Huhu, it´s been a while. Ich hab das wohl ein wenig aus den Augen verloren. @.@
Rusalka: Vielen leiben dank für den lieben Kommentar. :D Bei den Sichtweißen war ich mir tatsächlich etwas unsicher, weil ich jetzt doch schon des öfter gehört habe, das man so was doch vermeiden soll, sofern möglich. Ach wenn ich zugeben muss das ich unterschiedliche POVs immer ganz interessant finde. Bei Noel... Ja da bist du tatsächlich etwas auf der Spur. Ich hoffe ja das das mehr Leuten auffällt, weil sein Verhalten in der Situation etwas seltsam ist. Oder nicht nur seltsam sondern sogar mehr als seltsam. Vor allen weil sie ja nicht sicher wissen was passiert ist.
>>Kapitel IX Albert Windson<<
Noel
Als Gast bringt man Geschenke mit. Er hatte sich schon die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen. Bringt man Blumen mit? Noel konnte Blumen nicht ausstehen. Sie brachten ihm zum Niesen. Seine Augenlider würden anschwellen, verkleben und auf seinen Handflächen würden sich hässliche Pusteln bilden, während seine Haut simultan dazu anfangen würde zu jucken. Gut, keine Blumen. Sein Blick wanderte zu einer der Pfannen in der Küche. Ich könnte etwas kochen. Ob das wohl angebracht wäre? Oder doch Instantnudeln? Zu schade, dass Juli noch nicht da war, sonst hätte er sie einfach gefragt. Jetzt rieb er sich das Kinn und wusste nicht weiter. Man könnte es auf einen Versuch ankommen lassen.
„Was tust du da?“ Die Stimme in seinem Kopf ließ ihn hochschrecken. Sein Blick wanderte durch den Raum. Er hatte gestern noch ein wenig aufgeräumt, sodass zumindest der Boden frei war. Astor stand neben ihm. Er war hager, hatte eine drahtige Figur, die von einer weiten Jacke verborgen blieb und reichte ihn nicht einmal bis zu den Schultern. Seine Augen waren groß, fast schon merkwürdig entstellt und ähnelten den eines Fisches, während seine Mundwinkel ganz unnatürlich nach oben gezogen waren. Wie lange hatte er schon dort gestanden?
„Ich-“, Noel zuckte mit den Achseln, „ich dachte ich bringe etwas mit.“
„Das sieht grauenhaft aus.“
„Herzlich wie eh und je. Danke für deine Ehrlichkeit.“
„Du kannst nicht backen. Nein, ich verbessere mich. Du kannst weder kochen noch backen.“
„Das sagst du, ich bin da allerdings einer ganz anderen Meinung. Ich bin großartig.“ Astor begann zu kichern. Ein schauriger Laut der aus seiner Kehle drang. Noel sah grimmig zu ihm hinunter und warf ihm einen tödlichen Blick zu. Er rümpfte empört die Nase, während er noch viel energischer in der Schüssel umrührte. Flecken landete auf der vollgestellten Arbeitsfläche. Idiot, du bist so ein Idiot Noel! Schau dir die Sauerei an! Er hatte ein paar Bücher auf der Arbeitsfläche abgelegt, als der den Boden gewischt hatte. Das müsste er später wieder sauber machen. Hastig gab er eine Zutat nach der anderen in die Schüssel. Einmal hatte er sich ein Fläschchen mit der Aufschrift “Apfelaroma“ gekauft. Er erinnerte sich an den uriger, kleiner Laden voll mit kleinen Wundern die, die Form von kleinen Fläschchen annahmen. Ob sich das Zeug wohl auch fürs Backen eignen würde? Er schlug Eier am Rand der Schüssel auf. Fragmente der Eierschale landeten in der runden Schüssel. So ein bisschen Schale schadet doch bestimmt nicht. Oder? Ein Klingeln. Noel zuckte zusammen und sah flüchtig zu Zimmertür.
„Vielleicht sollte ich das übernehmen.“
„Nein. Kommt gar nicht in Frage.“ Er würde Astor ganz bestimmt nicht hier alleine lassen. Wer wusste schon, was er alles aushecken würde? Am Ende ruinierte er noch seine Kreation. „Komm rein“, wollte Noel schreien. Idiot, sie hört dich doch nicht. Ich muss ihr aufmachen. Aber was wird dann aus dem Teig?! Hastig wich er ein paar schnelle Schritte zurück – nicht ohne die Schüssel weiter im Blick zu behalten. Komm ja nicht auf dumme Ideen. Astor sah ihn aus seinen unnatürlich großen Augen heraus an. „Wage es nicht Astor.“ Noel rannte zur Zimmertür. Wehe dir Astor. Ich schwöre bei meinen Namen, falls du auch nur auf die Idee kommen solltest-. Wieder ein Klingeln. Er hastete durch das Zimmer mit dem Loch in der Wand, direkt zum Hausflur und riss die Haustür auf. „Schnell. Ich kann es nicht erklären aber-“, er schnappte nach Luft, „du musst sofort mitkommen. Es ist ein absoluter Notfall!“ Noel packte ihr Handgelenk und sie riss überrascht ihre Augen auf.
