Ich weiß gar nicht, ob ich bei mir von richtiger Nostalgie sprechen kann... ich bin ja ein relativ neuer Anime-Schauer, verglichen mit einigen anderen hier. Ja, okay, inzwischen auch gut 6 Jahre, aber in meiner Kindheit habe ich außer Pokémon keine Anime geschaut, meinen ersten "richtigen" Anime habe ich dann eben erst 2014 gesehen - da war ich schon 17, also so gut wie erwachsen. Für einige der Anime, die ich da anfangs gesehen habe, beispielsweise Log Horizon oder Stein;Gate, empfinde ich natürlich etwas Nostalgie, allerdings nicht in einem Ausmaß, dass ich diese Anime allein deswegen in den Himmel loben würde... obwohl sie selbstverständlich trotzdem sehr gut sind, vor allem Steins;Gate, welches ich auf MAL nach wie vor mit 10 Punkten in meiner Liste stehen habe. Aber ich muss denke ich niemandem erklären, warum das gut ist und dass es keine Nostalgie braucht, um das zu mögen.
Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass viele ältere Serien hauptsächlich aufgrund von Nostalgie so beliebt sind... und damit meine ich vor allem die typischen Main Stream Shounen wie Dragonball, die halt auch hierzulande im TV gelaufen sind bzw immer noch laufen. Was ich wie gesagt verpasst habe - später habe ich dann tatsächlich versucht, noch bei einigen davon einzusteigen, aber keines konnte mich wirklich fesseln, weder Dragonball, noch One Piece oder Naruto. Eine Ausnahme ist hier interessanterweise Fairy Tail. Das dürfte wohl der längste Anime sein, den ich gesehen habe, und das war damals auch noch ganz am Anfang, als ich gerade erst angefangen habe, mehr und mehr Anime zu schauen (damals habe ich glaube ich innerhalb eines Monats zur aktuellen Episode aufgeschlossen... heute würde ich vermutlich ein ganzes Jahr dafür brauchen; und Fairy Tail ist ja noch etwas kürzer als beispielsweise Dragonball, da habe ich einfach nicht mehr die Motivation, mich durch all diese hunderten von Episoden zu arbeiten). Mit ein Grund, warum von diesen ewig langen Shounen einzig Fairy Tail mich halten konnte, war wohl schlichtweg, dass es halt der erste Anime dieser Art war, den ich gesehen habe. An Dragonball habe ich mich dann erst viel später versucht, als ich schon zahlreiche weitere Anime kannte und von dem her wusste, dass es deutlich besseres gibt - zumindest für mich (was im Übrigen nicht heißen soll, dass ich Fairy Tail auf einmal schlecht finde - ich glaube sogar, ich würde es auch noch genießen, wenn ich es heute erst beginnen würde; nur sind solche riesigen Episoden-Zahlen halt mittlerweile auch ein großer turn off für mich).
Was ich damit letztlich eigentlich nur sagen will: Ohne Nostalgie ist es halt schon irgendwie schwer, als Erwachsener in Anime wie Dragonball, One Piece und so reinzufinden. Selbst die letzte Staffel von Fairy Tail, die ja leider nicht mehr ganz so gut war, hätte ich ohne diesen Hauch Nostalgie, weil Fairy Tail eben mein allererster Shounen war, wohl nur schwer ertragen.
Ich bevorzuge inzwichen jedenfalls "moderne" Shounen wie Boku no Hero Academia oder Kimetsu no Yaiba, die das Genre etwas aufrütteln und den Tropes einen neuen Hauch an Kreativität verleihen.
Aber wie sieht es abgesehen von den typischen Main Stream Shounen aus? Ich bin mal durch meine Liste auf MAL gegangen und hab mir einige ältere Anime rausgeschrieben - und älter bedeutet in dem Fall zwischen 2000 und 2010. Ich denke nicht, dass ich schon mal einen Anime von vor dem Jahr 2000 gesehen habe (es sei denn, man zählt die paar Episoden Dragonball, die ich mir mal angetan habe).
Kann sein, dass ich welche übersehen habe, aber das sollten so ziemlich alle von mir gesehenen Anime sein, die vor 2010 rauskamen (oder deren Ausstrahlung zumindest vor 2010 begann):
Fullmetal Alchemist: Brotherhood (2009)
Fairy Tail (2009)
To Aru Kagaku no Railgun (2009)
Spice & Wolf (2008; davon lese ich momentan die Light Novels, sehr empfehlenswert)
To Aru Majutsu no Index (2008)
Soul Eater (2008)
Kara no Kyoukai (2007)
Clannad (2007)
Claymore (2007)
Death Note (2006)
Black Lagoon (2006)
Fate/stay night (2006)
Hellsing Ultimate (2006)
Elfen Lied (2004)
Wie sieht es mit der Qualität dieser "älteren" Anime aus? Nun, im Großen und Ganzen nicht schlecht, da ich die meisten davon sehr mag. Ausnahmen wären beispielweise Majutsu no Index, welches ich nach ca 9 Episoden gedropt habe (das Spin-Off Railgun ist dafür richtig gut), oder Hellsing Ultimate, was ich zwar komplett gesehen habe, jedoch gehört es zu meinen am wenigsten gemochten Anime.
Elfen Lied ist also am ältesten, davon habe ich sogar mal den Manga gelesen, welcher natürlich noch älter ist. Von Fate/stay night kenne ich auch die Visual Novel, auf der es basiert, und welche im Januar 2004 veröffentlicht wurde, also noch vor dem Anime von Elfen Lied.
