Danke Rusalka für deine lieben Kommentare, die mittlerweile meine Aktivität wieder anfachen :) Ich habe tatsächlich bis Kapitel 32 schon die Geschichte geschrieben, weswegen ich die kommenden viel eher posten kann als wenn ich einer Schreibblockade stecke. Ich hoffe, du wirst weiter Spaß haben mit der Legende :)

27
Drei Legendäre Erkunder
Pompei stellte sich als ein Camerupt mittleren Alters heraus. Groß, breit und schwer grinste er Alakrates entgegen, als dieser mit Jimmy und Ironhard im Schlepptau an ihn herantrat. Die schlotartigen Höcker, aus denen es leicht qualmte, waren ziemlich verwittert und auch das kräftige rote Fell hatte einen gewissen Graustich. Auch ihm wuchs ein Bart, ein kleiner roter am Kinn mit melierten Spitzen.
Während sie sich ihm näherten, erhaschte Jimmy einen Blick auf das Dorf. Wie er von Weitem schon erkannt hatte, waren es schlichte Steinhütten mit einem Strohdach und nur wenige Pokémon bildeten diese Gemeinschaft. Die Erwachsenen von ihnen standen mit gespannten Gesichtern nahe einem kleinen Feuer, über das ein Topf voll brodelnden Wassers zwischen zwei Holzgestellen hing. Die Kinder hingegen rannten begeistert auf Alakrates zu, der den Sack in die Höhe hielt, bevor dieser gänzlich zerrissen werden konnte. Aus der Ferne wirkten die Pokémon relativ gesund, doch als Jimmy einen genaueren Blick auf sie erhaschen konnte, sah er, dass sie allesamt mager wirkten und nicht sonderlich gepflegt waren. Einzig das Leuchten ihrer Augen vermittelte einen lebhaften Eindruck und Jimmy erkannte, dass dieses Leuchten einzig Alakrates galt, während sie die Erkunder interessiert und auch argwöhnisch musterten. Alakrates selber schien davon keine Notiz zu nehmen, denn er trat mit einem breiten Grinsen an Pompei heran, während die Kinder ihm begeistert folgten und den Erkundern neugierige Blicke zuwarfen.
„Ich sehe, ihr wartet mit dem Essen, bis ich da bin, das ist aber nett!“
„Wir warten darauf, dass du uns hilfst, das Essen zuzubereiten, das du uns mitbringst“, sagte Pompei und lächelte, während Alakrates herzhaft auflachte. Er schritt dann an Pompei herbei und legte den Sack auf einen kleinen morschen Tisch, der zwischen zwei der Steinhütten.
„Das sind übrigens Gäste, beziehungsweise, Patienten von mir“, erklärte er, indem er auf Jimmy und Iro wies. „Es stört euch nicht, wenn sie sich für die nächsten Tage zu uns gesellen?“
„Keineswegs!“, nickte Pompei freundlich, richtete sich auf und trat auf die Erkunder zu. Alakrates öffnete derweil den Sack, aus dem eine Vielzahl von Lebensmittel kullerte. Eine Melone drohte, auf den Boden zu fallen und zu zerschellen, doch Alakrates hielt diese mit einem Schnippen seiner Finger in der Luft, während er für die anderen etliche Utensilien, von Kochmesser bis Waagen, aus seinem Stirnjuwel hervorzauberte.
„Es kommt nicht oft vor, dass wir Gäste empfangen können, da sich viele gar nicht hierher verirren“, sagte Pompei. „Was führt euch hierher?“
„Wir-“, wollte Jimmy erklären, doch Iro, der einen Blick auf ein paar der Pokémon geworfen hat, die am Feuer warteten, brummte laut und schob sich an ihm vorbei.
„Sieh an, so schnell sieht man sich wieder!“
Jimmy blickte genauer hin um zu erkennen, wen Iro da ansprach. Es waren das Nidorino, das Skunkapuh und auch das Pionskora, die ihn und Iro zuvor angegriffen hatten. Argwöhnisch, aber durchaus weniger feindselig begegneten sie nun dem Blick des Impergators.
„Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir euch daran hindern wollten, zum Riesenvulkan hochzulaufen!“, erwiderte das Nidorino, doch sein Blick war mehr entschuldigend, als Iro empört die Fäuste reckte.
„Wir haben nicht gesehen, dass euer Freund schwer krank war“, sagte das Pionskora mit betretenem Blick.
„Ich hoffe, eurem Freund geht es gut!“, sagte das Skunkapuh eindringlich.
„Oh?“, rief Pompei überrascht aus und näherte sich der Gruppe. „Ihr seid euch schon begegnet?“
„Wenn diese Sophie sich nicht eingemischt hätte, hätten wir uns sogar schon ‘nen Kampf geliefert“, brummte Iro, der das Nidorino nicht aus den Augen ließ. Pompei betrachtete es mit scharfem Blick.