„Was ist-?“
„Ich habe es schon einmal erklärt! Keine Zeit!“ Ihm blieb höchstens noch eine Minute. Er rannte durch den Flur, zerrte sie den gleichen Weg, den er gekommen war, zurück und erreichte atemlos die Küche. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Zehn Sekunden. Astor stand neben der Schüssel. „Wag es ja nicht.“ Der Junge blinzelte. „Ich sage dir wehe-.“ Astors Arm näherte sich der Schüssel, dann zogen sich seine Mundwinkel nach oben. Bastard. Noel stürmte nach vorne. Alles passierte plötzlich ganz schnell. Astor schob die Schüssel von der Arbeitsfläche. Noel setzte zum Sprung an und sog scharf die Luft ein. Zu spät. Da passierte es. Die Schüssel kullerte auf dem Boden. Der Teig spritzte in sein Gesicht und verursachte hässliche Flecken auf seinen gestreiften Pullover. Alles, was er tun konnte, war irritiert zu blinzeln. „Astor!“,
„Was ist-?“, stieß Juli aus, als sie einen Schritt zurückwich.
„Das hast du absichtlich gemacht!“ Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Juli sah abwechselnd zu Noel, dann zu Astor und strauchelte abermals ein paar Schritte zurück. Astor grinste immer noch, aber das mochte nicht viel heißen. Insgeheim hoffte Noel, dass er sich jetzt fürchtet. Juli beugte sich zu der Brühe hinunter und zögerte.
„Sind das... sind das Eierschalen?“, murmelte sie und schüttelte den Kopf.
„Hm. Ja, ich dachte, dass ein bisschen Krunch schon nicht schaden wird.“ Noel lachte. Juli lachte nicht, stattdessen warf sie ihm einen irritierten Blick zu. Ihre Augen weiteten sich. Jetzt wo er so darüber nachdachte, war das immer noch besser als das Meiste, was er in den letzten Jahren gegessen hatte.
„Wow.“
„Was?“ Noel konnte seine Überraschung nicht verbergen. Was meinte sie denn bitte damit?
„Du kannst ja echt nicht backen.“
„Wie?!“ Was hatte sie gerade gesagt? „Ich bin großartig.“ Verunsichert sah er zur braunen Pampe auf dem Boden. Für ihn hatte es bis jetzt immer gereicht. Allerdings buk er auch nicht oft. „Wenn du es so viel besser kannst, dann übernimm du doch das Backen.“ Sie zögerte und hob die Schale vom Boden auf.
„Wo ist ein Waschbecken?“
„Waschbecken? Im Zimmer nebenan ist ein Wasserhahn. Aber-“ Er hatte nicht einmal aussprechen können, da war sie schon hinter der Zimmertür verschwunden. Vielleicht sollte ich mich mal ums Saubermachen kümmern? Er kratzte sich am Kinn und nickte schließlich. Ob Juli das Waschbecken finden würde? Im Raum mit dem Loch in der Wand hatte er ein Waschbecken angeschlossen. Früher hätte das Zimmer wohl ein Badezimmer werden sollen, doch dazu war es nie gekommen. Die Rohre waren schon vor langer Zeit verlegt worden, also hatte er sich das zu Nutzen machen wollen. Sollte ich ihr helfen? Vielleicht findet sie es nicht? Vorsichtig lugte er durch die Tür. Das Zimmer wucherte nur so vor Pflanzen, die sich ihren Weg durch einzelne Risse in den Fliesen suchten. Vielleicht war es deshalb auch so schwierig, das Waschbecken auszumachen, jedenfalls hatte Juli einige Sekunden gebraucht, bis sie es entdeckt hatte. Sie beugte sich darüber und legte schließlich den Kopf schief.
„Das ist schon ein seltsamer Platz für ein Waschbecken.“ Er ging nun ebenfalls auf die Knie und füllte den Eimer mit Wasser.
„Findest du?“
„Ja ich mein-.“, ihre Augen waren groß geworden, „im Winter ist es bestimmt kalt. Und außerdem-.“
„Jetzt wo du´s sagst. So habe ich das noch nie betrachtet. Aber ich wohne noch nicht so lange hier. Erst seit ein paar Monaten.“
„Ich hab mal gehört, dass das Loch von einen Baum kommt, der bei einem Sturm aus den Wurzeln gerissen wurde und hier in das Haus gekracht ist. Ist da eigentlich was dran?“ Noel zog eine Augenbraue nach oben.
