Eine Weihnachtsgeschichte der Unkreativität
Mir fiel nichts ein. Nur noch wenige Tage und ich hatte noch nichts. Würde mir noch rechtzeitig etwas einfallen? Ich beschloss, es für heute gut sein zu lassen und sah aus dem Fenster. Ich erinnerte mich an die Wettervorhersage: Keine Aussichten auf Schnee an Weihnachten. Ich vertraute den Wetterleuten noch nie, aber diesmal schien es so, als würden sie recht behalten. Das war schrecklich für mich. Ich liebte Schnee! Aber ich hatte in diesem Moment größere Probleme. Wenn ich nicht rechtzeitig etwas schreiben konnte, würde etwas schreckliches passieren. Ich hasse es. Jedes Jahr das selbe. Ich wusste ja, was passieren würde, wenn ich nichts schreiben würde. Aber worüber denn nur? Ich, das unkreativste Wesen unter der Sonne, muss mir jedes Jahr etwas neues und spannendes einfallen lassen, nur damit dieser schmierige Typ etwas zu lesen hat. Ich baruchte aber das Geld. Unsere Eltern sind tot, und ich musste meine Geschwister mit durch füttern. Sie taten mir wirklich leid. Dieses Jahr hatten wir nicht genug Geld für Geschenke. Kann man Weihnachten einfach so ausfallen lassen? Wenn es nur um mich ginge, wäre das durchaus möglich. Aber mit zwei kleinen Kindern, 6 und 8 Jahre alt, geht das doch nicht. Ich brauchte eine Idee, damit ich etwas schreiben, es verkaufen und Geschenke besorgen kann. Aber mein Verleger war grausam. Er nahm von 100 Geschichten gerade mal 3. In der Firma ein kommen und gehen. Dann riss mich ein klingeln aus meinen Gedanken. Das Telefon. Ich nahm ab, und als ich gerade fragen wollte, wer denn da war, rief mir jemand mit einer lächerlich lauten Stimme entgegen: "Mira, das muss ich dir unbedingt erzählen, das ist so super!" Ich wusste sofort wer es war. Meine beste Freundin Kathi. Sie übertrieb gerne mal etwas, wenn es um Neuigkeiten ging. "Was ist denn los, mal wieder etwas interressantes über deinen Freund und dich?"-"Volltreffer!", schrie sie. "Komm bitte sofort zu mir! Hörst du? SOFORT! Oder ich werde böse, es ist einfach nur so super, ich kann das nicht so am Telefon sagen. Hach!" Ich bejahte, weil ich wusste, dass es keinen Sinn machen würde, über soetwas mit ihr zu diskutieren. Also zog ich mir meine Schuhe und Jacke an und ging in die schneelose, feindliche Welt. Für meinen Geschmack viel zu kalt, und danna uch noch grau und bunt, nirgends das schöne weiß, das ich so gerne gesehen hätte. Auf dem Weg zu Kathi sah ich in die Schaufenster, in der Hoffnung, mir würde etwas einfallen. Nichts. Mal wieder, war ja klar. Deswegen ging ich weiter, bis ich mein Ziel erreichte. Ich klingelte an der Tür, die sogleich aufflog, als hätte jemand eine Bombe gezündet. Ich erschreckte mich nicht. So war es immer, wenn ich Kathi besuchte. Diese stand in der Tür und grinste mich breit an. Sie sagte kein Wort über hereinkommen, sondern brach gleich mit den Neuigkeiten heraus: "Ich werde Heiraten, Mira!", strahlte sie mich an. Ich freute mich ja für sie, aber ich hatte nun wirklich andere Probleme. Ich hatte beinahe ein Messer im Rücken stecken. Ein Messer, das mir endgültig das Herz zerreißen würde, wenn meine beiden Geschwister kein Weihnachten haben würden. Und das schlimmste: Es war fast unausweichlich. Kein Geld, keine Idee, keine Chance. Ich wollte auf mein Problem als Gesprächsthema lenken, aber nicht, ohne mich für Kathi zu freuen: "Das ist super Kathi! Aber..." Sie unterbrach mich: "Ja, oder? Er hat mir einen totaaal super süßen Ring geschenkt, richtig lieb. Aber, du siehst aus, als hättest du ein Problem, was ist denn los?" Ja, Kathi, du warst schon immer ein Schnelldenker. Mittlerweile sind wir reingegangen, sie bot mir einen Tee an. Ich lehnte ab, ich brauchte gerade Hilfe, und keine Getränke, auch wenn es mein lieblings Tee war, der da vor meiner Nase vor sich hin köchelte. Ich erzählte ihr also von meiner Situation, und wie immer versuchte sie sofort, mir zu helfen. "Über was könntest du schreiben... Du liebst doch Schnee, schreib darüber. Eine Lawine, das Weihnachtsfest wird fast verdorben, dann noch eine Lovestory... Das frisst dein Verleger schon, keine Bange!" Das fand ich eine gute Idee. Ich bedankte mich und rannte, so schnell ich konnte, nach Hause. Ich schrieb. So viel und so lange, dass ich gar nicht wusste, welcher Tag es war, wie spät, ob Tag oder Nacht. Bis ich fertig war. Ich ging also zu meinem Verleger und knallte ihm die Story auf den Tisch. Er las sie sich durch. Ich wurde immer nervöser. Als er fertig war, sah er mich gequält und gespielt mitleidig an und sagte: "Das ist nicht ihr Ernst, oder? Mir hier so einen Mist zu präsentieren! Dafür kriegen sie keinen Cent!" Meine letzte Hoffnung starb. Was sollte ich jetzt noch tun? Wie sollte ich meinen beiden Geschwistern erklären, dass Weihnachten dieses Jahr ausfällt? Wir hatten ja noch nicht mal einen Baum! Ich ging niedergeschlagen nach Hause und überlegte mir schon, was ich sagen sollte. Die beiden kleinen waren noch nicht da, sie haben in dieser Nacht bei Freunden übernachtet, glaube ich. Ich kam in die Wohnung, und war so überrascht, wie noch nie in meinem Leben: Im Wohnzimmer stand ein Baum, darunter unzählige Geschenke. Ein paar schienen sogar für mich gewesen zu sein. Aber wer tut sowas? Ich ging nach draußen. Vielleicht war derjenige, der das gemacht hat, ja noch irgendwo hier in der Nähe. Da fiehl mir auf, dass die Straßen leer waren. So kurz vor Weihnachten leere Straßen? Als ich mich gerade selbst für verrückt erklären wollte, sah ich auf dem Boden eine Zeitung. Was da stand, interressierte mich nicht, nur das Datum. 24. Dezember. Ich dachte, jetzt würde gleich noch etwas passieren. Ein Huhn mit fünf Köpfen musste gleich irgendwo hervor springen, das musste ein Traum sein. Aber nein, das war es nicht. Geschenke an Heiligabend, obwohl ich nichts gekauft hatte? Meine Gedankengänge wurden wieder einmal unterbrochen. Aber diesmal nicht durch irgendein nervtötendes Geräusch, sondern durch etwas nass-kaltes, das meine Wange berührte. Schnee! Es schneite! Es wurde doch eine weiße Weihnacht, wie ich es mir wünschte. Aber wie konnte das alles passieren? Gibt es den Weihachtsmann etwa doch?