Das
gold-silberne Kurzschwert in der Hand, blickte Link auf Balaen herab, der
hilflos vor ihm am Boden kniete. Es wäre ihm ein Leichtes, den Ritter aus den
Wolken zu töten; alles, was es brauchte, war ein wohlgezielter Schnitt durch
die Kehle. Dies zu verhindern, war Balaen nicht mehr in der Lage.
Umso mehr
konnte der unterlegene Held nicht glauben, dass Link etwas tat, was er sich
während aller ihrer Konfrontationen nicht ein Mal geleistet hatte: Er zögerte!
Ein Schatten
glitt über die beiden Kontrahenten hinweg, verdeckte auf seiner Bahn einige
Sterne. So kurz der Eindruck von ihm auch gewesen war, hatte Balaen darin einen
Vogel erkannt, der zwar von ähnlicher Größe wie Karmin zu sein schien, jedoch
wesentlich plumper gewirkt hatte. Auch wenn Link dieser schwarze Umriss
ebenfalls nicht entgangen war, wurde seine Aufmerksamkeit sogleich von etwas
anderem abgelenkt.
Durch die
klare Nachtluft erklang ein menschlicher Schrei, erst nur aus weiter Ferne,
jedoch rasch lauter werdend. Link sah auf, und Balaen folgte seinem Blick
hinter sich. Die Quelle des Rufs raste über die Ebene, so schnell, dass sie zu
einem bloßen Huschen verschwamm. Schon war sie heran, schoss zwischen zwei
Fackeln hindurch, die durch den Fahrtwind gelöscht wurden. Knapp hinter Balaen
katapultierte sich Leo, noch immer seinen unartikulierten Kampfschrei
ausstoßend, in die Höhe. Seine eigene aberwitzige Geschwindigkeit trug ihn über
den älteren Ritter hinweg, der vornübergebeugt ein ausreichend niedriges
Hindernis abgab. Im Zenit von Leos Sprung löste sich Virri, der auf seinem
Rücken saß, von ihm ab.
Gleichzeitig
zogen die beiden Helden die Schwerter. Das seine schwang Leo zu einem
blitzenden Bogen herab, als er vor Link landete. Der wich der Klinge mit einer
Rückflugrolle gekonnt aus, woraufhin sie sich unnütz ins Gras fraß, wo er eben
noch gestanden hatte. Durch den Greifenmantel noch ein Stück weiter geglitten,
stürzte Virri herab wie ein Falke auf seine Beute, die Spitze des Schwerts der
Vier auf den abtrünnigen Helden gerichtet. Sein Ziel wischte mit dem
Eulenschild über sich hinweg, fegte den kleinen Krieger einfach zur Seite. Die
Klone, die Virri nach ihrer Bildung ungebraucht zu Boden hatte fallen lassen,
gingen nun zu dritt auf Link los, verwickelten ihn in einen unentrinnbaren Tanz
der Klingen. Ihr Original, das sein Trudeln mithilfe des Umhangs abfing, wollte
sich ihnen anschließen, wurde aber überraschend im Nacken an der grünen Tunika
aufgehalten.
„Du bleibst
hier!“, wies Leo ihn zischend an. „Wenn dir was passiert, ist alles aus.“
Erschrocken presste Virri die Lippen zusammen und nickte, also setzte der
Hylianische Ritter ihn ab. „Und du!“, wandte er sich an den noch immer
knienden Balaen. Ohne Vorwarnung packte er ihn einhändig beim Kragen, riss ihn
hoch und brüllte ihm mitten ins Gesicht: „Ich hab genug von deinen Egotrips!
Wir sollten das doch zusammen durchziehen!“ Aufgebracht warf er den
älteren Helden auf den Rücken, hielt ihm die Schwertspitze ans Kinn, um ihn am
Aufstehen zu hindern.
Virri
steuerte seinen violett gekleideten Klon zu einer Großen Wirbelattacke, deren
Namen er dieses Mal nicht ankündigte, gegen Link. Der fing die blitzschnell
kreisende Klinge mit der Unterkante seines Schilds ab, brachte den kleinen
Angreifer so aus dem Gleichgewicht. Das verzierte Kurzschwert ruckte vor und
spießte den Doppelgänger auf. Von dem Schmerz, der dem grüngewandeten Original
durch den Bauch schoss, ließ dieses sich nicht beirren. Die ersterbenden
violetten Sterne stoben auseinander, als Link herumfuhr und das Gefecht gegen
die beiden übrigen Klone fortsetzte.
Währenddessen
keifte Leo Balaen weiter an: „Du hast es gar nicht verdient, dass man dir den
Hals rettet!“ Um seine Worte zu unterstreichen, senkte er die Schwertspitze
weiter, bis sie Balaens Haut an selbigem Hals berührte. Der Ritter aus den
Wolken legte den Kopf zurück und schluckte. Mit der freien Hand riss Leo eine
Flasche aus seiner Gürteltasche, zerbrach sie in der Faust und pfefferte die
darin enthaltene Fee dem ältesten Helden auf die Brust. Der kleine Geist
klingelte zwar gereizt ob der unangebracht rabiaten Behandlung, kam seiner
Pflicht aber dennoch nach. In raschen Spiralen heilte er einen weiteren Anteil
von Balaens Verletzungen.
„Wenn ich
jetzt ohne Fee draufgehe, schlitz ich dich auf!“, kündigte Leo an und drückte
dem Verräter das Schwert noch fester an den Hals, gerade so vorsichtig, dass es
nicht gefährlich war. Als er es dann unvermittelt wegnahm, zuckte Balaen
zusammen, doch Leo drehte es nur mit einem knappen Wurf herum und fing es an
der Klinge auf. Dem Liegenden das Heft hinhaltend, fragte Leo: „Also, kämpfen
wir jetzt zu dritt, oder was?“ Trotzig lieferten sich die beiden Ritter ein
unnachgiebiges Blickduell.
Zeitgleich
drosch Link sowohl mit Schwert als auch mit Schild auf die verbliebenen Klone
ein, die sich seiner Attacken mit beidhändig ergriffenen Waffen erbittert zu
erwehren versuchten. Schließlich stolperte der blaue Doppelgänger und fiel der
Länge nach hin. Den anderen beförderte Link mit einem Tritt von sich, schwang
den Schild hoch, rammte die geschärfte Kante seinem gestürzten, blau
gekleideten Gegner hart auf das Nasenbein.
Als der
Doppelgänger diesmal starb, krümmte Virri sich vor, die Hände aufs Gesicht
gepresst gegen den knochigen Schmerz. „Macht schneller!“, flehte er Leo und
Balaen verschnupft an. „Ich halte nicht mehr lange durch!“
Schließlich
gab Balaen den Aufforderungen seiner Partner nach. Er nahm das dargereichte
Schwert entgegen, und endlich gehorchte ihm seine Rechte wieder.
„Na, geht
doch“, kommentierte Leo. Als Balaen Anstalten machte, aufzustehen, bot der
Hylianische Ritter ihm eine helfende Hand an, die der ältere reumütig ergriff,
um mit Unterstützung aufzustehen. „Und jetzt bleibst du gefälligst“, riet der
jüngere und schlug ihm die Hand in einer Geste auf die Schulter, die eine
Winzigkeit zu grob war, um noch als kumpelhaft durchzugehen.
Da Balaen
nun Leos Schwert hatte, schnallte letzterer stattdessen die Axt von seinem
Rücken. Zu zweit traten sie neben Virri, der in diesem Moment seinen letzten
Klon verlor. Umschwärmt von roten Funken wie von leuchtenden Blutstropfen,
wandte sich Link dem Heldentrio zu.
Leo wartete
gar nicht darauf, dass ihre Zielperson den ersten Zug machte. Wutschnaubend
stürmte er vor, schwang die Axt zu einem vernichtenden Hieb herum. Als wolle er
diesen abwehren, hob Link den Schild; erst im letzten Moment hüpfte er zur
Seite, sodass der Ritter ihn knapp verfehlte. Weil der aufgebaute Schwung nicht
auf den erwarteten Widerstand traf, strauchelte Leo vorwärts. Während er sich
fing, setzte Link den Seitwärtssprung fort, indem er sich nach vorn zu Boden
warf. Zugleich schienen sich die nächtlichen Schatten um ihn zu verdichten.
Als er auf
allen Vieren aufkam, hatte er die Gestalt des goldenen Wolfs angenommen.
Eigentlich hatte Leo vorgehabt, gleich wieder zum Angriff auszuholen, doch
sowie er das Raubtier erblickte, schreckte er zurück. Den Axtstiel in beiden
deutlich zitternden Händen, hielt er die Waffe vor sich, trat rückwärts weg von
Link. Der folgte ihm, das im Fackelschein glänzende Nackenfell gesträubt, die
schrecklichen Fänge gebleckt, und knurrte bedrohlich. Er duckte sich, spannte
die Hinterläufe an, um den Ritter anzufallen – als plötzlich etwas so dicht vor
seiner Schnauze ins Gras schlug, dass er alarmiert innehielt.
Der Wolf
fuhr zu Virri herum, der nach diesem ersten harmlosen Warnschuss schon den
nächsten Pfeil auf die Sehne legte – eines der gewöhnlichen Geschosse, keines
von Lichtmagie erfülltes, das er von der Prinzessin erhalten hatte. Zunächst
beschränkte Link sich darauf, knurrend zurückzuweichen, während der kleine
Bogenschütze auf ihn zukam. Beide versuchten sie abzuschätzen, was ihr
Gegenüber zu tun wagte.
Als nun auch
Balaen sich seinen Gefährten anschloss, sah sich Link zur Handlung gezwungen.
So wandte er sich wieder dem Helden zu, der sich vor seiner Wolfsgestalt am meisten
fürchtete, setzte dazu an, ihn anzuspringen. Ehe dies geschah, gab Virri nun
doch unerwartet einen Schuss ab. Der Pfeil war jedoch so gezielt, dass er Link
lediglich an der linken Schulter streifte und nicht ernsthaft verletzte. Dennoch
riss er das prächtige goldene Fell und die darunter liegende Haut auf. Wie ein
geprügelter Hund jaulte das Raubtier vor Schmerz auf und floh.
„Leo! Lauf
ihm nach! Er darf nicht entkommen!“, befahl Balaen dem jüngeren Ritter sofort, aber
der war vor Angst nicht einmal ansprechbar.
Doch Link
suchte nicht, wie der Held aus den Wolken zuerst gedacht hatte, das Weite:
Dicht hinter dem äußeren Fackelkreis hetzte er um seine Arena herum. Immer
wieder blitzte für den Bruchteil einer Sekunde der goldene Pelz im Feuerschein,
wenn er zwischen zweien der Ästen sichtbar wurde, nur um dann wieder genauso
kurzzeitig hinter den Fackeln zu verschwinden. In unregelmäßigen Abständen bremste
er dann scharf, wechselte abrupt die Richtung, preschte weiter in anderer
Geschwindigkeit.
Links
Kabinett der Verwirrung verfehlte seine Wirkung nicht: Verunsichert drängte das
Heldentrio näher zusammen, die Rücken zueinander und die Waffen nach außen
gedreht, ohne Gewissheit, wann und aus welcher Richtung das Raubtier wieder
zuschlagen würde. Erfolglos versuchten Balaen und Virri, ihm mit Blicken zu
folgen; der einzige, der Links Position mithilfe seines Gehörs genau hätte
ausmachen können, war dazu vor Panik außerstande.
„Zur
Mitte!“, befahl Balaen, packte Leo an der Tunika und schob ihn näher an den
inneren Kreis heran. Rückwärtsgehend folgte Virri, zielte dabei mit gespanntem
Heroenbogen nach außen. Gerade war die golden schimmernde Erscheinung wieder zu
sehen, und der kleine Held schoss. Da wechselte der Wolf überraschend die
Richtung, und der Pfeil ging fehl. Sofort feuerte der Schütze den nächsten ab,
doch auch diesmal traf er nicht.
Schließlich
gab Virri es auf. Nach kurzem Überlegen zog er das Schwert der Vier, das seine
vervielfältigende Wirkung auf ihn für diesen Kampf verloren hatte. Er hielt es
Balaen hin. „Dir bringt es jetzt mehr.“
Unwillig
musterte der Ritter aus den Wolken die ihm noch immer fremde Waffe. „Es ist
noch zu früh. Wir dürfen diese Trumpfkarte noch nicht ausspielen“, meinte er.