„Hm.“ Er stand auf. Seine Schritte halten vom nackten Boden. Die Fließen unter seinen Füßen fühlten sich eiskalt an. Er öffnete die Tür zur Küche und warf Juli einen flüchtigen Blick zu. „Davon weiß ich nichts, aber unmöglich ist das natürlich nicht. Ich habe hier einige große Bäume auf dem Grundstück gesehen.“ Noel zuckte mit den Achseln. Juli stand auf und nickte, ehe sie wieder zurückgingen „Dann zeig mal wie man´s richtig macht.“ Er lehnte sich gegen den Tisch und musterte sie aufmerksam. Sie hatte sich über die Schüssel gebeugt und schien angestrengt über etwas nachzudenken. Für einen Moment hielt sie inne, dann griff sie zielstrebig nach den Zutaten auf der Arbeitsfläche. Mehl, Eier, Backpulver, Zucker und Kakao – er sollte sich die Reihenfolge merken. Vielleicht sollte er sich Notizen machen? Sie griff nach dem Löffel auf dem Tisch und begann umzurühren.
„Du Noel?“
„Ja?“
„Du hast doch bestimmt ein Rezept?“
„Nein. Wieso?“ Ihr Lächeln wackelte. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.
„Eh, nichts. Ist nicht wichtig.“ Sie senkte den Kopf.
Jetzt starrten sie beide auf die bräunliche Masse in der Schüssel. Das sah immerhin schon besser aus als der erste Versuch. Kein großer undefinierbarer Brocken und auch keine Eierschalen im Teig. „Jetzt muss man die Kekse nur noch backen. Wo ist der Backofen?“ Noel deutete zu dem grauen Kasten unter der Arbeitsfläche. Ihre Augen strahlten. Voller Übereifer öffnete sie den Ofen, wobei ihre Mundwinkel augenblicklich nach unten huschten. Im Ofen waren normale Pfannen, zusammen mit einem Metallgitter deponiert worden. „Das ist jetzt doch etwas enttäuschend.“
„Wie? Was hast du denn bitte erwartet?!“ Er klang fast etwas empört. „Was sollte denn bitte sonst in einem Backofen sein?“
„Naja, ich weiß nicht. Ich habe irgendwie auf was Verrücktes gehofft. Du weißt schon...Topfpflanzen...oder vielleicht auch eine Uhr.“
„Wie kommst du denn auf so was? Die bekommen doch im Ofen keine Luft. Und Uhren könnte ich durch das Glas weder gut sehen noch hören.“
„Ja aber-.“ Sie hielt inne und beendete ihren Satz nicht. Dabei hätte es ihn wirklich interessiert, was sie hatte sagen wollen. Sie griff nach dem Blech und schob es in den Ofen. Der Teig blähte sich nach und nach immer weiter auf. Soll das so sein? Juli verzog das Gesicht und er fragte sich, was ihr wohl gerade durch den Kopf ging. Als die Kekse, die nicht wie Kekse aussahen, fertig waren, zogen sie das Blech heraus und legten sie in eine Box, die sie mit einem Deckel verschlossen. „Fertig.“, murmelte Juli, als der letzte Keks seinen Platz in der Schachtel fand, und sie dazu veranlasste erleichtert aufzuseufzen.
„Gut. Dann lass uns zu dem wichtigen Teil kommen.“ Er hatte seine Beine überkreuzt und stützte sich auf beiden Ellbogen ab. Sie hatten den Standort gewechselt und sich beide am Küchentisch niedergelassen.
„Richtig.“
„Wie stellen wir es am besten an?“
„Was genau meinst du?“
„Wie retten wir ihn?“
„Ich würde sagen-. Wir gehen raus, also hinter die Mauer? Wir suchen ihn. Wir finden ihn und bringen ihn zurück.“ Wie-?! Noel unterdrückte ein Lachen. Es gelang ihm nicht und er prustete.
„Du bist immer für Späße bereit.“
„Das meinte ich ernst!“ Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Du meine Güte. Wie formuliere ich das jetzt am besten?
„Oh, dass...dass ist eine nette Idee, aber ich glaube nicht, dass das so einfach werden wird. Und ich hätte gerne ein paar weitere Pläne. Einen Plan B, verstehst du? Oder Plan C...oder, naja einen Plan Z.“ Er deutete auf den Papierstapel auf dem Fensterbrett. „Ich habe mir da schon was überlegt.“
„Das ist ein großer Stapel. Du liebe Güte, hast du das alles an einen Tag gemacht?!“ Hastig hatte sie nach dem obersten Blatt auf dem Haufen gegriffen. Durch das Fenster fiel ein mattes gelbes Licht. „Das sind ja Strichmännchen. Diese Augen hier sind wie ein X gezeichnet?“
„Das sind nur schnelle Skizzen. Ich hatte keine Zeit für mehr und ich musste meine Ideen schnell festhalten, sonst vergesse ich sie wieder.“
„Das beantwortet noch immer nicht die Frage wieso-.“
„Das muss wohl einer der Pläne sein, wo wir draufgehen.“
„Oh-“, sie legte das Blatt schnell beiseite, „ich mag die Version nicht.“
„Ich auch nicht. Lass uns Plan X und W auf jeden Fall vermeiden.“
„Ja auf jeden Fall!“ Für einen Moment war sie etwas blasser im Gesicht geworden. Gut.
