Ein Gong ertönte und riss Clea aus dem wundervollem Halbschlaf, in dem sie nur allzu gerne weiter verharrt hätte. Murrend drehte sie sich um und murmelte etwas in die Richtung „Ich will noch nicht aufstehen“. Sie war schon auf einem gutem Weg, wieder einzuschlafen, doch irgendetwas kam ihr seltsam vor. Sie war nicht allein. Und das noch nicht einmal im schlechtem Sinne, so, wie man es aus Horrorfilmen kannte, sondern in einem gutem. Trotzdem war sie jetzt vollkommen wach. Und schlagartig kehrten auch ihre Erinnerungen zurück.
Erleuchtete … Alicia … Cheja … und die Bedeutung des nervigen Geräusches, dem sie ihr Aufwachen zuschreiben konnte. Es gab gleich Essen. Seltsam, sonst war sie doch Frühaufsteherin … Wobei sie sich keinen Vorwurf machen konnte, nach all dem, was gestern und die Nacht zuvor geschehen war … 'Bloß nicht in Gedanken versinken, sonst gibt’s nichts zu Essen!', hielt sie sich davon ab, vollkommen in ihren morgendlichen Philosopien zu versinken. Mit jeder Menge Überwindungskraft gelang es ihr schließlich, sich vom Bett zu erheben. Schlaftrunken, wie sie war, wäre sie beinahe über ihren Rucksack, der am Kopfende stand, gestolpert und der Länge nach hingeflogen. Ihre Reflexe arbeiteten anscheinend aber schon. Und so machte sie einen großen Ausfallschritt und fing den Sturz ab. Danach um einiges vorsichtiger, ging sie zur Tür und spähte auf den Flur. Sie hatte im Moment nicht besonders Lust auf ein Gespräch. Nachdem sie den Gang als leer befunden hatte, huschte sie zur Toilette. Sie besah sich kurz im Spiegel und drehte dann den Wasserhahn auf. Kaltes Wasser rann über ihre Handknöchel und sie schauderte wohlig. Dann formte sie die Hände zu einer Schale und ließ das Wasser sich in ihnen sammeln. Langsam führte sie die Hände zum Gesicht und klatschte sich dann das Wasser ins Gesicht. Sie japste. So kalt hatte sie sich es nicht vorgestellt. Immerhin war sie jetzt wach. Sie schaffte es sogar, sich ein Lächeln abzuringen. Ihr Spiegelbild sah schon um einiges freundlicher aus. Zufrieden tapste sie zurück ins Zimmer. Sie holte ihrem Mp3-Player hervor und schaltete ihn ein. Sie konnte eindeutig etwas Musik vertragen. Außerdem nahm sie ihre Klamotten aus ihrem Rucksack und wollte sich bereits umziehen. Doch dann fiel ihr Cheja ein. In Sekundenschnelle errötete und suchte das Weite. Letztendlich landete sie wieder im WC. Sie schloss sich in einer Kabine ein und zog sich rasch um. Wäre es nach ihrer Stimmung gegangen, hätte sie einen flauschigen Wollpulli getragen, dessen Ärmel zu lang wären und in dem man sich wunderbar verkriechen könnte. Draußen hätte ein Herbststurm gewettert, bei dem man froh wäre, sich im warmen und gemütlichem Haus zu sein. Aber nein, es war Sommer. Hochsommer. Und so trug sie ihr blau-grünliches Lieblingsshirt sowie eine Dreivierteljeans. Mit eiligen Schritten ging sie zurück zum Zimmer und ließ ihre Schlafsachen auf das Bett fallen und holte ihre Schuhe hervor. Schnell schnürte sie sie zu und sah ihre Bürste dabei zweifelnd an. Sie beschloss, das Haarekämmen auf nach dem Frühstück zu verschieben. Hier kannte sie – noch – niemand. Und auch, wenn sie wohl bloß mit etwas Glück auf jeden hier schon einen Blick geworfen hatte, war sie sich sicher, dass es niemanden kümmern würde, ob ihre Haare gekämmt waren oder nicht. Bevor sie das Zimmer allerdings verließ, schnappte sie sich ihre graue Sweatjacke und zog sie über. Sie wollte am noch kühlem Morgen ja nicht gleich erfrieren.
Zu 'Fireflies' lief sie den Gang entlang, die Arme locker herabhängend. Als sie den Speisesaal schließlich erreicht hatte, stellte sie die Musik leiser und nahm einen Stöpsel aus den Ohren. Ganz ohne Musik wollte sie aber nicht sein, irgendwie gab ihr diese eine gewisse Vertrautheit und Sicherheit. Neugierig sah sie sich um und stellte fest, das die Meisten wohl schon da waren. Auch sah sie sich das Buffet näher an und machte große Augen. Wie es schien, gab es Waffeln – und das am Morgen! Clea bedauerte jetzt schon, dass es sich nicht um das Abendessen handelte. Morgens bekam sie einfach noch nicht herunter. Hastig, weil schon fast alle Waffel alle waren, nahm sie sich einen Teller und Besteck. Dann lud sie sich zwei Waffeln auf – und schon das war eigentlich zu viel. Hinzu kam noch ein Früchtetee, der an sich auch nicht zu ihrer gewöhnlichen Morgenration gehörte. Aber wenn es welchen gab, nahm sie ihn doch gerne. Sie setzte sich etwas abseits der Anderen, auch wenn diese im Moment nicht besonders gesprächig wirkten. Sicher war sicher. Still vertilgte sie die Waffeln und wärmte sich die Hände an der Teetasse. Genüsslich leerte sie auch diese und erhob sich dann. Schnell war das Geschirr weggeräumt. Und ebenfalls schnell stand sie wieder vor ihrer Zimmertür. Sie stellte den MP3-Player aus und legte ihn aufs Bett zu den anderen Sachen. Dann wühlte sie – wieder einmal – in ihrem Rucksack und holte ihre Brille heraus. Sie öffnete das Etui und setzte sie auf. Warum genau, wusste sie nicht, aber schließlich würden sie sich in einem Klassenraum treffen. Da konnte eine Brille sicher nicht schaden. Wer wusste schon, ob sie Power-Point-Vorträge erwarteten?
Sunny kam hinter dem Bett hervor und miaute sie anklagend an. Bevor sich ihre Katze irgendetwas Verrücktes einfallen lassen konnte, nahm sie die Katzenfutterschachtel und füllte einen der Näpfe. Zufrieden sah Sunny sie an, als wollte sie sagen 'Geht doch'. Im anderem Napf war noch Wasser, also verließ Clea das Zimmer wieder und eilte zu den Klassenräumen. In welchem sie sich treffen wollten, hatte sie zwar schon wieder vergessen, doch zum Glück stand eine Tür offen. Und wo sonst sollten die Anderen schon sein? Sie drosselte das Tempo, sobald sie den Raum betrat, und setzte sich auf einen der freien Stühle. Bald darauf kam Alicia. Sie erzählte von dem bevorstehendem Stadttrip. Außerdem stellte sie das Mädchen, das neben ihr stand, als Kasumi vor und forderte sie dazu auf, sich auch vorzustellen. Das Mädchen erklärte ihre Fähigkeit und ließ dabei das Wort 'Nebelmensch' fallen, was sich nach Cleas Meinung ziemlich schön anhörte. Sie meinte auch, dass sie ruhig etwas über ihre Fähigkeiten verraten könnten.
Daraufhin fingen die Ersten an, sich vorzustellen. Sie sahen allesamt ziemlich kritisch drein und schienen sich zu fragen, was das werden sollte. Wahrscheinlich waren sie sich einfach nur zu cool, mehr preiszugeben, als den Namen. Innerlich regte Clea sich gerne über solche Leute auf, doch ihre Gedanken wurden von Mr. Quietsch – zugegeben ein selten dämlicher Spitzname – alias Lewis unterbrochen, der das machte, was er am Besten konnte – Reden. Auch musterte sie einen Jungen namens Xaroc, der ihrer Meinung nach beinahe etwas sehr viel von sich preisgab. Aber er war ihr wesentlich sympathischer als diese Kritiker. Danach folgte ein Mädchen namens Tonja, die sogleich über Lewis herzog. Dabei verriet sie allerdings auch seine Kräfte – und das war wirklich sehr nützlich zu wissen. Sie nahm sich vor, ihn im Auge zu behalten. Sie wollte nicht um ihre Wahrnehmung betrogen werden. Dann stellte sich Marika vor, die tatsächlich ihre Fähigkeit ohne einen riesigen Aufsatz nannte.
Nun war es wohl an ihr. Sie senkte den Blick, um all ihren Mut zu sammeln. Beinahe kam sie sich schon albern vor. Aber irgendwann würde sie es hinter sich bringen müssen. Lieber früher als später. „Ich heiße Clea. Meine Fähigkeit … Na ja, ich kann unter Wasser atmen. Wie ein Fisch.“ Kaum hatte sie den letzten Satz hervorgebracht, färbten sich ihre Wangen in einem zartem Rosa. Hatte sie sich wirklich so kindlich und undurchdacht angehört oder kam es ihr nur so vor?
Auf jeden Fall musste sie dringend selbstbewusster werden, die anwesenden Personen würden sie wohl weder auffressen noch auslachen, sollte sie etwas unpassendes sagen. Aber so einfach war es wohl nicht, einen über Jahre aufgebauten Schutzwall zu überwinden, erst recht nicht bei Personen, die sie kaum bis gar nicht kannte.
OT: /Edit: Fixed some Layout problems oder so