor. “Das ist ja, als hätten wir einen Betrüger unter uns. Ist es jetzt so weit, dass wir einer nach dem anderen ermordet werden und herausfinden müssen, wer in unserer Mitte das schwarze Schaf ist?”
Maho entglitten alle Gesichtszüge. “Wie zum Geier bist du ausgerechnet auf diese Lösung gekommen? Das hat mit dem ursprünglichen Aufbau des Gedankenexperimentes rein gar nichts zu tun!”, rief sie ihm vorwurfsvoll entgegen.
Okabe hielt einen Zeigefinger hoch und warf ihr einen tiefen Blick zu. “Aber wäre es allzu abwegig?”, fragte er sie mit verschwörerischer Stimme.
“Ja!”, rief sie ihm zu und verdeckte ihr Gesicht mit ihren Händen. “Wieso bin ich von solchen Idioten umgeben?”, fragte sie und warf den Kopf in den Nacken.
“Kannst du das mal nachbauen? Ich würde das zu gerne in Aktion sehen, aber ich habe im Moment zu viel mit meinem Studium zu tun. Außerdem, habt ihr beide nicht Zugang zu einer selbst erschaffenen KI?”, fragte Daru.
Maho fasste sich ans Kinn. “Es wäre nicht unmöglich, einen solchen Versuchsaufbau zu simulieren mit den Parametern, die wir schon haben. Allerdings würde ich gerne vermeiden, das auf meinem Rechner in der Uni zu machen. Die sehen das schon in Amerika nicht gerne, wenn wir was für private Zwecke machen, und hier in Japan werden sie einer Austauschstudentin wie mir sicher noch mehr auf die Finger schauen.”
“Du bräuchtest einfach einen leistungsstarken PC”, schlussfolgerte Okabe und warf Daru einen fordernden Blick zu.
“Sorry, not sorry. Der hier ist belegt”, rief er zurück und umarmte seinen Bildschirm, wo hinter dem Programm im 5-minütigen Abstand ihm immer wieder eine neue Waifu schmachtende Blicke zuwarf.
Maho schnaubte belustigt. “Hast du gerade wirklich ‘einfach’ und leistungsstark’ in einem Satz verwendet? Du hast wohl meine Reisekasse noch nicht gesehen.”
Okabe legte den Kopf schief. “Wart ihr nicht heute shoppen?”, fragte er und schaute sich nach etwaigen Tüten um, die sie nur zu gut versteckt hatte.
Maho rieb ihre Füße. “Erinner mich nicht daran. Ich kann die Blasen an meinen Füßen fast schon allein durch den Schmerz zählen.”
“Tse tse tse”, machte Okabe nur und schüttelte den Kopf. “Ich muss meiner Assistentin wirklich den Kopf waschen. Was ist das für eine Stadtrundführung, wenn man das Wichtigste vergisst?” Er wartete, bis sich die Frage klar und deutlich in Mahos Gesicht abzeichnete, bevor er ihren Standpunkt auffasste. “Deine Reisekasse hat wohl unser Technologieviertel noch nicht gesehen.”
Dazu lachte. “In dem Fall wäre erst recht nichts mehr drin.”
“Das kann ich bei meiner Ehre als Vorstand des Labors nicht dulden. Du darfst nicht eher aus dieser Stadt fortgehen, bevor wir dir gezeigt haben, was diesen Stadtteil erst so richtig groß gemacht hat.”
Daru kreischte wie ein sehr männlich klingendes Fangirl. “Wir gehen ins MayQueens und besuchen Faris?!”
“Pssst”, fuhr Okabe ihn an wie einen Hund, der nicht aufhören wollte, am Tisch zu betteln. “Dafür ist keine Zeit. Erst müssen wir Hiyajosephines technologische Misere lösen.”
Maho lag es auf der Zunge, ihn zurechtzuweisen, doch sie wollte tatsächlich hören, worauf er hinaus wollte. “Du meinst, ich soll die paar Technikläden hier abklappern?”
“‘Die paar’?”, wiederholte Okabe, als wäre der Ausdruck pure Blasphemie. “Meine Liebe, wenn du denkst, sie zählen zu können, hast du noch rein gar nichts gesehen. Wir treffen uns morgen früh, noch vor Sonnenaufgang-”
“Das letzte Mal als du das gesagt hast, haben wir alle auf dich gewartet und du hast bis zum Nachmittag verschlafen!”, protestierte Daru empört.
“Haben die Läden da überhaupt schon auf?”, versetzte Ruka ihm trotz seiner unschuldigen Weise den Todesstoß.
“Nun gut”, gab Okabe zähneknirschend zurück. Mit normaler Stimme fragte er Maho: “Wann habt ihr euch heute getroffen?”
Sie überlegte kurz. “So gegen Zwei müsste das gewesen sein.”
“In Ordnung!”, verkündete Okabe seinen glorreichen Plan. “Dann werden auch wir ‘so gegen Zwei’ - ach nein, was ist denn das für eine Uhrzeit, das klingt doch nach nichts… 1402 Uhr! Ja, gegen 1402 Uhr vor dem Labor. Und sei nicht zu spät.”
Daru runzelte die Stirn. “Machst du jetzt einen auf Militär? Das passt überhaupt nicht zu dir. Kann das nicht die süße Loli sagen? Oh, und ich hätte nichts dagegen, wenn du zwei geflochtene Zöpfe hättest. Und am besten noch so einen Blick, als würdest du nichts ernst nehmen, was ich sage, aber trotzdem wie zu einem Vater zu mir aufsehen”, schlug Daru schwer atmend vor.
“Moment”, sagte Maho langsam, als sie sich von der abartigen Vorstellung erholt hatte, “wer ist eigentlich 'wir'?”
Okabe fasste sich ans Herz. “Nun, ich glaube kaum, dass wir die einfältigen weiblichen Seelen dafür gewinnen können. Du hast ja gesehen, an welche Orte sie dich heute verschleppt haben. Ihr seid vom rechten Weg abgekommen. Nein, in diesem Fall müssen echte Profis ran.”
“Neeein”, schrie Daru einen markerschütternden Schrei aus, als hätte er Wasser über seine geliebte Festplatte und die 5 Backups geschüttet. “Ich hab die Deadline für mein Projekt ganz vergessen!”
Maho zuckte zusammen, als wäre ihr bei dieser Erwähnung ein PTSD-Schauer über den Rücken gelaufen. “Kenne ich. Wann ist sie?”
“Morgen”, antwortete Daru mit Grabesstimme.
“Scheint, als würde ich ohne meine rechte Hand ganz allein diese Aufgabe übernehmen müssen”, sagte Okabe theatralisch.
“W-was?”, fragte Maho, die ebenso weiß im Gesicht aussah wie Daru.
Vom Sofa aus war ein verhaltenes Kichern zu hören und Ruka verbarg den unteren Teil seines Gesichts für einen Moment hinter dem Shojo-Manga, den er in den Händen hielt. Es war irgendwas in Richtung Love Story, Magical Girls und Comedy - zumindest kugelte sich Mayuri beim Lesen entweder vor Lachen, zerfloss wegen des Dramas oder quietschte, weil sie die Kostüme und magischen Begleiter zuckersüß fand.
Ruka blickte verlegen drein und schlug die Augen nieder, als er sich ertappt fühlte. Okabe wusste nicht, ob der leichte Rotschimmer auf seinen Lippen davon kam, dass es so hatte wirken können, als hätte er sie ausgelacht, oder weil er erklärte: "Mach dir keine Sorgen, Maho. Ich bin auch schon einmal mit Okabe allein durch die Stadt gegangen. Erst war es etwas komisch, aber gegen Ende hat es sehr viel Spaß gemacht." Man hätte den Inhalt als ein ganz normales Treffen zweier platonischer Freunde deuten können, aber die Art, wie Ruka davon sprach, ließ auf eine dieser Erinnerungen schließen, die man ganz tief in seinem Herzen bewahrte.
Da Okabe es nicht erklären konnte, ohne zu erwähnen, dass eine SMS das Geschlecht eines Menschen ändern konnte, sagte er nur: "Ich habe Ruka damals einen Gefallen geschuldet. Und wenn man so etwas tut, dann muss man sich der Sache schon ganz verschreiben und darf keine halben Sachen machen!"
Maho seufzte. "Na gut, ich gehe mit dir raus."
Daru, der mit seinem halben Ohr nur das gehört hatte, was er hören wollte, drehte sich so schnell auf seinem Stuhl um, dass er gehörig kippelte. "Ihr wollt miteinander ausgehen?!", rief er.
"Ihr wollt was?!", ertönte es als komisch endendes Echo von der Tür, wo Kurisu hereingestürmt kam, mit einer wie immer fröhlichen Mayuri im Schlepptau. Kurisus Gesichtszüge wechselten wild durch Schock, Wut, Entsetzen und Betrogensein, während sie versuchte, das Erlebte irgendwie einzuordnen.
Okabe stemmte die Hände auf die Hüften. "Du lässt mir ja keine andere Wahl, Christina. Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Wenn du einen besseren Job damit gemacht hättest, Maho die wirklich wichtigen Orte in Akiba zu zeigen, würde ich nicht meine unschätzbar wichtige Zeit dafür opfern müssen, um sie herumzuführen."
"Ich kann auch alleine gehen", warf Maho mit verschränkten Armen ein, doch das Argument wurde überhört.
"Wir sind eben nicht so weit gekommen, wie wir wollten!", entgegnete Kurisu und hielt geistesgegenwärtig die bunten Anime-Tüten hinter ihre Beine.
"Als Experte für dieses Stadtviertel hätte ich dir gleich sagen können, wo es sich wirklich lohnt, hinzugehen!"
"Vize-Experte, allenfalls", verteidigte Daru seinen Rang, doch auch für ihn hatten die beiden kein Gehör.
"Ach so? Na dann sag es mir doch einfach. Dann kann ich das ja für dich übernehmen!", forderte Kurisu.
Maho legte den Kopf schief. "Hast du nicht morgen ein wichtiges Gespräch an der Uni wegen deinem kommenden Semester?"
Während Kurisu den Mund verzog, klangen die Worte wie Musik in Okabes Ohren. "Aha! Also hat Hiyajosephine gar keine andere Wahl, als meine Gesellschaft zu genießen!", verkündete Okabe die zurecht gedrehte Wahrheit, die ganz seinem Geschmack entsprach. Dass die kleine Wissenschaftlerin sich eher wie ein Spielball zwischen zwei Elternteilen fühlte, schien die beiden völlig kalt zu lassen.
"Hör auf, schon wieder eine junge Frau als Geisel zu nehmen!", schrie Kurisu ihn an, so überzeugend, dass Okabe zum Fenster hastete und es überstürzt schloss.
"Ach komm, sie will es doch auch. Los, sag es ihnen, Hiyajosephine!"
Maho blickte verdutzt drein, zu überrascht, dass sie plötzlich doch sowas wie eine eigene Meinung hatte. Viel hätte sie aber sowieso nicht gezählt.
"Hör auf, sie für deine Zwecke zu missbrauchen. Schau nur, sie ist ganz verängstigt!" Wild gestikulierend deutete Kurisu zu Maho, die sich nur bedingt angesprochen fühlte.
"So ein Unsinn. Sie ist alt genug, um für sich selbst zu entscheiden! Also, was willst du?"
Wäre Maho 20 Jahre jünger gewesen, hätte sie so laut losgebrüllt, dass man sich die Ohren hätte zuhalten müssen. 10 Jahre weniger und sie wäre Tür knallend auf ihr Zimmer gerannt. Doch jetzt, wo sie auf Mitte 20 zuging, zwang sie sich, eine erwachsene Reaktion zu zeigen.
"Ist schon gut. Ich schau mal, was für eine dunkle Gasse mir der Spinner hier zeigen will."
Kurisu blickte zurück, als wäre sie auf üble Weise hintergangen worden. "Wenn du irgendetwas mit ihr machst, das… das du nicht tun solltest, dann… dann…"
Okabe grinste, als wäre Kurisu eine Grundschülerin, die er an der Stirn eine Armlänge von sich fern hielt, während sie verzweifelt schlagend und schreiend mit viel zu kurzen Armen nach ihm ausholte.
"...Dann komme ich nicht mehr ins Labor!"
Okabe entglitten jegliche Gesichtszüge, als Mayuri mit einem lauten "Neeein!" das aussprach, was er vielleicht gerade dachte.
"Das darfst du nicht!", quengelte sie weiter. "Dann sind wir nicht mehr komplett!"
Kurisu ginste verwegen, während sie Mayuris Kopf tätschelte. "Na, wessen Geisel ist sie jetzt?", schienen ihre Augen zu sagen.
Okabe wusste, dass er schachmatt war, und strich sich mit einer ausladenden Geste die Haare aus dem Gesicht. "Ich verhandle nicht mit Terroristen!", stellte er klar. "Es verletzt mich nicht, dass du einem verrückten Wissenschaftler solche Wege zutraust. Aber du solltest doch wissen, wie sehr mir das Wohl meiner Verbündeten am Herzen liegt."
Kurisu wandte sich mit verschränkten Armen von ihm ab. "Davon merkt man aber nichts!", beharrte sie, während die Wut von einer recht offensichtlichen Verletztheit überschwemmt wurde.
"Na wenn dir so viel an uns liegt, kannst du ja prima beim Essen helfen!", verkündete Mayuri mit ihrem breiten Grinsen und warf Okabe eine Kochschürze zu, was jeglichen Streit in Luft auflöste.
"Also wirklich", murmelte Kurisu, als sie sich zu Maho gesellte, "da lässt man euch eine halbe Stunde allein und schon versteht ihr euch, als würdet ihr euch bereits wochenlang kennen."
"So würde ich das nicht sagen...", entgegnete Maho.
"Ach, glaubst du etwa, er würde für jede junge Frau einen Abend opfern, um mit ihr um die Häuser zu ziehen?"
Maho merkte nur am Rande, wie ihr der Mund aufklappte. Sie schaute empor zu ihrer Kohai, doch wo sie einen grimmigen Blick vermutet hatte, hatte diese ein Lächeln aufgesetzt.
Noch den ganzen Abend rätselte Maho, ob sie sich die Bitterkeit dahinter nur eingebildet hatte.
- Also wer bei dem Englishman in New York nicht angefangen hat zu summen, dem kann man auch nicht mehr helfen - naja, vielleicht wenn man auf den Link klickt ;)
- "Kein Wunder, dass Passanten sich nach ihm umdrehten und deren Freundinnen ihnen entgeisterte Blicke zuwarfen" Damit war das Distracted Boyfriend Meme gemeint. Wem langweilig ist, der kann sich die Analyse dazu hier durchlesen
- Social Battery low, go home to charge, findet sich in letzter Zeit auf vielen Shirt Designs und Posts - und wird von mir als Introvertierte bedingungslos unterschrieben ;)
- Darus Rhythmusspiel mit Anime-Musik ist übrigens Osu. Hab ich früher mal eine Zeit lang gespielt, heutzutage höre ich nur noch die Musik davon^^°
- Wer den Anime Fate Unlimited Blade Works gesehen hat, darf sich auf keinen Fall das Abridged entgehen lassen - wenn auch nur, um die Anspielung mit Chú Chu-lame zu verstehen. Wen der Mythos interessiert, für den hat Miracle of Sound ein überaus gelungenes Lied geschrieben.
- Kern der Materie könnte man mit SERN in Verbindung setzen, aber ich nehme es keinem übel, der das nicht getan hat
- "Es ist fast unmöglich, ihn an die Leine zu legen, nachdem er sich selbst eine Krone aufgesetzt hat" Auch wenn es in dem Fall andere waren, die die Krönung vorgenommen haben: Okabe hat sicher ebenso große Ambitionen wie der junge König aus Game of Thrones
- Ich dachte, die ganze Idee der starken KI ist, dass wir nicht wissen müssen, wie das Gehirn funktioniert, um zu wissen, wie der Verstand funktioniert’ Schamlos kopiert aus dem Wikipediaeintrag zum Chinesischen Zimmer, aber da es ein Zitat ist, ist das wohl okay. Vielleicht finde ich noch ein paar Gedankenexperimente, die ich einbauen kann (und wenn, dann nicht so am Rand wie dieses hier), aber vielleicht spricht da auch nur das unbekehrbare Zero Escape-Fangirl aus mir.
- "Das ist ja, als hätten wir einen Betrüger unter uns. Ist es jetzt so weit, dass wir einer nach dem anderen ermordet werden und herausfinden müssen, wer in unserer Mitte das schwarze Schaf ist?" Wer hat schon Mafia/Werwölfe gespielt, bevor Among Us cool wurde? ;)
- Ich gebe zu, vielleicht habe ich Daru ein bisschen über die Stränge schlagen lassen, als er bei Okabes Militärgehabe an Suzuha gedacht hat, aber ich versichere hiermit, dass ich die beiden in keinster Weise shippe (Also Daru und Suzuha. Dann lieber Daru und Okabe. Was Suzuha und Okabe angeht... Nun, wozu gibt es die Weltlinien, wenn nicht fürs Shippen? ;) ). Aber davon abgesehen, hat irgendjemand die Militär-Loli aus Tanya the Evil darin erkannt?^^