„Also...jetzt sag mal, was du geplant hast?“
„Ich?“ Überrascht sah Juli zu Noel und brauchte ein paar Sekunden, ehe sie begriff, was er meinte. „Oh...also...ich denke wir sollten Albert besuchen. Er hat oft von der Welt hinter der Mauer geredet. Allerdings ist er etwas“, sie zögerte, „naja, dass siehst du ja dann selbst.“
„Das klingt doch nach einem Plan. Willst du dir meine anderen Pläne auch noch durchlesen bevor wir losgehen?“ Juli Mundwinkel zuckten.
„In wie vielen sterben wir?“
„Hmm...in ungefähr 30 %“
„Oh...ehm...ich glaube ich lese mir sie später durch. Jetzt lass uns erst einmal zu Albert gehen. Es wird langsam schon spät.“
„Gut.“ Er sah abwechselnd zu ihr, dann aus dem Fenster. Sein Lächeln wackelte. „Noch eine Sache. Wir sollten unter allen Umständen tagsüber aufbrechen.“
„Wieso das?“
„Sagen wir so-.“ Was sollte er darauf antworten? Er versuchte zu lächeln, erwischte sich allerdings dabei, wie seine Mundwinkel nach unten huschten. „Dunkelheit ist schon irgendwie unheimlich. Findest du nicht? Außerdem glaube ich, dass es tagsüber sicherer ist.“ Das war jetzt wohl ganz offiziell die schlechteste Ausrede, die er jemals erfunden hatte.
„Damit wäre ich mehr als einverstanden.“
„Gut“, Noel nickte schnell, „dann lass uns den alten Herrn mal einen Besuch abstatten.“
~+~
Einer seiner vielen Pläne, die er sich zusammengebastelt hatte, bestand daraus, dass sie überhaupt gar nicht erst die Schutzzone verließen. Er hatte gehofft, sie mit Plan W und X genug zu verschrecken, dass Plan A aufgehen würde. Und ähnliche Szenarien zogen sich bis Plan J. In den meisten seiner Pläne fanden sie Oliver nicht, nur in zwei von 24 Plänen konnten sie den Kerl tatsächlich in die Schutzzone zurückbringen. Ob nun Tod oder lebendig.
„Achja. Ich wollte dich nur einmal vorwarnen. Albert ist etwas...er ist etwas verrückt im Kopf. Aber er ist kein schlechter Mensch.“, murmelte Juli. Ihre Mundwinkel zuckten, während ihre Stirn Falten schlug.
„Inwiefern verrückt?“
„Er redet oft vom Krieg. Und von der Welt da draußen. Angeblich stehen wir kurz vor einer weiteren Tragödie. Die Mauern werden zerstört werden und jeder der dann noch hier bleibt wird sterben. Verrückt nicht?“
„Oh, ja...natürlich“, brummte er gedehnt. Noel bemühte sich um ein Lächeln.
„Außerdem glaubt er an Fabelwesen. Du weißt schon, Werwölfe, Vampire, Feen, Elfen, so was eben. Und irgendwann werden sie die Mauern niederreißen und jeder Mensch wird sterben. Man könnte ihn einen waschechten Verschwörungstheoretiker nennen.“ Sie lachte immer noch etwas verlegen und schüttelte den Kopf.“
„Verrückt, ja? So jemand ist er also?“ Juli hatte Noel einen flüchtigen Blick zugeworfen, ehe sie wieder die Straße fokussierte.
„Meine Mutter mag ihn nicht besonders. Als ich noch jünger war, hat sie mir immer gesagt ich soll mich von ihm fernhalten und das habe ich bis jetzt auch immer gemacht oder zu mindestens versucht. Aber ich dachte, wenn jemand Bescheid weiß, dann doch er, nicht?“
„Da könnte etwas dran sein.“
„Ja nicht?! So habe ich auch gedacht.“ Just in diesen Moment blieben sie vor dem großen Anwesen – Alberts Anwesen – stehen. Ein Steinweg führte hinauf zum Haus. Der Putz blätterte an ein paar Stellen von den Wänden. Immer wieder waren Holzpfähle in den Boden gerammt worden. Der Garten selbst war chaotisch. Im hohen Gras konnte er Teile eines Stuhles und einer Heckenschere erkennen. Noel konnte einen kleinen Pfad zu einer verkommenen Gartenterrasse, mit ein paar alten Stühlen, erkennen. An der Stelle, wo der Weg anfing, war das Gras plattgedrückt worden. Ansonsten reichte ihn das Gras bis zu den Kniekehlen. Hier wurde schon lange nicht mehr rasengemäht und der Garten war allgemein eher in schlechten als rechten Zustand.
