You have a place in my heart, within my heart. For eternity.
Dead by April – Within my heart
SALUT.
Ich sehe ohne Tabmenü schon den längsten Post in meinem Topic kommen. Egal, ich möchte hier mit „Lotosworte“ meine Abgabe für den ersten Wettbewerb der aktuellen Saison („Wünsch dir was“) präsentieren. Die Abgabe kam recht unterschiedlich an, war eigentlich jedoch auch nicht dafür geschrieben. Es stecken relativ viele persönliche Bezüge darin, und dass ich mich mal von der Lyrik getrennt habe, ist auch schon länger her. Trotzdem sind Meinungen, Kritik und Interpretationen natürlich immer gerne gesehen. Einen kleinen Gruß noch an @Faolin, da sie mich zumindest ein bisschen motiviert hat, den Text zu schreiben und vor allem, weil ihr der Text dann scheinbar auch noch ganz gut gefallen hat. ♥
WERK.
Lotosworte Manchmal, da wäre ich gerne ein Nilpferd. Mit ganz vielen bunten Streifen und kleinen Flügelchen hinter meinem Geweih. Dann könnte ich den ganzen Morgen lang mit den Giraffen am Nachthimmel schwimmen. Oder ich könnte den Mond erklimmen. Hach ja, so ein Leben muss schon toll sein. Manchmal, da wäre ich halt einfach gerne ein Nilpferd. Langsam öffnete ich meine leicht verklebten Augen, blickte stur die weiße Decke, etwa zwei Meter über meinem Kopf, an. Minutenlang bewegte ich mich nicht, lag regungslos auf dem Boden. Warum war die Decke nicht blau? Oder rot? Ja, meinetwegen sogar ein quietschendes rosa. Aber weiß? So ein Schwachsinn! Man spürt einfach keinerlei Emotionen, wenn man aufwacht und sofort diese neutrale Schicht von Farbe erblickt. Der ganze Raum war in Neutralität versunken, bloß kein Aufsehen erregen. Weiße Wände; ein hölzerner, aber doch schon ziemlich mitgenommener, Boden; hölzerne Möbel: ein altes Radio, in einem alten Regal. Schlichter ging es kaum, schlechter jedoch auch nicht. Ich musste nicht um mich herum blicken, wusste was sich wo befand. Nein, stattdessen fokussierten meine inzwischen immer klarer sehenden Augen noch immer die frustrierend langweilige Decke über mir. Ich drehte meinen Kopf enttäuscht zur Seite ab, schloss meine Augen hektisch. Manchmal, da sagen mir Leute, es gäbe keine fliegenden Nilpferde mit bunten Streifen. Man könne morgens nicht am Nachthimmel schwimmen oder den Mond erklimmen. Und trotzdem – manchmal, da sollte man sich seine Wünsche so einfach nicht nehmen lassen.
„Wissen Sie ...“, hatte er am Vortag in einer doch recht tristen Stimmung seinen folgenschweren Satz eingeleitet. Er musste kurz schlucken, einmal tief Luft holen. Man konnte ihm anmerken, dass ihm die scheinbar notwendige Routine noch gefehlt hatte, vielleicht kommt diese Art von Routine aber auch nur bei Zynikern. Oder auch gar nicht. Vielleicht hätte ich den Satz einfach übernehmen sollen, das wäre schneller gegangen. Schneller, ja, es wäre schneller gegangen.
„Wissen Sie ...“, wiederholte er sich, „in Anbetracht Ihres sich verschlechternden Zustandes haben Sie vermutlich noch etwa eine Woche, maximal zwei.“ Er wirkte irgendwie traurig. Traurig und monoton. Er sollte nicht traurig sein, nein – ich war es immerhin auch nicht, wieso also hätte er es sein sollen? Es war sein Job, er kannte mich noch nicht einmal, wieso also ... ach, es war mir egal. Es war ohnehin unbedeutend für mich.