„Wir dachten halt, dass sie zum Riesenvulkan hinauf wollten“, nuschelte es als Entschuldigung.
„Nun, Nino“, sagte Pompei beflissen. „So wie sich das aber anhört, bist du direkt zum Angriff übergegangen, nicht wahr?“
„Ich …“, wollte Nino erwidern, doch Pompei wandte sich an das Skunkapuh und das Pionskora.
„Puah? Sora? Wieso habt ihr ihn nicht davon abgehalten?“
„Wir … also …“, stammelte die Skunkapuh namens Puah.
„Na, na, Pompei!“, rief Alakrates munter während er dabei zusah, wie die anderen Pokémon emsig Gemüse klein schnitten und bereits Reis in den Kochtopf waren. Er trat nun an die anderen heran und blickte Nino, Puah und Sora der Reihe nach an.
„Gewiss habt ihr nur Ausschau halten wollen, ob sich Unerwünschte nähern richtig? Es ist zwar ein sehr löblicher Gedanke, stets dabei wachsam zu sein, doch wie ihr schon sagtet: sie hatten einen Kranken bei sich und es war nicht nett, sie-“
„Schon gut, Al, wir verstehen schon!“, sagte Nino gereizt. „Nächstes Mal sind wir aufmerksamer, versprochen!“
„Das will ich aber auch meinen“, sagte Alakrates im strengen Ton, zwinkerte aber dann lächelnd. Nino warf seinen beiden Freundinnen einen Blick zu, welche nickten, und zusammen liefen sie in Richtung des Vulkans.
„Ihr denkt aber dran, dass es gleich Essen gibt?“, sagte Pompei hastig, doch schon waren die drei außer Hörweite, worauf er resigniert den Kopf schüttelte.
„Für diese drei stellt es die größte Aufregung dar, den Aufgang zum Riesenvulkan im Blick zu behalten und gegeben falls Alarm zu schlagen.
„Was soll das heißen?“, fragte Jimmy, doch weil sein Magen in dem Moment laut knurrte und der von Iro im Kanon folgte, lächelten Pompei und Alakrates nachsichtig.
„Trinkt erstmal einen Tee“, sagte das Simsala munter und kehrte wieder zum Tisch zurück. Mit zwei Tassen in der Hand näherte er sich der Feuerstelle, schöpfte mit einem Löffel heißes Kochwasser in die Tassen und warf dann getrocknete Blätter in diese hinein. Dankbar nahmen Jimmy und Iro diese an und nippten an dem heißen Getränk.
Sofort hielt Jimmy inne. Der Tee schmeckte scheußlich und ihm ein Blick in die Tasse offenbarte ihm eine weiß-grüne trübe Flüssigkeit. Jimmy hielt sich mit seiner Abscheu zurück, doch Iro würgte laut und unüberhörbar und zog sich sofort die missbilligenden Blicke der anderen auf sich.
„Entschuldigung“, sagte Jimmy kleinlaut, während er Iro einen finsteren Blick zuwarf. Pompei lächelte schief.
„Es tut uns auch leid, dass wir euch keinen besseren Tee kochen können. Wir müssen sparsam mit dem Wasser umgehen, das wir für den restlichen Monat haben.“
„Wieso?“, fragte Iro und Jimmy hätte sich in dem Moment auf die Stirn schlagen können vor Verlegenheit. Endlich dann schien Iro sich dessen bewusst zu werden, wie es um die Dorfbewohner stand, und auch er ließ leicht verlegen den Kopf sinken. Pompei aber schüttelte den Kopf:
„Ich kann mir vorstellen, dass ihr anderes gewohnt seid, für uns ist es der Alltag, ganz gleich, wie sehr Alakrates und Sophie uns helfen. Wo steckt sie eigentlich überhaupt?“
„Sie ist oben geblieben, um nach dem Freund der beiden zu sehen. Aber vielleicht kommt sie nachher noch herunter …“, sagte Alakrates, dessen Finger nervös zuckten.
„Wie … wie geht es Tony?“
„Ihr geht es nachwievor schlecht“, sagte Pompei traurig. Alakrates zuckte kaum merklich, als Pompei ihm in die Augen sah.
„Könntest du gleich nach ihr sehen?“
„Ich …“, sagte Alakrates fahrig und sein Blick huschte zu den Pokémon, die sich mittlerweile am Feuer versammelt hatten und darauf warteten, dass das Essen fertig wurde. Dann seufzte Alakrates und holte aus seinem Stirnjuwel mehrere Tücher und ein paar Handschuhe hervor, die er zuvor schon getragen hatte. Er stand auf, wickelte sich die Tücher um seinen Mund und schritt dann zu einer Hütte, deren Eingang von einem alten zerschlissenen Tuch bedeckt wurde.
„Was hat das zu bedeuten?“, sagte Iro und blickte von der Hütte zu Pompei, der besorgt aussah.
„Alakrates ist … speziell“, erklärte er den Erkundern.
„Er ist zwar ein begnadeter Heiler und vermutlich der beste auf der Welt, doch er hat unerklärlicherweise eine sehr große Angst davor, sich selbst anzustecken. Wir kennen ihn nicht anders“.
„Deswegen diese Tücher?“, fragte Jimmy. Pompei nickte.
„Er war schon so seltsam, als er vor fünfundzwanzig Jahren damit angefangen hat, uns zu helfen. Bisher aber scheint es sehr gut geklappt zu haben, dass er bei der Behandlung unserer Kranken seine Maske angehabt hat. Krank geworden ist er nicht einmal.“
„Aber so schnell steckt man sich doch nicht an“, erwiderte Jimmy skeptisch. Pompei schmunzelte.
„Wir haben etliche Male versucht, ihm zu erklären, dass er keinen Grund hat, derartig übervorsichtig zu sein. Einige Kinder haben ihn schon als Mumie bezeichnet, so gewickelt wie er immer wieder aussieht.“
Pompei lachte schallend auf. Jimmy und Iro blickten sich verwirrt an.
„Jedem das seine, sage ich da immer. Es ändert nichts an der Tatsache, dass er uns in den letzten Jahrzehnter eine sehr große Stütze war. Ich glaube sogar fast, dass unser Dorf nicht mehr existieren würde, wenn es ihn und ein paar andere nicht gegeben hätte. Und seit Sophie bei ihm in die Lehre gegangen ist, erscheint sie uns allen als ein weiterer Lichtschein.“
„Ist sie nicht seine Tochter? Es klingt bei dir, als wäre Alakrates vorher allein für euch verantwortlich gewesen“, fragte Jimmy überrascht, während er gegen den Würgreflex ankämpfte, den er bei einem weiteren Schluck des teeartigen Getränks bekam. Pompei warf einen Blick zur Hütte, in die Alakrates verschwunden war. Dann senkte er die Stimme: „Sie ist eigentlich seine Ziehtochter, die er vor drei Jahren bei sich aufgenommen hat. Sie ist nämlich als Waise auf die Insel gekommen, das arme Mädchen.“
„Oh …“, sagte Jimmy und Beklommenheit machte sich in ihm breit. Doch Pompei lächelte sanft.
„Dass sie Alakrates und damit auch uns hilft, hat sich für alle als wahrhafter Segen erwiesen. Wenn sie mit ihm hier ist, hilft sie bei der Versorgung und Behandlung der Kranken und für die Kinder singt sie dann.“
„Sie singt?“, sagte Iro überrascht, der sich seinen rechten Arm rieb. Jimmy vermutete, dass er dessen wieder erlangte Freiheit noch immer wie einen unerwarteten Schatz ansah.
„Und das kann sie ziemlich gut!“, sagte Pompei mit einem anerkennenden Nicken. „Sie singt Kränkliche in einen erholsamen Schlaf und ihr Gesang lässt die Stimmung allgemein heben. Denn wie ihr vielleicht sehen könnt, gibt es nicht viel hier zu tun, außer auf das nächste Essen zu warten, dem Wellengang des Meeres von der Klippe aus zuzusehen oder sich nicht von unserer Armut und unserem Elend unterkriegen zu lassen.“
Pompei sprach die Worte beinahe gelassen, als würde es ihn nicht groß kümmern. Doch in Jimmy machte sich ein schlechtes Gewissen breit. Er und Iro würden die Gastfreundschaft der Dorfbewohner in Anspruch nehmen und vermutlich eine Art Belastung darstellen.
„Ich hoffe, es ist für euch in Ordnung, eine Hütte zu teilen? Wir haben leider nicht viele …“, sagte Pompei besorgt und abermals spürte Jimmy einen tiefen Stich, als er schuldbewusst dem Camerupt in die Augen blickte.
„Tut mir leid … vermutlich machen wir es euch nicht leichter …“, murmelte Jimmy, doch Pompeis Augen weiteten sich.
„Na, na! Dass wir euch hier begrüßen dürfen, erfüllt uns mit Ehre, und auch mit Stolz! Vermutlich sind wir die einzigen auf dieser Insel, die euch ohne Weiteres aufnehmen würden!“
„Wieso? Was ist mit den Einwohnern von Villbénie?“, fragte Iro erstaunt. Pompei blickte ihn belustigt an.