Ihre
temporäre Unaufmerksamkeit ausnutzend, brach Link urplötzlich in die Arena,
hielt genau auf Leo zu. Dieser schaffte es endlich, sich aus seiner
Schockstarre zu lösen, warf sich zur Seite und entging den nach ihm
schnappenden Wolfskiefern. Noch bevor das Raubtier zu weit an ihm
vorbeisprintete, kam es zum Halt und biss ihn aus nächster Nähe in den
Unterschenkel. Mehr vor Schreck denn aus Schmerz schrie der Hylianische Ritter
auf und stürzte. Ehe Link ihn mit sich schleifen konnte, war Balaen zur Stelle,
seinen Gefährten zu retten: Mit dem von Leo geliehenen Schwert fuhr er über die
goldene Schnauze, die sofort von ihrer Beute abließ.
Mit einem
wütenden Schnauben wirbelte Link herum, wodurch er nun Virri zugewandt war. Der
kleine Krieger bemerkte, wie die auch in der tierischen Form himmelblauen Augen
des abtrünnigen Helden zum äußeren Fackelkreis huschten – ganz offensichtlich
gedachte er, das Verwirrspiel mit seinem glänzenden Fell fortzuführen. Schnell
sprang Virri vor, schnitt ihm den Fluchtweg ab. Von seinen Bemühungen nicht
weiter beeindruckt, wollte der Wolf an ihm vorbeiflanken, doch sein kleiner
Gegner warf sich in eine Vorwärtsrolle und schlug aus selbiger nach ihm. Sofort
fuhr Link in eine andere Richtung herum, in der ihn Balaen bereits erwartete,
ausgerüstet mit Leos Schwert und nun auch wieder dem Hylia-Schild. Auch der
jüngere Ritter erhob sich, nahm die fallen gelassene Streitaxt wieder an sich.
Immerhin brachte er es trotz seiner Angst vor dem Raubtier fertig, seine Waffe
ruhig zu halten.
Gehetzt
blickte der Wolf um sich – und fand sich umzingelt von dem Heldentrio.
Seine eigene
Unterlegenheit erkennend, legte Link die Ohren zurück und knurrte tief. Sein
schillernd goldenes Fell verdunkelte sich, bis nur noch seine Umrisse als
Schemen übrig blieben, und einen Wimpernschlag später hatte er sich in einen
Menschen zurückverwandelt. Die Wunden, die Virri ihm mit dem Pfeil und Balaen
mit dem Schwert geschlagen hatten, trug er auch jetzt noch. Der Schnitt auf dem
Nasenrücken blutete leicht, und die unversehrte Tunika färbte sich rötlich, wo
der Streifschuss ihn an der Schulter getroffen hatte.
Der
abtrünnige Held bedachte die drei mit hasserfüllten Blicken. „Wie ich sehe,
seid ihr besser geworden als Jagdrotte“, keuchte er mit beginnender Ermattung.
Das Duell gegen Balaen und der Lauf um seine Arena hatten ihn offenbar
erschöpft.
Vorlaut wie
eh und je gab Leo zurück: „Schön, dass du einsiehst, dass du verloren hast!“ Er
hatte noch gar nicht zu Ende gesprochen, da hob er bereits die Axt, als wolle
er Link geradewegs längs zerteilen, beging aber denselben Fehler wie zuvor.
Sein Ziel drehte sich elegant zur Seite, und das Axtblatt fuhr tief in den
Erdboden. Aus der gleichen Bewegung schlug Link mit seinem Kurzschwert nach dem
Ritter, der der höllisch scharfen Klinge nur entging, weil er sich reflexhaft
noch tiefer über den Stiel seiner eigenen Waffe beugte. Schwer darauf gestützt,
zog der Ritter die Beine an und trat nach Link aus. Der fing diese hinterhältige
Attacke ab, indem er Leo mit dem linken Arm bei den Unterschenkeln packte;
anschließend schmetterte er ihm den Schild an den Hinterkopf, mit der flachen
Seite anstatt der Kante aufgrund der geringen Distanz. Er ließ seines Opfers
Beine los, und es fiel benommen zu Boden.
Dazu, erneut
sein Schwert gegen Leo zu verwenden, kam Link nicht, da sich Virri und Balaen
nun wieder näherten. Aus dem Stand fuhr ihr Gegner zu dem jüngeren herum,
musste seinen Streich parieren. Die beiden Kurzschwerter prallten klirrend
aufeinander. Mit einer Drehung aus dem Handgelenk fegte Link das des kleinen
Grüngewandeten beiseite, wandte sich augenblicklich Balaen zu, prellte ihm mit
der Schildkante die Waffe aus der noch immer nicht ganz regenerierten Rechten.
So schuf sich die Zielperson des Heldentrios die Chance, den Schwertarm ungehindert
auszustrecken; die goldverzierte Klinge erglühte in gelblichem Licht, woraufhin
das Triforce-Mal auf Leos Handrücken, der soeben wieder aufstand, mit seinem
eigenen Schimmern reagierte. Links magisch verstärkte Wirbelattacke, die er in
einer fatalen Drehung entlud, zwang seine Jäger auf Sicherheitsabstand.
Die drei
bedrängten ihren gemeinsamen Gegner zunächst nicht weiter, nachdem dieser ihren
gesammelten Angriff ohne viel Mühe gekontert hatte. Dennoch umstellten sie ihn
als undurchdringliches Dreieck, dazu entschlossen, ihn so bald nicht mehr
entkommen zu lassen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis einer von ihnen seine
Verteidigung durchbrach.
Das war
natürlich auch Link selbst bewusst. Deswegen gab er ihnen schon gar keine
Gelegenheit, sich auf das nächste Manöver zu verständigen, und griff zu seiner
letzten List: Das gold-silberne Kurzschwert schob er in die Scheide zurück, holte
aus seinen Gürteltaschen einen Gegenstand hervor.
Noch bevor Virris
Gefährten im Halbdunkel genauer ausgemacht hatten, um was es sich dabei
handelte, warnte er laut: „Die Dämonenmaske!“
Schon trat
Leo dreimal rapide auf, aktivierte die Pegasusstiefel, zischte auf ihren Gegner
zu, entriss ihm die Maske und rannte ihn zugleich über den Haufen. Auf der
anderen Seite des Heldendreiecks bremste der Hylianische Ritter scharf, nahm
sein Diebesgut in beide Hände – und zerbrach es.
„Das
war’s!“, verkündete Leo triumphierend.
Seine Gefährten
eilten an seine Seite, betrachteten die Überreste von Links Geheimwaffe, die
wie graue Steintrümmer anmuteten. Ratlos murmelte Virri: „Irgendwie sieht die
anders aus als im Wald …“
Die Augen
zuerst geschockt geweitet, fasste sich Balaen nun, als er Links Täuschung
durchschaute. „Das ist die falsche Maske!“
Das
Heldentrio fuhr zu Link herum, der sie mit seiner steinernen Tarnmaske nur
abgelenkt hatte. In der Zwischenzeit war er wieder aufgestanden, hielt die
richtige Dämonenmaske in Händen, die als solche deutlich zu erkennen war, da
sie wirkte wie nach seinem eigenen Gesicht modelliert. Nun führte er sie an
ebenjenes, um mit einer weiteren Verwandlung seine Unbezwingbarkeit zu
vervollkommnen.
Übereilig
wollte Leo seinen Sprintüberfall wiederholen, aber bevor er losrennen konnte,
versetzte Balaen ihm einen Stoß, schickte die gerade erweckten Pegasusstiefel
wieder schlafen und ihren Träger zu Boden.
Noch bevor
er ganz aufkam, drückte sich Leo in einer einzigen zackigen Bewegung ab und kam
mit einem Sprung wieder auf die Füße. „Bist du völlig wahnsinnig?!“, fuhr er
den älteren Ritter mit einem Tonfall an, der allein davon sprach, dass er ihm
am liebsten an die Gurgel gegangen wäre.
Ungestört
setzte Link die Maske auf. Sogleich krümmte er sich und brüllte wie unter
größter körperlicher und seelischer Pein. Dunkelvioletter, aus dem Innern
bläulich glühender Nebel umfloss seine ganze Gestalt.
Zornig vor
Machtlosigkeit packte Leo Balaen erneut am Kragen. „Ich hätte ihn daran
hindern können!“ Seine Stimme war so schrill vor Verzweiflung und laut vor
Wut, dass sie ihm in den eigenen Ohren klingelte.
In
unangebrachter Seelenruhe löste der Ritter aus den Wolken den Griff von seiner
Tunika und sagte selbstbestimmt: „Ich habe dir gerade das Leben gerettet.“
„Gerettet?!“,
ereiferte sich Leo fassungslos.
Die
Nebelschwaden um Link begannen sich zu lichten.
Eiserne
Entschlossenheit befiel Virri. Er warf das Schwert der Vier nieder und
wechselte zum Heroenbogen zurück.
„Virri,
nein!“, rief Balaen aus, als der kleine Krieger plötzlich auf die dunkle,
zerfasernde Wolke zurannte. In ihrer unmittelbarer Nähe vollführte er stumm
einen senkrechten Greifensprung, gewann mit einer Rückwärtsrolle noch weiter an
Höhe, bis er gleichauf war mit dem übermenschlich großen Dämon, den der Nebel
nun freigab.
Genau wie
bei seiner ersten Erscheinung in den Verlorenen Wäldern trug er über der
anthrazitgrauen Tunika einen stählernen Brustharnisch und dazu passende
Panzerhandschuhe. Sein Haupt bedeckte die ebenfalls graue Mütze, unter der
blassweiße Haarsträhnen herabhingen und die leeren Augen umrahmten. Die Maske
war verschwunden, verschmolzen mit ihrem Besitzer, auch wenn dessen mit
Kriegsbemalung verunziertes Gesicht so reglos war wie der machtvolle
Gegenstand.
Noch im
Aufsteigen zog Virri einen Pfeil – eines der längeren, von Prinzessin Zelda
verzauberten Geschosse. Seine Handgriffe flossen ineinander über, als er es auf
die Sehne legte, diese durchzog und Links Antlitz anvisierte. So sicher das
Ziel des kleinen Bogenschützen zunächst auch erschien, legte dieses einfach den
Kopf zur Seite. Wie eine Sternschnuppe verlor sich der Lichtpfeil in die Nacht.
Entsetzt
riss Virri die Augen auf, bereute instantan seinen todesmutigen Vorstoß. Sein
Gegenüber schwang den mächtigen Beidhänder mit den zwei ineinander
geschwungenen Klingen zu einem Hieb in einer schrecklichen Wiederholung seines
im Wald missglückten Tötungsversuchs. Der langsam zu Boden zurückschwebende
Greifenkrieger ließ den Heroenbogen fallen und ergriff seinen Umhang an den
blauen, gezackten Säumen. Der weiße Stoff blähte sich, bremste den Sturz abrupt
ab, zudem schwang Virri seine Beine zurück, legte sich waagerecht in die Luft.
Keine Sekunde zu spät, denn das Dämonenschwert sauste nur eine Fingerbreite
unter ihm vorbei, ohne ihn auch nur zu streifen.
Kaum, dass
er verfehlt hatte, riss Link den Beidhänder erneut herum. Atemlos vor
Anspannung wich Virri wieder haarscharf aus, indem er wie bei einer
Sturzattacke zu Boden stieß. Da er dies jedoch anders als gewohnt ohne Schwert
ausführte, kam er unglücklich auf und fiel nach hinten. Ohne jede Gnade hob der
Dämon seine Waffe, ließ sie auf den kleinen Helden, der verängstigt die Augen
zukniff, herniederfahren – und traf unverhofft auf Widerstand.
Zitternd sah
Virri auf. Um ihn herum standen drei Krieger, die Mienen ebenso emotionslos wie
die ihres Gegners, gekleidet in Tunika und Mütze in den Farben Rot, Blau und
Violett. Die Spitzen ihrer Kurzschwerter mit der linken Hand ergriffen, waren sie
zur Hilfe geeilt und hatten die Helixklinge abgeblockt. Auch wenn sie sich ihr
zu dritt entgegen gestellt hatten, waren sie gemeinsam nicht stark genug, ihre
volle Wucht abzufangen, und mussten sie zur Seite ablenken.
Neben Virri
erschien plötzlich Balaen. „Bist du verletzt?“, erkundigte sich der Ritter aus
den Wolken besorgt. In der Rechten hielt er das Schwert der Vier, dessen
Zierstein im Grasgrün seiner eigenen Kleidung leuchtete.
Schluckend
schüttelte Virri den Kopf, japste sogleich auf, als er im Nacken gepackt und
von dem ältesten Helden fortgerissen wurde.
„Überlass so
halsbrecherische Aktionen uns, Knirps!“, knurrte Leo, während er dem kleinen
Krieger den Bogen in die Hand drückte und ihn aus der Gefahrenzone schaffte.