Der deutliche Großteil der Anime in meiner Liste stammt also aus den 2010ern, und man merkt stilistisch durchaus einen deutlichen Unterschied zu älteren Anime (man muss nur mal Fate/stay night 2006 und Fate/stay night: Unlimited Blade Works, was 2014 rauskam, vergleichen, um gut zu sehen, wie sich selbst im selben Franchise der Stil weiterentwickelt hat; das andere Studio spielt dabei natürlich auch eine Rolle, aber man erkennt schon, dass UBW rundum deutlich moderner wirkt, obwohl die Handlung in Teilen sehr ähnlich ist).
Kunst entwickelt sich eben weiter, ebenso die gesamte Branche, und vieles wird heutzutage schlichtweg anders gemacht als damals, wirklich schlechter sind die heutigen Anime deswegen aber nicht. Nur eben anders. Und mir persönlich gefällt die stilistische Entwicklung der Anime-Branche - ja, manchmal fühlt es sich ein bisschen so an, als würde es zu viel generischen Harem-Ecchi-Mist geben, aber das schmälert nicht all die Juwelen, die man dazwischen auch immer wieder findet.
Und um ehrlich zu sein, habe ich einfach das Gefühl, das heutzutage vieles sehr schnell overhated wird, unabhängig von Nostalgie, weil gefühlt immer mehr Leute meinen, eine Serie oder einen Film nur dann genießen zu können/dürfen, wenn alles daran absolut perfekt ist - was sowieso nie der Fall sein wird. Vielleicht kommt es mir nur so vor, aber haben die Menschen früher sich auch über jedes vermeintliche Plot-Hole (die meistens nichtmal welche sind) aufgeregt, als würde davon die Welt untergehen? Ich glaube nicht. Und wenn dann dazu noch so Dinge gesagt werden, wie dass es heute keine guten Anime mehr gebe, weiß man schon, mit welch oberflächlichen, hasserfüllten "Fans" man es zu tun hat, mit denen sich eine Diskussion meistens sowieso nicht lohnt.
Gutes Beispiel dafür ist wie stets Sword Art Online, der wohl overhatedste Anime in der Geschichte, der von vielen mal eben als der schlechteste Anime aller Zeiten bezeichnet wird, obwohl er das schon rein von der Animationsqualität her nicht sein kann (die Animationen der ersten Staffel, die inzwischen auch fast ein Jahrzehnt alt ist, können sich heute noch problemlos sehen lassen), ganz zu schweigen davon, dass die Handlung nicht schlechter ist als bei vielen anderen Anime, erst recht nicht im Vergleich zum typischen Ecchi-Harem. Es ist mir wirklich ein Rätsel, warum so viele sich gerade auf SAO stürzen, wo es doch einige Anime gibt, die es weit mehr verdient hätten. Wahrscheinlich letztlich schlichtweg wegen der Popularität, immerhin ist SAO nach wie vor einer der erfolgreichsten Anime der 2010er.
Aber naja, ich schweife ab. Letztlich ist es doch eigentlich offensichtlich, dass es heute auch noch sehr gute Anime gibt, die sich vor der "älteren" Konkurrenz nicht verstecken müssen, oder? Und oft gibt es heute sogar noch bessere, weil nicht nur Animationen sich kontinuierlich weiterentwickeln, sondern auch das writing und worauf bei den Charakteren wert gelegt wird. Zumindest meinem Geschmack entsprechen einige neuere Anime mehr als viele ältere, denke ich, wobei ich wie gesagt auch für älteres offen bin. Immerhin sind einige der oben aufgezählten Anime in den Top 10% meiner Animeliste.
Um nochmal etwas genauer auf das oben erwähnte Beispiel von Fate/stay night einzugehen, dazu hab ich kürzlich einen Post auf reddit gesehen, anhand dessen man die Entwicklung des Stils gut erläutern kann: Reddit-Link
In dem Clip sieht man zuerst das Duell zwischen Saber und Lancer - einmal von ufotable aus dem Jahr 2014, dann von Studio Deen aus dem Jahr 2006 - und dann den "Kampf" zwischen Rin und Shirou in der Schule, auch wieder erst ufotable, dann Deen.
Abgesehen natürlich von der überlegenen Animationsqualität der ufotable-Adaption erkennt man vor allem an der Schul-Szene eine Änderung des "Fokus" des Anime. Während bei Deen zusätzlicher comedic relief eingebaut wird (die Art und Weise, wie Shirou losrennt; das Erzittern beim Springen von der Treppe; Shirous zufälliger kurzer Blick unter Rins Rock), konzentriert sich ufotable auf das Wesentliche, nämlich die Gefährlichkeit der Situation, verkörpert von einer gnadenlosen Rin und einem wirklich um sein Leben laufenden Shirou. Man könnte argumentieren, dass Deens Version dieser Szene einen gewissen Charme hat, der bei ufotable fehlt, mir persönlich gefällt allerdings die realistischere Herangehensweise der moderneren Adaption deutlich mehr, immerhin ist das ein Kampf auf Leben und Tod zwischen zwei Magiern. Selbst die grundlegende Zeichenart der Charaktere verkörpert diesen Unterschied - bei Deen sind sie etwas "cartoonhafter", wirken jünger, haben größere Augen... man könnte fast sagen, die Charaktere sind ein kleines bisschen verniedlicht. Bei ufotable hingegen wirken sie ihrem Alter angemessen und eben realistischer.
(Btw würde ich ein Remake der Fate-Route durch ufotable richtig feiern.)
Letztlich ist das Ganze natürlich nur ein einzelnes Beispiel unter hunderten Anime verschiedenster Studios, die alle ihren eigenen Stil haben, dennoch finde ich, dass man daran einigermaßen sieht, wie sich die Prioritäten im Laufe der Jahre etwas verschieben, zum Beispiel eben, was Humor und Charakterdesign angeht.
Und nur weil einem diese Änderungen vielleicht nicht gefallen, muss das nicht bedeuten, dass sie schlecht sind.