„Ihr habt doch Mauer gesehen, die diese Ödnis von der anderen Seite trennt?“
„Schon“, antwortete Jimmy. „Doch man hat uns erzählt, das sei hauptsächlich zum Schutz vor Banditen, die sich auf dieser Seite herumtreiben würden.“
„Ich verstehe“, sagte Pompei und ein schwaches Lächeln fuhr über seinen breiten Mund. „Zur Abwechslung werden wir mal als was Harmloseres dargestellt?“
„Wie meinst du-“, sagte Jimmy, doch in dem Moment näherten sich ihnen Alakrates und eine Absol. Deren langes weißes Haar fiel stumpf über eines ihrer eingesunkenen Augen und auch ihr Gang wirkte etwas zittrig. Doch wie Alakrates‘ Augen trotz seines Alters Kraft ausstrahlten, so lag ein lebendiger Funke in der Absol, die sich neben sie gesellte, während Alakrates zum Essenstopf hinüberging, um die sich eine schwatzende Essensschar versammelt hatte. Währenddessen streifte er sich Handschuhe und Schal von seinem Körper ab und verstaute diese wieder in seinem Stirnjuwel
„Tony!“, sagte Pompei erfreut und blickte sie mit glänzenden Augen an. „Geht es dir besser?“
„Den Umständen entsprechend“, sagte Tony lächelnd. Jimmy hörte ein leises Krächzen in ihrer Stimme und fühlte sich unweigerlich an Max erinnert.
„Dank Al natürlich. Er hat mir gegen meinen Husten und Fieber einen zwar scheußlichen, aber wirkungsvollen Trank gegeben. Wie Sophie Arien singen werde ich zwar nicht können…“, und sie senkte verschwörerisch die Stimme, sodass Pompei stirnrunzelnd sich konzentrieren musste, ihr zuzuhören.
„Aber unter uns: Wer mich singen hört, wird glauben, das Unglück schlage tatsächlich zu. Eine Krankheit wie meine macht da wohl keinen Unterschied, nicht wahr?“
Pompei und sie brüllten auf vor Lachen, während Jimmy und Iro verdutzt neben ihnen saßen. Beklommen sah Jimmy Tony dabei zu, wie sie darauf anfing, heftig zu husten und sich von ihnen wegdrehte.
„Meine Stimme“, krächzte sie und blickte erst wieder zu ihnen, als sie aufgehört hatte. Sie sprach nun etwas leiser als vorher, als sie sich den Erkundern wandte.
„Ich sollte sie nicht so beanspruchen, sonst kann ich überhaupt niemanden mehr mit meiner Stimme beunglücken. Ihr beide könnt euch daher glücklich schätzen, mich in diesem Zustand zu treffen. Ihr seid die Erkunder, von denen Al mir eben erzählt hat?“
„Es sind die einzigen Neuzugänge in unserer heutigen Gemeinschaft, Tony“, sagte Alakrates, der mit vielen neben ihm her schwebenden Schalen zu ihnen gekommen war. Jede der Schale flog zu einem anderen des Sitzkreises. Als Jimmy in seine Schale blickte, erkannte er eine gute Portion Reis sowie eine kleine Menge an gekochtem Gemüse und kleingeschnittenem Obst auf de. Auch bei den anderen waren die Schalen großzügig gefüllt.
„Für Nino, Sora und Puah habe ich auch schon Portionen bereit gestellt“, sagte Alakrates zu Pompei, während er sich mit gewissem Abstand zu Tony auf den Boden setzte. „Wenn sie nachher zurückkommen, können sie diese nehmen.“
„Du denkst wieder mal an alles“, sagte Pompei mit einem dankbaren Nicken. Tony schenkte derweil wieder ihre Aufmerksamkeit den Erkundern.
„Also? Was verschlägt euch denn in diese einsame Ecke? Sightseeing könnt ihr wohl nicht betreiben, oder? Wie ist euer Name eigentlich?“
Na, na, Tony, nun belagere sie doch nicht so. Lass sie doch erstmal was essen.“
Tony beugte sich herunter, nahm einen großen Bissen von ihrer Schale und blickte dann wieder mit vollem Mund zu Pompei auf: „Pfie fkönnen uch fo rewen!“
Pompei lächelte belustigt. Jimmy und Iro taten derweil auch einen Bissen und erst dann erklärten sie in Kürze, weswegen sie auf die Ascheninsel gekommen waren. Dabei stellten sie sich auch vor.
„Ich hoffe, euren Freund Max lernen wir auch noch kennen“, sagte Tony interessiert. „Es kommt nicht oft vor, dass sich Erkunder gerade hierher verirren.“
„Haben wir überhaupt gesagt, dass wir Erkunder sind?“, sagte Jimmy und blickte dabei Alakrates erstaunt an. „Dazu sind wir glaube ich gar nicht gekommen, oder?“
„Da ihr um euren Freund besorgt wart, ist das auch nur verständlich gewesen“, sagte Alakrates milde lächelnd, während er einen weiteren Bissen tat.