Wie Balaen das Schwert der Vier führte, hatte der jüngere Ritter ihrem Plan
entsprechend dessen Hylia-Schild übernommen. Wo das Trio zuvor Link umzingelt
hatte, klaubte er zusätzlich sein eigenes Schwert und die Axt auf.
Derweil
fingen Balaens Kopien einen weiteren Abwärtsstreich Links mit Virris Kreuzklingentechnik
ab, bei der die Klone jeweils ins Schwert des ihnen gegenüberstehenden griffen.
Auch wenn ihnen diesmal die Knie einknickten, hielten sie wider Erwarten stand.
Mit aller Kraft schlugen sie die gegnerische Waffe zurück, was ihnen auch nur
deswegen gelang, weil Link sie selbst anhob. Als er sie erneut attackierte,
stoben die Doppelgänger auseinander. Ohne Pause setzte der Dämonenkrieger ihnen
nach, der warme Feuerschein nur ein kaltes Blitzen auf seiner Rüstung und der
türkis-grauen Helixklinge. Balaen blieb keine andere Wahl, als seine Klone
einzeln zur Flucht zu steuern.
Unvermittelt
wirbelte Link zum Original herum, die riesige Waffe glühte verräterisch blassgrün
und schickte dem Helden aus den Wolken eine Scheibe purer Energie entgegen. Der
Ritter wich mit einer Hechtrolle aus. Link tat zwei Sätze auf ihn zu, hackte
auf ihn ein. Gleich im Aufstehen ging Balaen in eine Rückflugrolle über, doch
der Abstand, den er dadurch gewann, war nicht groß genug. Ein Ausfallschritt
brachte Link wieder näher an ihn heran, und die Dämonenwaffe sauste auf ihn
nieder. Nach seiner Landung stolperte Balaen vorsorglich weiter zurück, sodass
ihn die keilförmige Spitze der Doppelklinge nur streifte. Sie schlitzte ihm
über Brust und Bauch die Tunika auf, schnitt durch die Eisenringe des
darunterliegenden Kettenhemds, als bestünde es lediglich aus grobmaschiger
Wolle.
Bevor sich
das Helixschwert zu einem weiteren vernichtenden Schlag erheben konnte, sprang
Balaen an ihm vorbei nach vorn, stieß dem Dämon das Schwert der Vier ins
emotionslose Gesicht. Durch den Aufprall wäre seiner tauben Rechten fast schon
wieder das Heft entglitten. Obwohl Virris mystische Waffe an Links Wange
entlangschrammte und dabei nur einen dünnen oberflächlichen Schnitt
verursachte, reichte dieser aus, den abtrünnigen Helden für einen Augenblick zu
lähmen. Der Beidhänder sackte zu Boden, doch Link ließ ihn nicht los.
Schnell
versammelte Balaen seine Klone um sich und platzierte sie beidseitig der
Helixklinge. Je zwei Exemplare des Schwerts der Vier stach er durch die beiden
Durchbrüche, die die wellenförmig geformten Schneiden zwischen einander
bildeten. Als Link in diesem Moment die Kontrolle über seine Dämonenform
zurückerlangte und seine Waffe heben wollte, verkantete sie an den ineinander
verkreuzten Kurzschwertern. Zudem sorgten die Klone und ihr Original mit ihrem
ganzen vervierfachten Gewicht dafür, dass sie sich nicht aus der Erde lösten.
Die leeren Augen des übermenschlichen Kriegers ließen keine Verärgerung
erkennen, als er weiterhin mit geradezu widernatürlicher Geduld versuchte, die Doppelklinge
zu befreien.
Aus sicherer
Entfernung hatten Leo und Virri dem kurzen Kampf beigewohnt, der sich in der
Arena zwischen den beiden Fackelkreisen abspielte.
„Jetzt,
Knirps!“, zischte der ältere von ihnen erhitzt, und der kleine Held nickte
entschlossen.
Er lief zu
den vier verschiedenfarbig gekleideten Rittern und dem gepanzerten Dämon, dicht
gefolgt von Leo, der jederzeit bereit war, seinen Gefährten vor jeden
Unwägbarkeiten zu beschützen. Den Heroenbogen hebend, legte Virri einen
weiteren Lichtpfeil auf, zielte kurz und präzise zwischen Balaen und den Klonen
hindurch. Ruckartig riss Link den Kopf nach vorn unten, und das Geschoss flog
wieder mal ins Leere. Sofort feuerte Virri den nächsten Pfeil, den der
Dämonenkrieger mit einer überraschend schnellen Geste aus der Luft wischte,
bevor er ihn treffen konnte. Der helle Ton von Metall auf Metall erklang, als
die leuchtende Silberspitze auf den stählernen Panzerhandschuh schlug und
funkensprühend erlosch.
Verbissen
gab Virri einen weiteren Schuss ab, und auch diesen fing Link ab. Der
verwandelte Held trat rückwärtsgehend von seiner blockierten Waffe weg, während
der kleine Bogenschütze ihn mit einer wahren Salve an Lichtpfeilen heimsuchte.
Alle Geschosse wurden Opfer von Links abwehrend zuschlagenden Fäusten.
Als Virri
noch eines aus seinem Köcher fischen wollte, ermahnte Balaen ihn eindringlich:
„Virri, verschwende die Pfeile nicht!“
Verunsichert
senkte der Schütze den Bogen. Dank der Warnung seines älteren Gefährten
erkannte er nun, dass es Links Absicht gewesen war, ihn zum raschen Verbrauch
der magischen Munition zu bewegen. Ansonsten hätte er sein Gesicht dauerhaft
abgeschirmt und ihm nicht immer wieder verlockend freie Schusslinie geboten.
Hilfesuchend blickte Virri zu Balaen.
Der
grüngewandete Ritter zog eine unwillige Miene, dennoch schloss er für einen
Moment die Augen, atmete tief durch und konzentrierte alle seine Gedanken auf
ein Vorhaben. Es kostete ihn noch immer ungeheuerliche Anstrengung, ohne
Schwerter der Vier in Händen die Kontrolle über seine Klone oder diese selbst
nicht zu verlieren. Trotzdem löste er sich von allen Ausführungen der
mystischen Waffe und ließ sie als Blockade für die Helixklinge zurück. Im
Quartett bestürmte er den viel größeren und stärkeren Dämonenkrieger, packte
ihn an den Armen und rang ihn auf die Knie nieder.
Der kleine
Bogenschütze und sein ritterliches Schutzgeleit folgten ihm, sodass Virri
wieder aus der Nähe schießen konnte – wenn Link nicht vornübergebeugt sein Antlitz
verbogen hätte.
Leo, der
sich bislang nicht an dem Kampf gegen den Dämon hatte beteiligen können, raunte
bärbeißig: „Ich mach‘ das schon …“ Mithilfe seiner Pegasusstiefel war er in
Sekundenschnelle hinter Link, nahm ihn in den Würgegriff und bog seinen Kopf
mit Gewalt zurück. Sowie Virris Ziel offenlag, schoss er – und schrie vor Frust
auf, als er es wieder verfehlte.
Dass der
abtrünnige Held so leicht in die Knie zu zwingen gewesen war, war nicht Balaens
Verdienst gewesen, sondern stellte sich nun als List heraus. Aus der Haltung,
in die Leo ihn gebeugt hatte, kippte Link selbstständig weiter nach hinten, bis
sein Gesicht nach oben gerichtet war und somit unterhalb der Schusslinie des
Lichtpfeils lag. Ein Bein aufgestellt drückte er sich zu einem
Rückwärtsüberschlag ab, fällte den verdatterten Leo und warf Balaen und die
Klone durcheinander. Vor Überraschen zog das grüngewandete Original unbeabsichtigt
seinen Geist aus letzteren zurück, und sie lösten sich auf.
Umschwebt
von dreifarbigen Funken war es dem Dämon nun ein leichtes, die Arme
freizubekommen; er setzte über die gestürzten Ritter hinweg auf Virri zu, von
dem ihn nun kein Hindernis mehr trennte.
Auch der
kleine Krieger erkannte dies, schoss im Reflex zu hastig schräg nach oben. So
fahrig er auch gezielt hatte, ging der Pfeil doch nicht mehr ganz daneben: Er
streifte Links Schläfe und ritzte sie auf. Die anschließende Lähmung gab Virri
einen winzigen, wertvollen Augenblick Gelegenheit, die er in seiner Panik nicht
dafür riskierte, erneut zu schießen. Stattdessen wirbelte er herum und rannte
um sein Leben – und wusste doch, dass es kein Entkommen mehr gab.
Diese
schockierend klare Erkenntnis löschte mit einem Mal Virris Angst vollständig
aus. Er bremste, zückte im Herumdrehen einen Lichtpfeil aus dem Köcher, fest
dazu entschlossen, Dämon-Link damit in Empfang zu nehmen.
Dieser war
bei seiner Verfolgung einen kurzen Umweg gegangen, um seine Waffe aufzulesen,
die jetzt nur noch von dem originalen Schwert der Vier festgenagelt wurde. Fast
ohne Widerstand glitt das Kurzschwert aus dem Durchbruch, wurde um die eigene
Achse rotierend aus der Erde gerissen.
Mit dem
Lichtpfeil auf der Sehne zog Virri diese durch. Bevor er sie vorschnellen
lassen konnte, sprang Link übermenschlich hoch, hob den Beidhänder über den
Kopf.
Unerschrocken
folgte der Schütze ihm mit dem Bogen. Über den Fackeln war die Nacht düster,
die Sterne nicht hell genug, um mit dem Leuchten der Pfeilspitze zu
konkurrieren. So wurde Virris aus dem Himmel herabstoßender Tod gnädigerweise
überstrahlt. Der kleine Held wusste, selbst wenn er jetzt noch einen Volltreffer
landen sollte, würde ihn das nicht mehr retten.
Seine
Finger, die die Bogensehne hielten, streckten sich, schickten sein letztes
Lichtgeschoss auf die Reise. Schnurgerade flog es Link entgegen, mitten in sein
grimmiges Gesicht – als er plötzlich schlichtweg verschwand.
Keinen
Wimpernschlag später erschien wie aus dem Nichts Leo an seiner Stelle. Sein
Glück war seine geringere Körpergröße als die des Dämons, denn der Pfeil
flitzte über ihn durch den leeren Luftraum, wo vorher noch Links Kopf gewesen
war. Getragen von dem Schwung des Springers prallte Leo mit Virri zusammen, und
die beiden stürzten übereinander.
Aufgebracht,
aber im Grunde erleichtert fuchtelte der kleinere nach dem Ritter und beklagte
sich: „Spinnst du? Ich hätte ihn fast getroffen!“
„Ein einfaches
Danke hätte auch gereicht“, erwiderte Leo zähneknirschend, ohne recht
anzuerkennen, dass sein jüngerer Gefährte ihm dasselbe vorwarf wie er selbst
zuvor dem älteren. Während Virri mit seinem Greifenmantel kämpfte, in dem er
sich verheddert hatte, stand der Ritter auf. Statt des Hylia-Schilds, den er
nun auf dem Rücken trug, hatte er den Tauschhaken ausgerüstet, den er der
Gewohnheit wegen gleich wieder aufwickelte. Doch anstatt sich zu ihm ziehen zu
lassen, straffte sich die Kette nur.
Verwundert
sah Leo auf; um Virri zu helfen, hatte er die Tauschhakenklammer nach Links
Knöchel ausgeworfen, und wie sich nun zeigte, hatte der Dämon sie gleich nach
dem Positionswechsel mit der vom Schwertgriff gelösten Rechten aufgefangen.
Jetzt zerrte er daran, scheinbar in dem Bestreben, Leo gleich wieder von den
Füßen zu reißen.
„Darauf
falle ich nicht noch einmal rein!“, versicherte der Heißsporn und stemmte sich
in die andere Richtung, dank seiner Handschuhe mit derselben Kraft wie der
übermenschliche Krieger.
Der hielt
die Klammer für einen kurzen Augenblick weiter unbeweglich fest, bis die
Kettenglieder bedenklich quietschten – und ließ einfach los.
So weit, wie
Leo zurückgebeugt dastand, bewahrte ihn nichts davor, zu stürzen, als der Zug
von vorn plötzlich ausblieb. Die Tauschhakenklammer wurde herumgeschleudert,
fetzte herbei und knallte Virri, der es gerade geschafft hatte, aufzustehen, in
den Rücken. Die Wucht des Aufpralls warf ihn sogleich wieder nach vorn.
Deutlich hörte Leo, wie die in dem ledernen Köcher enthaltenen Pfeilschäfte
brachen – und noch etwas anderes mit dumpfem, tiefem, grauenerregendem Knacken.
Im Fallen schrie Virri schmerzerfüllt auf.
