DIes ist meine nächste kleine Geschichte. Diesmal gepostet im Quellcode (Danke an Eryn, für den Rat)
Über Rosen und Oldtimer
Man sollte den Erfinder des Weckers postum verprügeln.
Genau! So richtig schön altmodisch,am besten mit einer Lederpeitsche.
Perfekter Plan!
Langsam fügen wir ihm unnachahmliche Schmerzen zu.Wir die notorischen Langschläfer.
„Wach endlich auf!“ Junggesellen-Abschiede sollte man auch verbieten.
„Wach auf!“ Für die Existenz von Weckern sollte man Geldstrafen verlangen!
„Marco, heb' deinen faulen Hintern hoch!“
Junggesellen und vor allem ihre Bräute,welche begleitet von so einer schrillen Stimme anfangen eine rumzuschubsen,gehören auch hinter Gitter.
Allen voran diese Brutalen, welche einen friedlich Schlummernden vom Sofa gnadenlos auf den Boden ziehen.
Aber, gegen solche Ungerechtigkeit unternimmt der Staat nichts und so finde ich mich stöhnend auf dem Boden wieder.
„Mein Schädel...“ stöhne ich „Könnte irgendeiner von euch das Licht aus machen?“
Na, von wegen! Anstatt das Licht auszuschalten, ziehen diese Idioten von demnächst traumhaft glücklichen Ehepaar auch noch die Vorhänge auf.
Wie kann Sam überhaupt so wach sein? Hat er nicht beim Koma-Saufen gewonnen? Und wenn überhaupt: Kann man das eigentlich gewinnen? Haben wir das überhaupt gemacht?
Fragen über Fragen, aber meinem Kater nach zu urteilen kann ich sie alle mit Ja beantworten.
Was soll's! Bleiben wir doch noch ein bisschen liegen... Wer zur Hölle hat sich gerade auf meine Brust gesetzt?
„Ich krieg' keine Luft!!!“ röchele ich worauf mir mit einem Lachen von Sam und seiner Braut Jo geantwortet wird.
Ich entschließe mich, nun doch aufzustehen, damit ich mich meinen Peinigern stellen kann.
Welche sich allerdings sonstwohin verkrümmelt haben.
Na toll!
Ich torkel in die Küche, wobei ich beinahe auf einem Pizzakarton ausrutsche. Doch bevor ich mit einer Platzwunde im Krankenhaus lande, fange ich meinen Sturz lieber ab und torkel weiter zum Eisschrank. Dort angekommen bereite ich mir mein Überlebenspaket: Eisbeutel und Kaffee.
Ich schlürfe also meinen Kaffee während ich mir den Eisbeutel an den Kopf presse.
Dabei wiederum stelle ich fest, dass der Kaffee viel zu heiß und der Eisbeutel viel zu kalt ist.
Entschließe mich für eine Dusche. Duschen. Perfekt.
Jetzt, wo ich mir Haut unterkühlt und die Zunge verbrannt habe, sind meine Kopfschmerzen das kleinere Übel.
Als ich mich auf das Sofa fallen lasse stelle ich drei grundlegende Dinge fest:
1. Irgendjemand hatte auf dem Sofa eine Tüte Chips vergessen.
2. Die Wohnung ist ein Saustall.
3. Es ist meine Wohnung! Hatten wir nicht bei Sam gefeiert?
Wie dem auch sei, während ich mich und meine Wohnung noch bemitleide fällt mir eine Notiz auf einem Sideboard auf:
“Vergiss die Hochzeit nicht!“
„Vergiss die Hochzeit nicht“?!
Ich, diese Hochzeit vergessen? Diese Hochzeit war rational gesehen der Grund, warum mein Haus sich in diesem erbärmlichen Zustand befindet!
Ich muss noch meinen Anzug abholen. Ich werde den Trauzeugen für Sam spielen müssen, weil der das unbedingt wollte. Und als Freund kann man wohl nichts anderes tun als einzuwilligen.
Und so begebe ich mich zu dem „Designer - Schneider“ in der Stadt um meine festliche Verpackung abzuholen, welche mein Budget doch arg belastet.
Es stellt sich heraus, das man innerhalb von drei Tagen offenbar sehr gut 25 Kilo zunehmen kann, jedenfalls sieht der Anzug so an mir aus.
Darauf der Schneider: Es tue ihm leid, er habe Schnittmuster und Maße wohl verwechselt. Konsterniert frage ich wie lange er brauchen würde den Anzug auf passende elegante Maße zu schneidern.
„15 Stunden.“
„Aber die Hochzeit ist doch in 10.“ rufe ich entrüstet.
„Nun ja,“ erklärt der Schneider in verschwörerischem Ton „ für 500 Euro extra ließe sich da etwas machen.“
Ich kann ja wohl so nicht zu dieser Hochzeit, notgedrungen zahle ich auch noch diese unverschämten 500 Euro mehr. Beim verlassen des Geschäfts ruft mir der Schneider zu:“Bis in 5 Stunden!“ Nun, zumindest gibt er sich Mühe für sein Geld.
Ich habe nun ein wenig Zeit, bis ich wieder zum Schneider muss, eine Stunde nach dem Schneiderbesuch muss ich zur Hochzeit.
Muss ich nicht eine Rede halten?!
Schnell das Internet an.
Man erfährt:Der Trauzeuge KANN aber muss keine Rede halten. Üblich ist das er zumindest einen kleinen Toast ausspricht. Doch eine Rede zu halten wäre aber schöner.
Will ich eine schöne Hochzeit für meinen Freund? Ja,na klar. Aber nicht mal ein auch nur armseliger Toast fällt mir ein. Natürlich wäre da das Bekannte so wie „Möget ihr froh sein bis das der Tod euch scheidet“! Aber mal ehrlich, sowas banales kann ich doch wirklich nicht sagen!Was Persönliches muss her!