„Aber ein Blick auf euch sowie den Zustand eures Freundes hat mir verraten, dass ihr weit gereist und viel erlebt haben müsst. Weshalb sonst hätte Max am Heißkalt-Fieber leiden und Iro hier einen im Gips eingewickelten Arm haben können, wenn dies nicht durch große Abenteuer in der ganzen Welt erklärbar wäre?“
„Al hat einen Blick für sowas, ihm entgeht nichts“, sagte Tony besserwisserisch grinsend. Alakrates nickte.
„Außerdem strahlt ihr, jetzt wo ich mir euch so ansehe, einen ähnlichen Glanz wie jene Erkunder aus, die vor so vielen Jahren hier auf der Insel gelandet waren. Pompei, du erinnerst dich an sie?“
„An Knuddeluff und Plaudagei? Wie könnte ich dieses Duo je vergessen?“, lachte das Camerupt rührselig lächelnd bei dieser Erinnerung. Doch Alakrates schüttelte den Kopf.
„Fast zeitgleich mit ihnen waren noch zwei andere dagewesen. Diese meinte ich.“
„Ah, dann meinst du gewiss Axelot und Stahlard. An die kann ich mich auch sehr gut erinnern.“
Iro, der gerade eine Hand voll Essen zum Maul führen wollte, hielt augenblicklich inne. Langsam ließ er die Hand sinken und starrte Pompei und Alakrates an. Den beiden entging dieser Blick nicht und sie blickten verdutzt zu Iro.
„Der General war ebenfalls auf dieser Insel?“, sagte Iro und Jimmy hörte, wie die Knöchel seiner Faust knackten.
„General? Ich weiß nicht, ob er tatsächlich einer ist, sprechen wir von demselben Pokémon?“, sagte Pompei sichtlich interessiert
„Ein Impergator wie ich, nur mit einer blauen Färbung?“
„Dann sprechen wir in der Tat von dem selbigen, doch dass ihr ihn kennt, wundert mich schon.“
„Wir sind ihm ein paar Mal begegnet“, erklärte Jimmy, ganz darauf bedacht, nicht zu erwähnen, dass Iro seinen gebrochenen Arm durch den General erhalten hatte. Und er erinnerte sich auch an die Worte, die am Klarbach gesagt wurden. Axel und dem General zufolge waren sie einst angesehene Erkunder, auf einer Stufe mit Knuddeluff und Alakrates.
„Ob wir wirklich gleichauf miteinander waren, kann ich jetzt nicht sagen“, sagte Alakrates, als Jimmy ihm von dieser Erzählung berichtet hat.
„Wir alle haben unterschiedliche Wege genommen. Knuddeluff hat, glaube ich, als einziger von uns dreien den des Erkunders beibehalten, während Stahlard recht früh seinen Platz in der Regierung gefunden hat und ich bewusst hiergeblieben bin, um für das Dorf und Villbénie zu sorgen.“
„Wieso dann seid ihr-?“
„Zur gleichen Zeit auf der Insel gewesen?“, sagte Alakrates milde lächelnd, während er sich an einem Schluck des Teegetränks genüsslich tat.
„Drei verschiedene Gründe über dieselbe Ursache, wie ich denke: Der Riesenvulkan.“
Bei der Erwähnung des Namens wandten sich Jimmy und Iro um und blickten in Richtung des Vulkans, der sich wie ein drohendes Mahnmal über sie in den Himmel erhob.
„Der Ausbruch vor dreißig Jahren war … verheerend“, sagte Pompei tonlos. Mit beklommenen Blick wandte sich Jimmy ihm zu, während Iro immer noch angespannt und interessiert den Vulkan betrachtete.
„So viel Zerstörung … so viele Tote … und all das hätte man vermeiden können …“, seufzte Pompei. Alakrates‘ und Tonys Miene verfinsterten sich ebenso.
„Hätte man das?“, fragte Jimmy verdutzt trotz allem unguten Gefühls. Hastig versuchte er, sich zu erklären: „Ich meine, wenn ein Vulkan ausbricht, kann man das nicht verhindern, oder?“
„Wenn es ein natürlicher Ausbruch gewesen wäre, hättest du durchaus Recht, Jimmy“, nickte Pompei. „Gewiss hätte das Dorf sich besser vorbereiten können, wenn die Anzeichen für einen bevorstehenden Ausbruch deutlich gewesen wären. Doch so plötzlich und provoziert wie dieser eine an jenem Tag war, hatte keiner sich darauf vorbereiten könne.“
„Tja …“, sagte Tony düster. „Man hätte besser eine Mauer dafür gebaut, dass keiner auf den Vulkan steigt. Keiner hätte dann den Wächter derartig zur Weißglut getrieben.“
Tony war verdutzt über den Blick, den Jimmy ihr zuwarf. Auch Iro drehte sich so hastig zu ihr um, dass ein Rücken leicht knackte. Auch Pompei und Alakrates entging diese Wirkung nicht und nicht weniger verdutzt blickten sie die Erkunder an.