Abseits des
Geschehens zwischen dem Dämonenkrieger und den beiden jüngeren Helden brachte
Balaen endlich das Schwert der Vier wieder an sich. Er reckte es in der sehr
vertrauten Geste in den Himmel, ignorierte das besorgniserregende Ziehen im
Unterarm und beschwor seine Klone zurück. Die drei Kopien voraussendend,
stellte er sich Link in den Weg, bevor dieser Leo und Virri attackieren konnte.
Nach einer kurzen Koreografie aus knappem Ausweichen und mühsamem Abwehren war
der Ritter aus den Wolken nahe genug an seinen Gegner herangekommen, dass er
ihm mit nach oben geführtem Schwert ins Gesicht schnitt.
Während er
an einer Stelle damit beschäftigt war, spähte Balaen mit einem anderen
Augenpaar nach seinen Gefährten in der Hoffnung, Virri möge die Chance zum
Schuss erkennen, sobald Link kurzzeitig zu keiner Regung fähig war. Als das
nicht geschah, ging der älteste Held das Wagnis ein, zu den beiden
rüberzulaufen. Dies war deswegen ein Wagnis, weil er sich dadurch auf etwas
anderes fokussierte als auf das einseitige Duell gegen den Dämon, in dem seine
Klone nicht mehr tun konnten, als immer wieder auf dessen Gesicht einzuhacken, um
ihn gelähmt zu halten. Alles andere war zwecklos.
Auf Balaens
Brust, wo das Helixschwert die Rittertunika und das Kettenhemd aufgeschlitzt
hatte, tränkte allmählich Blut die Ränder des grünen Stoffes und zeigte an, wie
haarscharf er vorhin dem Tode entronnen war. Den Schmerz des Schnittes fühlte
er nicht.
Leo hatte
die Tauschhakenkette locker aufgerollt und hängte sie sich gerade über die
Schulter.
„Was ist
passiert?“, wollte der Held aus den Wolken wissen, als er des am Boden
liegenden Virri gewahr wurde. Der kleine Krieger wand sich ächzend, presste
eine Hand auf den Unterrücken gegen Schmerzen, die sich wie ein dorniges
Wurzelgeflecht durch seine Leibesmitte bohrten. Weil Leo nicht auf die Frage
reagierte, sondern Virri nur entsetzt anstarrte, packte Balaen den Hylianischen
Ritter an der Schulter und schüttelte ihn. „Leopold, was ist passiert?“,
wiederholte er eindringlich, lauter diesmal.
Der
Angerufene hob den Blick, der um Verzeihung zu flehen schien. Sein Mund öffnete
sich, als wolle er etwas sagen, doch kein Wort kam ihm über die Lippen.
Auch wenn
Balaen nicht wusste, was seinen Gefährten derart aufwühlte, ahnte er, dass es
das Kampfgeschehen drastisch verändern würde – und das nicht zum Guten für das
Heldentrio. Indem er mit dem Schwert der Vier auf dessen sich in Qualen
krümmenden Besitzer deutete, wies der ältere Ritter Leo an: „Bring ihn in
Sicherheit und hilf mir dann hier … Vielleicht können wir Link die Maske aus
dem Gesicht schneiden“, fügte er hinzu, auch wenn er selbst nicht daran
glaubte.
Sowie er
dies aussprach, gelang es dem Dämonenkrieger, sich von den ihn stetig
betäubenden Klonen zu befreien. Weil sein erkorenes, blau gekleidetes Opfer für
das Helixschwert zu nahe an ihm stand, versetzte er ihm mit der Hinterhand
einen vernichtenden Fausthieb gegen den Oberkörper. Beim Heldentrio auf der
anderen Seite der Arena brach Balaen zusammen, schlang sich die Arme um die
Bauchgegend und stöhnte gepeinigt. Auch wenn sie sich diesmal nicht in Funken
auflösten, erstarrten die übrigen Ritterkopien, und Link entkam aus ihrer
Formation. Er schickte einen blassgrünen Schwertstrahl voraus – und Leo, noch
immer unfähig zu klaren Gedanken, reagierte rein instinktiv: Er sprang vor
seine Gefährten, riss den Hylia-Schild von seinem Rücken und wehrte das
Energiegeschoss ab.
Als Link
sich zu seiner verheerenden Sprungattacke in die Höhe katapultierte, packte Leo
Balaen an der Tunika und warf ihn einfach weg, rückte anschließend näher an den
hilflosen Virri heran, um ihn mit dem Schild zu schützen. Unnötigerweise, denn
Link schien eher auf die beiden älteren Grüngewandeten gezielt zu haben. Mit
nur einer Handspanne Abstand zu dem kleinen Helden, ihn aber nichtsdestoweniger
verfehlend, grub sich die türkis-graue Helixklinge in die Erde.
Endlich fand
Leo sein vorlautes Mundwerk wieder. „Denk dir mal was neues aus!“, keifte er,
schlug Link, der nach seinem Angriff praktischerweise noch vornübergebeugt
stand, mit der Faust und aller Kraft in die Dämonenfratze, schnappte sich
Virri, aktivierte seine Stiefel und raste durch die allmählich ausbrennenden
Fackeln aus der Arena der Helden.
In der
Zwischenzeit hatte sich Balaen nach dem unfreiwilligen, lebensrettenden Flug
auf die Knie gerappelt. Gleichzeitig betrachtete er durch die Augen seiner
Klone in Rot und Violett den dritten, blau gekleideten, den es eigentlich nicht
mehr geben durfte. Natürlich hatte ihn die Wucht von Links Fausthieb ohne
Schwierigkeit gefällt, und einem Menschen hätte sie ohne Zweifel den Brustkorb
zertrümmert – ganz so, wie sich Balaen selbst im Übrigen fühlte, als sei der
Doppelgänger gestorben. Dennoch war dieser nicht zu blauen Funken zerfallen,
wie es eigentlich hätte passieren müssen. Und das machte das Original stutzig.
Durch die
Augen seiner drei Abbilder, die ihm glichen wie sein Spiegelbild, blickte er in
ebenjene und erkannte etwas darin, das bislang noch nicht in ihnen gewesen war:
Auf dem natürlichen Himmelblau der Iriden lag ein Hauch von Gold, ein feines
Glitzern, das dem Held aus den Wolken nur allzu vertraut war.
Vor
Aufregung hätte Balaen fast die Kopien des Schwerts der Vier fallen gelassen,
als er in seiner Gürteltasche kramte und ihr die Flasche mit den Pilzsporen
entnahm, in der seine Restration für gut drei Tage enthalten war. Schnell
entkorkte er sie und kippte sich das golden glitzernde Pulver in den Mund. Der
übliche Würgereiz wegen des modrigen Geschmacks blieb aus, und Balaen hatte nur
an der staubartigen Trockenheit schwer zu schlucken. Das leichte
Taubheitsgefühl, das die bereits eingenommene Überdosis in seinem Körper
ausgelöst hatte, verstärkte sich. Geleitet von Balaens vierfach beschleunigtem
Stoffwechsel, zog sie sich von der Mundhöhle in den Hals, breitete sich bis in
die Gliedmaßen aus. Die Last seines stofflichen Leibes wurde von ihm gehoben,
und es schien ihm, als würde er dematerialisieren.
Die Lähmung,
die Link nach Leos Schlag befallen hatte, hatte die Bewegungen des Dämons nicht
vollständig eingefroren und ließ soeben nach. Bedrohlich langsam richtete er
sich wieder auf. Balaen schleuderte die leere Flasche nach ihm, und das Glas
zerplatzte an der stählernen Plattenrüstung zu harmlosen Scherben. Dennoch
verfehlte der Wurf nicht seine Absicht: Anstatt die Verfolgung der beiden
jüngeren Helden aufzunehmen, wandte Link seine Aufmerksamkeit ihrem ältesten Gefährten
zu. Der kniete noch immer und stellte unbewaffnet keine Gefahr für ihn dar –
anders als die drei Klone, die den Dämonenkrieger nun wieder bedrängten.
Links ungerührter
Miene war nicht anzumerken, ob er darüber verwundert war, den blaugewandeten
noch unter ihnen zu sehen. Zwei von ihnen fielen gleich zum stürmischen
Nahkampf über ihn her. Mit dem dritten hob Balaen das zuvor verlorene originale
Schwert der Vier auf und warf es sich selbst zu. Der Grüngewandete fing es an
der hellsilbernen Klinge, die ihn als ihren Nutzer nicht schnitt, und schloss
die rechte Hand so fest wie eben möglich um den Griff.
Seine
Kriegerreflexe in den drei künstlichen Körpern waren so schnell wie seine
eigenen, dennoch wich er nicht rechtzeitig aus, als Link nach einem von ihnen
schlug. Der Klon wurde, ohne dass auch nur der Stoff seiner Tunika Schaden
genommen hätte, zu Boden geworfen, und durch Balaens Seite schoss ein Gefühl,
als werde er zweigeteilt. Trotz – oder eben wegen – der Glitzersporen war sein
Schmerzempfinden für seinen eigenen Leib ausgeschaltet, doch für die drei
zusätzlichen unverändert. Ein geringer Preis für die Unverwundbarkeit im Kampf
gegen einen unverwundbaren Dämon. Aus dieser Gewissheit zog der Held aus den
Wolken die mentale Kraft, alle Schmerzen zu ertragen.
Er stellte
das Schwert der Vier vor sich auf die Spitze, legte die linke Hand um die
andere an dem kurzen Heft und stützte sich auf die Waffe. Die Augen vor
Anspannung zugekniffen, versetzte er sich in seine Kopien und focht mit nie
gekannter Intensität. Sich seinen Streichen und Stichen erwehrend, wich Link
langsam rückwärts in Richtung Arenamitte.
Außerhalb
des Fackelkreises lief Leo noch einige pegasusschnelle Schritte, bremste dann
scharf und setzte Virri behutsam ab. Der kleine Held wimmerte mitleiderregend
und rührte sich nicht, um die Höllenqualen, die er durchlitt, nicht noch zu
verschlimmern. Ohne zu zaudern, hängte sich Leo den Hylia-Schild auf den Rücken
und riss seinem Gefährten die Flasche mit Fee vom Gürtel.
„J-jetzt …
schon?“, presste Virri undeutlich zwischen zwei abgehackten Atemzügen hervor.
„Wann denn
sonst?!“, gab Leo barsch zurück, während er den Korken herauszog und die Fee
direkt über Virri ausschüttete. Nachdem ihr Werk vollendet war, flog sie davon.
Sanfter wollte der Hylianische Ritter wissen: „Besser?“
„Es tut
nicht mehr weh …“, erwiderte Virri sehr vage, bemühte sich aber nicht darum,
aufzustehen.
Achtlos ließ
Leo die leere Flasche fallen und griff seinem Gefährten unter die Arme. „Jetzt
nur keine Müdigkeit vorschützen, Schütze!“ Er stellte Virri auf die Füße, doch
der setzte sich sogleich wieder, viel zu hastig, als dass es eine rein gewollte
Bewegung hätte sein können. „Was ist denn jetzt noch?!“, fragte Leo ungehalten,
jedoch nicht aus seiner üblichen Ungeduld heraus, sondern ehrlicher Sorge.
Statt zu
antworten, nestelte Virri an seinem Greifenmantel herum und zog ihn aus, um
sich den Köcher vom Rücken zu schnallen. Das Lederbehältnis war an einer Stelle
etwa in der Mitte tief eingedellt und im stumpfen Winkel abgeknickt. Mit den
kurzen Pfeilen gab sich Virri gar nicht erst ab, nahm nur alle von der längeren
magischen Sorte heraus und breitete sie vor sich im Gras aus.
Leo wollte nicht
glauben, was er sah: Eine elendige Reihe rettungslos verbogener und sogar
zersplitterter Schäfte. Selbst wenn die Silberspitzen noch von Lichtmagie
erfüllt waren, so wären die Geschosse als solche nicht mehr zu gebrauchen. Der
Tauschhaken und die Krafthandschuhe, Teile seiner Ausrüstung, hatten im
Zusammenspiel die einzige wirklich wirksame Waffe zerstört, die das Heldentrio
gegen Links Dämonenform besessen hatte.
„Geh zur
Seite!“, verlangte Virri, boxte gegen das Bein des Ritters, und dieser
gehorchte. Von der Arena fiel nun etwas Feuerschein auf die Ansammlung von
Holzspänen. Mit fachkundigem Blick und flinken Fingern durchsuchte Virri, was
von der verzauberten Munition übrig war. Schließlich fand er tatsächlich noch
schussfähige Exemplare. „Das sind zu wenig!“, rief der kleine Schütze
verzweifelt und ließ mutlos seine magere Ausbeute von nur drei Pfeilen sinken.
