Nachdem ein Junge ebenfalls den Balken gepackt hatte und ein anderer das Mädchen weggezogen hatte,
wand sich die Blauhaarige den gefangenen Männern zu. Ein Junge hatte seinem Schiggy befohlen, Blubber auf die Balken,
die den Männern den Weg versperrten, einzusetzen. Die Blauhaarige hatte vorgeschlagen, sie einfach im Schutze
der Wasserattacke mit Tackle niederzureißen und gab ihrem Fritzelblitz den Befehl zum Angriff. Dieses sah sie verwirrt an.
Nach einer Erklärung tat es, was von ihm verlangt war. Während Liv noch überlegte, ob ihr Pygraulon Tackle
beherrschte und ob es nicht noch zu erschöpft von der Psychoattacke war, eilten schon andere „Kinder“ zur Hilfe.
Die Balken barsten und die Männer traten zu der Gruppe. Irgendwie fühlte Liv sich schuldig,
weil sie nicht bei der Rettung mitgeholfen hatte. Auch wenn die Anderen das so schnell geschafft hatten.
Liv sah wieder zu der Blauhaarigen. Sie und ein paar Andere versuchten gerade,
das Mädchen rauszubringen. Diese wehrte sich allerdings und schrie: „Wo sind sie?“
Einer der Männer fragte überrascht, ob ihre Partner nicht bei ihr wären. Ein mulmiges Gefühl breitete
sich in Livs Magengrube aus. Hier waren noch Pokemon? Nicht gut. Die Blauhaarige wies die Männer,
die sie begleitet hatten, an, das Mädchen und die Geretteten rauszubringen. Einem nervös wirkendem Jungen
aus der Gruppe, den sie Alec nannte, trug sie auf, die Pokemon wegzuschaffen. Dann sagte sie,
dass einige von ihnen noch hier blieben. Also verabschiedete Liv sich von Pygraulon und brachte es zu
den anderen Babys.Entsetzt sah sie die Blauhaarige an. Sie sollten noch länger bleiben?
Gerade jetzt meinte sie zu spüren, wie der Turm sachte im Wind hin und her wiegte.
Sofern das überhaupt möglich war. Aber bisher hatte die junge Frau bloß sinnvolle Anweisungen gegeben.
Einer der Männer wand sich noch einmal um und stellte fest, dass die Pokemon wohl durch
den Boden gebrochen sein mussten. Drei Pokemon? Bromzeturm? Brand? Irgendetwas klingelte bei Liv,
aber sie kam nicht drauf, warum ihr das alles so bekannt vorkam. Hinter den Trümmern, die um das Mädchen herum
gelegen hatten, war ein Großteil de Decke weggebrochen. Darunter befand sich ein riesiger, brennender Trümmerhaufen.
Aus ihm lugte eine buschige Schwanzspitze. An einer anderen Stelle erkannte Liv gelbes, pieksiges Fell. Langsam näherte
sich die Gruppe. Dann musste sie innehalten, da die Hitze einfach zu groß war. Von weiter oben drang
plötzlich ein Fiepsen. Der Kopf sowie eine Vorderpfote eines Aquanas ragten aus den Trümmern.
Seine Augen schimmerten traurig. Kraftlos schüttelte es den Kopf, als wollte es weitere Rettungsversuche verhindern.
Dann seufzte es beinahe erleichtert und sein gepeinigter Körper erschlaffte. Nur mit Mühe konnte Liv ihre Tänen
zurückhalten. Das Pokemon war gestorben, das war ihr klar. So ein schmerzvoller Tod …
„Gehen wir!“, schallte eine Stimme durch Livs Gedanken, die gerade bei ihrer Großmutter angelangt waren,
„Wir können hier nichts mehr tun. Also sollten wir verschwinden. Die Blauhaarige, die gesprochen hatte,
schnappte sich ein verdutzt wirkendes Mädchen, das gerade auf den Haufen zu gerannt war, und zog es mit raus.
Liv riss sich endgültig von ihren düsteren Gedanken los und folgte den Beiden. Als alle aus dem Turm getreten waren,
sah das Mädchen, welches sie gerettet hatten, sie erwartungsvoll an. Sie bemerkte, dass die „Kinder“ keines ihrer Pokemon
gerettet hatten und versuchte sich loszureißen.
Auf einmal vernahm Liv ein Krachen hinter sich. Sie drehte sich erschrocken um und sah, wie der Turm wie ein Kartenhaus
in sich zusammenfiel. Rauch quoll aus den Öffnungen und die Trainer und die Männer wichen zurück.
„Der Bronzeturm fällt. Wir haben in unserer Pflicht versagt.“ stellte einer der Blauroben verzweifelt fest. Liv schluchzte
– wie viele andere auch – laut auf. Traurig wand sie ihren Blick gen Boden. Dort saß Pygraulon und sah sie an.
Sie nahm es hoch und stellte fest, wie verletzt es wirkte – nicht äußerlich, sondern innerlich. Sie hatte das Gefühl,
dass das alles viel zu viel für ihren Partner gewesen war. Es war doch noch ein Baby. Sie drückte es fest an sich,
um ihm Sicherheit zu geben.
Ein starkes Schwindelgefühl überkam sie. Es wurde Schwarz vor ihren Augen. Etwas zischte über ihr.
Dann wurde ihr Sichtfeld wieder klarund sie sah das Feuerwerk. Wo auch immer sie gewesen war,
jetzt war sie wieder zurück. Vorsichtig, um nicht aufzufallen, nahm sie ihre Schutzmaske und Pygraulons Tuch ab.
Dann wischte sie sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel und sah sich um.
Die anderen waren auch wieder da und waren wohl genauso verwirrt wie sie.
„Was nur aus den Pokemon im Turm geworden ist?“ fragte sich ein Mädchen abwesend.
Daraufhin kam Jens auf sie zu. Ein verwirrter Ausdruck zierte sein Gesicht – wahrscheinlich wegen dem Ruß,
der an ihnen haftete – und fragte zurück: „Ihr wollt wissen, wie die Legende ausgegangen ist? Man erzählt sich,
dass die drei Pokemon in den Flammen gestorben sind, aber Ho-oh, das noch einmal zurückkam, Mitleid mit
den Wesen hatte und um sie weinte. So nutzte es die Kräfte seiner geheimnisvollen Zauberasche und schaffte es,
ihnen wieder Leben einzuhauchen – mithilfe der Kräfte von Donner, Vulkan und der Nordwinde. Und seither …",
er setzte eine fiese Kunstpause, „streifen sie rastlos durch das Land. Vielleicht habt ihr schon von ihnen gehört –
es soll sich um Legenden handeln.“ Liv hatte von ihnen gehört. Ein Sammelband der Jotholegenden war seit
langem ihr Lieblingsbuch gewesen.
Suicune, Raikou, Entei …
Wasser, Elektro, Feuer …
Aquana war wohl zu Suicune geworden, Blitza – für Liv stand inzwischen fest, dass bloß von diesem das
pieksige Fell stammen konnte – zu Raikou und Flamara, von dem man nur den Schweif gesehen hatte, zu Entei.
Von Evoli-Entwicklungen zu legendären Pokemon. Sie konnte es kaum glauben.
Wenn ihre Vermutungen stimmten, hatte sie gerade eine der bekanntesten Legenden miterlebt!
OT: Hoffentlich ist es okay, dass Liv das weiß