„Der Wächter?“, fragte Jimmy perplex und warf zwischen Tony und dem Riesenvulkan Blicke hin und her. „Etwa … ein Wächter aus der Legende?“
„Ihr kennt die Legende von den Sieben Wächtern?“
Alakrates und Pompei stellten diese Frage mit dem gleichen Ausdruck in ihren Gesichtern. Interesse, Sorge und auch Misstrauen. Jimmy ahnte sofort, dass sich ein dunkler Schatten zu dem Gespräch gesellt hatte. Doch er nickte zaghaft, um diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Nachdenklich nahm Alakrates einen weiteren Schluck.
„Nun, ich vermute, wir hätten uns obgleich des Zustandes eures Freundes früher oder später kennengelernt, nicht wahr?“
„Wie?“, sagte Jimmy verwirrt.
„Tut mir leid, wenn ich voreilig eine Annahme treffen sollte, aber bestimmt geht auch ihr dieser Legende auf den Grund, oder?“, fragte Alakrates mit einer Falte zwischen seinen grauen Augenbrauen. Jimmy warf Iro einen fragenden Blick zu, der ihn stumm erwiderte. Doch ohnehin kam es ihm nicht in den Sinn, vor den Dorfbewohnern zu lügen, allein um ihre Gastfreundlichkeit zu erwidern. Daher nickte er. Alakrates und Pompei musterten sie scharf, dann aber lächelten sie sanft.
„Es ist gut, dass ihr uns jeweils schon begegnet seid. Dann können wir euch direkt davon in Kenntnis setzen, dass es allen strengstens untersagt ist, den Wächter des Riesenvulkans aufzusuchen.“
„Aber … wieso?“, fragte Jimmy entsetzt. Doch der überraschte Blick, den Tony und Pompei ihm zuwarfen, sprach Bände.
„Habt ihr uns eben nicht zugehört? Eben weil es irgendwelche Schatzjäger damals gewagt haben, Heatran, also den Wächter, zu stören, hat dieser den Vulkanausbruch überhaupt erst verursacht! „
„Das war der Wächter?“, fragte Iro zornig und seine Faust ballte sich. „Entgegen seiner Aufgabe, die Vulkane der Welt zu überwachen, hat er den Riesenvulkan zum Ausbruch gebracht?“
„Es war seinerseits eine Warnung, und wir können von Glück reden, dass es nur eine Hälfte der Ascheninsel getroffen hat“, sagte Pompei ernst. „Wenn der Riesenvulkan zur Gänze ausbricht, würde das bedeuten, dass auch die Vulkane weltweit ausbrechen würden. Es wäre eine verheerende Katastrophe, die kein Pokémon zu verantworten bereit ist. Niemand zuvor hat den Wächter gestört, weswegen wir vor dreißig Jahren zu nachlässig waren. Aber heute und auch in Zukunft werden wir darauf achten, dass niemand zum Vulkan hinaufsteigt. Das ist das, was Nino, Puah und Sora mit vollstem Eifer tun, versteht ihr?“
„Haben sie uns deswegen angegriffen, als wir nahe der Kreuzung waren, wo ein Weg hinaufführte?“, fragte Jimmy und reges Verständnis machte sich in ihm breit. Auch Iro sah er an, dass dieser in seiner Grimmigkeit über diesen Angriff etwas besänftigt war. Pompei nickte: „Alle drei sind freundliche Pokémon, sie nehmen diese Aufgabe, die sie sich selbst aufgetragen haben, sehr ernst. Und sie sind zu dritt auch sehr gut darin, auch wenn kaum jemand sich bis in die Ödnis verirrt. Nur einmal haben sie einen Priester aus Villbénie davon abhalten müssen, zum Gipfel des Vulkans zu pilgern.“
„Villbénie scheint nicht mitzuhelfen, diesen Weg zu überwachen, oder? Dabei wäre es doch auch in deren Interesse …?“, setzte Jimmy an, doch bei dem mitleidigen Blick, den Pompei und Tony ihm zuwarfen, verstummte er.
„Diese Villas“, lachte Tony verächtlich, „halten sich sowieso zu fein für so etwas. Man könnte meinen, sie haben diese riesige Mauer erbaut, um andere generell davon abzuhalten, in die Ödnis und dann zum Vulkan hinauf zu ziehen. Doch mittlerweile wissen wir es besser: Vielmehr halten sie uns davon ab, nach Villbénie zu ziehen.“
„Was?“, rief Jimmy schockiert und blickte Pompei an, der traurig nickte.