„Ich hab bis jetzt so viele geschossen und nicht getroffen … Lass mich hier und
geh zurück!“ Er versuchte, Leo von sich zu schubsen, warf dabei jedoch nur sich
selbst aus der Sitzposition.
Reaktionsschnell
fing der Ritter ihn und richtete ihn wieder auf. „Was soll der Mist? Willst du
uns im Stich lassen?“
Störrisch
wehrte sich Virri gegen seinen Griff. „Ohne Lichtpfeile kann ich nichts mehr
ausrichten! Ich würde nur im Weg sein!“
Endlich ließ
Leo von ihm ab, jedoch nur, um ungnädig auf ihn herabzublicken. „Du hast recht.
Du bist mir die ganze Zeit im Weg.“
Zitternd zog
der kleine Held den Kopf noch weiter zwischen die Schultern ein.
„Wenn es
dich und die Silberpfeile nicht gäbe“, fuhr sein Gefährte fort, zückte effektvoll
die Streitaxt und ließ den Stiel in die flache Rechte klatschen, „dürfte ich
Link den Kopf abschlagen.“
Verwirrt sah
Virri zu ihm auf. Leos harte, strenge Miene machte deutlich, dass dieser Satz
nicht nur einer seiner gehässigen Sprüche gewesen war, wie er sie häufig riss.
Er war wirklich und wahrhaftig darauf aus, den Serienmörder zu töten.
Dahingegen war Virri nie dafür gewesen, ihre Zielperson hinzurichten, nicht
einmal im Eifer des Gefechts. Ungeachtet dessen, wie die allgemeinen Siegchancen
des Heldentrios standen: Sollten sie gewinnen, so würde Link das nicht
überleben – es sei denn vielleicht, wenn Virri ihn mit einem Lichtpfeil wieder
zu einem Menschen machte. Deswegen verweilte Leo noch immer bei dem kleinen
Bogenschützen, um ihn dies erkennen zu lassen – und nicht zuletzt auch als letztes
Zugeständnis an seine eigene Rechtschaffenheit.
Bestürzt
ließ Virri den Kopf hängen. „Ich kann meine Beine nicht spüren …“, flüsterte er
kaum vernehmbar.
Dennoch
hatte es der Held mit dem Gehör eines Hasen verstanden. Für einen Moment
erfasste ihn ein ähnliches Gefühl wie jenes, das sein kleiner Gefährte
beschrieb, als er alle seine Befürchtungen, was das dumpfe Knacken von zuvor
gewesen sein mochte, bestätigt sah. „Aber die Fee …“, widersprach Leo
starrköpfig, packte Virri kurzerhand im Nacken und stellte ihn auf. Überrascht
taumelte der kleine Krieger, blieb aber, wenn auch wackelig, auf den Beinen.
Mit säuerlicher Erleichterung stellte der Hylianische Ritter fest: „Na, siehst
du. Geht doch!“ Er schüttete die nichtmagischen Pfeile aus dem demolierten
Köcher, reichte ihn Virri, damit er die drei Lichtpfeile darin verstaute, und
half ihm, diesen und den Greifenmantel wieder anzulegen. Dann hob er den
kleinen Helden auf, lief mit ihm im Schlepp, ohne die Pegasusstiefel zu
beanspruchen, zurück in das Kreisgebilde aus Fackeln.
Dort hatte
das Gefecht zwischen den emotionslosen Kriegern unvermindert weitergetobt. Unterwegs
ließ Leo Virri den Heroenbogen auflesen und lieferte seine wertvolle Fracht bei
Balaen ab. Der originale Ritter aus den Wolken war derart vertieft in die
dreifach ausgeführten Schwerttechniken, dass er seiner Gefährten nicht gewahr
wurde.
„Du bleibst
erst mal hier!“, bestimmte Leo an Virri gewandt, nahm den Tauschhaken von
seiner Schulter runter und hängte ihn an seinen Gürtel zurück, damit er ihn
nicht behinderte. „Und ich“, – erwartungsvoll nahm er den Axtstiel in beide
Hände, – „mische jetzt endlich mit!“
Indem er
dreimal auf der Stelle trat, erweckte er die beschleunigende Wirkung seiner
Stiefel. Pfeilschnell flitzte er auf die Kontrahenten zu, noch im Herannahen
seine Streitaxt hebend. Durch einen der Klone sah Balaen den jüngeren Ritter
kommen und ließ alle drei mit einer Rückflugrolle auseinanderweichen. Link
hingegen, der mit dem Rücken zu Leo stand, bemerkte ihn nicht. Schon war der
rasende Held heran, schlug das Axtblatt in den muskulösen Oberschenkel des
Dämonenkriegers. Der Aufprall fuhr Leo bis ins Mark, dennoch grinste er
boshaft: Die Schneide der Streitaxt war um mehr als eine Handbreit tief
eingedrungen. Wenn er das Bein ein paar Male zielgenau dort traf, könnte er es
tatsächlich abhacken und Link wie einen Baum fällen!
Um dies also
zu tun, zog Leo die Waffe wieder heraus, holte erneut aus zu einem weiteren
Schlag – als ein reißender Schmerz durch seine linke Schulter schoss und der
Arm kraftlos herabsackte. Irritiert taumelte er zurück. Auf dem unverletzten
Standbein drehte sich Link im Sternschritt zu ihm herum, das riesige Schwert beschrieb
einen vernichtenden Kreisbogen. Reflexhaft beugte sich der Ritter aus der Hüfte
zurück, sodass es über ihn hinwegsauste. Sowie er sich wieder aufrichtete, fuhr
es auch schon von oben auf ihn hernieder wie zu Stahl erstarrter Tod. Die linke
Hand vom Schmerz gelähmt, zückte Leo mit der anderen den Hylia-Schild.
Ohrenbetäubend laut knallte die mächtige Helixklinge darauf, doch Leo fing sie
ab, ohne einzuknicken.
Gehässig
lachte der Heißsporn auf. „Versuch nur, mir den Arm zu brechen,
Bleichgesicht!“
Da packte
der Dämon den Hylia-Schild am Rand, riss dessen Träger in die Höhe, als wolle
er der Aufforderung tatsächlich nachkommen, und schleuderte ihn von sich. Durch
die Lüfte segelnd, stieß Leo einen überraschten Schrei aus, bis er auf dem
Boden aufkam und ächzend verstummte. Zwei-, dreimal überschlug er sich, bevor
er endlich zum Halt kam.
Trotz des
Schwindels gewahrte der Hylianische Ritter das blassgrüne Licht, das auf ihn
zuraste, sprang auf und blockte den Schwertstrahl ab, den Link ihm hinterhergeschickt
hatte. Gefährlich knurrte Leo: „Na, warte …“ Die Axt schulternd, aktivierte er
die Pegasusstiefel – und in eben dem Wimpernschlag, nachdem er losrannte,
schienen mehrere Dinge gleichzeitig zu passieren:
Link holte
aus, um ein weiteres Energiegeschoss abzufeuern, dessen Ziel diesmal jedoch
nicht Leo war, sondern der laufunfähige Virri und der unbeweglich konzentrierte
Balaen.
Hinter dem
derart abgelenkten Dämonenkrieger sprang die violett gekleidete Kopie des
Ritters aus den Wolken ab, so hoch er konnte.
Mit einem
Schritt wechselte Leo scharf die Richtung, um seine eigentliche, fast
vergessene Aufgabe zu erfüllen: Seine Gefährten zu beschützen. Darüber, dass er
zu spät kommen würde, verschwendete er in seiner blinden Hast keinen Gedanken.
Der violette
Klon spießte sein Exemplar des Schwerts der Vier an Links Rüstung vorbei am
Halsansatz bis zur Parierstange in die linke Schulter.
Der
Schwertstrahl erreichte die beiden Helden. Virri warf sich zu einer
Vorwärtsrolle aus der Schusslinie; Balaen hingegen wurde von ihr voll erfasst,
nur einen Sekundenbruchteil, bevor Leo zur Stelle war.
Der älteste
Held verkrampfte sich unter der feindlichen Energie. Auch wenn er den eigenen
Körper nicht mehr wahrnahm, wurde die Verbindung zu den Kopien gekappt. Ihm
entglitt die Kontrolle, noch bevor sein Doppelgänger in Violett nach dem
beherzten Sprung aufkam und wie eine von ihren Fäden getrennte Marionette
zusammenbrach. Die anderen beiden Klone erstarrten, wo sie gerade standen.
Jetzt, mit
allen seinen Gegnern verhindert, war die beste Gelegenheit für Link, die drei
grüngewandeten Helden ungehindert anzugreifen. Doch der übermenschliche Krieger
regte sich selbst nicht. Nur die rechte Hand hielt das Doppelhelixschwert noch,
die andere hatte das Heft losgelassen. Sie zuckte unregelmäßig, als könnten
ihre Sehnen und Muskeln die motorischen Nervenimpulse, die sie erreichten,
nicht richtig verarbeiten. Die in Links Schulter steckende Klinge des Schwerts
der Vier, das schon etliche Monster und zweimal einen mächtigen Winddämon
erschlagen hatte, störte seinen Bewegungsapparat.
Leo riss die
Augen auf. „Jetzt!“ Aufgeregt blickte er zu Virri.
Der war nach
seiner Ausweichrolle nicht wieder auf die Füße gekommen, sondern auf dem Rücken
liegen geblieben. Gerade setzte er sich ungelenk auf, was für Leos Geschmack
viel zu langsam vonstatten ging. Also legte er Axt und Schild ab, packte den
kleinen Krieger, lud ihn sich auf die Schultern, stützte ihn von unten mit den
Händen und trug ihn zu Link hinüber. Falls der Dämon doch noch überraschend mit
dem Beidhänder zuschlagen sollte, hielt Leo in ausreichendem Sicherheitsabstand
an. Dennoch war er ihrem Gegner nahe genug, dass dieser ein hervorragendes Ziel
bot – gerade für einen so talentierten Schützen wie Virri.
Den
Heroenbogen horizontal über den Kopf des Ritters haltend, legte er einen Pfeil
auf die Sehne, dessen Spitze hell wie eine winzige Sonne vor ihm erstrahlte.
Als er losflog, verfehlte er sein Ziel um eine ganze Elle.
Leo, der
angespannt die Luft angehalten hatte, stieß sie aus, indem er schnauzte: „Was
war das für ein mieser Schuss?!“
Panisch
rechtfertigte sich der Schütze auf seinen Schultern: „Der Lichtpfeil hat mich
geblendet! Ich konnte nicht sehen, wohin ich schieße …“
Tatsächlich
war es in der Arena der Helden während ihres Kampfes immer dunkler und dunkler
geworden. Die Fackeln brannten allmählich aus, ihre Flammen schrumpften in sich
zusammen. Zudem waren gerade in den letzten Minuten mehrere der Lichtquellen
vollständig erloschen, sodass die zur Unkenntlichkeit verkohlten Stoffstreifen
nur noch ein schwaches Glühen abgaben. Rauch trübte die windstille Luft. Wie
zuvor, als Virri nach oben in den Nachthimmel gezielt hatte, hatte die grell
leuchtende Silberspitze des letzten Lichtpfeils für den Schützen alles, was
hinter ihr lag, überstrahlt. Virri hatte buchstäblich ins Schwarze geschossen.
„Versuch’s
nochmal!“, wies Leo ihn sofort an. Während Virri erneut auflegte, sorgte der
Ritter unter ihm für festen Stand. Der kleine Krieger würde noch vor dem
Spannen genau zielen können, doch würde das nur dann auch zu einem Treffer
führen, wenn sein Träger nicht wackelte.
Unterdessen
hatte Balaen sich von seinem Schock durch den Schwertstrahl erholt, noch darum
bemüht, sich seine Klone wieder untertan zu machen. Auch wenn sie sich glücklicherweise
nicht aufgelöst hatten, gehorchten sie den mentalen Befehlen ihres Originals
nicht. Sie blieben völlig reglos.
Anders als
Link, der allmählich seine Beweglichkeit wiederfand. Sich langsam aufrichtend,
beobachtete er Virri aus den blicklosen, toten Dämonenaugen. Wie zu erwarten
bluteten die Schnitte nicht, die ihm der andere Lichtpfeil und das Schwert der
Vier im Gesicht beigefügt hatten. Die ersten hatten sich unter einer Heilkraft,
die keiner Feen bedurfte, geschlossen, weitere bereits damit begonnen.
Bevor Virri
dieses emotionskalte Antlitz anvisierte, zögerte er einen Gedanken lang. In
dieser Gestalt schien das Schwert der Vier in Links Schulter keine
bedrohlichere Wirkung zu haben als die teilweise Lähmung. Wenn er sich damit
jedoch zurückverwandelte, würde die Klinge seinen menschlichen,
normalverwundbaren Oberkörper durchschneiden und ihn sofort töten.