Ich dachte nach. Wäre ich genau in diesem Moment aufgestanden; am Tisch, direkt vor dem mit Vorhängen verschlossenem Fenster, vorbeigegangen; bis hin zu dem kleinen Regal mit dem Radio, dann hätte ich auf dem untersten Brett ein paar alte Bücher gefunden. Romane, Gedichtsammlungen, verschiedenste Werke. Ich hätte wohl zwei, drei dieser Bücher gegriffen und mich dann damit an den Tisch gesetzt. Auf dem Tisch selbst hätte ich dann ein paar ungeöffnete Briefe entdeckt: Rechnungen, Mahnungen, Werbung. Unnötig verschwendetes Papier. Ich hätte ein kleines, sehr dünnes Buch mit einem grünen Umschlag geöffnet. “Gedichte“ wäre sein Titel gewesen. Mehr nicht, passend zur Schlichtheit des gesamten Raumes. Entgegen meiner eigentlichen Vorstellungen zum Leben wäre es ein Werk der Romantik gewesen, ich hätte ein paar Seiten überblättert und schließlich die kürzesten dieser 'Gedichte' gelesen. Viel Zeit blieb mir ja ohnehin nicht, hätte ich dabei vielleicht etwas verkrampft gedacht. Nach wenigen Minuten, dem vielleicht dritten Gedicht, hätte ich das Buch zur Seite geschoben. Ich hätte einen kurzen Moment gewartet, noch einmal den grünen Umschlag bewundert und dann nach dem nächsten Buch gegriffen.
Ich öffnete für einen kurzen Moment meine Augen, betrachtete das Regal in der Ferne. Stille. Meine Gedanken waren leer. Ausharren. Den Moment akzeptieren, die vorübergehende Leere akzeptieren und anschließend wieder die Augen schließen, um in Gedanken zu versinken.
Auf dem Umschlag des zweiten Buches wären keine Worte, keine Buchstaben zu finden gewesen. Es wäre lediglich eine Art Block in schwarzer Hülle gewesen, ein leerer Block in Form eines Buches, oder aber ein Buch ohne jeden Inhalt, dazu bereit, gefüllt zu werden. Ich würde sehen, dass ich es in meinem Leben bereits gefüllt hatte, etwa bis zur Hälfte. Beim Lesen hätte ich Namen darin vorgefunden. Namen von Personen, die mich inspiriert hatten, die mich begleitet hatten, die für mich eine Bedeutung trugen. Auf jeder beschriebenen Seite hätte ich exakt einen Namen vorgefunden, darunter jeweils ein Zitat. Vielleicht wäre ich in diesem Moment sogar etwas stolz darauf gewesen, dass die Hälfte gefüllt gewesen wäre. Ja, vielleicht hätte ich ausnahmsweise nicht auf die leere Hälfte geschaut, stattdessen jedoch speziell auf die erste Seite. Auch sie wäre leer gewesen. Ich hätte mich dann daran erinnert, dass ich warten wollte. Warten, wer sich für diese Seite tatsächlich eignen würde. Und ich hatte gewartet, doch nun wäre sie leer gewesen. Dabei hätte ich nicht warten müssen. Seit Jahren wusste ich, welchen Namen ich auf diese, für mich so besondere, Seite schreiben wollte. Ich hätte gezögert. Erneut. Nach langem Überlegen hätte ich im Regal nach einem funktionierenden Kugelschreiber gesucht und mich anschließend wieder vor die leere Seite gesetzt. In dem grünen Buch hätte ich hektisch nach dem einen Gedicht gesucht, welches ich für eben diesen Moment verwenden wollte. Nach gefühlten Stunden des Blätterns hätte ich es gefunden und die “Winternacht“ mit zittriger Handschrift übertragen.
Ich atmete ganz langsam, dachte wirklich kurz darüber nach, meine Gedanken umzusetzen, zu real wurden mir die Vorstellungen. Es war ein bedrückendes Gefühl, zu wissen, dass es vielleicht die letzte Möglichkeit war, diese eine Seite zu füllen.