„Aber wieso? Wissen die nicht, wie schlecht es euch …“, doch Jimmy verstummte mit peinlich gerötetem Gesicht.
„Sprich es ruhig aus: Uns geht es relativ dreckig“, sagte Tony gerade heraus. „Aber das ist in Ordnung, wisst ihr, wir haben uns damit abgefunden. Doch die Villas denken, dass wir Unglück heraufbeschwören. Weil es angeblich jemand von uns war, der den Wächter damals erzürnt hat, halten sie großen Abstand zu uns. Sie errichteten die Mauer, um tatsächlich dafür zu sorgen, dass das Unglück nicht auch noch zu ihnen herüberschwappt. Und während deren Seite floriert, leben wir im Elend … Verzeihung“, sagte sie mit Blick auf Pompei, der sie streng ansah. „Wir leben hier in allergrößter Bescheidenheit. Aber auch nur dank Alakrates."
„Wieso, was …?“, fragte Jimmy überrascht und blickte das Simsala an, welches verhalten schwieg. Es war dann Pompei, der fortfuhr.
„Der Ausbruch von vor dreißig Jahren machte offenbar eine sehr große Runde in der Welt. Oder zumindest groß genug, dass einige bekannte Namen sich auf den Weg gemacht haben, sich ein Bild vor Ort zu machen. Alakrates war der erste von diesen Namen, die hier auf der Insel gelandet sind. Recht früh hat er unser Leiden erkannt und dieses mit seiner Kenntnis schnell gelindert. Dann kamen Knuddeluff und Plaudagei und auch sie haben tatkräftig beim Wiederaufbau geholfen, jedenfalls so gut sie es konnten, denn wir hatten kaum Material, um diese Hütten zu bauen. Und dann letzten Endes landeten Stahlard und Axelot auf dieser Insel. Doch vielmehr waren sie am Wächter interessiert. Sie wollten ihn herausfordern, entweder um Ruhm durch einen Sieg über den Wächter einzufahren oder um den Wächter eine Art gerechte Rache zukommen zu lassen? Ich bin mir sicher, dass es eines von diesen Dingen war.
Zum Glück befanden sich zu dem Zeitpunkt, also vor fünfundzwanzig Jahren, auch Knuddeluff und Alakrates auf dieser Insel. Knuddeluff hat Stahlard daran gehindert, zum Vulkan hinaufzusteigen, und-“
„Er hat sich mit ihm duelliert?“, rief Iro dazwischen. Ein Glimmen lag in seinen Augen, was, wie Jimmy wusste, nur eines bedeuten konnte.
„Das hat er“, sagte Alakrates nun. „Ich bin nicht direkt eingeschritten, als ich Zeuge dessen wurde. Ich war fasziniert davon, wie beide einander ebenbürtig waren. Ein Faustschlag nach dem anderen folgte und die Luft hat gebebt, sage ich euch. Ich nehme an, Nino hat euch bei einer Senke getroffen, wo der Weg zum Vulkan hinaufführte? Das war jener Ort, an dem Knuddeluff und Stahlard sich gerauft hatten. Ich vermute, wenn dieser Kampf noch länger gedauert hätte, wäre die ganze Ödnis in zwei gespalten worden.“
Jimmy pfiff begeistert und Iro zitterte vor Anspannung. Gewiss überraschte es ihn, dass der sonst so gutmütige Gildenmeister Knuddeluff sich als eine Art Naturgewalt herausstellte. Jimmy stellte sich vor, wie Iro ihn zum Kampf herausfordern würde, sobald sie in die Gilde zurückkehrten.
„Bevor es aber tatsächlich dazu kam, habe ich den Kampf vorzeitig beendet. Es hat eine Weile gedauert, diese Streithähne zu beruhigen, doch irgendwann haben wir uns drei darauf geeinigt, dass wir die Sache auf sich beruhen lassen sollen. Stahlard hat Verständnis für die Situation der Dorfbewohner gezeigt und hat versprochen, dass er seine Kontakte zur Regierung nutzen würde, um Hilfe zukommen zu lassen.“
„Und kam sie auch?“, fragte Jimmy. Alakrates lachte.
„Ich bin Stahlard nur einmal begegnet, doch sofort habe ich ihn als ein Pokémon erkannt, das zu seinem Wort steht. Und tatsächlich kam wenige Wochen darauf ein Schiff der Regierung mit Hilfsgütern auf der Insel an. Neben Verpflegung und Essen waren auch einige Baumaterialien dabei und zusammen mit Knuddeluff haben die meisten der heutigen Hütten gebaut.“
Mit breitem Lächeln wies Alakrates auf das gesamte Dorf.
„Und jeden Monat kommt ein weiteres, kleines Schiff im Auftrag der Regierung und versorgt das Dorf mit Essensrationen.“
„Für die Bewohner von Villbénie stellt es wohl ein Zeichen dar, dass wir diese Hilfsbedürftigkeit nach dem von uns heraufbeschworenen Unglück verdient haben“, sagte Pompei traurig, doch Tony lachte gehässig auf.