Bedächtig
wechselte Link das Helixschwert in die linke Hand, die gerademal dafür wieder
zu gebrauchen war. Sein leerer Blick richtete sich auf den violett gekleideten Klon,
der unbeteiligt neben ihm im Gras lag.
„Schieß,
Virri!“, brüllte Balaen plötzlich.
Vor Schreck
gehorchte der Schütze, ohne weiter über die möglichen Folgen nachzusinnen.
Gleichzeitig
hob Link die Ritterkopie mühelos auf wie eine Puppe und riss sie vor sich. Der
Lichtpfeil und seine Magie sprangen von dem Kettenhemd ab, hinterließen ein
kleines Loch in der Tunika.
Leo fluchte
unflätig.
Rückwärts
rückte Link von ihnen ab, hinkte dabei auf dem verletzten Bein. Die doppelte
Klinge seines Beidhänders schleifte durch das Gras. Seine wehrlose Geisel hielt
er vor sich wie einen menschlichen Schild.
„Mieser
Bastard!“, zischte Leo durch zusammengepresste Zähne. Er wandte sich Balaen zu,
der gerade auf die anderen beiden Grüngewandeten zuwankte wie ein Schlafwandler.
„Das haben wir nicht in unsere Taktik einkalkuliert.“
Der ältere
Ritter ging nicht darauf ein – nicht, weil er die Anmerkung gewollt ignorierte,
sondern weil er Leo schlichtweg nicht wahrgenommen hatte. Mit beengtem
Tunnelblick ergriff er Virri grob am Handgelenk. „Töte mich!“, forderte er
eindringlich, die weit aufgerissenen Augen erfüllt von einem Irrsinn, den seine
Gefährten von dem sonst so gefassten Auserwählten Hylias nicht kannten.
Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, und er bebte unter Schüttelfrost.
Die jüngeren
Helden wussten nichts von den maßlos überdosierten Glitzersporen, deren Wirkung
für Balaen spürbar nachgelassen hatte. Das Loch, das der Pfeil in dem violetten
Gewand hinterlassen hatte, bewies, dass die Klone ihre Unverwundbarkeit schon
wieder eingebüßt hatten. Diesen Schuss hatte der Doppelgänger letztlich nur
dank des Kettenhemdes überlebt. Das Heldentrio musste ausnutzen, dass Link
weiterhin davon ausging, seine Geisel böte allumfassenden Schutz.
Leo sah den
Ritter aus den Wolken an, als wäre dieser völlig verrückt geworden. „Was
faselst du da, Mann?“
Nur Virri
kannte wie niemand sonst den Einfluss des Schwerts der Vier auf die
Selbstwahrnehmung seines Nutzers und verstand daher, worauf der älteste Held
hinauswollte: Der kleine Krieger sollte das violett gekleidete Abbild opfern,
indem er es erschoss, und gleich den nächsten Pfeil hinterherschicken, um Link
sogleich zu treffen.
Von seiner
erhöhten Warte auf Leos Schultern blickte Virri bedauernd zu Balaen hinab. „Ich
hab nur noch einen Pfeil …“ Er wünschte sich, auch die nichtmagische Munition
in die Arena mitgenommen zu haben. Allerdings hatte ihm und Leo da schon die
Zeit gefehlt, in dem Schrotthaufen nach brauchbaren Exemplaren zu suchen, erst
recht jetzt, zurückzulaufen und das nachzuholen.
Konsterniert
starrte Balaen seinen kleinen Gefährten an, während sein
schmerzmittelumnebelter Verstand die volle Bedeutung dieser Worte zu erfassen
versuchte.
„Ich bin ja
kein Experte“, mischte sich da Leo an den älteren Ritter gewandt ein, „aber
könntest du das Schwert nicht einfach einstecken, solange alle drei
Doppelgänger noch da sind?“
„Ja,
genau!“, rief Virri aus. „Stecke das Schwert der Vier ein, und ich schieße,
wenn der Klon weg ist!“ Danach würde Balaen seine Kopien sogar wieder rufen
können, doch wäre es dann schon gar nicht mehr nötig. Wenn Virri bei dieser
Aktion traf, wäre der Kampf entschieden.
Mit
dröhnendem Schädel starrte Balaen auf das Schwert der Vier in seiner Hand.
Nachdem ihm vorhin die Methode gekommen war, seinen Klon von Virri töten zu
lassen, wechselte er jetzt nur träge zu dieser anderen.
Mittlerweile
war Link stehengeblieben, sodass sich eine der Fackeln des inneren Kreises
genau hinter ihm befand. Ihr erlöschender Glutschein bildete nur ein schwaches
Gegenlicht, doch erschwerte es Virri das Zielen noch zusätzlich. An der Silhouette
des finsteren Kriegers war schwer zu erkennen, wie genau er den Klon vor seinem
Gesicht hielt. Noch immer hatte Balaen keine Kontrolle über sein violettes
Abbild, sie zurückzuerlangen nicht einmal mehr versucht.
Mit
langsamen, abgehackten Bewegungen hob Link das Helixschwert, das er mit nur
einer Hand nicht zum Streich schwingen konnte, und stellte es in die Erde
spießend neben sich auf. Mechanisch führte er die freigewordene Linke an den
goldenen Griff des Schwerts der Vier in seiner Schulter und zog es mit einem
Ruck. An der blanken weißen Klinge der Waffe, die in der Hand des
übermenschlich großen Dämons wie ein besserer Dolch anmutete, haftete kein
Tropfen Blut. Das violette Licht der Gemme im Knauf beleuchtete nun doch sein
Gesicht, während er deren Farbe mit der Kleidung seiner vermeintlich
unverwundbaren Geisel verglich. Auch sah er die anderen beiden Klone mit ihren
farblich passenden Waffen – und zog die richtigen Schlüsse.
Zum ersten
Mal zeigte das maskenhaft bewegungslose Gesicht eine Regung, als Link den Mund
öffnete. Den glühenden Zierstein klemmte er zwischen die Eckzähne, die lang
waren und spitzer als die Fänge eines Raubtiers.
„Nein …“,
flüsterte Virri grauenerfüllt, als Link zubiss.
Vom Knauf
ausgehend zerbrach das Kurzschwert innerhalb eines Wimpernschlags zu violetten
Funken, dicht gefolgt von dem zu ihm gehörenden Klon.
Neben Virri
und Leo sackte ihr Gefährte auf die Knie, fasste sich mit beiden Händen an den
Kopf, krallte die Finger in Haar und Mütze. In einer nahezu unmöglichen
Verrekung krümmte er sich nach hinten und brüllte die schreckliche Höllenqual,
die seinen Körper und Geist in Fetzen riss, in die Nacht hinaus. Der grüne
Stein des originalen Schwerts der Vier flackerte unkontrolliert und erlosch
schließlich. Auch die übrigen Klone und ihre Kopien der Waffe zerfielen zu
Funken. Gebannt starrten die beiden jüngeren Helden Balaen in seinem Leiden an,
Leo vor Entsetzen, Virri vor Mitleid.
So plötzlich
der Schmerzensschrei begonnen hatte, brach er auch ab. Verstummt kippte der
Ritter aus den Wolken um und verlor das Bewusstsein.
Link zog das
Dämonenschwert aus dem Boden.
Virri stieß
einen überraschten Laut aus, als Leo ihn plötzlich absetzte und den
Hylia-Schild anlegte, für den Fall, dass ihr Gegner gleich wieder angriff, was der
jedoch nicht tat.
Was zunächst
wie ein Glücksfall für das Heldentrio erschien, würde sie auf lange Sicht das
Leben kosten. Die Verletzungen, die Link am Oberschenkel und in der Schulter
erlitten hatte, schränkten ihn in seinen Bewegungen weit genug ein, dass er
nicht mehr kämpfen konnte – doch das würde nicht mehr lange andauern. Er musste
nur ausharren, bis seine übernatürliche Selbstregeneration seinen Körper
vollständig wiederhergestellt hatte. Zweifellos würde er dann wieder mit alter,
vernichtender Stärke zuschlagen. So ruhig, wie er dastand, lieferte er ein nur
allzu leichtes Schussziel ab, doch Virri sprang darauf wohlweislich nicht mehr
an.
„Dieses Hin
und Her wird ewig so weiter gehen, wenn wir nicht was tun!“, grollte Leo und
wusste doch, wie vermessen diese Aussage war. Die drei Helden waren am Ende
ihres Könnens angelangt, während ihr übermenschlicher Gegner noch immer
unerschöpfliche Ausdauer genoss.
Sich setzend
und mit Blick auf Balaen meinte Virri verzweifelt: „Wenn er wach wäre, wüsste
er bestimmt, was wir tun sollen.“
Wenig
überzeugend – und ebensowenig überzeugt – schnaubte Leo: „Unsinn! Von ihm war
doch unsere bisherige Taktik, und die hat uns auch nicht geholfen! Ich hacke
Link einfach mit meiner Axt ein Bein ab, wofür habe ich sie sonst?“ Er griff
nach benannter Waffe auf seinem Rücken und zog sie, hielt dann jedoch inne.
„Oder ich versuche …“ Nachdenklich betrachtete er das Schwert der Vier, das
unnütz neben Balaen lag. Obwohl es als Kurzschwert keine eindrucksvolle Waffe
hergab, hatte es sich doch auf ganzer Länge in den Leib des Dämons spießen
lassen. Offenbar war die mystische Klinge weitaus effektiver als eine Streitaxt
aus gewöhnlichem Stahl. Entschlossen streckte Leo die Hand danach aus.
Noch bevor
er es auch nur berührte, leuchtete der grüne Zierstein auf. „Was zum …?“,
murmelte Leo verwirrt und trat zurück, als sich Balaen, die Handfläche an die
Schläfe gepresst, aufrichtete. Der Held aus den Wolken schloss die Rechte um den
Griff des Schwerts der Vier und stand wankend auf.
„Das kann
nicht sein!“, stieß Virri hervor und meinte damit das Leuchten der Gemme, das
eigentlich unmöglich war nach der Auflösung der Klone.
Träge nahm
Balaen die Hand vom Kopf und sah den kleinen Krieger an aus Augen, aus denen
sich der Irrsinn von zuvor, ja jeder Glanz verflüchtigt hatte. Im gespenstisch
grünen Licht wirkten sie gar so entrückt wie die Augen der verschwundenen
Kopien des Ritters. „Ich habe es verstanden, Virri“, sagte der älteste Held mit
ungerührter, gefühlskalter Stimme. „Ich habe es endlich verstanden …“
Eingeschüchtert
nickte der eigentliche Träger des Schwerts der Vier langsam. Diesmal bezweifelte
er, dass er nachvollziehen konnte, wovon sein Gegenüber sprach. Und genau das
machte ihm in vielerlei Hinsicht Angst.
„Ich weiß
zwar nicht, was hier abgeht“, meldete sich Leo zu Wort, der die Verwunderung
seines jüngeren Gefährten nicht zur Gänze teilte. „Aber willkommen zurück,
Himmelsheld!“ Kameradschaftlich schlug er dem älteren Ritter auf die Schulter.
Mit einer Kopfgeste deutete er Richtung Arenamitte, wo Link noch immer darauf
wartete, wieder ganz kampffähig zu sein. „Ich nehme mal stark an, du hast genau
die richtige Idee hierfür.“
„Hab ich
nicht“, gestand Balaen erschreckend sachlich.
Geschockt
riss Leo die Augen auf. „Was soll das schon wieder heißen?“
Der Held aus
den Wolken schwieg beflissentlich. Der Großteil ihrer Kampfkraft war mit seinen
Klonen verloren gegangen. Dem Heldentrio stand nur noch ein einzelner
Lichtpfeil zur Verfügung. Virri konnte nicht mehr selbstständig laufen, von
springen war gar nicht erst zu reden. Alle ihre Heilfeen waren aufgebraucht,
das Dunkel der Nacht hatte sich gegen sie gewendet. Das wenige, was sie gegen
den Dämonenkrieger erreicht hatten, würde langsam aber sicher jede Bedeutung
verlieren. Es stand denkbar schlecht für sie drei, und Balaen fand es müßig,
Leo darauf hinzuweisen.
Der
Hylianische Ritter beharrte: „Wir haben ihn doch fast!“
„Urteile
nicht voreilig“, entgegnete sein älterer Gefährte ruhig. „Sobald wir ihn
unterschätzen, sind wir tot.“
Kampflustig
schmetterte Leo die Streitaxt geräuschvoll auf den Schild. „Dann schlag was
vor!“
Dazu, etwas
zu erwidern, kam Balaen nicht mehr.