Mal sehen, was mag Sam? Der Groschen fällt: Sam mag Oldtimer! Aber seine Frau kann ich doch wohl schlecht mit irgendwelchen und dann noch uralten Autos vergleichen, oder doch?
Mal sehen: „Wegen ihr verließest du die Autobahn und fandest die große Liebe. Denn sie ist wie ein Ford Capri (ohne Räder). In ihr fandest und wirst du Erfüllung finden und...“ Mein Gott, das kann ich nicht bringen. Also, doch lieber etwas bewährtes Altmodisches. Besser schon, nur was?
Ich setze mich auf mein Sofa und es krachen erneut die Chips. In diesem Moment kommt mir die Idee:„Und möge euer Glück nie zerbrechen wie ein Spiegel sondern möge es erblühen wie eine Rose.“ Sehr poetisch. Nun zumindest Jo wird es gefallen, wo sie Rosen doch so liebt.
Der Schneider war so freundlich mir meinen Anzug zur Tür zu tragen. So schnell es geht ziehe ich mich in den Restrooms eines bekannten Fast „Food“ Restaurants um und haste neu gewandet zur Kirche.Ich treffe vor dem großen Moment noch auf Sam, spreche ihm aufmunternde beruhigende Worte zu. Vergebens. Sam zittert so als hätte er Fieber, als er den Raum in dem gleich der Pastor die Worte sagen würde:„Willst du...“ betritt. Der Standesbeamte würde die bürgerlichen Dinge erledigen.
Apropros: Pastoren und Standesbeamte! Wo waren die eigentlich abgeblieben?
Leise um Sam nicht weiter zu beunruhigen, frage ich die Hochzeitsplanerin. Diese darauf erschreckt: „Mein Gott, wie konnte ich die nur vergessen?!“
„Und ich frage“ - sagt jemand mit tiefer Bass-Stimme im karierten Holzfäller Shirt aus dem Hintergrund. - „was gedenken sie denn in meiner Kirche zu tun.“
„Heiraten wollen sie“ erklärt die Planerin.“Jetzt, sofort.“ Und überschlägt sich beinah mit ihrer hohen Stimme.
Erstaunt runzelt der Pastor im Freizeitlook die Stirn, schnauft und tönt schließlich„Na gut. Für den Herrn“
„Supi!!!“ quietschts von der Hochzeitsplanfrau „Ich hol den Standesbeamten!“
Ich glaube zu hören wie der Pastor murmelt:
„Gott, schafft seltsame Wesen!“
Worauf er sich anschickt seine Pastorenkluft aus den Katakomben der Kirchen zu holen.
Kurze Zeit darauf sehe ich wie sich alle anderen Gäste in der großen Halle versammelt haben und andächtig zusehen, wie Jo,von ihrem Vater begleitet, zum Altar schreitet.Sie träg ein wunderschönes weißes,wehendes Hochzeitskleid, welches sie aussehen lässt wie einen Engel. Ich bemerke auch,dass Sam sich auf der Unterlippe herumkaut. Das ist meistens kein gutes Zeichen. Es bedeutet nämlich, dass er vor Nervosität fast platzt. Wobei er doch eigentlich gar keinen Grund dazu hat, sich aufzuregen. Er wird gleich heiraten!!! Noch dazu eine bildhübsche und freundliche Frau! Aber, es gibt wohl Menschen, denen kann man es nie recht machen.
Der Große Moment:
„Willst du Sam James Baker Jo Watson zur Frau nehmen. Sie lieben und ehren, in guten wie in schlechten Tagen bis das der Tod euch scheidet? Dann antworte jetzt mit Ja.“
„Ja.“
„Und willst du, Jo Watson den hier stehenden Sam Baker zu deinem rechtmäßig angetrautem Mann nehmen? Dann antworte mit Ja.“
„JA.“
„Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“
Ich hab versprochen nicht zu weinen.
Habe ich auch nicht getan. Denn jetzt bin ich es der viel zu aufgeregt ist:
Bei der anstehenden Feier werde ich meinen Toast aussprechen. Meinen sehr dürftigen Toast.
Das Hotel, welches Sam gebucht hatte, ist wahrscheinlich dafür ausgelegt worden, Hochzeitpartys zu beherbergen. In dem riesigen Tanz und Speisesaal gehe ich nach vorne,räuspere mich.
Die Leute sind unruhig, sie haben noch nicht gegessen. Eine schlechte Voraussetzung dafür, das sie mir nicht an den Hals springen, sollte ich den Toast versauen.
Die Nervosität bringt mich fast um. Doch ich fange an zu sprechen:
„Liebe Jo, Lieber Sam, ich wollte euch noch etwas sagen, bevor ihr mir jetzt nicht mehr zuhört:
Möge eure Liebe nicht zerbrechen wie die Windschutzscheibe einer deiner Oldtimer,Sam, sondern möge sie erblühen wie die Rosen in eurem zukünftigen Garten.“
Ein Raunen geht durch den Saal. Durchaus verständlich, wo ich gerade ziemlichen Mist von mir gegeben habe.
Doch plötzlich antwortet mir Sam verschmitzt mit einem Lächeln:
„Danke, Marco. Aber nur damit du es weist: Ich werde nie eine Windschutzscheibe zerbrechen.“
Und er küsst Jo.
Also, ich würde sagen, meine Rede hat das richtige bewirkt: Sam hat Jo bis heute nicht verlassen und auch nicht andersherum. Schätze mal es liegt daran, dass Jo die Oldtimer in Ruhe gelassen hat.