„Das ist also sein Haus.“
„Ja genau.“ Sie lächelte. „Ganz schön verrückt nicht?“
„Hm, ich finde es ganz interessant.“
„Wieso kann ich mir das nur zu gut vorstellen?“ Ihre Mundwinkel huschten nach oben. Wie bitte?
„Was anderes, hast du ihm eigentlich gesagt, dass wir heute kommen werden?“
„Ich hab´s ihm gestern gesagt. Aber für meinen Geschmack hat er sich etwas zu sehr gefreut.“
„Ist doch gut für uns.“ Er drückte die Klingel und sie zuckte unmerklich zusammen. „Wieso bist du so nervös?“ Noel legte den Kopf schief und warf ihr einen fragenden Blick zu. Sie war gerade im Begriff zu antworten, da öffnete sich auch schon die Türe.
„Da seit ihr ja!“ Der Mann, der die Tür geöffnet hatte, sah nicht älter als 60 aus. Seine langen braunen Haare wiesen eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem Vogelnest auf und standen ihm in alle Richtungen ab. Hatte er sich jemals die Haare gekämmt? Albert Windson trug einen blauen, gestreiften Mantel, darunter ein Hemd, dass nicht so ganz zum Rest seiner Kleidung passen wollte und eine Brille, mit einem goldenen Gestell.
„Wir haben ihnen etwas mitgebracht. Als Gastgeschenk oder so.“, murmelte Noel und griff zu der Schachtel, die er den Alten in die Hände drückte.
„Oh...f-für mich? Wie nett von euch. Jetzt fühle ich mich doch etwas geehrt.“ Der ältere Herr kratzte sich an den Schläfen und sah etwas unbeholfen erst zu Noel, dann zu Juli.
„Das hoffe ich ja auch. Ich und Juli haben sie gebacken.“
„Das ist sehr freundlich von euch. Aber jetzt kommt erst einmal herein.“ Im Haus herrschte ein reges Durcheinander. Bücher, Papiere und andere Gegenstände lagen überall verteilt auf den Boden und Schränken. „Ich bin nicht mehr dazu gekommen aufzuräumen. Es tut mir leid-.“
„Schon in Ordnung“, unterbrach Noel ihn schnell.
„Gut. Sehr gut. Also zurück zum Thema.“ Albert Windson wischte schnell, mit einer einzigen
Bewegung seiner Hand, den Tisch frei. Eine Kerze, Bücher, Scheren, Messer und ein Teller fielen klirrend zu Boden. Richtig, Juli hatte ihn vorgewarnt, dass er etwas schräg war.
„Oh“, war das Einzige, was Noel von sich geben konnte. Auf dem Boden konnte er einige Notizen und Bücher ausmachen. Einige waren aufgeschlagen, andere wiederum geschlossen. Eine Skizze eines Werwolfes, ein Bericht über eine Hexe, ein Bild einer Fee und eine Skizze der Mauer, wie sie wohl vor 100 Jahren ausgesehen haben musste - nur ein hoher Drahtzaun - hatte er erkennen können. Einladend deutete der Alte auf zwei Stühle neben sich. Soll ich mich setzten? Die Augen von Albert strahlten, als er sich wieder den Beiden zuwandte.
„Ihr sprecht hier mit dem berühmten Vampirjäger Albert Windson. Ich habe bereits einigen den gar ausgemacht. Das sind echt hässliche Gestalten. Doch sie haben alle den Kürzeren gezogen. Niemand nimmt es mit meiner Wenigkeit auf. Ich wusste, dass du irgendwann kommen würdest Rosemarie. Ich wusste, dass sie aufhören, werden mich für verrückt zu halten. Und dann werden sie in Scharren zu mir kommen und mich, ja genau mich, um Hilfe bitten. Und ich habe mich darauf vorbereitet nur“, er rückte seine Brille zurück und musterte sie aus seinen runden Brillengläsern, „muss ich gestehen, dass ich doch überrascht war, dass du die Erste warst, die mich aufgesucht hat.“ Dann sprach er jedoch eilig weiter. „Natürlich freue ich mich trotzdem. Und jetzt kommen wir zum Thema. Was brauchst du genau? Geht es um einen Werwolf? Ich habe ein paar Silberdolche.“ Er kramte in einer seiner Schubladen. „Wo waren die noch gleich?“ Noels Blick wanderte zu dem Stuhl mit dem roten Polster, ehe er den Mund öffnete.