Den Moment,
in dem sich die drei nur einander widmeten, nutzte Link aus. Durch die Nähe zu
seinem Gesicht, das der Maske wegen seine Schwachstelle war, war die Schulter
eher verwundbar als weiter entfernte Körperpartien. Deswegen war sie aber auch
schneller verheilt als das von Leo verletzte Bein. Das Helixschwert wieder fest
in beiden Händen, schwang sein Träger es überraschend, schoss eine Welle blassgrünen
Lichts nach dem Heldentrio. Reaktionsschnell fuhr Leo herum, hielt den
Hylia-Schild dagegen. Die Energie prallte auf den göttlichen Stahl, platzte auf
und verteilte sich wie Tinte in Wasser. Blieb für den Bruchteil einer Sekunde
als glühende Schwaden in der Luft stehen.
In dieser
noch so kurzen Zeit war deutlich zu erkennen, dass ihre Farbe nicht aus einem
einzigen Grünton, sondern unzähligen verschiedenen Nuancen bestand, die sich in
unendlichen Wirbeln miteinander verwoben und ineinander übergingen.
Dieser
Anblick brachte eine Saite in den Helden zum Klingen, ein Gefühl tief in ihrer
gemeinsamen Seele, das mit keinem Wort der Welt zu benennen war. Und doch
hatten sie es schon vorher unbewusst wahrgenommen, wann immer sie aufeinander
getroffen waren. Getragen vom Fluss der Zeit hallte ein Gedanke durch den Geist
des Helden, und für einen gemeinsamen Herzschlag verband er sie zu einem
einzigen Verstand: Balaen, Virri, Leo – und Link.
Kaum, dass
der erste Schwertstrahl erlosch, schickte Link gleich den nächsten nach, der
genauso wirkungslos an Hylias Wappen verging. Leo entledigte sich der Axt, zog
den rechten Arm aus der Halterung auf der Rückseite des Schilds und rammte ihn
in die Erdkrume. Neben ihm warf sich Virri den Greifenmantel ab, den Leo
sogleich auffing, die Pegasusstiefel aktivierte und, sich den Umhang umlegend,
aus der Arena flitzte.
Balaen
rannte in die entgegengesetzte Richtung, aus der Link mit schweren Schritten
herbeistampfte. Energiewellen empfingen den Ritter aus den Wolken, der ihnen
mit Hechtsprüngen auswich. Ein paar der fehlgehenden Geschosse zerfaserten an
dem aufgestellten Hylia-Schild, hinter dem Virri Deckung suchte.
Außerhalb
des fast erloschenen Fackelkreises hatte Leo weit genug Anlauf genommen. Ohne
anzuhalten, drehte er scharf um, raste dieselbe Strecke wieder zurück, zückte
den Tauschhaken und machte ihn abwurfbereit.
Balaen und
Link näherten sich auf Reichweite des Beidhänders an, und der Dämon bediente
sich eines gewöhnlichen, seitlich geführten Schwertstreichs. Sein Gegner warf
sich zu Boden und rollte sich nach vorne ab, kam in unmittelbarer Nähe zu ihm
wieder auf die Füße. Die Hinterhand fest um den Schaft der Klinge geschlossen,
stieß er das Schwert der Vier zielgenau in die tiefe Schnittwunde in Links
Bein. Sofort zog er es wieder, um abermals zuzustechen. Er ließ erst davon ab,
als eine stahlgepanzerte Hand nach ihm schnappte, entging ihr mit zwei raschen
Rückflugrollen.
Blitzschnell
kehrte Leo in die Arena zurück. Knapp hinter Virri, noch ein gutes Stück von
dem Dämon entfernt, sprang er ab. Die vereinten Fähigkeiten von Pegasusstiefel
und Greifenmantel ließen ihn höher aufsteigen als die des Umhangs allein. Link,
dessen Gegner auf Abstand gegangen war, sah den Hylianischen Ritter
herbeifliegen und schoss mit einem schräg nach oben geführten Heib einen
Schwertstrahl nach ihm. Gleichzeitig schleuderte Leo den Tauschhaken nach Virri
aus, zog an der Kette, als ihn die blassgrüne Schockwelle auch schon erreichte.
Der Ritter verschwand, und in dem winzigen Zeitfenster, bevor an seiner Stelle
ein kleiner Krieger erschien, rauschte die feindliche Energie vorbei, ohne
einen von beiden getroffen zu haben.
Getragen von
dem Bewegungsmoment, das Leo aufgebaut hatte und weiter auf den eingetauschten
Schützen wirkte, legte dieser den letzten Lichtpfeil auf die Sehne. Sofort riss
Link das Helixschwert herum für einen weiteren Fernangriff, dem der fliegende
Held diesmal unmöglich entgehen konnte.
Als Balaen
dies erkannte, entflammte in ihm eine gleißende Entschlossenheit, und all sein
Denken fokussierte sich auf eine einzige Absicht. Mit dem ohnehin schon
abgearteten Schwert der Vier in seiner Hand erfolgte eine weitere, nun optische
Veränderung: Der grüne Zierstein im Knauf erstrahlte in reinem Weiß, als seien
seine verschwundenen Kopien in ihm erwacht und addierten nun ihre Lichtfarben
zu einer zusammen. Der Träger der mystischen Waffe preschte vor, schlug zur
Parade gegen die vorschnellende Waffe des übermenschlich starken Dämons – und
fing sie tatsächlich ab. Der mächtige Rückstoß ließ den Ritter aus den Wolken
rückwärts taumeln.
Gleich nach
seinem Austausch mit Virri riss Leo den Hylia-Schild aus dem Boden. Ohne seinen
Stiefeln eine Pause zu gönnen, rannte er weiter, die beiden Haltegriffe des
Schilds jeweils mit einer Hand umfasst. Geschwindigkeit und Krafthandschuhe
verliehen seinem Hieb ungeheure Gewalt, als er dem Dämon Hylias Wappen wie
einen Rammbock mit einem metallischen Knall gegen den Brustharnisch
schmetterte. Mit einem verletzten Bein nicht mehr länger felsenfest stehend
stürzte Link nach hinten.
Genau über
ihm zog Virri die Sehne seines Heroenbogens durch, richtete ihn nach unten. Die
Silberspitze des Lichtpfeils leuchtete auf, doch blendete dies nicht mehr
länger alles aus, was unter ihr lag: Das grelle weiße Strahlen des Schwerts der
Vier erhellte Link, sein Gesicht, die Hand, die er schützend vor es führte. Der
fliegende Held zielte zwischen die Finger. Deutlich sah er die bleichen,
blicklosen Dämonenaugen.
„Macht
des Lichts!“, rief Virri über die Ebene von Hyrule.
Und schoss.
Kaum ein
Wimpernschlag war seit Leos Absprung vergangen, als Link zu Boden ging.
Unkontrolliert
glitt Virri weiter über ihn hinweg. Der kleine Schütze warf den Heroenbogen
fort, um seinen Sturz abzubremsen, indem er die Säume seines Greifenmantels
packte – doch zu seinem Erschrecken trug er den weiß-blauen Umhang gar nicht.
Panisch ruderte Virri mit den Armen, als könne das einer harten Landung
entgegenwirken, und trudelte hilflos durch die Luft. Dann erfolgte der
Aufschlag, der aber längst nicht so knochenbrecherisch ausfiel, wie Virri es
erwartete.
„Hab dich,
Knirps!“, hörte er Leos Stimme und sah auf. Der Hylianische Ritter war zu
seiner Rettung herbeigeeilt und hatte ihn sicher aufgefangen. Jetzt trug er ihn
in beiden Armen, noch immer rennend, durch die Arena.
Erleichtert
seufzte der kleine Held auf und entspannte sich – für nur einen Augenblick.
„Hab ich getroffen?“, wollte er aufgeregt wissen.
Die finstere
Miene geradeaus gerichtet, antwortete Leo: „Ich hab keine Ahnung …“ Er kehrte
zu Balaen zurück, wo er Virri wieder runterließ.
Der Ritter
aus den Wolken war nach seiner übermenschlichen Parade rückwärts gestolpert und
schließlich gestürzt. Jetzt lag er auf der Seite, die Handballen auf die Augen
gepresst, und keuchte kurz und abgehackt, als sei er seit Kampfbeginn nur
gesprintet. Zu Tode erschöpft wie noch nie zuvor in seinem Leben, zog er die
Beine an den Körper und kugelte sich zusammen. Das Schwert der Vier lag
unschuldig neben ihm, der Zierstein, wieder von seinem altbekannten Grün,
erloschen. Um die Kräfte zu entfesseln, mit denen Balaen die Doppelhelixklinge
abgewehrt hatte, hatte die mystische Waffe ihrem Träger auch noch die letzte
Energie abverlangt.
Ein Stück
entfernt lag auch Link, weiterhin in Dämonengestalt, auf dem Rücken, richtete
sich nun stockend auf. Auf den linken Ellbogen gestützt, drückte er die andere
Hand aufs Gesicht, wie um die Maske darin festzuhalten. Das linke Auge hatte er
geschlossen; aus dem rechten strömte dunkelvioletter Nebel wie schwereloses
Blut, und der Schaft des Lichtspfeils ragte daraus hervor.
„Du … du
hast …“, stotterte Leo und wusste nicht, was er denken sollte.
Ein
erstauntes Lächeln breitete sich über Virris kindliche Miene aus. „Ich hab
getroffen!“, jubelte er und reckte triumphierend die Fäuste in die Höhe. Vor
lauter Freude vergaß er glatt seine gefühllosen Beine und sank zu Boden. Tränen
der Erleichterung fluteten seine Augen.
„Macht
des Lichts?“, wiederholte Leo verschmitzt grinsend. „Ich dachte, dieses
Rumschreien deiner Angriffe hätten wir dir ausgetrieben.“
Verlegen
kratzte sich Virri die Nase. „Es war so aufregend, da konnte ich einfach nicht
anders.“
Indem er ihm
in den Oberarm boxte, lobte Leo: „Respekt, Knirps! Du hast ihm den Rest
gegeben!“
„Es ist …
nicht vorbei“, presste Balaen neben ihnen hervor. Der Ritter aus den Wolken
hatte sich noch längst nicht erholt, doch es zumindest geschafft, den Blick zu
heben und auf Link zu richten.
Die Euphorie
seiner Gefährten wurde sogleich zunichte gemacht, als der Dämon die
vampirartigen Reißzähne bleckte. Er riss das unversehrte linke Auge auf, aus
dem eine himmelblaue Iris und eine vor Mordlust verengte Pupille das Heldentrio
anvisierte. Schon blinzelte das Auge, wurde wieder tot und vollständig weiß wie
zuvor, und auch das Gesicht wurde gewohnt ausdruckslos.
„Habt ihr
das gesehen?“, stieß Leo hervor.
Ungläubig
wischte sich Virri die Tränen fort, die seine Sicht verschleierten. Angespannt
fragte er: „Heißt das, es funktioniert?“
Da hegte
Balaen seine Zweifel. „Dann müsste die Maske doch schon abgefallen sein …“
Als der
Dämonenkrieger sich mit beiden Händen hochzustemmen begann, wandte sich Leo
panisch an den kleinen Schützen. Ohne es sich genauer zu überlegen, befahl er:
„Schieß nochmal!“
Ebenso
gedankenlos langte Virri nach einem Pfeil, doch sein Köcher war leer, und er
hatte keinen Bogen in der Hand.
Jetzt
stellte Link das unverletzte Bein auf, machte Anstalten, aufzustehen.
In einer
Kurzschlussreaktion aktivierte Leo seine Stiefel, rannte pegasusschnell vor,
sprang mit greifenhafter Leichtigkeit, stürzte sogleich hinab und trat dem
Dämon mitten ins Gesicht. Während Link wieder flach hinschlug, wurde der
Heißsporn noch einmal kurz in die Höhe katapultiert, glitt dann herunter und
landete anmutig auf der Dämonenrüstung. Hinter ihm senkte sich der
Greifenmantel herab wie der Festumhang eines königlichen Ritters. Seine rechte
Hand schnellte vor, schloss sich um Links Hals und drückte ihn nieder, bevor
sich der Kopf wieder heben konnte. Die Linke, auf der zornig sein Geburtsmal
glühte, legte Leo um den im Auge steckenden Pfeilschaft.
„Kumpel, es
reicht!“, rief Leo. Das Triforce auf seinem Handrücken blitzte in grellem,
goldenem Licht auf, als er den Pfeil mit einem Ruck herauszog. Begleitet von
einem roten Blutfaden, riss die Silberspitze die Maske aus Links Gesicht, und
der abtrünnige Held schrie gequält auf. Zeitgleich umhüllte düstervioletter
Nebel seine Dämonengestalt.
Mit einem
Satz war Leo von ihm runter, ging ein paar Schritte auf Abstand. Schadenfroh
lachte der Hylianische Ritter auf und drehte sich zu Balaen und Virri.
Selbstzufrieden schwenkte er den Pfeil. „Das war’s!“, verkündete er laut.
„Diesmal wirklich!“
„Pass auf!“,
warnte Virri da, und Leo fuhr herum.
Die
dämonischen Nebel hatten sich verzogen, doch Link hielt sich gar nicht erst
damit auf, zum Menschen zu werden. Es wirkte, als erhebe sich dort, wo er
gelegen hatte, ein Schattenumriss, aus dem sich goldenes Fell abzeichnete.
Nahtlos verwandelte Link sich in den Wolf. Sofort sprang er Leo an, der die
Geistesgegenwart besaß, den Pfeil mit der Maske wegzuwerfen, bevor das Raubtier
ihn zu Boden riss.
Machtlos
mussten Leos Gefährten mit ansehen, wie sich die schrecklich spitzen Fänge um
den Hals des Ritters schlossen. Ein Biss, und sie würden sich in seine Kehle
bohren – hätte er nicht, getrieben von reinem Überlebensinstinkt, die Hände in
das Wolfsmaul geschoben und die Kiefer auseinander gedrückt. Zitternd schob Leo
das Raubtier von sich, das bedrohlich knurrte und schnaubend versuchte, sich
dem Griff des Ritters zu entreißen. Blanker Hass blitzte in Links linkem Auge.
Von dem rechten war nicht mehr geblieben als eine blutige Höhle.
Fast hätte
Leo vor Angst alle Kraft verlassen – dann aber ermächtige sich seiner ein
unbändiger Zorn, und auch er bleckte die Zähne. Er nahm die linke Hand aus dem
Maul, ballte sie zur Faust und schlug Link von sich. Der Wolf jaulte auf,
schüttelte sich, und Blut spitzte von seiner Schnauze. Leo gönnte sich einen
Moment, erleichtert aufzuatmen, und stand schnell auf. Auch Link, nun wieder in
menschlicher Form und grüner Gewandung,
erhob sich auf zwei Beine. Es schien, als würge er an etwas, und spuckte einen
Mund voll Blut.
Sich den
unversehrten Hals reibend, zischte Leo: „Sei froh, dass ich nicht weiter
ausholen konnte!“ Wie unter Schmerzen krümmte der abtrünnige Held sich nach
vorn, was der Ritter als ergebene Verbeugung fehlinterpretierte. „Gibst du
endlich auf?“, schnauzte er Link an.
Der machte
erstickte Laute, und seine Schultern begannen zu beben. Plötzlich warf er den
Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus. Sämtliche Fackeln
seiner Arena waren mittlerweile erloschen, sodass nur noch das sanfte
natürliche Licht von Mond und Sternen herrschte. Ein gnädiger Schatten verbarg
Links rechte Gesichtshälfte mit der leeren Augenhöhle, doch mit den vom eigenen
Blut beschmierten Zähnen gab der Serienmörder ein ausreichend schauerliches
Bild ab.
Irritiert
trat Leo zurück. „H-hör auf …“ Gereizt stampfte er auf und fuhr sein ihn
scheinbar ununterbrochen verhöhnendes Gegenüber an: „Hör auf zu lachen!“ Er
machte sich dazu bereit, den abtrünnigen Helden zu attackieren, doch Balaen
pfiff ihn zurück.
„Gehe nicht
darauf ein“, sagte er ruhig, während er sich in eine halbwegs sitzende Position
hochkämpfte. „Er will dich nur provozieren.“
„Weiß ich
doch“, beteuerte Leo unbeholfen.
„Mach ihn
lieber schnell fertig!“, feuerte Virri den Hylianischen Ritter an.
Tatsächlich
hatte Link nicht aus Belustigung gelacht. Deswegen verstummte er nun und setzte
wieder eine für die Situation angebracht ernste Miene auf. So zückte er Schild
und Schwert, die mit seiner Rückverwandlung wieder auf seinem Rücken erschienen
waren.
Verächtlich
beobachtete Leo ihn dabei. „Echt jetzt? Sieh es doch endlich ein! Du kannst nicht
mehr gewinnen!“
Der Gegner
des Heldentrios erweckte wirklich nicht mehr den Anschein, noch weiter eine
Gefahr für sie zu sein. Noch immer war er angeschlagen von dem Duell gegen
Balaen, bevor dessen Gefährten überhaupt auf den Plan getreten waren. Die
Schnittwunden auf dem Nasenrücken und am Oberarm waren mit der Menschengestalt
zurückgekehrt. Aus seinem Kampf als Dämon hatte er nur das ausgeschossene Auge
davongetragen. Mit dem verbliebenen musterte er Leo, dann Virri und Balaen.
„Bist du dir sicher?“, fragte er den Hylianischen Ritter unbeeindruckt.
Der folgte
seinem Blick zu den beieinander hockenden Helden; der eine konnte ohne Hilfe
kaum stehen, der andere vor Erschöpfung nicht einmal aufrecht sitzen. Die
beiden waren ohne jeden Zweifel außerstande, noch weiterzukämpfen. Leo musste
erkennen, dass er der einzige ihres Trios war, der überhaupt noch eine Waffe
führen konnte.
Also rüstete
er das Schwert aus und las den Hylia-Schild auf. Zuletzt löste er den
Greifenmantel, der dramatisch langsam hinter ihm ins Gras rauschte. So stellte
er sich dem abtrünnigen Helden zum Duell. Dieser hatte zwar seine tödlichste
Gestalt verloren, war jedoch noch lange nicht besiegt. Auch er nahm
Kampfhaltung ein.
Für einen
Moment machte keiner der vier Helden ein Geräusch. Kein Wind regte sich. Es war
so still, dass das hölzerne Klicken, mit dem die letzten Äste der Fackelkreise
verglühten, klar zu hören war.
Leo machte
den Anfang, indem er in einem Ausfallschritt nach Link schlug. Der kreuzte mit
der eigenen Waffe; die Stahlklinge glitt an der gold-silbernen ab, bis sie sich
in der zierend, aber unpraktisch geschwungenen Parierstange verhakte. Mit einer
Drehung aus dem Handgelenk entwaffnete Leo den abtrünnigen Helden, und das
Kurzschwert flog davon. Sogleich stach der Ritter zu. Seinem erschöpften Gegner
mangelte es an der üblichen tänzerischen Geschmeidigkeit, als er mit einer
Drehung auswich. Der schützend erhobene Schild wurde von Leos überlegener Kraft
gnadenlos zur Seite gerissen.
Ohne selbst
anzugreifen, ließ Link dies den Heißsporn einige Male wiederholen, bis dieser
sich zu einer Wirbelattacke herumdrehte. Unvermittelt warf sich Link zu Boden,
entging so der horizontal in einem Kreis geführten Klinge. Seitlich rollte er
um Leo herum, und als dieser wieder stillstand, sprang er hinter ihm auf, hieb
ihm den Schild in die Schulter. Unwillkürlich ließ der Hylianische Ritter das
Schwert fallen. Link pflückte es aus der Luft und ging auf Distanz.
Ächzend vor
Schmerz hielt sich Leo die überanspruchte Schulter. Ein dunkelroter Streifen
bildete sich in der grünen Tunika, als Blut sie tränkte – die geschärfte
Schildkante hatte Leo die Haut aufgeschlagen. Automatisch hielt er so Hylias
Wappen vor sich. Trotz der Pein ließ er Link stur nicht aus den Augen.
Auch diesen
hatte das Gefecht, so kurz es gewesen war, in seinem Zustand ausgelaugt. Unter beschleunigter
Atmung ließ der Serienmörder den Eulenschild und das geraubte Schwert sinken.
Mit der Zunge fuhr er sich über die blutigen Lippen. „Ja, ich kann nicht mehr
gewinnen“, spottete Link gelassen, und der Hylianische Ritter zog verärgert die
Augen herab. „Ich habe aber auch nichts mehr zu verlieren. Im Gegensatz zu
euch“, fuhr der abtrünnige Held fort. Seine Miene wurde unerwartet bitter, ja
fast schon melancholisch. „Es muss ein gutes Gefühl sein, zu wissen, dass ihr
dort, wo ihr herkommt, bei eurer Rückkehr mit offenen Armen empfangen werdet.“
In seiner Stimme lag kein Neid, doch es war klar, dass er diese Wertschätzung
seinen drei Jägern auch nicht gönnte. „Ihr habt nie erfahren, was es heißt, ein
einsamer Wolf zu sein. Stattdessen hat man euch zu Schoßhündchen verhätschelt.“
„Du
arroganter, aufgeblasener Mistkerl!“, pfefferte Leo aufgebracht ob dieser bildhaften
Kränkung zurück. „Ich werde dich schon noch zum Platzen bringen!“
Link
bedachte ihn mit eindeutig gelangweiltem, genervtem Mitleid. Dann hob er die
Schultern. „Nur zu. Wenn ihr dem hier wirklich ein sicheres Ende setzen wollt,
nehmt die Maske.“ Mit dem gestohlenen Schwert deutete er auf den fraglichen,
trügerisch harmlos im Gras liegenden Gegenstand, dem noch immer der Pfeil im
Auge stak. „Auch ihr könnt sie benutzen. Ihr seid wie ich. Vor allem du“,
behauptete Link an Virri gerichtet. Schützend hob Balaen den Arm vor den
kleinen, unschuldigen Krieger. Eiskalt sprach der abtrünnige Held weiter: „Ich
weiß, wie es für dich ist, geringer eingeschätzt zu werden, als du eigentlich
bist, nur weil du ein Kind bist. Aber das ist nicht so mit dieser Maske.“ Sein
einäugiger Blick kehrte zu Leo zurück, der dem Verwandlungsgegenstand am
nächsten war. „Nichts und niemand kann mich damit aufhalten. Egal wie stark der
Gegner …“, – nun sah Link Balaen in die Augen, – „… die grimmige Gottheit ist
unbesiegbar.“
Gebannt
musterten die drei Helden, die nur im Trio die einzige Ausnahme für diese Regel
darstellten, die Maske mit unterschiedlichen Graden der Nachdenklichkeit.
Plötzlich
preschte Link, sich in einen Wolf verwandelnd, auf Virri und Balaen zu.
Reflexhaft stellte sich Leo ihm in den Weg, doch der Held in Tiergestalt setzte
über ihn hinweg, sprang von seinem Rücken ab und ließ ihn so der Länge nach
hinbrettern. Aus diesem Sprung wurde er wieder zum Menschen, rollte sich bei
der Landung nach vorn und war dann auch schon beinahe an den ihm wehrlos
ausgelieferten Opfern heran.
Unmöglich
konnte Leo rechtzeitig zu ihrem Schutz herbeieilen. Auf dem Bauch liegend,
richtete er sich auf die Hände auf – und stellte fest, dass er sich mit einer
davon innerhalb der Klammer seines Tauschhakens abstützte. Das andere Ende der
Kette lag ganz in der Nähe seiner Gefährten, auf die Link weiter zuhielt und
schlagbereit das Schwert hob.
Für die
Dauer eines flüchtigen Gedankens begegneten sich die Blicke der beiden Ritter,
und sie verständigten sich ohne Worte.
Balaen warf
sich vor, bekam die Kette zu fassen und ruckte daran. Der Zug aktivierte die
Mechanik der Klammer, die sich nun um Leos Unterarm schloss, und die Krieger an
beiden Enden wechselten fast instantan die Plätze. Krachend fuhr die Klinge von
Links Waffe auf Hylias Wappen hernieder, das Leo ihm aus der Kauerposition
zudrehte. Hinter seinem Retter schnappte Virri nach Luft, und zum ersten Mal
wirkte auch Link ehrlich überrascht.
Der
Hylianische Ritter erhob sich, versetzte dem feindlichen Helden in derselben
Bewegung einen heftigen Stoß mit dem Schild. Diesmal gelang es Link nicht, das
Gleichgewicht zu wahren, und stürzte.
„Wir
brauchen deine miese Maske nicht!“, schmetterte Leo und sammelte sein Schwert
auf, das Link fallen gelassen hatte. Er trat auf den Unbewaffneten zu, stemmte
ihm den Fuß hart auf den Schildarm, damit er sich nicht schützen konnte. Das
Wappen des Hylianischen Ritterordens, dessen am jüngsten ernanntes Mitglied zu
sein Leo sich rühmte, reckte er symbolstark vor sich. Die Schwertspitze
richtete er hinab auf den gefallenen Serienmörder, strafte ihn mit
abgrundtiefer Verachtung.
„Ich hab
endgültig genug von dir!“, donnerte Leo – und ließ die Klinge nach unten schnellen.