Das ist jetzt leider lang geworden, aber ich beruhige hier mal alle: wer keine Lust hat, das zu lesen, muss es nicht tun, da es die anderen Charaktere keinsfalls beeinflusst, sondern nur wichtig für Gareth ist.
Der Flug auf Lugia war für Gareth unvergesslich. Nicht nur, dass er dem unglaublichen Pokemon begegnet war - als er ihm mit der Hand über den Rücken gestrichen hatte, um aufzusteigen, hatte sich wie von selbst eine der strahlend weißen Federn unter seinen Fingern gelockert und war in seiner Hand verblieben. Die Feder hatte er sich nach der Ankunft in Anemonia City an den Mantelkragen geheftet. Da die meisten Leute Lugia nicht kannten oder es für eine Legende hielten, ging die Feder bei dem größten Teil der Bevölkerung problemlos als normale Kuriosität oder Schmuckgegenstand durch.
Ignoranz ist ein Segen.
Dann war die Gruppe jemandem begegnet, den sie offenbar zu kennen schien. Jemand namens Bill, und er schien zu der Gruppe von Leuten zu gehören, die auch ohne einen Nachnamen berühmt genug war. Er schien irgendwie für ein Computersystem vernatwortlich zu sein, aber wie das funktionierte oder welchen Sinn es erfüllte, blieb Gareth völlig fremd.
Er zog sich recht zeitig zurück, nachdem er seine Pokemon zur Komplettversorgung im Center einer der Angestellten übergeben hatte.
Praktischerweise war das winzige Zimmer mit Bett und angeschlossenem Bad immer noch verfügbar gewesen und sah, abgesehen davon, dass das Bett gemacht worden war, immer noch so aus wie an dem Tag, als er es verlassen hatte und am Strand die Gruppe getroffen hatte.
Er lag auf einem Tisch, das war sicher. Hart und hölzern und unbequem und ganz und gar nicht dafür geeigent, darauf zu liegen. Er versuchte sich zu bewegen... und stellte fest, dass er an Hand- und Fußgelenken auf den Tisch geschnallt sein musste. Hasserfüllt riss er an den Fesseln, aber er musste schnell einsehen, wie sinnlos es war. Besser, er hob seine Kraft für das auf, was vor ihm liegen mochte.
Leise Schritte erklangen aus der Dunkelheit. Mit der näherkommenden Gestalt rückte auch ein flackernder Lichtschein näher und vertrieb allmählich die Dunkelheit. Gareth registrierte, dass er sich in einem Keller befand. Offenkundig. Oder in einem ähnlichen Raum. Dann war die Gestalt herangekommen und Gareth erkannte in dem Fackelschein Phenrig, seinen Lehrmeister - zu seiner größten Überraschung.
Er musste ihm die angetan haben. Wütend funkelten Gareth sonst emotionslose, schwarze Augen den alten Mann an.
Phenrig starrte zurück. Seine Hand strich Gareth leicht über die Stirn. "Entspann dich", zischte sein Lehrmeister. Ich muss ihm gehorchen, dachte Gareth. Keine Entscheidung, die ihm leichtfiel. "Sehr gut... und jetzt schärfe deinen Geist. Greife auf deine Erinnerungen zurück, die du besitzt. Du musst dich erinnern. Los, erinnere dich an das, was du vergessen hast!"
Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Er begnügte sich damit, seinen Meister weiterhin hasserfüllt anzustarren.
"Dann muss es sein. Ich hatte gehofft, wir würden das nicht noch einmal tun müssen..." Phenrig hob die Hand, und aus dem Schatten außerhalb des Fackelscheins schälte sich Kami, das herzlose Alpollo, das Phenrig trainierte. Seine Augen glitzerten aus Vorfreude auf den Befehl, den es gleich erhalten würde. "Nachtnebel" flüsterte Phenrig. Und im nächsten Moment verging Gareths Welt in einem Wirbel aus Schmerz.
Sein Kopf fühlte sich an, als würde er im nächsten Moment platzen. Und mitten in den Strudel aus Schmerz erschienen plötzlich Bilder und unzusammenhängende Fetzen aus Ton und Farbe, die versuchten, sich zu einem zusammenhängenden Film zusammenzusetzen. Das Bild einer Stadt schälte sich deutlich hervor... er erkannte Teak City, die Stadt, in der er lebte. Unverkennbar waren die beiden Türme, die Wahrzeichen. Ein anderes Bild überlagerte das erste, und auch hierbei handelte es sich um eine stadr. Eine stadt, die ebenfalls von einem beeindruckenden Turm beherrscht wurde, deren Baustil aber nicht an den von Johto erinnerte. Eine düstere, traurige Atmosphäre schien über dieser Stadt zu hängen und eine seltsame Vertrautheit schien von ihr auszustrahlen... das Bild wurde klarer und größer. Zwischen den Häusern schlichen zwei dunkle Gestalten im strömenden Regen auf der Suche nach schutz vor dem Unwetter einher... und plötzlich verband eine zischende Stimme in seinem Kopf das Bild der Stadt mit einem Namen: Lavandia.
Mit einem lautlosen schrei erwachte Gareth. Sein Kopf schmerzte fürchterlich. Xana, welche die Nacht wie immer frei im Zimmer umherschwebend verbrachte, betrachtete ihn neugierig, während sie durch die Psywelle herauszufinden versuchte, wie es ihrem Trainer ging und was ihn gerade bewegte. Gareth schaffte es in dieser Nacht nicht mehr, Schlaf zu finden.
Am nächsten Morgen waren sie aufgebrochen. Die gruppe und Gareth, der sich ihnen angeschlossen hatte und offensichtlich weitestgehend toleriert wurde. Die Kopfschmerzen wurden von der frischen Meeresluft weggeweht, seine Pokemon waren einsatzbereit und Lugias feder schien eine Kraft und energie auszustrahlen, die berauschend wirkte. Berauschend nach... Macht. Gareth würde diesem Verlangen so bald wie möglich nachkommen. Am rande hatte er mitbekommen, was Bill der gruppe geschrieben haben mochte, und noch war ihm auch nicht klar, was er mit dem Gutschein mit Passwort, den sie ihm gegeben hatten, anfangen sollte. Das würde sich sicher später alles klären. Vorerst ruhte das eigenartige Geschenk in seinem Rucksack. Und was Team Sacrim anging- das war nicht seine Angelegenheit. Aber wenn er bei dieser gruppe bleiben wollte, würde es vielleicht früher oder später darauf hinauslaufen, dass es zu seinem Problem werden würde.
Wie üblich herrschte in der Gruppe nicht einmal ansatzweise eine Einigung darüber, was man nach der Ankunft in Dukatia City tun sollte. Da der Trainer namens Surion immer noch derjenige mit der meisten Initiative war, folgte Gareth ih kurzerhand. Den Rest der gruppe würde er schon wiederfinden. Und wundersamerweise führte Surion ihn tatsächlich ohne Umwege zur Arena.
Ein kühles Lächeln glitt über Gareths Gesicht. Macht. Man musste nur wissen, wo man sie finden konnte.