„Dort. Sie haben sich beinahe drauf gesetzt Herr Windson.“
„Oh, genau...stimmt!“
„Ich hab doch gesagt. Verrückt“, zischte Juli und hatte sich im Stillen Noel zugewandt.
„Oder doch Vampire?!“ Er rannte zu einer anderen Schublade und zog eine Kette aus Knoblauch hervor, die er in Noel Richtung warf. Dieser fing sie etwas irritiert auf. „Vampire mögen den Geruch nicht. Es verbrennt ihre Nasenschleimhäute.“ Noel legte den Kopf schief und ließ die Kette vor seinem Gesicht baumeln, viel konnte er allerdings nicht riechen.
„Das macht Vampiren also den gar aus?“
„Ja genau.“
„Interessant.“ Noels Mundwinkel zuckten nur unmerklich.
„Du klingst zweifelnd? Aber du solltest wissen das Vampire extrem gerissen sind. Es ist eine Methode sie aufzuspüren. Du sprichst hier immerhin mit einem erfahrenen Vampirjäger. Ich habe schon Vampire gejagt, da warst du noch nicht geboren. Wenn sich jemand auskennt, dann ich. Manche sehen fast wie Menschen aus. Einmal da habe ich sogar die ganze Stadt vor diesen Blutbeißern gerettet. Das war-.“
„Herr Albert. Das war eine Fledermaus.“ Juli machte eine Grimasse und Noel unterdrückte ein Lachen.
„Eine verwandelte Fledermaus. Ich spüre so was. Ich spüre einen Vampir schon 10 Meter gegen den Wind.“
„Tun sie das?“, murmelte Noel. Jetzt wanderten seine Mundwinkel nach oben. Ganz vorsichtig trat er einen Schritt nach vorne, beugte sich nach unten, um einen Blick auf Albert zu erhaschen, der wieder etwas aus dem Stapel von Dingen hervorzog.
„Das hier ist ein Spiegel.“
„Beeindruckend. Ich habe noch nie einen Spiegel gesehen.“ Seine Stimme klang fast etwas sarkastisch. Noel erkannte sein eigenes Spiegelbild, seine schulterlangen, platinblonde Haare, der Pullover, seine Jacke, seine grünen Augen - ein perfektes Abbild seiner selbst.
„Vampire haben kein Spiegelbild.“
„Haben sie nicht?“, stellte Noel fest und zog eine Augenbraue nach oben.
„Oh und dieser Holzpfahl. Damit kann man einen Vampir den gar aus machen!“
„Aber stirbt man nicht so oder so, wenn man ein Pfahl ins Herz gerammt bekommt?“ Eine Pause entstand.
„Ja, also...darauf bin ich auch schon gekommen. So einen Unfug aber auch!“ Albert schmiss das Holzstück achtlos zur Seite. „Aber das hier, das hier ist spitze!“ Das Ding, das er nun in der Hand hielt, sah fast wie eine Taschenlampe aus.
„UV-Strahllampe“, murmelte Noel und seine Augen wurden groß. Albert hatte sie angemacht und schwenkte sie hin und her. „Nicht. Sind sie wahnsinnig?! Was leuchten sie denn in meine Richtung?! Oder wollen sie uns alle noch blind machen?!“ Auch Juli war unmerklich zusammengezuckt.
„Oh. Entschuldigung“, der alte Mann sah verlegen zu den Beiden, „da ist es wohl etwas mit mir durch gegangen.“
„Geht es uns nicht allen so?“, scherzte Noel, dessen Haltung sich wieder etwas entspannte. Plötzlich änderte sich etwas in der Mimik des Alten. Noel wurde nervös und trat vorsichtig einen Schritt, dann doch einen, zurück. Was ist denn plötzlich in den Alten gefahren?! „Ist. Ist etwas in meinem Gesicht?!“
„Hm.“ Der Blick von Albert Windson war fast unerträglich. Noels Nackenhaare stellten sich auf, als er plötzlich, wie aus dem Nichts, aufgestanden war und sich in seine Richtung lehnte.
„Mit dir habe ich auch noch ein Wörtchen zu reden.“ Herr Windson verengte seinen Augen zu Schlitzen. „Herr Noel O´Neil.“ Noels Muskeln spannten sich an. Was konnte das sein?!
Er schluckte, bemühte sich aber um ein Lächeln. „Sie sind doch in das Haus von Herrn O´Neil gezogen.“ Noel zögerte. Was sollte er darauf antworten? Seine Muskeln spannten sich an.
„Ja stimmt. Mein Großvater hat mir das Haus vermacht.“
„Der alte Peterson. So ist das also.“ Dann, wie aus dem nichts, griff der Alte nach seinem Handgelenk. Noels Herz rutschte in seine Hose. Hat er etwa-? „Der alte Sack hatte einen Enkel und hat mir nichts gesagt?! Und das nach all den Jahren der Freundschaft. Alter Verräter. Wie konnte er mir nichts Bescheid sagen?! Mir?! Und ich dachte wir wären Freunde?!“
„S-Sie kannten also meinen Großvater?!“
„Natürlich. Aber wundern tut es mich schon. Der hat sich ja ewig nicht mehr blicken lassen. Und ein Geheimniskrämer war er auch, der alte Sack. Ich dachte er hätte dieser Stadt schon längst den Rücken zugedreht. Das es ausgerechnet seinen Enkel hierher treiben würde...Welch Ironie.“ Was sollte er darauf antworten?! „Und...dein Großvater hat bestimmt viel über mich erzählt? Immerhin waren früher einmal enge Freunde und natürlich Kollegen.“
„Nein. Er hat sie nie erwähnt.“
„Wie?“ Etwas änderte sich in der Mimik des Alten. Noel war sich nicht ganz sicher, ob das ein gutes Zeichen war. „Natürlich. Dieser Banause.“ Auf der Stirn des Alten bildete sich Falten, als er mit einem betroffenen Blick zu Boden sah. Er kratzte sich am Kinn und etwas musste in seinen Kopf zu rattern begonnen haben. „Naja. Da kann man wohl nichts machen.“
„Ich will ihre Midlifecrisis jetzt nicht unterbrechen Herr Windson, aber es wäre nicht schlecht, wenn wir langsam zum Thema kommen würden?“, brummte Noel und schüttelte den Kopf.
„Midlifecrisis sagst du...“, japste der Alte, warf den beiden einen betrübten Blick zu und griff beherzt nach der Box mit den Keksen. Just in diesen Moment, in dem er begonnen hatte, die Kekse zu essen, verzog er das Gesicht und musste husten. „W-Wer hat die gebacken?!“
„Ich und Juli. Ist was damit?“
„Wie viel Backpulver habt ihr da rein?“
„Hmm. Nach Gefühl?“, meinte Noel und warf Juli einen flüchtigen Blick zu. Ihre Kinnlade kippte nach unten und sie sah entsetzt auf die Plastikbox, ehe ihr Kopf einen leichten Rotstich annahm.
„Oh Gott. Das tut mir so leid! Ich kann doch nicht backen.“, platzte es aus Juli heraus.
„Ich habe gerade mein Leben an mir vorbeiziehen sehen.“ Das Gesicht von Herrn Albert war ganz blass geworden.
„Naja. Wenigstens war es lang“, meinte Noel trocken, was Juli dazu veranlasste ihm einen ganz bösen Blick zuzuwerfen. Albert trank hastig ein paar schlucke Wasser nach, ehe er wieder zu reden beginnen konnte.
„Das mit den Keksen tut uns jetzt doch leid.“, log Noel, der im Grunde nur wenig reue für solche Dinge empfand. Es war natürlich schade um die Kekse, aber was sollte man schon groß machen?
„Schon gut, schon gut.“, wandte Albert hastig ein, „Also zurück zum Thema. Was genau wollt ihr wissen?“
„Wie ist es da draußen?“, murmelte Juli.
„Da draußen? Du meinst hinter der Mauer? Wieso wollt ihr das wissen? Hinter der Mauer ist es gefährlich. Dort wohnt allerlei Unrat. Man sollte generell nie nachts unterwegs sein. Man nennt den Ort hinter der Mauer auch die alte Welt.“
„Die alte Welt.“ Juli riss die Augen auf.
„Ja genau. Früher lebten dort auch Menschen. Aber dann kam es zu einer schrecklichen Tragödie. Heute lebt dort niemand mehr. Oder kaum jemand.“
„Eine große Tragödie also.“ Noels Blick verlor sich in der Ferne.
„Habt ihr schon etwas davon gehört?“, murmelte Herr Windson.
„Nein.“, erwiderte Noel, ohne ihn anzusehen.