Ich hätte das Gedicht noch eine Weile betrachtet, bevor ich den Namen tatsächlich darüber geschrieben hätte. Es wäre der letzte Name gewesen, mehr Veränderung hätte das Werk durch meine Hand nicht mehr erfahren. Es wäre fertig gewesen, vollendet. Und doch, ich hätte diese fast symbolische Zeremonie nach einigen Ringen mit mir selbst irgendwann vollzogen. Ich hätte damit abgeschlossen, mir selbst einen letzten Wunsch erfüllt.
Mein Körper begann langsam, zu kribbeln und unterbrach meinen Moment der Stille. Hektisch riss ich meine Augen auf, zuckte plötzlich einmal stark zusammen. Ich versuchte, nach etwas zu greifen, eine Art Griff, an dem ich mich hochziehen konnte. Mit kurzen, leicht humpelnden Schritten lief ich auf das Regal zu, griff nach einem Telefon. Ich setzte mich an den Tisch und starrte auf das Tastenfeld. Meine Pupillen wanderten kreuz und quer von einer Zahl zur nächsten, gaben hunderte Male die eine Nummer ein, die mir so plötzlich im Kopf schwirrte. Minutenlang, wieder und wieder, bis meine Finger sich der Aufforderung meiner Augen nicht mehr widersetzen konnten.
Die schier unendliche Prozedur eines Anrufes nahm ihren Lauf. Unterschiedlichste Laute ertönten in unregelmäßigen Abständen, wurden immer dunkler, immer regelmäßiger. Mein Herz pochte. Meine Arme zitterten, das Telefon wurde zu einem Klotz aus Blei. Vergeblich versuchte ich, mich zu beruhigen, starrte wie wild von der Wand, zur Decke, hin zum Regal, wusste nicht …
„Hallo?“
Ruhe. Lautlosigkeit. Totenstille. Ich war wie gelähmt.
„Hallo?“, wiederholte sich die Stimme in einer etwas höheren Tonlage, versuchte dabei, die letzte Silbe noch stärker zu betonen.
„Mh ja, hi“, mehr als drei verlegene Worte verließen meinen Mund nicht. Das reichte, um mich zu erkennen. Sie kannte mich ja, kannte meine Stimme.
Sie sprach nicht, schien auf einen Grund für meinen Anruf zu warten. Oder auf ein viertes Wort. Oder auf was auch immer.
„Ich wollte nur kurz sagen, dass ich gleich bei dir bin“
Sie wartete kurz.
„Du bist gerade in der Nähe?“
„Nein.“
„Aber dir ist schon klar, dass das so fünf Stunden Fahrt sind, oder?“ Sie begann, leise zu lachen. Ein positives Lachen, sie freute sich, auch wenn sie mir nicht ganz zu glauben schien.
„Na und?“ - eine kurze Pause - „Also bis gleich dann!“
REKOMMI.
@Feliciá: Salut! Ich habe mich unglaublich gefreut, als ich den Kommentar von dir gesehen habe und möchte dir jetzt noch ein letztes Mal (das dritte Mal?) dafür danken. Gerade zu diesem Werk lese ich wirklich gerne Feedback, weil ganz häufig so viele Dinge genannt werden, die ich mir auch recht ähnlich gedacht hatte und dann kommen wieder ganz andere Gedankengänge, die mir mein eigenes Werk noch einmal in einem neuen ''Licht'' zeigen. Außerdem war es auch nochmal ganz schön, eine Meinung zu sehen, die außerhalb des Wettbewerbs entstanden ist. Deinen Ansatz zu meinem Stil fand ich persönlich wirklich interessant, weil er mich zunächst sehr motiviert hat. Grundsätzlich denke ich aber, dass man seinen eigenen Stil nicht so einfach verlassen kann, bzw. dass er sich mit der Zeit einfach entwickelt. Insofern finde ich es wirklich nicht einfach, etwas „kontroverses“ dazu zu schreiben oder ihn überhaupt bewusst zu steuern. Aber ich werde das auf jeden Fall noch weiter im Hinterkopf behalten! (Übrigens ist mein Topic im Schnitt überhaupt nicht inaktiv geworden, das habe ich extra noch einmal überprüft!) (:
An dieser Stelle auch noch ein großes Dankeschön an @Cassandra für die Nominierung bei den Awards. (: