Also, ich will auch mal was loswerden:
„Banause!“ schrie der alte Mann aus Empörung über diese Dreistigkeit.
Der Junge, der ihn zuvor inmitten auf dem Gehweg anrempelte, hielt die braune Ledertasche zwischen dem linken Arm geklemmt und versuchte nun in der Menge der
Stadtbummler unterzutauchen. Der Mann wedelte mit den Armen, bat vorbeigehenden Passanten um Hilfe, doch wurde nur von allen Seiten für einen komischen Kauz gehalten. „Die jungen Leute von heute!“ wollte der Opa schon laut vor sich hinmurmeln, als ihn unmittelbar jemand von hinten auf die Schulter tippte: „Gibt es ein Problem, mein Herr?“ Froh, dass man ihn doch Aufmerksamkeit schenkte, drehte sich der Altersheimbewohner, der momentan seinen Ausgang genoss, hektisch um und erklärte dem stattlich aussehenden Mann die Situation. Es bedarf nicht vieler Worte, als jener in seine Tasche seines hüftlangen Mantels griff und einen Pokéball herausholte.
„Hunduster, du wirst gebraucht!“. Schon Sekunden nach dem Werfen des Balls war auch das hundeähnliche Pokémon, dessen Fell nachtschwarz war und es an den Füßen silberne Ringe trug, erschienen. Wie in der amtlichen Erziehungsschule hockte es wenig später hin, ganz darauf bedacht, gehorsam den nächsten Befehl des Herrschens auszuführen. Dieser gebot ihm an den alten Mann zu schnüffeln, um so die Fährte der gestohlenen Tasche und somit auch die des Diebes aufzunehmen. Nach einigem Rumschnüffeln in der Luft blieb das Hunduster stehen und wartete wie sonst immer auf das Signal. „Such!“ befahl der Pokémonbesitzer und sofort legte jenes Pokémon mit einem Bellen, welches immer wieder Kleinkinder erschrecken würde, los und verschwand darauf wie der Taschenräuber selbst in der Menschenmenge. „Was, wenn Beide nun verschwinden? Ihr Pokémon und der Dreistling meine ich.“ Ungläubig, dass der Trainer, wenn man ihn noch so nennen konnte, da er längst nicht mehr so jung wirkte, stellte der Opa diese Frage. Doch lässig und völlig von der Frage unberührt fasste sich dieser Mann an seine Sonnenbrille und schien auf dieser einen Knopf zu drücken, was man anhand eines leisen, aber noch vernehmbares Klickgeräusch, erahnen konnte. Eine längere Zeit lang blieb er wortlos stehen und starrte mit seiner Brille zum Himmel hinauf. „Zehn“ schien er plötzlich runter zuzählen. „Neun. Acht. Sieben. Sechs.“ Der Bestohlene konnte es nicht glauben, dass er weiterhin tatenlos blieb und wollte schon ihn mit anmaßenden Worten tadeln. „Zwei“ fuhr der Fremde jedoch beharrlich fort. „Eins … Okay!“ rief er mit einem Grinsen im Gesicht und griff erneut in die Tasche seines erdbraunen Mantels und holte ein rechteckiges Papier heraus, welches er dem Opa vor Brust hinhielt. „Gehen Sie zu dieser Adresse! Ich verspreche Ihnen, dass ich mit dem Dieb Sie dort auftreffe.“ Mit diesen Worten verschwand er nun auch als Drittes in der Menschenmenge der Leute, die eilig ihrem Nachmittagsbummel nachgingen. Der Opa stand wortlos da, die angenommene Visitenkarte in seiner rechten Hand.
Der Mann mit dem Mantel wurde so langsam warm. Es war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich warmer Wintertag. Vielen Leuten, die sich kühlere Temperaturen an diesem erdacht haben, hing es in ihren Pelz- und Teils auch Regenmänteln ebenso. Noch während Gellen, dessen Name man auf seiner Visitenkarte hätte lesen können, durch die Straßen Jubelstadts lief, lief ihm gleichzeitig der Schweiß von der Stirn. Noch während er lief, behielt er den kleinen, gelbleuchtenden Punkt, der sich auf seinem rechten Sonnenbrillenglas zeichnete, gut im Blick. „Eine geniale Erfindung, Tech!“ dachte Gellen verstohlen. Tech war der Spitzname eines guten Freundes von ihm, der regelmäßig immer wieder technische Neuheiten seinem Verbrechensjäger präsentierte. Neueste Erfindung ist jene Brille, die Gellen trug – eine Ortungsbrille. Mit einem passenden Peilsender weiß Gellen immer, wo er seine Pokémon, die dann auf der Suche nach den Verbrechern sind, wobei dann immer sein Hunduster diesen Job übernimmt, auffinden kann. Wenn Hunduster dann einen Verbrecher wie den heutigen Dieb in eine Sackgasse bringt, so verweilt dieses immer an Ort und Stelle. Dies kriegt Gellen dank dem Peilsender in Hundusters Halsband immer mit seiner Brille mit. Anhand der Zeitspanne, in der das Pokémon an Ort und Stelle verweilt, weiß dann der Polizist – Verschnitt, dass der Verbrecher selbst nun in der Falle sitzt.
Tatsächlich fand Gellen nun in einer Seitengasse, die aber weiter mit einem hohem Maschendrahtzaun endete, sowohl sein Pokémon als auch den Dieb, der die gestohlene Tasche schützend gegen den bedrohlich knurrenden Hund hielt. Er sah wie die üblichen Diebe, mit denen es Gellen in letzter Zeit zu tun hatte, aus. Wie ein Teenager, mit recht chic gestylten schwarzen Haaren, ansonsten mit ziemlich abgetragen aussehenden Klamotten. Auffällig an ihm war jedoch die ockerfarbene Jacke, die dem Mantel von Gellen ähnlich von der Länge und der Zahl der Taschen war. Der Dieb, der auf Einer von vielen Mülltonnen der Gasse stand, blickte dem Hundebesitzer in die Augen setzte zu einem unverschämt frechen Grinsen auf.: „Ah, super dass Sie gekommen sind, Officer! Könnten sie bitte mal diesen Köter da von mir entfernen? Heute bin ich irgendwie auf den Hund gekommen!“ er lachte sich über seinen mehr oder weniger angebrachten Witz halbtot, weshalb er beinahe rücklings von Tonne gestürzt wäre. Während er die Balance hielt, rief Gellen Hunduster zurück, welches darauf in Form roten Lichts wieder im Pokéball verschwand. „Tja, ich fürchte mehr du bist auf das Gesetz gekommen…“ sprach nun Gellen tonlos, griff dieses Mal in die Brusttasche und hielt dem Hampelmann auf der Mülltonne einen amtlich aussehenden Ausweis hin. „Gellen Fork! Jubelstadt Polizei! Ich bitte Sie, mit mir zu kommen.“
„Oh Mann, da habe ich wohl wieder einen Pechtag gehabt.“ rief der Kleinkriminelle mit einem frechen Lächeln. aus und kam ohne ein weiteres Wort und ganz ohne Gegenwehr, als wüsste er aus Erfahrung, dass es keine Fluchtmöglichkeit gab, mit dem Polizisten mit. Doch ehe sie noch losgingen, empfing Gellen ein Anruf auf sein schwarzes Handy. Wer es war erkannte er schon an der Nummer auf dem Display und ging deshalb aus Pflicht ran. „Ja?“ wollte er vom Anrufer wissen.
„LeBelle!“ krächzte es aus dem Handylautsprecher. „Sofort bei mir im Büro melden!“