„Wesen, die wie Menschen aussahen, überfielen die Stadt hinter der Mauer und brachten jeden um, der nicht fliehen konnte. Dass waren die, die Glück hatten.“, zischte er. „Die Unglücklichen Seelen ereilte ein weitaus schlimmeres Schicksal. Sie wurden selbst zu den gleichen Monstern, die ihre Angehörigen umgebracht hatten. Ein wahrlich scheußliches Schicksal. Es gibt kein Heilmittel und keine Erlösung. Sie sind dazu verdammt ihr Leben als Monster zu Leben. Man darf keine Nachsicht zeigen. Sie haben keine menschlichen Emotionen mehr und die, die sie zeigen sind nur nachgeahmte Schauspiele. Imitationen. Vampire sind keine Menschen und kennen kein Mitgefühl oder Empathie. Sie können nur töten. Dass liegt in ihrer Natur. Die Stadt der alten Welt sah anders als unsere neue Welt aus. Allein die Häuser unterschieden sich von unseren. Ich war schon mal dort, aber es ist kein schöner Anblick. Es steht nirgends offiziell geschrieben – oder nein, nirgends innerhalb der Mauern – aber ich glaube es hat sich dabei um Vampire gehandelt.“ Alberts Blick wurde trüber. „Nachts ist es besonders schlimm. Ich glaube dieser Vorfall wird sich wiederholen. Sie werden die Mauern niederreißen, zu uns kommen und uns alle umbringen.“ Herr Windsons Stimme war ganz leise geworden. Ein Flüstern. Das waren also diese Wahnvorstellungen, von der Juli immer gesprochen hatte. Der Alte ist verrückt, aber er ist nicht gefährlich. Das, was er gerade gesagt hatte, war beängstigend.
„Sie kennen doch Oliver? Oder vielleicht kennen sie ihn nicht. Er ist irgendwann letzte Woche verschwunden und es werden vielleicht noch mehr verschwinden. Es wäre ganz nützlich, wenn man sich verteidigen könnte. Richtig? Sie denken doch bestimmt auch, dass es kein Zufall ist, dass er einfach von einem auf den anderen Tag verschwunden ist?“ Es war Noel, der wieder begonnen hatte zu sprechen, während Juli immer noch um Worte rang. Natürlich tat sie das. Eine Pause entstand. Noel konnte den Blick von Albert nicht deuten und das machte ihn nervös. Juli hingegen, sah irritiert erst zu Noel, dann zu Albert, wagte es jedoch nicht, noch etwas beizufügen. Er lächelte nervös und hoffte, sich dadurch nicht selbst zu verraten. Dennoch musste er schlucken.
„Ach. Wären nur alle so vernünftig.“ Albert seufzte und Noel viel ein Stein vom Herzen „Natürlich. Nehmt euch alles, was ihr braucht. Ich wünschte nur, dass mehr Menschen auf die Idee kommen würden.“
„Danke.“ Noel strahlte und schüttelte ihm die Hand. Viel zu übermütig und überstürzt, was den Alten dazu veranlasste ihm einen irritierten Blick zuzuwerfen.
„Na. Da scheint ja jemand begeistert zu sein.“
„Wir müssen dann auch schon gehen“, japste Juli eilig. „Ich muss meiner Mutter noch beim Abendessen helfen. Sie kennen sie ja.“
„Oh natürlich. Du bist ein liebes Mädchen. Deine Mutter ist wahrlich gesegnet eine so fleißige Tochter zu haben. Ihr könnt jederzeit zu mir kommen, wenn ihr noch Fragen haben solltet. Ich habe meistens Zeit und freue mich immer über etwas Besuch.“
„Natürlich Herr Windson. Danke, dass wir kommen konnten.“, entgegnete Noel eiligst und würgte den Alten mit ein paar wenigen Worten ab. Endlich traten sie nach einer gefühlten Ewigkeit wieder ins Freie. Wie viel Zeit hatten sie da drinnen verbracht? Mittlerweile war bereits später Nachmittag. Albert Windson winkte ihnen ein letztes Mal zu, dann war er auch schon wieder hinter der schweren Tür ins Haus verschwunden.
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Es war noch früh am Morgen gewesen, als Noel auf die Türklingel mit der Aufschrift “Anderson“ gedrückt hatte, wenige Sekunden später war Juli erschienen. Sie hatte einen roten Regenmantel, mit dem er sie fast immer sah, und einen schlichten Pullover getragen. Es war kälter als an den anderen Tagen gewesen. Überall hatte man Pfützen erkennen können und der Boden unter ihren Füßen war matschig gewesen. Zu allen übel hatte sein Pullover ein paar hässliche Flecken abbekommen. Gegen 8 Uhr hatten sie die Mauer erreicht, standen davor und waren sprachlos. Die Fußspuren, die sie damals gesehen hatten, waren mittlerweile nicht mehr erkennbar. Das wars dann also. Sie standen vor der Mauer.
„Ich hab sie noch nie am Tag gesehen. Nicht so nah“, presste sie unter fast geschlossenen Lippen hervor.
„Hast du Angst?“, murmelte Noel. Noch können wir umkehren. Für ein paar Sekunden standen sie einfach nur da, dann nickten sie sich gegenseitig zu. „Dann lass uns mal gehen.“ Ihre Stimme war fest, bestimmt und hätten ihre Hände nicht gezittert, dann hätte er es ihr fast geglaubt.
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