„Sollen die doch das denken, während sie in ihrem Reichtum ersticken. Dafür lässt Al sie ordentlich büßen!“
Bei den Worten ließ Alakrates mit geschlossenen Augen leicht den Kopf sinken.
„Was meinst du?“, fragte Jimmy.
„Al lässt sie ordentlich zahlen, wenn er sie behandelt. Und von dem Geld kauft er dann immer sehr viel an Essen und Versorgung ein. Nicht aber, um sich den Wanst vollzustopfen, wie diese Villas es tun, sondern um uns damit zu helfen. Stehen im Dorf notdürftige Reparaturen an, besorgt er aus der Stadt das nötige Material. Auch Medizin besorgt er gegeben falls aus der Apotheke. Wenn er dann mal zum Schein sehr fein essen geht, ist das seine wohlverdiente Belohnung für all die Arbeit, die er leistet, nicht wahr, Al?“
„Stolz bin ich deswegen gerade nicht“, sagte Alakrates knapp und blickte wieder zu den Erkundern auf. „Doch ich habe mehrmals versucht, Villbénie davon zu überzeugen, dass das Dorf seine Hilfe gut brauchen könnte. Es gibt zwar solche wie Yorkshire, die Empathie zeigen, aber der größte Teil der Bewohner ist derartig borniert und hochnäsig geworden, das kann ich nicht länger mitansehen!“
„Und so funktioniert es aus recht gut!“, pflichtete ihm Tony bei. „Das Geld, dass du deinen Patienten abknöpfst, investierst du wieder in die Geschäfte, um für uns Wolle, Baumaterial und so weiter zu beschaffen. Und du hältst Villbénie auf die Art als zahlungskräftiger Kunde am Leben!“
„Trotzdem wünschte ich, ich müsste dieses Schauspiel nicht machen … Sophie bin ich nicht gerade ein Vorbild dadurch.“
„Sie hat doch auch vollstes Verständnis dafür!“, rief Tony erbost. „Du tust für jene, die Hilfe dringend nötig haben, wahrhaft Großartiges, und das weiß deine Tochter auch, Al!“
„Dennoch!“, erwiderte Alakrates scharf. „Sie soll es nicht zum Vorbild nehmen, andere zu täuschen, obwohl sie im Herzen gute Pokémon sind. Mir tut es bei Yorkshire jedes Mal leid, ihm diese hohe Summe an Geld abzunehmen, da er so oft auf Augentropfen angewiesen ist. Und er zeugt aufrichtige Empathie euch gegenüber!“
„Dann ist er eben der einzige Unschuldige unter Verbrechern!“, rief Tony. „Und wenn diese feinen, schnöseligen Pinkel glauben-“
„Ich denke, es ist genug“, sagte Pompei sanft, aber in seiner Stimme lag eine gewisse Kraft. Jimmy bemerkte, wie die anderen Dorfbewohner, nachdem sie mit dem Essen fertig waren, nun aufmerksam ihrem Gespräch lauschten. Tony räusperte sich und dann hustete sie wieder.
„Ich glaube …“, sagte sie matt. „Ich lege mich wieder was hin. Ich habe mich zu sehr aufgeregt über diese Villas.“
Zittrig stand sie auf und verbeugte sich vor Jimmy und Iro. „Hoffentlich könnt ihr uns die Tage was von euren Erkundungen berichten, wenn ihr hierbleibt. Wir hören ja so selten von Pokémon, die von außerhalb kommen. Danke fürs Essen, Al!“
Und damit ging sie wieder zurück in die Hütte. Auch Pompei und Alakrates erhoben sich und entfernten sich, scheinbar im Vier-Augen-Gespräch vertieft.
„Was hältst du davon?“, fragte Jimmy, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die anderen Dorfbewohner sich mit anderen Dingen beschäftigen und wieder in ihre Hütten zurückkehrten.
„Offenbar haben wir Alakrates unterschätzt“, sagte Iro mit anerkennenden Nicken.
„Das stimmt“, sagte Jimmy, doch meinte er etwas Anderes. Iro schien erst zu verstehen, nachdem er einen Blick mit ihm getauscht hatte.
„Wegen des Wächters? Das ist in der Tat schwierig. Wenn wir nicht hinaufdürfen …“
„Und wenn wir dies entgegen des Verbots täten …“, sagte Jimmy leise und mit dunkler Vorahnung. Iro nickte knapp.
„Würden wir es quasi riskieren, dass nicht nur die ganze Ascheninsel, sondern auch die ganze Welt durch Vulkanausbrüche zerstört wird, wenn wir den Wächter erzürnen.“